Großbritạnni|en und Nordịrland,
Fläche: 242 900 km2
Einwohner: (1999) 58,74 Mio.
Hauptstadt: London
Amtssprache: Englisch
Nationalfeiertag: Offizieller Geburtstag des Monarchen
Zeitzone: WEZ
Vereinigtes Königreich von Großbritạnni|en und Nordịrland, amtlich englisch United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland [jʊ'naɪtɪd 'kɪȖdəm ɔf greɪt 'brɪtn ænd 'nɔːȓn 'aɪələnd], Monarchie in Nordwesteuropa, umfasst England, Wales, Schottland und Nordirland. Einzige Landesgrenze ist die Nordirlands gegen die Republik Irland. Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland hat eine Fläche von 242 900 km2 und (1999) 58,61 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist London. Die britischen Kanalinseln mit 192 km2 Fläche und (1996) 147 000 Einwohner sowie die Insel Man mit 572 km2 Fläche und 72 000 Einwohner gehören staatsrechtlich nicht zum Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, sie unterstehen direkt der Krone. Die Amtssprache ist Englisch. Währung: 1 Pfund Sterling (£) = 100 New Pence (p). 1995 wurden die britischen Maße und Gewichte auf das metrische System umgestellt. Zeitzone: WEZ.
Staat und Recht:
Großbritannien und Nordirland kennt weder eine geschriebene Verfassung noch ein Verfassungsrecht mit höherem Rang als gewöhnliches Gesetzesrecht. Die Verfassungsordnung beruht zu einem großen Teil auf ungeschriebenem Recht (Gewohnheitsrecht und Billigkeitsrecht) oder auf einzelnen Gesetzen: Magna Charta libertatum (1215), Petition of Right (1628), Habeas Corpus Act (1679), Bill of Rights (1689), Act of Settlement (1701), Union with Ireland Act (1800), Representation of the People Acts (1832 und 1928), Parliament Acts (1911 und 1949). Daneben gelten als Rechtsquellen: durch Gerichtsentscheidungen über Verfassungsfragen geschaffene Präzedenzfälle (Judicial precedent) und die Conventions, die, ohne eigentliche Rechtsnormen zu sein, eine diesen gleichgestellte Wirkung haben.
Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ist eine parlamentarisch-demokratische Erbmonarchie des Hauses Windsor (Umbenennung von Sachsen-Coburg-Gotha im Jahre 1917). Der Monarch (seit 1952 Elisabeth II.) ist Staatsoberhaupt, Haupt des Commonwealth of Nations und weltlicher Oberhaupt der anglikanischen Kirche (Church of England), der er angehören muss. Für den Monarchen ist die Ehe mit einem Mitglied der katholischen Kirche ausgeschlossen (über die Beseitigung dieser Regel wird diskutiert). Thronfolger ist der älteste Sohn, der in der Regel den Titel eines Prince of Wales annimmt; bei Fehlen von Söhnen ist auch weibliche Thronfolge möglich. Der Thronverzicht bedarf gesetzlicher Genehmigung. Die politischen Mitwirkungsrechte des Monarchen sind heute sehr begrenzt: Für sein Handeln ist er nicht zur Verantwortung zu ziehen (»The King can do no wrong.«). Ihre eigentliche Aufgabe findet die Krone in der symbolischen Verkörperung der Nation und ihrer historischen Kontinuität. Der Monarch hat zwar ein umfassendes Konsultationsrecht und genießt in sämtlichen Regierungsgeschäften volle Akteneinsicht, erfüllt jedoch v. a. Repräsentationsaufgaben. Daneben obliegen ihm u. a. der nominelle Oberbefehl über die Streitkräfte, die Berufung des Premierministers, die Auflösung des Parlaments auf Vorschlag des Premierministers, die Verlesung der jährlichen Thronrede, die vom Premierminister als Regierungs-Programm verfasst wird, sowie die förmliche Unterzeichnung sämtlicher vom Parlament beschlossenen Gesetze (Royal assent). Ein königliches Veto gegen Gesetz wurde zuletzt 1707 eingelegt.
Die Legislative liegt beim Monarchen und beim Zweikammerparlament, bestehend aus dem Oberhaus (House of Lords) und dem Unterhaus (House of Commons). Es entspricht einem wesentlichen Grundprinzip des britischen Verfassungslebens, die unbedingte Souveräntität des Parlaments anzuerkennen, dessen Willen als Einzigem sich Bürger und Staatsgewalt zu unterwerfen haben.
Dem Oberhaus gehören gegenwärtig (September 2000) 695 Mitglieder an: 92 Träger erblicher Peerswürden (darunter 4 Frauen [Peeresses]; Peers), 577 von der Krone auf Vorschlag der Regierung (als Auszeichnung für besondere Verdienste) in den Adelsstand erhobene Mitglied auf Lebenszeit (442 Life Peers, 107 Life Peeresses, 28 Law Lords [Lordrichter]) und 26 Bischöfe der anglikanischen Kirche während ihrer Amtszeit. Bis zur Reform des House of Lords 1999 besaßen die Mitglieder des Erbadels (1999: über 750) das Recht auf Sitz und Stimme im Oberhaus. Dieses in der Öffentlichkeit wegen »mangelnder demokratischer Legitimation« zum Teil umstrittene Erbprivileg wurde mit der In-Kraft-Setzung der Parlamentsreform im November 1999 abgeschafft und mittelfristig zugleich die Verkleinerung des Oberhauses auf 635 Mitglieden beschlossen. Für einen Übergangszeitraum wird es allerdings noch 92 mit Erbprivilegien ausgestattete Oberhausmitglieder geben. Vorsitzender und Sprecher (Speaker) des Oberhauses ist der Lord Chancellor (Lordkanzler). Er ist Mitglied des Kabinetts und administrativ für die Ernennung bestimmter Richter zuständig. Die Mitwirkungsrechte des Oberhauses an der Gesetzgebung sind begrenzt und im Wesentlichen auf vier Bereiche beschränkt: Initiierung von Gesetzesvorhaben; Überprüfung und Überarbeitung derjenigen Gesetzesentwürfe, die ihm zugeleitet wurden; das Recht, Gesetzesentwürfe mit Ausnahme solcher haushaltsrelevanter Art bis zu einem Jahr zu blockieren (aufschiebendes Vetorecht); Diskussion besonders wichtiger politischer Probleme, mit denen sich das Unterhaus aus Termingründen nicht befassen kann. Die eigentlichen legislativen Befugnisse liegen beim Unterhaus.
Das Unterhaus zählt 659 in allgemeiner Wahl auf maximal 5 Jahre gewählte Abgeordnete (Members of Parliament), wobei England mit 529, Schottland mit 72, Wales mit 40 und Nordirland mit 18 Sitzen vertreten sein müssen. Es gilt das Mehrheitswahlrecht (ein Sitz entspricht einem Wahlkreis, in dem der Kandidat gewählt ist, der die absolut oder relativ meisten Stimmen erhält). Wahlberechtigt sind alle Bürger über 18 Jahre sowie alle in Großbritannien und Nordirland wohnenden, im Wählerverzeichnis eingetragenen Commonwealthbürger und irischen Staatsangehörigen; allgemeines Frauenwahlrecht seit 1928. Kein Unterhausmandat dürfen ausüben: kirchliche Würdenträger der Anglikaner, Presbyterianer und Katholiken, die Inhaber von Ministerialämtern (civil servants) sowie Mitglieder der Berufsarmee, Polizisten, Richter und die Mitglieder des Oberhauses.
Als Sprecher des Unterhauses gegenüber dem Monarchen, dem Oberhaus und anderen Organen und als sein Vorsitzender fungiert der auf Empfehlung von Premierminister und Oppositionsführer gewählte Speaker, dessen traditionelles, bis ins 13. Jahrhundert zurückzuverfolgendes Amt ihn zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet. Eine weitere wichtige Aufgabe hat der Leader of the House, ein im Kabinettsrang stehender Abgeordneter, der dafür Sorge zu tragen hat, dass das Haus die Gesetzesvorhaben der Regierung umfassend und termingerecht behandelt. Hierzu arbeitet er mit den parlamentarischen Geschäftsführern, den »Einpeitschern« (Whips) und der Oppositionsführung eng zusammen. Wegen der engen Verzahnung von Unterhausmehrheit und Regierung (seit dem britischen Verfassungstheoretiker W. Bagehot spricht man von der Regierung auch als einem »Parlamentsausschuss«) liegt die Hauptarbeit der parlamentarischen Kontrolle der Regierung bei der Opposition, die durch besondere Rechte geschützt ist (z. B. bestimmt sie an 19 Tagen des Jahres die Parlamentsdebatten) und deren Führer (Leader of the Opposition) zusammen mit seinem »Schattenkabinett« den Dualismus des britischen Parlamentssystems prägt.
Die Exekutivgewalt liegt nominell bei der Krone, praktisch aber bei einem Ministerkomitee, dem Kabinett unter Vorsitz des Premierministers Der Premierminister und die von ihm vorgeschlagenen Minister werden vom Monarchen ernannt. Sie müssen dem Unterhaus angehören. Die Regierung im weiteren Sinn (ministry) besteht aus etwa 100 Personen, von denen nur etwa 20 als »Kabinett« (Cabinet) die engere Regierung bilden. Zu den Personen, die regelmäßig dem Kabinett angehören, zählen neben dem Außen- und dem Innenminister sowie dem Schatzkanzler auch der Vorsitzende des Oberhauses und oberste Richter des Landes (Lord Chancellor), der Präsident des Geheimen Kronrates (Lord President), der Lordsiegelbewahrer (Lord Privy Seal) und der Kanzler des Herzogtums Lancaster. Der Premierminister selbst ist meist Inhaber des Ehrenamtes des First Lord of the Treasury. Die Stellung des Premierministers ist seit 1905 durch Zuerkennung eines besonderen protokollarischen Ranges (special precedence) hervorgehoben. Er bestimmt allein den Zeitpunkt vorzeitiger Neuwahlen. Als weiteres Organ existiert der Geheime Kronrat (Privy Council). Zu seinen 330 Mitgliedern zählen u. a. das Kabinett und andere von der Krone auf Vorschlag des Premierministers ernannte Personen; als Plenum tritt er nur beim Tod des Monarchen zusammen. Zu seinen Aufgaben, die in Ausschüssen mit begrenzter Teilnehmerzahl wahrgenommen werden, gehört die Billigung von Regierungs-Verordnungen (Orders in Council).
Parteien:
Aufgrund des uneingeschränkten Mehrheitswahlrechts besteht in Großbritannien und Nordirland de facto ein Zweiparteiensystem. Der von traditionellen politischen Wertvorstellungen bestimmten Conservative and Unionist Party steht die sozialistische Labour Party gegenüber. Die Liberal Party, die nach dem Ersten Weltkrieg den größten Teil ihrer Wählerschaft an die Labour Party verlor, ging 1981 ein Wahlbündnis mit der Social Democratic Party (SDP) ein; 1988 erfolgte die Vereinigung zu den Social and Liberal Democrats. Während die Democratic Left (Nachfolgeorganisation der Communist Party of Great Britain) nur geringen politischen Einfluss hat, entwickelte sich die Green Party (1973 gegründet als Ecology Party) zu einer ernst zu nehmenden Kraft. Auf regionaler Basis bildeten sich in Wales die Plaid Cymru (englisch Welsh National Party) und die Scottish National Party. Zu den Parteien in Nordirland Nordirland.
Nach den Organisationsgrundsätzen der Gewerkschaften (Trade Unions) herrschen vier Haupttypen vor: Fachverbände (Craft Unions), Industriegewerkschaften (Industrial Unions), allgemeine Gewerkschaften (General Unions) und Angestelltengewerkschaften (White Collar Unions). Die Craft Unions nahmen ursprünglich nur Handwerker auf, die nach ihrem Werkzeug unterschieden wurden; die Industrial Unions organisieren alle Arbeitnehmer einer Industrie oder eines Dienstleistungsbereichs ohne Rücksicht auf Beruf oder Arbeitsplatz. Die General Unions, anfangs die Organisationen der ungelernten Arbeiter, nehmen sich heute aller Arbeiter ohne Rücksicht auf Beruf, Arbeitsplatz oder Industriezweig an. In vielen Industriezweigen und Betrieben bestehen die verschiedenen Gewerkschaftstypen nebeneinander.
Hauptorgan der Gewerkschaften ist der 1868 gegründete Trades Union Congress (TUC), dem (1993) 68 Gewerkschaften mit rd. 7,6 Mio. Mitglieder angehören. Der jährlich gewählte General Council (45 Mitglieder) vertritt die Einzelgewerkschaften gegenüber der Regierung und der Öffentlichkeit.
Infolge mehrerer gegen die Gewerkschaften gerichteter Gesetze der Regierung Thatcher, des Strukturwandels v. a. im Norden Englands, im Süden von Wales und in Schottland (Verschwinden traditioneller Industrien wie Stahl und Kohle), Rezession und Arbeitslosigkeit, aber nicht zuletzt auch aufgrund der historisch gewachsenen Verteilung der einzelnen Berufe zwischen den Gewerkschaften (job demarcation), die den heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten immer weniger gerecht wird, sind Mitgliederzahl und Einfluss der Gewerkschaften zurückgegangen. Einige Gewerkschaften verfolgen eine vom TUC unabhängige Interessenpolitik, so z. B. die Elektrikergewerkschaft, die einem Friedensabkommen mit den Arbeitgebern, das einen zeitweiligen oder völligen Streikverzicht mit einschließt, zustimmte und deshalb 1988 aus dem TUC ausgeschlossen wurde.
Eine bedeutende Rolle spielen die Gewerkschaften innerhalb der Labour Party, wo sie u. a. über ihre Blockstimmen auf den Parteitagen die Politik der Partei stark beeinflussen; außerdem bringen sie den Großteil der Parteieinnahmen auf. Der TUC ist Mitglied des Internationalen Bundes freier Gewerkschaften (IBFG) und des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB). Gewerkschaften, Shop-Stewards.
Das Wappen (seit 1837) zeigt im quadrierten Schild in den Feldern 1 und 4 das Wappen Englands (in Rot drei goldene Löwen, heraldisch als »Leoparden« bezeichnet), im Feld 2 dasjenige Schottlands (in Gold innerhalb eines roten Lilienbordes ein roter Löwe), im Feld 3 dasjenige Irlands (in Blau eine goldene Harfe). Den Schild umzieht das dunkelblaue Band des Hosenbandordens mit dessen in goldenen Buchstaben geschriebener Devise »Honi soit qui mal y pense«. Schildhalter sind der englische Löwe und das halsbekrönte und von einer Kette umschlungene Einhorn Schottlands; sie stehen auf einem grünen Boden mit den Abzeichen (Badges) von England (Rose), Schottland (Distel) und Irland (Klee). Das Spruchband darunter trägt den Wahlspruch »Dieu et mon droit« (Gott und mein Recht).
Nationalfeiertage:
Nationalfeiertag ist der offizielle Geburtstag des regierenden Monarchen.
Der Verwaltungsaufbau in Großbritannien und Nordirland ist unterhalb der Ebene der Zentralregierung mehrstufig. Auf der Grundlage der Volksentscheide von 1997/98 wurden nach Wahlen im Jahre 1999 bestimmte Funktionen vom britischen Parlament auf das neue schottische Parlament, die Nationalversammlung von Wales und die ebenfalls neu eingerichtete Nordirland-Versammlung übertragen. In England besteht kein eigenes Parlament; die dort 1994 durchgeführte administrative Regionalisierung (integrierte Government Offices for the Regions, seit 1999/2000 auch Regional Development Agencies in 9 englischen Regionen, einschließlich London) dient der regionalen Wirtschaftsentwicklung und Erneuerung. Eine Hauptreform der Kommunalverwaltung fand 1974 in England und Wales sowie 1975 in Schottland statt. Diese schuf zwei gemeindliche Ebenen in England und Wales - insgesamt 53 Grafschaften (Counties) und 369 kleinere Bezirke (Districts). Während die Grafschaftsräte (County Councils) für Aufgaben des Verkehrs, der Planung, der Erziehung, des Verbraucherschutzes, der Abfallbeseitgung, des Feuerschutzes usw. zuständig wurden, erhielten die Bezirke (Districts) u. a. die Verantwortung für das Wohnungswesen und die meisten Lokalplanungsentscheidungen sowie für Müllsammlung. Für Greater London bestand die bereits 1965 eingeführte Untergliederung in 32 Stadtbezirke (London Boroughs) - ergänzt durch die historischen Stadtteile City of London und The Temples. In England wurden neben London sechs Metropolitane Grafschaften (Metropolitan Counties), unterteilt in 36 Metropolitane Bezirke (Metropolitan Districts/Boroughs) eingeführt. Unterhalb der Distriktebene bestanden zahlreiche Gemeinden (Parishes) - in England über 10 000. Der ehemalige Gesamtrat von London wurde zusammen mit den anderen Räten der Metropolitan Counties am 1. 4. 1986 aufgelöst; die meisten ihrer Funktion wurden auf die London Boroughs und Metropolitan District Councils übertragen. Schottland und Nordirland erhielten eigene, vergleichbare Verwaltungssysteme. In Schottland wurden 1975 die Gebietskörperschaften durch neun neue Regionen und drei Inselgebiete (Islands Areas: Orkney, Shetland, Western Isles) ersetzt. Die Regionen gliederten sich in 53 Bezirke (Districts), darunter existierten kleinere kommunale Untereinheiten (Communities). Seit der Verwaltungsreform von 1973 gibt es in Nordirland 26 Bezirke (Districts). Im April 1996 erfolgte in Schottland und Wales eine Neugliederung der Verwaltungseinheiten. In Schottland entstanden 32 neue, d. h. für alle kommunalen Aufgaben zuständige Verwaltungsdistrikte (Unitary Authorities) mit 29 Gemeinderäten auf einer Kommunalebene (Single-Tier Councils) und den drei Räten der Inselgebiete. In Wales wurden 22 Verwaltungsdistrikte (Unitary Authorities) mit Gemeinderäten auf einer Kommunalebene (Single-Tier Councils) und 750 Gemeinderäte (Community Councils; vergleichbar den englischen Parish Councils) geschaffen. In England wurden bis zum 1. 4. 1998 schrittweise 25 Grafschaften (Counties) neu geordnet. Seit dem bestehen 26 Verwaltungsdistrikte (Unitary Authorities) beziehungsweise Räte (Councils), v. a. in größeren Städten. In den meisten Fällen blieb jedoch die zweistufige Kommunalverwaltung (Counties und Districts) weiter bestehen. Hinzu kommen über 10 000 Gemeinderäte (Parish Councils oder Meetings). Seit Auflösung des Greater London Council im Jahre 1986 erhielt Groß-London im Jahre 2000 erstmals wieder eine übergeordnete Verwaltung (Greater London Authority) mit direkt gewähltem Bürgermeister (Mayor) und getrennt gewählter Assembly of London.
Die regionale und kommunale Selbstverwaltung wird durch ein System informeller Selbstverwaltung ergänzt, das durch ein Geflecht von Institutionen gekennzeichnet ist, die am Prozess der politischen Entscheidungsfindung und der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben beteiligt sind. Neben ehrenamtlichen Einrichtungen (z. B. Schulvorständen) sind dies seit 1970 besonders die »Quangos« (Abkürzung für quasi-autonomous non-governmental organisations; z. B. British Council).
Großbritannien und Nordirland bilden kein einheitliches Rechtsgebiet. In England und Wales (ähnlich Nordirland) gilt das gemeine oder Gewohnheitsrecht (Common Law), ergänzt durch das Einzelfall-Billigkeitsrecht (Equity). Beide Rechtsbestandteile erfahren Vervollständigung und Fortbildung durch das Fallrecht (Case-Law). Common Law und Equity steht als dritter Bestandteil das kodifizierte Recht (Statute-Law) zur Seite, das aus Gesetzen des Parlaments (Acts of Parliament) sowie Rechtsverordnungen besteht.
Der Gerichtsaufbau ist mehrstufig und unterscheidet grundsätzlich zwischen Straf- und Zivilgerichtsbarkeit. Höchste Instanz sind die Richter des Oberhauses, dessen Vorsitzender, der Lordkanzler, zugleich oberster Richter des Landes ist. Unterhalb dieser Ebene bilden für England und Wales das Appellationsgericht und der High Court den doppelfunktionalen Supreme Court (Oberster Gerichtshof), der als Berufungsgericht den örtlichen Gerichten mit beschränkter Gerichtsbarkeit übergeordnet ist. Die Strafgerichtsbarkeit bei leichten Delikten wird in weitem Umfang von Laienrichtern (Friedensrichter) ausgeübt. Schottland und Nordirland haben ein eigenes Gerichtssystem. Oberste Instanz (mit Ausnahme der schottischen Strafsachen) ist auch hier das Oberhaus. Daneben bestehen in Großbritannien und Nordirland zahlreiche Spezialgerichte, u. a. Verwaltungsgerichte und Kirchengerichte. Ein Verfassungsgericht besteht nicht; dies wird mit der Vorherrschaft des Parlaments begründet. Die Unabhängigkeit der vom Monarchen auf Vorschlag des Lordkanzlers ernannten Richter ist garantiert.
Die Gesamtstärke der Berufsarmee, zu der auch Frauen Zugang haben, beläuft sich auf etwa 210 000 Soldaten. Im Kriegsfall stehen zusätzlich etwa 190 000 Angehörige der »Regular Reserve« (ehemalige Berufssoldaten) zur Verfügung, ferner die rd. 47 000 Teilzeitsoldaten der »Territorial Army«, die sich freiwillig und zeitlich begrenzt zur regelmäßigen Truppenausbildung und -übung verpflichten.
Das Heer umfasst nach einer Kürzung um 25 % zu Beginn der 1990er-Jahre rd. 108 000 Mann. Gegliedert ist es hauptsächlich in eine Panzerdivision, die als Bestandteil des multinationalen Eingreifverbandes der NATO (ARRC) in Deutschland stationiert ist, eine luftbewegliche Brigade als Bestandteil der multinationalen Division der NATO (MND), ein verstärktes Bataillon für die multinationalen luftbeweglichen Streitkräfte der NATO (AMF) sowie in eine mechanisierte Division. Ausgerüstet ist das Heer u. a. mit etwa 400 Kampfpanzern Challenger. Die Luftwaffe (Royal Air Force, Abkürzung RAF) hat rd. 52 000 Mann und etwa 480 Kampfflugzeuge. Die Marine (Royal Navy) verfügt über 47 000 Mann. An größeren Kampfeinheiten besitzt sie v. a. drei leichte Flugzeugträger, 11 Zerstörer, 21 Fregatten und 16 U-Boote (überwiegend nukleargetrieben). Eine relativ eigenständige Einheit im Rahmen der Seestreitkräfte ist die »Nuclear Strategic Force«, bestehend aus vier strategischen U-Booten der neuen Vanguard-Klasse (mit je 16 Trident-Mittelstreckenraketen). Ebenfalls zur Marine gehört die Königliche Marineinfanterie, die im Wesentlichen aus einer »Kommandobrigade« besteht.
Die bis zu 10 000 Mann starke Eingreiftruppe (»Joint Rapid Reaction Force«) setzt sich aus Teilen von Heer, Luftwaffe und Marine zusammen und soll im Auftrag von Großbritannien und Nordirland sowie gemeinsam mit der NATO, der Westeuropäischen Union oder den Vereinten Nationen aktiv werden.
Das Land ist Mitglied der NATO und der WEU.
Landesnatur und Bevölkerung:
Der von Nordsee, Atlantischem Ozean, Irischer See und Ärmelkanal umgebene Inselstaat, der sich zwischen 50º und 61º nördlicher Breite erstreckt, umfasst außer der Insel Großbritannien v. a. die Inseln Wight (im Süden) und Anglesey (in der Irischen See), die Scilly-Inseln (im Südwesten), die Hebriden (im Nordwesten), die Orkney- und Shetlandinseln (im Norden) sowie den Nordostteil der Insel Irland. Die Inseln sitzen dem nordwesteuropäischen Kontinentalschelf auf (Britische Inseln). Kein Landesteil ist mehr als 130 km von der Küste entfernt. Den mittleren und südlichen Teil der Hauptinsel Großbritannien nimmt das vorwiegend hügelige und ebene England ein, es erreicht größere Höhen nur im Penninischen Gebirge (bis 893 m über dem Meeresspiegel), in den Cumbrian Mountains (bis 978 m über dem Meeresspiegel), in den Cheviot Hills an der schottischen Grenze (bis 816 m über dem Meeresspiegel) und in einzelnen Granitmassiven im Südwesten (bis 622 m über dem Meeresspiegel). Als breite Halbinsel von Großbritannien springt nach Westen das Bergland von Wales (bis 1 085 m über dem Meeresspiegel) vor. Den Nordteil bildet das überwiegend gebirgige Schottland mit dem höchsten Gipfel von Großbritannien und Nordirland, dem Ben Nevis (1 343 m über dem Meeresspiegel). Vorwiegend von Berg- und Hügelland wird Nordirland eingenommen, in seinem zentralen Tiefland liegt der größte See (396 km2) von Großbritannien und Nordirland, der Lough Neagh.
Das Klima ist ausgeprägt ozeanisch. Allseitig von Wasser umgeben, erleichtert die Insel Großbritannien durch ihre geringe Breite den Luftausgleich zwischen Land und Meer; das wintermilde und sommerkühle Klima kennt nur recht abgeschwächte Jahreszeitenzäsuren. Im Winter durch den Nordatlantischen Strom (Ausläufer des Golfstroms) von Südwesten her erwärmt, im Sommer durch die größere Kontinentalität Südenglands, gliedert sich Großbritannien in eine trockenwarme Osthälfte und eine feucht gemäßigte Westhälfte, die beide in sich eine weitere Differenzierung durch Entfernung von der Küste, Höhen- und Breitenlage sowie Exposition erfahren. Der Witterungsablauf ist von Jahr zu Jahr nicht wirklich regelhaft, denn für das Durchzugsgebiet der Zyklonen sind stabile Wetterlagen nicht typisch. Die hohe Luftfeuchtigkeit, besonders im Winter, ist Hauptursache der häufigen Nebelbildung; typisch ist ein leichter Nebel, aus dem sich allerdings unter dem Einfluss von topographischer Lage, Windexposition, Bodenfeuchtigkeit sowie von hoher Luftverschmutzung lokal ein dichter Nebel entwickeln kann.
Weiteres zu Klima und zur Vegetation Britische Inseln.
Den größten Anteil an der Bevölkerung haben Engländer, ferner Waliser, Schotten und Iren. Die Zahl der seit Ende des Zweiten Weltkrieges aus den Commonwealth-Ländern Eingewanderten und deren Nachkommen betrug 1991 3,01 Mio., rd. 5,5 % der Gesamtbevölkerung, von denen 46,8 % bereits in Großbritannien und Nordirland geboren sind. - Im ganzen Königreich wird Englisch gesprochen. Im Jahre 1997 sprachen 21 % der rd. 2,9 Mio. Einwohner von Wales Walisisch, dagegen ist das Schottisch-Gälische nur noch wenig in Gebrauch (rd. 70 000Einwohner).
Das Bevölkerungswachstum war bis Ende des 18. Jahrhunderts gering. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts lebten in England und Wales etwa 5,5 Mio., in Schottland 1 Mio. Menschen. Die erste Volkszählung ergab 1801 in England und Wales 8,9 Mio., in Schottland 1,6 Mio. und im Gebiet des heutigen Nordirland (1921) 1,38 Mio. Einwohner. Seitdem ist ein starkes Bevölkerungswachstum zu verzeichnen; bis 1901 in England und Wales um 265 % auf 32,5 Mio. Einwohner und in Schottland um 177 % auf 4,47 Mio. Einwohner, während Nordirland seit dem Bevölkerungs-Höchststand 1841 von 1,65 Mio. einen Bevölkerungsrückgang um 25 % auf 1,25 Mio. Einwohner verzeichnete. Danach flachte sich der Bevölkerungsanstieg deutlich ab: in England und Wales +62,1 % auf (1999) 52,69 Mio. Einwohner und in Schottland +14,5 % auf 5,12 Mio. Einwohner. Nordirland hat mit einem Wachstum von +35,4 % auf 1,69 Mio. Einwohner (1999) den Bevölkerungs-Stand von 1841 wieder erreicht.
Die Geburtenrate ist leicht rückläufig und betrug in Großbritannien und Nordirland 1999 11,8 ‰, in Schottland 10,8 ‰ und in Nordirland 13,6 ‰. Die Sterberate ist v. a. wegen des starken Rückgangs der Säuglingssterblichkeit weiter leicht gesunken (1993: 11,3 ‰;1999: 10,6 ‰).
Zwischen 1880 und 1890 sowie zwischen 1900 und dem Ersten Weltkrieg und später in der Wirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit beeinflusste eine starke Auswanderung das Bevölkerungswachstum. Auswanderungsziele waren besonders Westaustralien, Kanada, Neuseeland, die USA, Südafrika und das ehemalige Rhodesien. Nach dem Zweiten Weltkrieg überwog die Einwanderung. Eine stärkere Zuwanderung erfolgte nach 1950 aus der Republik Irland und aus den Commonwealth-Ländern, insbesondere Pakistan, Indien, Bangladesh und den Westindischen Inseln. Seit 1962-68 ist die Einwanderung nur noch begrenzt möglich. Zwischen 1988 und 1998 verließen 2,378 Mio. Personen das Land und 2,816 Mio. wanderten zu. Die mit Abstand größten ethnischen Minderheiten bilden (1999/2000) Inder mit 942 000 Einwohner, Black Caribbeans mit 504 000 Einwohner und Pakistaner mit 671 000 Einwohnern. Die meisten leben in den großen urbanen Verdichtungsräumen, insbesondere London.
Seit der Industrialisierung hat Großbritannien und Nordirland auch eine starke Binnenwanderung vorwiegend zwischen den ländlichen Räumen und den schnell wachsenden Industriegebieten zu verzeichnen. Eine stark verstädterte Zone hoher Bevölkerungsdichte (rd. 1 400 Einwohner je km2) verläuft vom Raum London in nordwestliche Richtung über die West Midlands zu Merseyside (Liverpool) und Greater Manchester. Der wirtschaftliche Verfall der Altindustriegebiete hat seit etwa 1960 zu starken Nord-Süd-gerichteten Wanderungsströmen, v. a. in den Südosten mit dem Raum London, geführt. Zusätzliche regionsinterne Bevölkerungsverschiebungen (Kernstadt-Umland-Wanderungen) haben zu einer weiteren starken Bevölkerungszunahme im Umland von Greater London beigetragen (1981-98: Region East +10,8 %, Südostengland außer London +10,3 %). Eine hohe Bevölkerungszunahme verzeichnet auch die Südküste (Südwestengland +11,9 %), die ein bevorzugter Wohnstandort älterer, wohlhabender Bevölkerungsgruppen ist. Dagegen haben die alten Verdichtungsräume z.B. in England Greater Manchester -1,6 %, Merseyside mit Liverpool -7,4 %, South Yorkshire mit Sheffield -1,0 % größtenteils deutlich an Einwohnerzahl verloren. Demgegenüber ist London zwischen 1981 und 1998 um 5,6 % auf absolut 7,2 Mio. Einwohner angewachsen.
Siedlungsbild:
Der offene, durch trockenes Klima begünstigte Südosten und die Tieflandgebiete südlich der Penninen begünstigten den Ackerbau und waren mit der Ankunft der Normannen der bevorzugte Raum für deren marktorientierte Körnerwirtschaften, verbunden mit offenen Gewannfluren und großen Dörfern. Davon hoben sich die feuchteren Berglandgebiete des Westen und Nordens mit einer stärker viehwirtschaftsbetonten Wirtschaftsweise, kleinen Gruppensiedlungen oder Weilern mit ackerbaulich genutzter Innenflur um die Siedlung und einer größeren weidewirtschaftlich genutzten Außenzone deutlich ab. Weilerartige Gruppensiedlungen mit kleinen Innenfluren bestanden zum Teil noch bis zum 19. Jahrhundert in den keltischen Randgebieten Schottlands und Nordirlands. Im Mittelalter betrieben v. a. die Klöster in den Berglandgebieten eine systematische Binnenkolonisation. Einen entscheidenden Wandel erfuhr das Siedlungsbild der Tieflandgebiete seit dem ausgehenden Mittelalter durch Verkoppelungen (Enclosure), die seit dem 18. Jahrhundert mit staatlicher Unterstützung systematisch vorangetrieben wurden. Es entstand die heute für viele Gebiete von Großbritannien und Nordirland charakteristische, durch Hecken oder Steinmauern gegliederte Blockflurlandschaft mit Einzelhöfen und zahlreichen Großbetrieben. Seit dem 18. Jahrhundert legten viele wohlhabende Grundbesitzer um ihre Landsitze ausgedehnte Landschaftsparks (Gartenkunst) an.
In der Phase der frühen Industrialisierung im 18. Jahrhundert führte der Bergbau und die zum Teil noch an Wasserkraft orientierte Industrie bereits zur Entstehung zahlreicher Gewerbesiedlungen mit städtischen Hausformen. Es waren jedoch zumeist die kleinen, von der Industrie erfassten mittelalterlichen Städte, die mit der Industrialisierung in wenigen Jahrzehnten zu Großstädten heranwuchsen. Ihren historischen Kern, der sich in viktorianischer Zeit zum Geschäftszentrum entwickelte, umgaben in konzentrischer Abfolge, in unterschiedlichen Perioden und Bauformen entstandene Arbeiterwohnquartiere, durchsetzt mit Fabriken. Den einfachen, sehr eng bebauten frühindustriellen Quartieren mit rückseitig aneinander gebauten Reihenhäusern (Back-to-back-Häuser) folgt eine Zone kellerloser Reihenhäuser mit Erkerfenstern und kleinen Gärten aus verschiedenen viktorianischen Perioden. In der Zwischenkriegszeit entstanden ausgedehnte Vorortsiedlungen aus Reihen- und Doppelhäusern mit Vor- und Hintergärten, zum Teil nach der Gartenstadtkonzeption (Gartenstadt) errichtet. Mithilfe von baurechtlich geschützten Grüngürteln hat man seit den 30er-Jahren versucht, das weitere Ausufern der Großstädte einzugrenzen. Seit 1951 sind in der frühindustriellen und viktorianischen Innenstadt großräumige Flächensanierungen erfolgt, durch die ein großer Teil der alten Bausubstanz beseitigt und zum Teil durch Hochhausbauten, seit 1970 jedoch wieder vorwiegend durch moderne, weniger dichte Einfamilienhausbebauung ersetzt wurde. Städten, die erst spät von der Industriewirtschaft erfasst wurden, wie z. B. Bristol und York gelang es, ihr reiches baugeschichtliches Erbe bis in die Gegenwart zu erhalten. Das gilt auch für viele kleine Landstädte, sofern sie nicht in den Einzugsbereich städtischer Agglomerationen gelangten. Ein neues städtebauliches Element brachte die Gartenstadt Anfang des 20. Jahrhunderts, deren Konzeption zur Grundlage der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten neuen Städte (New Towns) wurde. In der Gegenwart erfahren viele Hafenstädte eine Umgestaltung ihrer funktionslos gewordenen Hafenbereiche zu modernen Wohn- und Bürogebieten (Londoner Docklands).
Es besteht Religionsfreiheit; die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft wird staatlicherseits nicht erfasst. Den Status anerkannter, unter der Schirmherrschaft des Staates stehender Kirchen besitzen die anglikanische Church of England (Kirche von England) in England und die reformierte Church of Scotland (Schottische Kirche) in Schottland, wobei das Staatskirchentum heute weitgehend formalen Charakter hat. In Wales sind Staat und Kirche getrennt. In Nordirland war die anglikanische Church of Ireland bis 1870 Staatskirche; ihre zunächst auch danach weiter bestehende enge Verbindung mit Institutionen des Staates existiert heute nicht mehr. Selbst bezeichnen sich über 85 % der Bevölkerung (Umfragen) als Christen; die Statistiken der christlichen Kirchen weisen die Zahl der eingeschriebenen erwachsenen Kirchenmitglieder mit insgesamt rd. 14 % allerdings signifikant niedriger aus, v. a. in den traditionellen Kirchen (3,8 % Anglikaner, 4,3 % Katholiken, 2,4 % Presbyterianer). Nominell gehören rd. 57 % der Bevölkerung der anglikanischen Kirche an (Church of England, Church of Ireland, Church in Wales, Episcopal Church in Scotland), rd. 15 % protestantischer Kirchen, rd. 13 % der katholischen Kirche, rd. 0,8 % verschiedener Ostkirchen. Innerhalb der Protestanten bilden die Reformierten (Presbyterianer und Kongregationalisten; insgesamt rd. 1,6 Mio. Mitglieder) und die Methodisten (rd. 1,2 Mio. Mitglieder) die größten Glaubensgemeinschaften; wachsende Mitgliederzahlen verzeichnen die Baptisten und die Pfingstkirchen. Die katholische Kirche umfasst in Großbritannien sieben Erzbistümer (Birmingham, Cardiff, Edinburgh, Glasgow, Liverpool, Southwark [Sitz: London], Westminster [Sitz: London]) mit 23 Suffraganbistümern. Die zum Teil grenzübergreifenden katholischen Bistümer in Nordirland sind in die gesamtirische Kirchenorganisation integriert und gehören zur Kirchenprovinz Armagh. Zahlreiche Einwanderer aus afrikanischen Ländern und den Westindischen Inseln haben Gemeinden in der Tradition der unabhängigen afrikanischen und afrokarib. Kirchen gegründet. Als den zahlenmäßig stärksten Kirchen gehören in England rd. 70 % der Bevölkerung nominell der Church of England an, in Schottland rd. 31 % der Church of Scotland, in Wales rd. 16 % der Church in Wales und in Nordirland rd. 43 % der katholischen Kirche. - Mit rd. 2,5 Mio. Muslimen (etwa zur Hälfte pakistanischer Herkunft) bildet der Islam die größte nichtchristliche Religionsgemeinschaft. Weitere nichtchristliche religiöse Minderheiten bilden die Hindus (über 400 000), Juden (rd. 285 000), Sikhs (rd. 230 000) und Buddhisten (rd. 160 000). Die Bahai-Gemeinden werden durch einen Nationalen Geistigen Rat mit Sitz in London repräsentiert.
Das Schul- und Hochschulwesen ist durch die geschichtlich bedingte Dezentralisierung geprägt. Seine heutige Form geht in den Grundzügen auf die Educational Acts (1944 für England und Wales, 1945 für Schottland, 1947 für Nordirland) zurück. Allgemeine Schulpflicht besteht vom 5. bis 16. Lebensjahr; der Besuch der Vorschuleinrichtungen (Nurseryschools) ist freiwillig. Das Bildungswesen ist in Primar- (Primary), Sekundar- (Secondary), Hochschul- (Higher) und Weiterbildung (Further Education) gegliedert. Die Primarstufe ist in Infantschool (5.-8. Lebensjahr) und Junior School (8.-12., in Schottland 8.-13. Lebensjahr) gegliedert. Daneben bestehen in England die First School (6.-9., auch bis zum 10. oder 11. Lebensjahr) und die auf ihr aufbauende Middle School (9.-13. oder 10.-13. Lebensjahr, zum Teil auch in die Sekundarstufe hineinreichend: 11.-15. Lebensjahr). In der Sekundarstufe überwiegt in England, Schottland und Wales die Comprehensive School als Regelschule. In Nordirland besteht das Sekundarschulwesen aus der in den übrigen Ländern nur noch in privater Trägerschaft befindlichen Grammarschool. Neben den staatlichen Schulen, deren Besuch kostenfrei ist, gibt es Privatschulen, darunter die renommierten Public Schools Eton, Harrow, Rugby, Winchester und Rodean (für Mädchen). Die im Mittelalter gegründeten Universität von Oxford und Cambridge sind der Ausgangspunkt des britischen Hochschulwesens, das eine Reihe traditionsreicher Universität, u. a. Saint Andrews (gegründet 1410), Glasgow (gegründet 1451, mit dem 1796 gegründeten ältesten Technical College Großbritanniens), Edinburgh (gegründet 1583), Durham (gegründet 1832) und Belfast (gegründet 1845), umfasst. In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden neue Universitäten, und die Colleges of advanced technology wurden in Universitäten umgewandelt. Ferner gibt es seit den 60er-Jahren eine neue Hochschulform, die Polytechnics; sie entsprechen in etwa den deutschen Fachhochschulen und bieten z. B. Studiengänge wirtschaftlicher, technischer oder fremdsprachlicher Richtung an. Die Erwachsenenbildung hat in England eine alte Tradition, nicht zuletzt auf universitärer Ebene. Die Further Education besitzt wie die Universität ein systematisiertes und anerkanntes Abschlusssystem, das u. a. auch die Abschlüsse der Polytechnics mit umfasst.
Presse: Großbritannien und Nordirland ist das klassische Land der Pressefreiheit und gilt als das Heimatland der Zeitungen. Keine der großen überregionalen Zeitungen befindet sich direkt im Besitz einer politischen Partei. Alle nationale Zeitungen erscheinen in London. Der britische Zeitungsmarkt wird schon seit Beginn der Massenpresse durch die Konzentration auf einige wenige Verlagsgruppen bestimmt. Der größte Pressekonzern in Großbritannien und Nordirland ist die Trinity Mirror plc, entstanden 1999 aus der Fusion der Mediengruppe Mirror Group plc (Boulevardzeitung »Daily Mirror«, 71 weitere Zeitungen, zahlreiche Magazine, Beteiligungen an Fernsehsendern) und der mit 120 Titeln größten regionalen Zeitungsgruppe des Landes, Trinity plc. Die News International Group (R. Murdoch) erreicht mit den Titeln »The Times«, »Sunday Times«, »The Sun«, »News of the World« u. a. einen Marktanteil von rd. 33 % des Zeitungsmarktes. Weitere Zeitungsgruppen sind die Associated Press Group (»Evening Standard«), der Daily Mail & General Trust (DMGT; »Daily Mail«, »Mail on Sunday«, »Metro«), die Guardian Media Group (»The Guardian«, »The Observer«) und die Telegraph-Gruppe (»Daily Telegraph«, »Sunday Telegraph« und die Wochenzeitung »Spectator«), die seit den 1980er-Jahren zum Konzern Hollinger International gehört. Die 1994 gegründete United News & Media-Gruppe verkaufte 2000 nach der Veräußerung ihrer ITV-Lizenzen auch ihre populären Printtitel der Express-Newspaper-Gruppe (»Daily Express«, »Sunday Express« und »Daily Star«). - 1999 erschienen in Großbritannien und Nordirland zehn überregionale Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von rd. 13,7 Mio. Exemplaren, neun überregionale Sonntagszeitungen (17 Mio.) sowie rd. 1 400 regionale und lokale Zeitungen. Den Markt der seriösen Zeitungen teilt sich die rechtskonservative »Times« (gegründet 1785, Auflage 750 000) mit einem anderen konservativen Blatt, dem »Daily Telegraph« (1 Mio.), und zwei liberalen Zeitungen, »The Guardian« (400 000) und »The Independent« (200 000). Auch diese vier Qualitätszeitungen unterscheiden sich, mit Ausnahme des Formats (»broadsheet«), in Aufmachung und Layout wenig von den großen britischen Boulevardzeitungen (»tabloids«). Eine Ausnahme macht die »Financial Times« (Pearson-Konzern; Inlandsauflage 384 000), die wegen ihrer umfassenden und zuverlässigen Informationen von der britischen und internationalen Geschäftswelt allgemein geschätzt wird. Zu den einflussreichen Organen zählen ferner die Londoner Hauptstadtzeitung »Evening Standard« (etwa 500 000), der seit 1999 mit der in 200 Untergrundstationen kostenlos verteilten »Metro« (350 000) ein Konkurrent entstanden ist. Marktführer bei den Boulevardzeitungen ist »The Sun« (3,5 Mio.); weitere Titel sind »Daily Mail« (2,4 Mio.), »Daily Mirror« (2,3 Mio.), »Daily Express« (1 Mio.) und »Daily Star« (500 000). Die meisten überregionalen Zeitungen verfügen auch über Sonntagsausgaben, die bei den Briten äußerst beliebt sind und deshalb hohe Auflagen erreichen, z. B. »Sunday Mirror« (etwa 2,3 Mio.), »The Mail on Sunday« (rd. 2 Mio.), »Sunday Express« (etwa 2 Mio.) und »The Sunday Times« (rd. 1,2 Mio.). Wie in anderen Ländern sind die meisten britischen Zeitungen seit Ende der 1990er-Jahre mit Web-Angeboten im Internet aktiv.
Nachrichtenagenturen:
Führend sind neben der ältesten und bedeutendsten Nachrichtenagentur Reuters Holding PLC (gegründet 1851) The Press Association, The Exchange Telegraph Company sowie EXTEL Financial.
Dem amerikanischen Vorbild der Federal Communications Commission folgend, sollen die bestehenden britischen Aufsichtsbehörden für den Medienbereich (Independent Television Commission, Broadcasting Standards Commission, Radio Communications Authority) und den Telekommunikationssektor (Office of Telecommunications, OFTEL) zu einer übergeordneten Regulierungskommission (Office of Communications, OFCOM) zusammengefasst werden. - Bereits in den 1950er-Jahren entstand in Großbritannien und Nordirland eine duale Rundfunkordnung mit dem Nebeneinander von öffentlich-rechtlicher British Broadcasting Corporation (BBC, gegründet 1922) und privater, werbefinanzierter Independent Television Companies Association Limited (ITV), einem Verbund von 15 regionalen Fernsehgesellschaften. Mit der Broadcasting Act von 1996 wurden Rahmenbedingungen für das digitale Fernsehen geschaffen sowie liberalisierte Beteiligungsvorschriften und Cross-Ownership-Regeln (Zulassung der Beteiligung von Zeitungsverlagen an Fernsehsendern) eingeführt. Das Gesetz soll die Verbreitung und Nutzung des digitalen terrestrischen Rundfunks fördern mit dem Ziel, langfristig (2006-2010) die analogen Frequenzen abzuschalten. Von den 24,18 Mio. Fernsehhaushalten hat der größte Teil (65,8 %) nur terrestrischen Empfang, 20,8 % haben Satelliten- und 13,4 % Kabelempfang. - Die BBC strahlt zwei landesweite analoge Fernsehprogramme (»BBC 1« und »BBC 2«) sowie vier digitale Kanäle (»BBC News 24«, »BBC Knowledge«, »BBC Choice« und »BBC Parliament«) aus. Über ihre Tochtergesellschaft European Channel Management (ECM) betreibt sie ferner das werbefinanzierte Auslandsnachrichten- und -informationsprogramm »BBC World« sowie den unterhaltungsorientierten Pay-TV-Sender »BBC Prime« (Start 1995; 10 Mio. Abonnenten in Europa, Asien und Südafrika). ITV betreibt die drei landesweiten werbefinanzierten, terrestrisch verbreiteten Programme »Channel 3«, »Channel 4« (Start: 1982) und »Channel 5« (Start: 1997). 2000 fand eine Umstrukturierung des ITV-Netzes statt: United News & Media verkaufte seine vier Lizenzen an den Mischkonzern Granada, der bereits zwei Lizenzen sowie das erfolgreiche Fensterprogramm »London Weekend Television« besitzt. Der britische Pay-TV-Markt ist im europäischen Vergleich am weitesten entwickelt. Der Pay-TV-Anbieter BSkyB (37 % im Besitz der News International Corporation, R. Murdoch), entstanden 1990 aus der Fusion der Satellitensender »Sky Television« und »BSB« (gegründet 1989), hatte 2000 rd. 8,38 Mio. Abonnenten. Auch das BSkyB-Digitalangebot »Sky digital« (Start: 1998) mit 140 Kanälen, abonnierbar in verschiedenen Paketen, zählte 2000 bereits 3,6 Mio. Abonnenten. Der zweite Pay-TV-Anbieter in Großbritannien und Nordirland, ONDigital (Start: 1998; im Besitz der Medienkonzerne Carlton Communications und Granada), nimmt mit seiner terrestrischen Verbreitung digitalen Fernsehens (Digital Terrestrial Television, DTT) eine Pionierrolle in Europa ein. Über die DTT-Plattform werden auch die bestehenden Free-TV-Programme angeboten. - Hörfunk: »BBC Network Radio« verbreitet fünf überregionale Hörfunkprogramme sowie das Auslandsprogramm »BBC World Service« in 43 Sprachen. Daneben existieren drei landesweite private Hörfunksender: »Classic FM« (Start: 1992), »Virgin Radio« (Start: 1993), »Talk Radio« (Start: 1995, jetzt Sportsender), ferner die Hörfunkkette »Chrysalis Radio« mit u. a. »Heart FM« (London) und »Galaxy« (Nordengland) sowie etwa 180 lokale kommerzielle Sender. Digitaler Hörfunk ist in Großbritannien und Nordirland bereits Standard; zahlreiche Radioprogramme werden auch über das Internet angeboten.
Wirtschaft und Verkehr:
Großbritannien und Nordirland nimmt mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner von (1999) von rd. 15 000 £ den 9. Rang unter den EU-Staaten (vergleichbar mit Italien und hinter Deutschland) ein. Der Verlust seiner wirtschaftlichen Bedeutung ist vor a auf die beiden Weltkriege, die Auflösung des Empire (Britisches Reich und Commonwealth) und die Entstehung neuer weltwirtschaftlicher Zentren besonders in Nordamerika und im Pazifikraum zurückzuführen.
Das wirtschaftliche Wachstum ist, gemessen am BIP, nach einer Schwächeperiode Anfang der 90er-Jahre seit 1993 wieder positiv (1994-1999 + 14 %); die Zahl der Erwerbstätigen betrug 2 000 27,9 Mio., davon 75 % Vollzeitbeschäftigte. Die Arbeitslosigkeit ist seit einem Höchststand 1993 (knapp 3 Mio.) sehr stark gesunken (April-Juni 2 000: 1,6 Mio., das entspricht einer Arbeitslosenquote von 5,5 %; EU-Durchschnitt: 8,5 %). Die Nettoverschuldung des öffentlichen Sektors ist seit 1996-97deutlich reduziert worden; sie betrug Ende März (2000) 339 Mrd. £ oder 36,6 % des Bruttoinlandproduktes (1996: noch 39,6 %). Der Anstieg der real verfügbaren Einkommen betrug 1998-99 4,4 %.
Das britische Wirtschaftssystem ist marktwirtschaftlich kapitalistisch ausgerichtet. Seit der Regierung Thatcher wird eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik mit starken neoklassischen Elementen verfolgt (Thatcherismus). Dies führte seit Beginn der 80er-Jahre zu einer deutlichen Reduktion der (sozial)staatlichen Aktivitäten, zu einer kontinuierlichen (Re-)Privatisierung vieler in den 60er-Jahren verstaatlichter oder traditionell öffentlichen Unternehmen sowie zu einem nachhaltigen Subventionsabbau.
In der Landwirtschaft und Fischerei waren im März (2000) mit rd. 538 000 Personen nur noch 1,9 % der Erwerbstätigen beschäftigt; am BIP ist dieser Sektor (einschließlich der Forstwirtschaft) nur noch mit 1,2 % beteiligt. Die britische Landwirtschaft besitzt aufgrund ihres hohen Leistungsstandes und einer guten technischen Ausstattung eine hohe Produktivität. Die Selbstversorgungsrate lag (1994) bei 56,4 %, Nahrungsmittel- und Viehfutterimporte sind seit Mitte der 80er-Jahre stark angestiegen (+ 51 %), liegen jedoch am Gesamtimport relativ konstant bei etwa 10 % (1994: 10,1 %). Am Export ist die britische Landwirtschaft bei leicht steigender Tendenz mit (1994) 6,7 % beteiligt.
In Großbritannien und Nordirland werden (1999) etwa 17,2 Mio. ha landwirtschaftlich genutzt, davon sind etwa 11,4 Mio. ha Acker- und Dauergrünland sowie 5,8 Mio. ha extensiv genutztes Naturweideland (rough grazing), letzteres hauptsächlich in den Berglandgebieten des Westen und Norden. Das sind insgesamt rd. 76 % der Landesoberfläche des Vereinigten Königreichs. Betriebe mit vorwiegend Ackerbau befinden sich v. a. im östlichen und mittleren Südengland sowie an der Ostseite Schottlands. Obst- und Gemüsebau sind v. a. in Kent, East Anglia und den westlichen Midlands anzutreffen. Drei Fünftel der Vollerwerbsbetriebe befassen sich mit Milchwirtschaft und Viehhaltung (Rinder und Schafe). Die durchschnittliche Herdengröße bei Rindern lag (1994) bei 67 Tieren, 45,3 % aller Betriebe hielten mehr als 100 Rinder. Die Schafhaltung hat stark an Bedeutung gewonnen, die Bestände sind seit 1985 um 25,3 % auf (1999) 44,6 Mio. gestiegen, während die Rinderbestände im gleichen Zeitraum um 11,5 % auf (1999) 11,4 Mio. zurückgingen. Bei Schaffleisch hat sich G. und N. von einem Importteur zu einem Exporteur entwickelt; ebenso wird Rindfleisch exportiert. Die Zukunft vieler landwirtschaftlicher Betriebe mit Rinderhaltung ist jedoch durch die 1985 erstmals aufgetretene Rinderseuche BSE (bovine spongiforme Enzephalopathie, so genannter Rinderwahnsinn) und die inzwischen nicht mehr auszuschließende Möglichkeit der Übertragung auf den Menschen ungewiss. Hinzu kam im Jahre 2001 die Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche. Schweine- und Geflügelhaltung findet man v. a. im Süden und O. des Landes. In der Ackerwirtschaft sind die Hauptanbauprodukte Weizen, Gerste, Ölsaat-Raps, Zuckerrüben und Kartoffeln. Die durchschnittliche Betriebsgröße der rd. 233 000 Betriebe (1999) beträgt rd. 48,9 ha ohne Naturweideland.
2,7 Mio. ha oder 11,1 % der Gesamtfläche (ohne Binnengewässer) waren 1999 bewaldet, davon werden 0,8 Mio. ha von der staatlichen Forstverwaltung bewirtschaftet. Die Waldfläche vergrößerte sich 1998/99 um rd. 16 000 ha; diese Erweiterung erfolgt in jüngerer Zeit fast ausschließlich (1998/99: 99,4 %) durch private Landbesitzer. Die staatliche Forstbehörde beschränkt sich weitgehend auf die Wiederaufforstung abgeernteter Flächen. Der Holzeinschlag ist seit den 80er-Jahren stark angestiegen von (1984) 4,9 Mio m3 auf (1998) 9 Mio. m3.
Das Vereinigte Königreich ist eine der bedeutendsten Fischereinationen in der EU. Von der Fischereiwirtschaft wurden 1999 40 % der einheimischen Nachfrage gedeckt. Sie ist v. a. an der Südwest- und an der Ostküste zwischen Humber und Moray Firth sowie in Nordwest- beziehungsweise Nord-Schottland einschließlich der Shetland-Inseln konzentriert. Die britische Fischereiflotte (7 448 registrierte Boote mit 323 Fahrzeugen größer 27 m Gesamtlänge und 15 961 Fischern) landete 1999 506 524 t (1998: 552 234 t) mit einem Wert von 586 Mio. £ an. Die wichtigsten Fischereihäfen sind Kingston upon Hull, Grimsby, Lowestoft und Newlyn in England sowie Aberdeen, Fraserburgh, Peterhead, Scrabster, Kinlochbervie und Lerwick in Schottland.
Großbritannien und Nordirland verfügt über große Steinkohle-, Erdöl- und Erdgasvorkommen. Der Abbau der nicht sehr reichen Kupfer-, Zinn- (in Cornwall) und Eisenerzvorkommen ist inzwischen eingestellt worden. Die Kohlevorräte werden auf 190 Mrd. t geschätzt (einschließlich reicher Vorkommen unter der Nordsee); 45 Mrd. t gelten als abbaufähig. Ihr Abbau ist jedoch wegen der niedrigen Weltmarktpreise und hoher Erschließungskosten in den meisten Revieren nicht mehr rentabel. Der seit 1947 in der verstaatlichen British Coal Corporation zusammengefasste Kohlebergbau wurde 1994 privatisiert. Der Privatisierung ging eine erneute große Zechenstilllegungswelle voraus, die v. a. die Reviere in den östlichen Midlands und West Yorkshire traf. Seit 1960 ist die Kohleproduktion im Zuge mehrerer Stilllegungswellen von 194,5 Mio. t mit 631 000 Beschäftigten über (1980) 110,3 Mio. t mit 229 000 Beschäftigten auf (1995) 32,1 Mio. t mit 13 000 Beschäftigten dramatisch zurückgegangen. Von (1960) 698 Bergwerken sind (1995) nur noch 16 in Betrieb. Trotz großer Rationalisierungen und Modernisierungen, verbunden mit beträchtlichen Produktionssteigerungen (Anstieg der Produktivität von [1984] 2,08 t pro Mann/Schicht auf [1994] 8,79 t), wurden in der letzten Stilllegungswelle vor der Privatisierung 1994 aufgrund hoher Verluste und mangelnder Zukunftsperspektiven weitere 31 Zechen geschlossen. Eine wesentliche Ursache für den jüngsten Niedergang des Kohlebergbaus war der starke Rückgang der Kohleabnahme durch die Energieunternehmen. Gegenwärtig wird ein Drittel der geförderten Steinkohle im Tagebaubetrieb gewonnen.
Seit 1975 wird in der Nordsee Erdöl gefördert. 1976 wurde der Export aufgenommen, und seit 1980 kann der britische Erdölbedarf durch die eigene Förderung gedeckt werden. Die vorhandenen Reserven werden auf 4,35 Mrd. t geschätzt, davon gilt das Vorkommen von 1,49 Mrd. t als gesichert. Die Zahl der produzierenden Felder ist von 48 (1980) auf 73 (1994) mit 63 Förderplattformen gestiegen, weitere 13 Felder befinden sich in der Entwicklung. Erdgas wird seit 1967 gefördert. Auch hier ist Großbritannien und Nordirland Selbstversorger (geschätzte Reserven 620 Mrd. m3). Insgesamt befanden sich 1994 53 Offshorefelder in der Produktion und zwölf in der Erschließung. Untermeerische Erdgasleitungen führen zu Terminals in Bacton, Theddlethorpe, Easington und Saint Fergus an der Ostküste; Erdölpipeline nach Teesport, Curden Bay und Inergordon sowie Flotta auf den Orkneyinseln und Sullom Voe auf den Shettlands. Nach einem Rückgang der Fördermenge in den 90er-Jahren auf 90 Mio. t ist die Erdölproduktion 1994 wieder auf 126,7 Mio. t gesteigert worden und nimmt damit den 8. Rang unter den Erdöl produzierenden Ländern ein; 77,5 Mio. t werden exportiert. In der Gasproduktion liegt Großbritannien und Nordirland mit rd. 2,5 · 1018 Joule an 5. Stelle der Weltproduktion. Seit 1992 wird Gas exportiert. 34,9 % der Gasproduktion werden zur Energiegewinnung eingesetzt.
Die Energiewirtschaft basiert, gemessen an der Primärenergieerzeugung (1994) zu 49,3 % auf Kohle, 5,4 % auf Erdöl, 13,2 % auf Gas, 28,1 % auf Kernenergie und zu 2 % auf den erneuerbaren Ressourcen Wasser und Wind. 1993 waren 410 Windkraftturbinen mit 140 MW installiert. Die Elektrizitätserzeugung entfällt (1994) zu 70,2 % auf Wärmekraftwerke (1976: 85,4 %), zu 27 % auf Kernkraftwerke (1976: 12,7 %); Wasserkraftwerke und sonstige Energieerzeugungsanlagen tragen mit 2,8 % bei. Der Einsatz von Erdgas und Kernenergie hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Als erstes Kernkraftwerk der Welt lieferte Calder Hall 1956 Elektrizität. In der Nuklearindustrie sind mehr als 100 000 Beschäftigte tätig. Von einer vorgesehenen Privatisierung hat man inzwischen Abstand genommen. Die britischen Kernkraftwerke bestehen überwiegend aus Druckwasserreaktoren. 1990 wurden zwei halbstaatliche Unternehmen gegründet, die Nuclear Electric PLC, die elf Kernkraftwerke in England und Wales betreibt, und die Scottish Nuclear Limited mit zwei Kernkraftwerken in Schottland. 1994 ging in Sizewell ein neues Kernkraftwerk ans Netz, und der Bau eines weiteren wurde 1993 genehmigt. Die British Nuclear Fuels PLC, verantwortlich für die Wiederaufbereitung, Endlagerung und den Transport von Nuklearelementen, betreibt die umstrittene Wiederaufbereitungsanlage Sellafield/Cumbria an der Irischen See, die durch zahlreiche Störfälle bekannt wurde, sowie eine Fabrik zur Herstellung von Brennelementen in Springfield/Preston und die Kernkraftwerke Sellafield, Calder Hall und Chapel Cross/Südschottland. Die UK Atomic Energy Authority (gegründet 1954), verantwortlich für die technologische Entwicklung des britischen Nuklearprogramms, wurde 1990 in drei kommerziell orientierte Einheiten aufgeteilt.
Die während der industriellen Revolution geschaffenen Grundstrukturen bestimmen auch heute noch das industrieräumliche Bild. Die Industrie ist v. a. in Zentralengland, dem Raum London, der Tyne-Region, dem schottischen Tiefland, in Südwales und um Belfast konzentriert. Im produzierenden Gewerbe sind (2000) noch 22,6 % aller Erwerbstätigen, d. h. 6,325 Mio., tätig, darunter 217 000 im Bereich Energie- und Wasserversorgung, 4,285 Mio. in der Produktion und 1,823 Mio. im Baugewerbe. Veränderungen in der Wirtschaftssystematik 1993 haben zu einer Verschiebung in der Beschäftigtenstruktur zugunsten des Dienstleistungssektors geführt, von der knapp 0,5 Mio. Personen betroffen waren. Auch unter Berücksichtigung dieser Veränderungen dokumentiert der starke Rückgang der Beschäftigten im produzierenden Sektor von 38,2 % gegenüber 1980, als noch 8,9 Mio. (38,8 %) in diesem Wirtschaftszweig tätig waren, den tief greifenden Wandel in der britischen Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten. Die Industrie befindet sich seit Jahrzehnten in einem Anpassungsprozess. Zahlreiche Industriebereiche waren aufgrund ihrer geringen Produktivität, technologische Überalterung und veralteten Organisationsstrukturen nicht mehr wettbewerbsfähig und erlebten einen starken Schrumpfungsprozess, insbesondere der Stahl-, Schiffbau-, Textil- und Metallbereich.
Die Eisen- und Stahlindustrie konzentriert sich heute auf drei größere Hüttenstandorte in Nordostengland (Lackenby-Redcar und Scunthorpe) und Wales; kleinere Stahlwerke bestehen noch in Sheffield. Hohe Verluste an Arbeitsplätzen verzeichneten auch der Fahrzeug- und Maschinenbau. In regionaler Hinsicht wurden von den Kapazitäts- und Beschäftigtenverlusten die Altindustriegebiete im Norden Englands, in Schottland sowie Nordirland am stärksten betroffen. Dagegen konnte sich Südwales u. a. durch die Ansiedlung ausländischer Unternehmen der Unterhaltungselektronik (japanisches Unternehmen) leicht erholen. Moderne Wachstumsindustrie des Hochtechnologiesektors (Computer, Biotechnologie) haben sich vornehmlich westlich Londons und um Cambridge sowie in Mittelschottland (»Silicon Glen«) angesiedelt.
Der mit dem jüngeren Strukturwandel verbundene Arbeitsplatzabbau ist durch zwei große Schübe gekennzeichnet: 1977-84 mit einem Rückgang der industriellen Arbeitsplätze um 24 % und 1990-93 um 17 %. Insgesamt gingen im industriellen Sektor seit 1977 knapp 3 Mio. Arbeitsplätze verloren, davon 766 000 nach 1990. Die höchsten Verluste verzeichnen der Fahrzeugbau mit 30,1 %, die Eisen- und Stahlerzeugung mit 29,9 %, der Maschinenbau mit 22,5 % sowie die bis dahin recht stabile chemische Industrie mit 22,7 % aller Arbeitsplätze. In regionaler Hinsicht wurden von den Kapazitäts- und Beschäftigtenverlusten die Altindustriegebiete im Norden Englands, in Schottland sowie Nordirland am stärksten betroffen. Dagegen konnte sich Südwales durch die Ansiedlung zahlreicher ausländischer Unternehmen der Fahrzeugindustrie (japanisches Unternehmen) leicht erholen. Moderne Wachstumsindustrie des Hochtechnologiesektors (Computer, Biotechnologie) haben sich vornehmlich westlich Londons und um Cambridge angesiedelt.
Die ehemals sehr zahlreichen Staatsbetriebe sind seit den 80er-Jahren mit wenigen Ausnahmen (Nuclear Industry) privatisiert worden: u. a. British Telecom, British Gas, British Petroleum Company, British Aerospace, British Coal Corporation; British Steel wurde Anfang der 80er-Jahre umstrukturiert und Ende 1988 privatisiert. Durch Schließung älterer Werke, Einführung moderner Technologie und Reduzierung der Arbeitsplätze um mehr als 100 000 konnte die Produktivität wesentlich erhöht werden. Die Zahl der Hochöfen wurde von 297 (1985) auf 202 (1994) reduziert, die Rohstahlproduktion stieg im gleichen Zeitraum von 15,1 Mio. t auf 17,3 Mio. t, ein Drittel davon wird exportiert. In Großbritannien und Nordirland hält British Steel einen Marktanteil von 56 %. Der Niedergang des einst bedeutenden Schiffbaus konnte auch durch die Produktion von Offshoreanlagen für die Ölindustrie nicht wesentlich aufgehalten werden. Anfang der 80er-Jahre geriet auch die Autoindustrie in eine schwere Krise. Durch zahlreiche Werkschließungen und Rationalisierung sank die Zahl der Beschäftigten in diesem Industriezweig von (1980) 437 000 auf (1995) 201 000. Fast die gesamte Automobilindustrie ist inzwischen in ausländischem Besitz, z. B. ist Vauxhall ein Tochterunternehmen von General Motors, Jaguar gehört zur Daimler-Gruppe, und 1994 hat BMW die traditionelle Rover-Gruppe, den größten britischen Automobilproduzenten, von der British Aerospace übernommen. Die japanischen Unternehmen Nissan, Toyota und Honda haben einen Produktionsanteil von (1994) 23,4 %. 1994 wurden in Großbritannien und Nordirland 1,47 Mio. Pkw hergestellt, damit liegt das Land an 6. Stelle in der Welt. Stark geschrumpft ist auch die Luft- und Raumfahrtindustrie. Die inzwischen privatisierte Aerospace Corporation, an der europäischen Airbusindustrie mit 20 % beteiligt, hatte (1994) noch 43 400 Beschäftigte. Bei Flugzeugtriebwerken nimmt Rolls-Royce eine führende Position ein. Die chemische Industrie (1995: 238 000 Beschäftigte) steht nach der Bruttowertschöpfung in der EU an 2. Stelle, die elektrotechnische und Elektronikindustrie (1995: 457 000 Beschäftigte) an 4. Stelle. Die einst bedeutende Textil- und Bekleidungsindustrie beschäftigte 1995 nur noch 355 000 Personen. Ihre traditionellen Zentren sind neben London v. a. Manchester und Leeds. Die meisten von der Nahrungs- und Genussmittelindustrie (1995: 443 000 Beschäftigte) produzierten Waren sind für den britischen Markt bestimmt; stark exportiert wird dagegen der in Schottland hergestellte Whisky. Die Druckindustrie (1995: 344 000 Beschäftigte) gehört zu den wenigen Industriezweigen mit leicht ansteigenden Beschäftigtenzahlen. Das britische Verlagswesen spielt in der englischsprachigen Welt eine führende Rolle. Die Keramikindustrie konzentriert sich um Stoke-on-Trent (Potteries). 83,7 % der Betriebe (mehr als zehn Beschäftigte) des verarbeitenden Sektors beschäftigen 10-100 Arbeitskräfte. In den Betrieben mit über 100 Arbeitsplätzen sind jedoch 61,7 % (1995) aller Beschäftigten dieses Sektors tätig.
Im Zuge des wirtschaftsstrukturellen Wandels der letzten Jahrzehnte ist v. a. der Dienstleistungssektor um fast 3 Mio. Arbeitsplätze, von 13,8 Mio. (1984) auf 16,6 Mio. Beschäftigte (1995), angewachsen. Damit sind 75 % aller Erwerbstätigen in Großbritannien und Nordirland in diesem Sektor tätig (1992: Deutschland 58,5 %, USA 72,5 %), der 68 % des BIP erwirtschaftet. Ein erheblicher Teil des Arbeitsplatzzuwachses ist u. a. auf Teilzeitarbeitskräfte (90 % Frauen) zurückzuführen. 1991 war ein Drittel der erwerbstätigen Frauen in einem solchen Arbeitsverhältnis tätig. Die hohe Dienstleistungsquote geht v. a. auf eine starke Zunahme der Beschäftigten in den Bereichen persönlicher und Geschäftsdienstleistungen zurück. Selbst in der rezessiven Phase 1990-94 nahmen die Beschäftigten in den Bereichen Beratung, Vermittlung, Vermietung um 10 % auf 2,66 Mio. zu. Der traditionell bedeutende Finanzsektor (1995: 944 000 Beschäftigte) verzeichnete dagegen aufgrund starker Rationalisierungen in der Branche einen Arbeitsplatzrückgang von 10,7 %. Dazu haben u. a. Ereignisse wie der spektakuläre Zusammenbruch der Bank Credit and Commerce International 1991 und der Wandel im Börsenhandel nach dem »Big Bang« von 1986, der die traditionellen Regeln im Handel an der Londoner Börse beseitigte, beigetragen. London gehört neben New York und Tokio zu den drei wichtigsten internationalen Finanzzentren in der Welt. Trotz des Aufstiegs asiatischer Finanzzentren nimmt es im internationalen Kapitalverkehr noch immer die führende Position ein. Diese dokumentiert sich auch in der außergewöhnlichen Konzentration von (1993) 524 ausländischen Banken in London (New York 340). Außerdem ist Großbritannien und Nordirland einer der größten internationalen Versicherungsmärkte.
Rd. 1,8 Mio. Personen arbeiten direkt oder indirekt in der Tourismusbranche. Die Einnahmen aus dem Tourismus lagen 1998 bei schätzungsweise 26,7 Mrd. £, davon 47,5 % durch Ausländer. Die meisten der ausländischen Besucher kommen aus den USA, Frankreich und Deutschland Hauptanziehungspunkt sind, nach London, die Süd- und Südwestküste sowie das schottische Hochland.
Großbritannien und Nordirland hat seit langem einen rückläufigen Anteil am Welthandel. Die noch bis in die 50er-Jahre dominierende Rolle als Hauptlieferant von Fertigwaren ist inzwischen völlig verloren gegangen. 1960 stellten die britischen Ausfuhren noch 8,3 % der Weltausfuhr, 1994 betrug dieser Anteil nur noch 4,9 %, bedeutete aber im Weltvergleich Platz 5 unter den Exportnationen. In den 80er-Jahren hat das verarbeitende Gewerbe wegen des hohen £-Kurses als Folge einer deflationären Politik der Regierung und hoher Öleinnahmen dramatisch an Exportmarktanteilen verloren. Der Anteil am Warenhandel ging um fast 20 % zurück. Dieser Verlust wurde vorübergehend durch die Erdölexporte ausgeglichen, die bei hohen Erdölpreisen zu einer positiven Handelsbilanz beitrugen. Mit dem Rückgang der Produktion und der Preise hat das Erdöl inzwischen seinen positiven Einfluss auf die Handelsbilanz verloren. Der Niedergang der Industrie hat die Außenhandelsstruktur nachhaltig verändert. Großbritannien und Nordirland ist heute als Markt von Fertigwaren wichtiger denn als Lieferant. 1953 bestanden noch 69 %, 1994 nur noch 19 % aller Importe aus Nahrungsmitteln und Grundstoffen; an ihre Stelle traten vor allem verarbeitete Güter. 1994 erreichte das Defizit im Warenverkehr einen Wert von 10,7 Mrd. £. Hohe Dienstleistungsexporte hatten seit dem Zweiten Weltkrieg immer für einen Überschuss in der Leistungsbilanz gesorgt und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der britischen Industrie überdeckt. Der starke Rückgang der Nettozuflüsse aus den Erdöleinnahmen und ein expansives Konjunkturprogramm 1987/88 (Lawson Boom) ließen Ende der 80er-Jahre die Importe stark ansteigen, ohne den Export zu fördern. Die Folge war ein dramatisch hohes Handelsbilanzdefizit und bei gleichzeitig schrumpfenden Einnahmen aus dem Dienstleistungsverkehr eine seitdem negative Leistungsbilanz. Mit der Modernisierung der noch verbliebenen Industrie, einem vergleichsweise niedrigen Lohnniveau, das zahlreiche ausländische Investoren ins Land zog, und deflatorischen Maßnahmen konnte Großbritannien und Nordirland seine Außenhandelsposition in den letzten Jahren wieder stärken und das Außenhandelsdefizit reduzieren. Die Importe bestehen überwiegend aus Maschinenbau- und elektrotechnischen Erzeugnissen, Fahrzeugen (1994: zusammen 40,6 %) sowie bearbeiteten Waren, chemischen Erzeugnissen und Nahrungsmitteln. Exportiert werden v. a. Maschinenbau-, elektrotechnische Erzeugnisse sowie Fahrzeuge (1994: zusammen 41,6 %), chemische Produkte (13,9 %), Brennstoffe (6,6 %) und sonstige bearbeitete Waren. Die wichtigsten Handelspartner sind die EU-Länder und die USA. Der Wert des Warenaustausches zwischen Großbritannien und Nordirland und der EU betrug 1994 56,3 % des gesamten Außenhandels, derjenige mit den USA und Japan 12,1 beziehungsweise 4,2 %, wobei besonders der Handel mit Japan hoch defizitär ist.
Verkehr:
Das britische Verkehrssystem ist auf den Straßenverkehr ausgerichtet. In Großbritannien und Nordirland besteht Linksverkehr. Rd. 65 % der Gütertonnenkilometer und 92,7 % der Personenkilometer werden von straßengebundenen Verkehrsträgern abgewickelt (1999). Ende 1999 waren 28,4 Mio. Straßenfahrzeuge zugelassen, die Pkw-Dichte betrug 477 Fahrzeuge je 1 000 Einwohner. Das Straßennetz umfasst (1999) 317 900 km, davon entfallen 3 316 km auf Autobahnen und 12 150 km auf Fernstraßen. G. und N. besitzt ein relativ dichtes Streckennetz von 32 000 km, über das heute 2 500 Bahnhöfe und 1 000 Frachtdepots bedient werden. 1947 wurden vier große Eisenbahngesellschaften verstaatlicht und unter der Bezeichnung British Rail zusammengefasst. Mit der Railway Act von 1993 wurde die Privatisierung beschlossen und bis 1997 abgeschlossen. Nach einer Umstrukturierung und Aufteilung in unabhängige Gesellschaften wurden diese zum Verkauf oder als Leasingobjekte angeboten. Das Schienennetz, die Immobilien und der Landbesitz wurden 1994 von der unabhängigen halbataatllichen Gesellschaft Railtrack übernommen, die auch für die Wartung zuständig ist. Der Personenverkehr wurde mit der Privatisierung in 25 regionale Einheiten aufgegliedert. Das Eisenbahn-Passagiernetz, das 1999/2000 38,3 Mrd. Passagierkilometer bediente, umfasst u. a. ein Inter-City-Netz, das die Hauptzentren des Landes miteinander verknüpft und dabei v. a. sehr stark auf die Hauptstadt Groß-London ausgerichtet ist. Die beiden Hauptunternehmen im Frachtsektor sind English, Welsh & Scottisch Railway (EWS), das auch Zugverbindungen durch den Channel Tunnel betreibt, und Freightliner, das Containerdienste zwischen den Haupthäfen und binnenländischen Terminals anbietet. Eurotunnel, eine britissch-französische Gruppe, betreibt seit 1994 Passagier- und Fracht-Shuttle-Dienste zwischen den Terminals Folkstone und Calais (1999 nahezu 3,3 Mio. Autos, 839 000 Lastzüge und 82 000 Busse). Eurostar-Hochgeschwindigkeitszüge verbinden London (Waterloo) mit Paris oder Brüssel (in weniger als 3 Stunden beziehungsweise 2 Stunden 40 Minuten) sowie darüber hinaus auch mit anderen Zentren (Eurostar-Passagiere 1999: 7 Mio.). Insgesamt ist das heute profitorientierte Eisenbahnnetz von G. und N. noch stark verbesserungsbedürftig. Der weitere Ausbau des Streckennetzes für Hochgeschwindigkeitszüge über London, Manchester bis Liverpool ist geplant. Der Personentransport ist in jüngster Zeit anwachsend, er betrug 1999/2000 947 Mio. Fahrgäste.
Britische Fluggesellschaften flogen 1999 einen Rekord von 1,38 Mrd. Flugkilometern und transportierten 65 Mio. Passagiere auf Linien- und 33 Mio. auf Charterflügen. British Airways (1987 privatisiert) gehört zu den größten Fluggesellschaften der Welt, weitere bedeutende internationale tätige Fluggesellschaften sind British Midland, Virgin Atlantic Airways, Britannia Airways, Lowfare, EasyJet und Go (Zweiggesellschaft von BA). Rd. 62 % des gesamten Fluggastaufkommens von rd. 170 Mio. Flughafen-Passagieren (1999) entfallen auf die fünf Londoner Flughäfen Heathrow, Gatwick, Stanstead, Luton und City Airport, von denen Heathrow mit (1999) 62 Mio. Passagieren der größte internationale Flughafen ist, gefolgt von Gatwick mit 30,4 Mio. und Manchester mit 17,4 Mio. Fluggästen. Weitere wichtige internationale Flughäfen sind Glasgow, Aberdeen, Edinburgh, Belfast International.
Großbritannien und Nordirland verfügt über 4 000 km Binnenwasserstraßen, die überwiegend aus der frühindustriellen Periode stammen. Nur noch ein kleiner Teil ist heute kommerziell befahrbar (Themse, Manchester Ship Canal). Zahlreiche Kanäle wurden jedoch in den letzten Jahren für den Wassertourismus wieder erschlossen. Unter den Schifffahrtsnationen nimmt G. und N. mit 7,2 Mio. BRT (1999) in der Welt eine nachrangige Position ein, wenngleich 95 % des britischen Außenhandels nach Gewicht beziehungsweise 75 % nach dem Wert per Schiff abgewickelt werden. Der starke Bedeutungsverlust der britischen Handelsflotte seit den 70er-Jahren ist v. a. eine Folge der Ausflaggung (Billigflaggen), des Wegfalls von Regierungsunterstützung etc. Bedeutendste Seehäfen sind (in der Reihenfolge des Frachtaufkommens 1999) London, Grimsby und Immingham, Tees und Hartlepool, Forth, Sullom Voe (Shetland), Southampton, Milford Haven, Felixstowe, Liverpool und Dover. Der Hafen von London, der nach der Schließung der alten Docklands weiter flussabwärts verlagert wurde, ist mit 52,2 Mio. t Umschlag der wichtigste Universalhafen des Landes. Zahlreiche ehemals bedeutende Häfen befinden sich gegenwärtig in der Umnutzung, z. B. Liverpool, Manchester, Swansea, Hull. Für den Personen- und Frachtverkehr mit dem europäischen Festland und mit Irland besteht eine Vielzahl von Fährverbindungen.
Britische Inseln.
Eroberung und Abwehr. England bis 1066
Seit dem 4./3. Jahrhundert v. Chr. hatten keltische Einwanderer Sprache und Kultur der Insel beeinflusst und sich mit der Bevölkerung vermischt. Nach zwei Expeditionen Caesars (55 und 54 v. Chr.) eroberten die Römer seit 43 n. Chr. den größten Teil Britanniens.
Nach dem Abzug fast aller römischen Truppen zu Beginn des 5. Jahrhunderts ging die Macht auf lokale Herrscher über, von denen einige die bereits seit dem 4. Jahrhundert praktizierte Anwerbung bisher auf dem Festland ansässiger germanischer Stammeseinheiten - sei es als Söldner, sei es als Arbeitskräfte - fortsetzten. Einigen dieser Verbände, die sich v. a. aus Angehörigen der nordwestgermanischen Stämme der Angeln, Sachsen und Jüten (Angelsachsen) zusammensetzten, gelang es gegen Mitte des 5. Jahrhunderts, die britische Oberhoheit abzustreifen und, unterstützt durch vom Kontinent nachströmende Zuwanderer, eigene Herrschaften und später auch kleine, zum Teil kurzlebige Königreiche (z. B. Bernicia, Deira) zu errichten, wobei die Masse der einheimischen Bevölkerung teils in die unwegsamen Hochlandzonen des Landes (Cornwall, Wales, Schottland), teils in die Bretagne abgedrängt wurde. Als Ergebnis dieses erst gegen Ende des 7. Jahrhunderts abgeschlossenen Landnahmeprozesses entstanden schließlich sieben Teilkönigreiche (Kent, Sussex, Essex, Wessex, East Anglia, Mercia, Northumbria), deren Bewohner allmählich zum angelsächsischen Volk zusammenwuchsen. Die sich im 7. Jahrhundert vollziehende Christianisierung förderte nicht nur diesen Prozess, sondern schuf auch die Voraussetzungen für die Kulturblüte des 7./8. Jahrhunderts, als deren bedeutendster Repräsentant der Historiker und Theologe Beda gilt. Die besonders an den Klöstern gepflegte Bildung legte auch die Grundlage für eine verbreitete Missionstätigkeit (angelsächsische Mission) in den noch heidnischen oder nur oberflächlich christianisierten Gebieten des Kontinents (u. a. Bonifatius). Im Kampf um die Vorherrschaft eines Teilreiches über die anderen (Bretwalda) konnte sich im 8. Jahrhundert das zentral gelegene Mercia unter König Offa (757-796) durchsetzen, dem es auch gelang, seinen Herrschaftsbereich gegenüber den keltischen Randherrschaften zu konsolidieren (Grenzbefestigung »Offa's Dyke« gegen Wales). Seit dem Ende des 8. Jahrhunderts suchten heidnische Nordleute (meist dänische Wikinger), die bereits in Nordschottland und Irland Fuß gefasst hatten, den Osten und Norden Englands heim und zerstörten die aufblühende geistliche Klosterkultur in Nordengland. Mercia verlor seine Vorrangstellung an Wessex, wo sich König Egbert (802-839) die umliegenden Kleinkönigreiche untergeordnet hatte und zum anerkannten Bretwalda emporstieg.
Das mächtige Wessex bot unter König Alfred dem Großen (871-899) der dänischen Großinvasion von 865 die Stirn und zwang die Dänen zum Frieden (878); diese wandten sich nun dem Christentum zu. Danach dehnte Alfred seine Herrschaft nach Osten bis über London aus und legte vertraglich die Grenzen des dänischen Herrschafts- und Siedlungsgebietes, des Danelaw, im Osten und Nordosten Englands fest (etwa 886). König Aethelstan (924-939) beherrschte nach heftigen Kämpfen mit Norwegern, Dänen und Schotten fast das ganze heutige England. Seine Verwaltungsgliederung knüpfte an die Grafschaftsverfassung (the Shires) Egberts an und legte den Grund für ein nationales Königtum, das sich dann ab 955 auf Dauer durchsetzen konnte. Infolge der Bemühungen Alfreds des Großen um die Wiederbelebung von Kultur und Bildung übernahm Wessex auch die geistige Führung im Bund mit der Kirche, die unter Dunstan, Erzbischof von Canterbury, eine umfassende monastische Reform einleitete und durch ein neues Krönungsritual unter Einschluss der Salbung dem Königtum eine zusätzliche sakrale Weihe vermittelte. Die Machtstellung des Königtums wurde jedoch gegen Ende des 10. Jahrhunderts durch schwere Konflikte mit dem Adel und dynastischen Auseinandersetzungen im Königshaus sowie durch neuerlich einsetzende Däneneinfälle erschüttert. Nachdem die Skandinavier zunächst nur an Plünderung und Tributleistungen (Danegeld) interessiert waren, unterwarf 1013 der dänische König Sven Gabelbart in einem groß angelegten Feldzug das Land und zwang König Aethelred II., außer Landes zu fliehen. Svens zweiter Sohn, Knut der Große (1016-35), setzte das Werk des Vaters fort und wurde nach dem Tod von Aethelred II. und dessen Sohn Edmund Ironside (1016) allgemein als König anerkannt. Bald fielen ihm auch die Kronen von Dänemark und Norwegen zu, sodass England Bestandteil eines norden Großreiches wurde. Nach dem frühen Tod des Königs und der kurzen Herrschaft seiner Söhne bestieg der jüngere Sohn Aethelreds II., Eduard der Bekenner (1042 bis 1066), den englischen Thron. Aufgewachsen in der Normandie, pflegte er enge Beziehungen zu seiner Exilheimat, indem er bevorzugt Normannen als Ratgeber oder Amtsträger ins Land rief und, selbst kinderlos, wahrscheinlich auch Herzog Wilhelm von der Normandie die Nachfolge im Königtum zusicherte. Als Eduard 1066 starb, wählten die Großen des Landes jedoch den mächtigen Earl of Wessex, Harold II., dessen Schwester mit Eduard dem Bekenner verheiratet war, zum König. Während es Harold gelang, den in Yorkshire mit Heeresmacht eingefallenen norwegischen König und Thronprätendenten Harald Hardråde, der die englische Krone als Erbe Knuts des Großen beanspruchte, vernichtend zu schlagen, landete wenige Tage später Herzog Wilhelm mit einer Invasionsflotte an der Südküste. In der Schlacht bei Hastings (14. 10. 1066 Bayeux-Teppich) entschied sich das Schicksal Englands: Harold unterlag und fiel; damit war für Wilhelm (»den Eroberer«) der Weg frei, sich in Westminster als Wilhelm I. zum König krönen zu lassen.
Ausbau und Blüte der mittelalterlichen Herrschafts- und Gesellschaftsordnung (1066-etwa 1300)
Während die ältere Forschung noch davon ausging, dass die normannische Eroberung zu einem geradezu revolutionären Bruch mit der Vergangenheit geführt habe, verweist man heute neben den Neuerungen auch auf bemerkenswerte Anzeichen von Kontinuität. So versprach Wilhelm I. bereits bei seiner Krönung, das Herkommen und die Gesetze seines Vorgängers zu achten. Als Neuerung wurde allerdings das kontinentale Lehnswesen eingeführt, das das Verhältnis zwischen dem König und der adligen Oberschicht unter Einschluss des höheren Klerus auf eine neue Grundlage stellte und die Wehrverfassung des Landes durch die Einführung des vasallitischen Ritterdienstes wesentlich umgestaltete. An die Stelle der angelsächsischen Großen traten die französisch-normannischen Gefolgsleute Wilhelms I., die nicht nur in die hohen Kirchen- und Staatsämter einrückten, sondern auch - wie das im Auftrag Wilhelms I. als Grundkataster angelegte Domesday Book erkennen lässt - im Jahr 1086 fast alle Kronvasallen stellten, die über den gesamten Grundbesitz des Landes, soweit er nicht von der Krone selbst verwaltet wurde, als Lehen verfügten. Daneben griff Wilhelm I. jedoch auch auf die bewährten Herrschaftsinstitutionen der Angelsachsenzeit, wie die Grafschafts- und Hundertschaftsverfassung unter der Kontrolle königlichen Sheriffs, die hergebrachte Gerichtsverfassung sowie das alte Finanz- und Steuerwesen, zurück und ließ sich nach angelsächsischem Vorbild einen allgemeinen Treueeid von allen Landbesitzern leisten. Aus der Verbindung der normannischen Feudalmonarchie mit den volksrechtlichen und administrativen Traditionen des angelsächsischen Königtums wurde somit der Grund für eine dauerhafte monarch. Zentralgewalt gelegt, die durch die Gesetzgebung Heinrichs I. (1100-35), besonders in der Charta libertatum von 1100, in verfassungsähnlicher Weise bestätigt wurde. Begünstigt durch den Umstand, dass zahlreiche Kronvasallen auch noch Besitzungen auf dem Festland hatten, öffnete sich England von nun an in besonderem Maße dem kontinentallateinischen Kulturkreis. Da die neuen Herren Französisch sprachen, wurde die angelsächsische Sprache im Bereich der adligen Oberschicht verdrängt (englische Sprache).
Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts wurde die Entwicklung in England - wie im übrigen Abendland auch - durch ein stetiges, sich im 12. und 13. Jahrhundert dramatisch beschleunigendes Bevölkerungswachstum geprägt, das die Anzahl der Einwohner des Landes bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts von etwa 1,5-2 Mio. auf etwa 5-6 Mio. ansteigen ließ. Wie auf dem Kontinent führte der gestiegene Nahrungsbedarf zur Erschließung neuer Anbauflächen und damit zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, wodurch wiederum eine allgemeine wirtschaftliche und soziale Dynamik ausgelöst wurde, die nahezu alle Lebensbereiche erfasste und zu einem lang andauernden Aufschwung von Geldwirtschaft, Handel und Gewerbe sowie zur Entstehung eines engen Netzes von Städten und Märkten führte. Die günstige Agrarkonjunktur bei relativ hohen Agrarpreisen und niedrigen Lohnkosten veranlasste zahlreiche Grundherren, einen Großteil ihres Grundbesitzes in eigener Verwaltung zu bewirtschaften und die den Eigenbedarf übersteigende Produktion auf den Märkten zu veräußern. Im Bereich von Handel und Gewerbe nahm der Wollhandel eine Sonderstellung ein, der v. a. im 13. Jahrhundert expandierte und die Wolle zum Hauptexportgut des Landes werden ließ. Während die heimische Tuchproduktion auf dem Land, die für den lokalen Markt produzierte, durchweg prosperierte, erlitt das Tuchgewerbe in den Städten, das sich auf den Export verlegt hatte, im 13. Jahrhundert durch die Konkurrenz der flämischen Tuchhersteller einen schweren Rückschlag, von dem es sich erst gegen Mitte des 14. Jahrhunderts erholte.
Nachdem die normannische Dynastie 1135 im Mannesstamm erloschen war, fiel nach einer Zeit bürgerkriegsähnlichem Wirren die Krone an Heinrich II. (1154-89) aus dem Haus Anjou-Plantagenet. Aus dem Erbe seines Vaters, Geoffrey von Anjou, und der Mitgift seiner Gattin, der Herzogin Eleonore von Aquitanien, verfügte Heinrich über den gesamten Westen und Südwesten Frankreichs als Lehnsbesitz der französischen Krone, wodurch er selbst mächtigster Kronvasall des französischen Königs und England Bestandteil eines weiträumigen Territorialgefüges (Angevinisches Reich) wurde. Im Verlauf seiner Regierungszeit zwang er außerdem Wales und Schottland zur Anerkennung seiner Oberlehnsherrschaft und eroberte 1171/72 Irland. Aus dem Bedürfnis nach einem stets verfügbaren Söldnerheer betrieb er die Ablösung des lehnsrechtlichen Ritterdienstes durch Geldleistungen (Schildgeld) und drängte im Innern die feudalen Gewalten durch eine allgemeine Zuständigkeitserweiterung der königlichen Gerichtsbarkeit, die Vereinheitlichung von Rechts- und Verfahrensnormen und die sich hieraus ergebende Tendenz zu einem überregionalen Recht (Common Law) zurück. Der Versuch, in den Konstitutionen von Clarendon (1164) die Sonderstellung der Geistlichen gegenüber der königlichen Herrschaft einzuschränken, führte zum Konflikt mit Erzbischof Thomas Becket und zu dessen Ermordung. Unter den Söhnen Heinrichs, Richard Löwenherz (1189-99) und Johann ohne Land (1199-1216), traten die Schwächen des heterogenen, nur durch die Person des Herrschers zusammengehaltenen Reiches offen zutage. Mit Rücksicht auf den Rechtsstatus der Festlandsbesitzungen war einerseits ein Dauerkonflikt mit dem französischen König als Lehnsherrn vorprogrammiert, während andererseits jedes militärische Engagement auf dem Kontinent besondere finanzielle Opfer verlangte, deren Einforderung auf zunehmenden Widerstand der englischen Magnaten stieß. So musste Johann, der sich zusätzlich in Auseinandersetzungen mit Rom einließ, 1213 sein Land vom Papst zu Lehen nehmen und verlor nach dem Sieg König Philipps II. August von Frankreich bei Bouvines 1214 endgültig seinen angevinischen Besitz bis auf die Kanalinseln und einen Restbestand in Südwestfrankreich (Guyenne). Diese Misserfolge stärkten die Opposition der Barone, die sich nun gegen die überspannte Herrschafts- und Fiskalpolitik Johanns erhoben und dem König in der Magna Charta libertatum (1215; Magna Charta) eine Bestätigung ihrer Rechte und Freiheiten abtrotzten. Der Sache nach zunächst ein Feudalvertrag, wurde die Urkunde jedoch in der politischen Entwicklung der Folgezeit zu einem Grundstein des englischen Verfassungsrechts aufgewertet. Trotz mehrfacher Bestätigung der Magna Charta folgte unter Heinrich III. (1216-72) ein halbes Jahrhundert innerer Wirren, die mit dem Wandel der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im 12. und 13. Jahrhundert zusammenhingen und aus denen das Parlament als neues Organ hervorging. Da sich nach der Magna Charta die feudalen Ressourcen dem Zugriff der Krone weitgehend entzogen, versuchte der König, den außerhalb der Feudalordnung angesammelten Reichtum zu erschließen, indem er gelegentlich Ritter und Kaufleute sowie Vertraute aus den südwestfranzösischen Besitzungen als Berater oder Geldgeber an sich zog und seine Hofhaltung (the Household) zum eigentlichen mobilen Regierungs- und Finanzzentrum mit eigener Siegelführung (Privy seal) ausbaute. Glücklose außenpolitische Aktivitäten, verbunden mit gesteigertem Geldbedarf sowie der Tendenz des Königs, an der feudalen Oberschicht vorbeizuregieren, trafen jedoch auf energische Kontroll- und Reformforderungen der Barone. Der Konflikt mündete in den Aufstand des Grafen Simon de Montfort, der den König nach offener Feldschlacht (1264) gefangen nahm und, gestützt auf die Städte, den niederen Klerus und die Grafschaftsritter, ein Parlament (1265) berief, in dem erstmals Städte und Grafschaftsritter gemeinsam vertreten waren. Daran knüpfte Eduard I. (1272-1307) nach seinem Sieg über Simon de Montfort an, als er neben der Überprüfung der gesamten Rechts- und Eigentumsverhältnisse seit 1274 (hundred rolls) und der Sicherung des Vorrangs der Common-Law-Gerichte und des geschriebenen Rechts (Statute Law) selbst Parlamente berief. Unter Eduard II. nahm das Parlament zeitweilig bereits eine Schlüsselstellung in der Auseinandersetzung zwischen Krone und Magnaten ein, und nach 1360 erlangten die Vertreter des gemeinen Volkes, die sich als House of Commons vom House of Lords unterschieden, ein unumgängliches Mitspracherecht, wenn es um die Bewilligung außerordentlicher Finanzen ging. Mit der Eroberung von Wales (1284) dehnte Eduard I. England nach Westen bis zum Meer aus. Sein erfolgreiches Eingreifen in Schottland blieb jedoch Episode, da es den Schotten gelang, in der Schlacht von Bannockburn (1314) seinen Nachfolger, Eduard II., vernichtend zu schlagen.
Krise und Wandlungen des Herrschafts- und Sozialsystems (etwa 1300-1485)
Die mittelalterliche Geschichte Englands wurde seit dem 14. Jahrhundert durch schwere Krisenerscheinungen geprägt. Missernten in den Jahren 1315/16 lösten eine landesweite Hungersnot aus, wobei Viehseuchen die Krise noch verschärften. Dazu brach 1348-50 auch über England die abendländische Pestkatastrophe herein, die zu einem Bevölkerungsrückgang um etwa 30 % führte und im Verein mit weiteren Pestwellen ab 1361 für eine stetige Bevölkerungsabnahme sorgte, die bis zum Ende des 15. Jahrhunderts anhielt. Die damit verbundene Verknappung der menschlichen Arbeitskraft löste bei steigenden Löhnen und fallenden Agrarpreisen eine lang anhaltende Agrardepression aus, unter der weniger Handel und Gewerbe, dafür aber umso mehr der Land besitzende Kleinadel (Gentry) litten. Dagegen konnten die abhängigen Bauern und Lohnarbeiter vielerorts die feudalen Bindungen in vertraglichen Vereinbarungen umwandeln. Der Versuch der Herrschenden, dieser Entwicklung durch gesetzliche Lohn- und Preisregulierungen, Erhöhung der Dienstpflichten und neue Wirtschaftsformen (Umwandlung von Gemeindeland in Privatbesitz, Enclosure) entgegenzuarbeiten, sowie außenpolitische Misserfolge und die Einführung einer Kopfsteuer führten zum Bauernaufstand von 1381, der sich mit dem Londoner Kampf zwischen Kleinhandwerkern und Vollbürgern und dem radikalen Angriff J. Wycliffes und seiner Schüler (Bauernführer John Ball; Lollarden) auf das kirchliche System vereinigte. Das 14. Jahrhundert wurde endlich auch durch eine schwere Krise des Königtums unter der schwachen Herrschaft Eduards II. (1307-27) eingeleitet; der Dauerkonflikt der Krone mit der keineswegs in sich geschlossenen Opposition der Barone führte am Ende zu anarchischen Zuständen, die in der Absetzung und Ermordung des Königs gipfelten. Eduard III. (1327-77) gelang es zwar, das Land im Innern zu befrieden; Auseinandersetzungen um den Rechtsstatus der südwestfranzösischen Gebiete, in deren Verlauf Eduard auch Ansprüche auf den französischen Thron erhob, führten jedoch zum Ausbruch des Hundertjährigen Krieges (1337), der den Engländern zunächst große Erfolge brachte: Seesieg bei Sluys 1340, Siege bei Crécy (Crécy-en-Ponthieu) 1346 und Maupertuis (Poitiers) 1356, Gefangennahme des französischen Königs Johann II., des Guten; ferner weckte er ein überregionales englisches Nationalgefühl, das sich auch gegen das avignonische Papsttum richtete und u. a. dazu führte, dass die französische Sprache von der englischen verdrängt wurde. Im Vertrag von Brétigny (1360) schien Eduard III. das eigentliche Kriegsziel, die Anerkennung Guyennes als von der französischen Krone unabhängigen Allodialbesitz, erreicht zu haben; die getroffenen Vereinbarungen wurden jedoch schon bald durch die Wiederaufnahme des Krieges hinfällig, in dessen weiterem Verlauf die Engländer empfindliche Rückschläge hinnehmen mussten.
Der letzte Plantagenet, Richard II. (1377-99), stützte sich auf Gentry und Kirche, unterlag aber der Magnatenopposition, deren Führer Henry Bolingbroke, Herzog von Lancaster und Enkel Eduards III., als Heinrich IV. (1399-1413) den Thron bestieg. Er suchte Stütze an der Kirche und willigte in die Verfolgung der Lollarden ein, kam aber nicht an beträchtlichen Zugeständnissen dem Parlament gegenüber vorbei. Seinem Sohn, Heinrich V. (1413-22), gelang es jedoch, die Magnaten mit der Krone zu versöhnen und auf den wieder aufgeflammten Krieg mit Frankreich einzuschwören. Nach dem glänzenden Sieg über das französische Ritterheer bei Azincourt (1415) und einem erfolgreichen Feldzug in der Normandie erreichte Heinrich mit Unterstützung Herzog Philipps des Guten von Burgund im Vertrag von Troyes (1420) die Anerkennung als Regent und Erbe Frankreichs und wurde mit Katharina, der Tochter des französischen Königs Karl VI., vermählt. Mit seinem frühen Tod zerrannen jedoch die weit gespannten Hoffnungen, zumal Heinrich VI. (1422-61) erst ein Jahr alt war. Nach der Aufkündigung des Vertrages durch Frankreich endete der englische Siegeszug vor den Toren von Orléans, als es Jeanne d'Arc gelang, den französischen Widerstand zu beleben und ihren König Karl VII. nach Reims zur Krönung zu führen. Nachdem Burgund im Vertrag von Arras (1435) das englische Bündnis aufgekündigt hatte, wurde die militärische Situation für die Engländer auf dem Kontinent unhaltbar. Als der Krieg (ohne förmlichen Friedensschluss) 1453 endete, war der gesamte Festlandsbesitz - mit Ausnahme von Calais - an Frankreich verloren gegangen. Noch während der Regierungszeit Heinrichs VI. wurde das Land durch schwere Auseinandersetzungen des Hochadels erschüttert, die in unmittelbare Thronkämpfe der miteinander rivalisierenden Königshäuser Lancaster (rote Rose) und York (weiße Rose) einmündeten (Rosenkriege). Nach wechselvollen Kämpfen usurpierte Eduard IV. (1461-83) aus dem Hause York den Thron, hielt Heinrich VI. im Tower gefangen und schlug 1471 das letzte Heer der roten Rose. Heinrichs Sohn fand dabei den Tod; er selbst starb kurz danach in Gefangenschaft. Eduard hinterließ nach zehnjähriger unbestrittener Herrschaft einen gefestigten Thron, den aber sein Bruder Richard III. (1483-85) besetzte, nachdem der unmündige Thronerbe Eduard V. und dessen jüngerer Bruder im Tower getötet worden waren. Gegenüber Richard erhob nun Heinrich Tudor, Earl of Richmond und über seine Mutter mit dem Haus Lancaster verwandt, Ansprüche auf die Königsherrschaft, wobei er sich durch seine Verlobung mit Elisabeth von York, der Tochter König Eduards IV., auch die Unterstützung vieler Anhänger aus dem Hause York sicherte. In der Schlacht von Bosworth (1485) verlor Richard III. Krone und Leben; sein Gegner, der durch die Heirat mit Elisabeth die Ansprüche und Herrschaftsrechte der Häuser Lancaster und York in seiner Person vereinigte, bestieg als Heinrich VII. (1485-1509) den Thron.
Die Wiedergewinnung der königlichen Machtposition durch die Tudors (1485-1558)
Heinrich VII. verteidigte sein Königtum erfolgreich gegen alle, die als Rivalen infrage kamen (neben seiner Gemahlin Elisabeth nur noch Eduard, Graf von Warwick, der im Tower eingekerkerte und später hingerichtete Enkel Eduards IV.) oder mit falschem Anspruch als solche auftraten (Lambert Simnel und Perkin Warbeck), und sicherte es rechtlich durch ein Parlamentsgesetz (7. 11. 1485. Wenn auch die Errichtung einer direkten englischen Herrschaft über Irland vorerst noch scheiterte, so festigte er doch 1494 durch ein Gesetz seines Statthalters (Poynings' Law) die rechtliche Stellung des englischen Königs auf irischem Boden; auch an der schottischen Grenze konnte er durch Ausräumung von Grenzstreitigkeiten und durch einen Heiratsvertrag seiner dreizehnjährigen Tochter Margarete mit Jakob IV. eine gewisse Beruhigung herbeiführen. Zielbewusst und mit großer Umsicht baute er die Machtstellung der Krone aus und schuf auf rechtlichem, wirtschaftlichem und finanziellem Gebiet Ordnung in einem Land, das durch den Bürgerkrieg der Adelsparteien beträchtlich erschüttert worden war. Zum wichtigsten Instrument des Königs bei der Durchsetzung seines Willens in Regierung und Verwaltung des Landes wurden der Staatsrat (Council) und die Sternkammer (Star Chamber), die Staatsgerichtshof zum Schutz des königlichen Rechts, zugleich aber auch oberste Appellationsinstanz für alle Untertanen war. Durch Reorganisation der Finanzverwaltung und gründliche Ausschöpfung der verschiedenen Quellen königlicher Einkünfte steigerte Heinrich VII. die Einnahmen der Krone von rd. 52 000 £ am Anfang seiner Regierung auf rd. 142 000 £ jährlich in den letzten Regierungsjahren. Die Wirtschaft blühte auf, die Grundlagen für eine englische Flotte wurden gelegt. Das Parlament gelangte wieder zu politischer Geltung; es war noch keine eigenständige Institution des politischen Systems, aber es wirkte an den großen Entscheidungen mit. Ohne Heinrichs VII. grundlegende Regierungs-Tätigkeit wäre die geschichtliche Leistung seiner Nachfolger nicht denkbar.
Sein Sohn Heinrich VIII. (1509-47) vollendete auf revolutionärem Wege, was sein Vater begonnen hatte. Seine folgenreichste Tat war die aus persönlichen Beweggründen (Verlangen nach Scheidung seiner Ehe mit Katharina von Aragonien und Heirat seiner Geliebten Anna Boleyn) vollzogene Trennung der englischen Kirche von Rom, die sich auf die bis ins 14. Jahrhundert zurückreichende antipäpstliche Haltung des englischen Klerus stützen konnte. Es kam zur Gründung einer von Rom unabhängigen Staatskirche, deren Haupt - mit allen weltlichen und geistlichen Rechten - der König wurde (Supreme Head Act, 1534). Die zweite folgenreiche Tat war die Auflösung der Klöster (1536-39), die in das Eigentum der Krone übergeführt wurden und deren finanzielle Reserven stärkten. Der eigentliche Nutznießer dieser Eigentumsumschichtung aber war nicht der König, sondern die Gentry, in deren Hände bis zum Ende der Regierungszeit Heinrichs VIII. durch Verkauf zwei Drittel des klösterlichen Grund und Bodens übergingen. Mit dieser größten Besitzumschichtung der englischen Neuzeit wurde die wirtschaftliche Grundlage für den politischen Aufstieg der Gentry im 17. und 18. Jahrhundert gelegt. Im Unterschied zur kontinentalen Reformation, die ihrem Ursprung nach eine glaubensmäßige Erneuerung war, gab sich die englische Reformation von Anbeginn an als ein Stück bewusst nationaler, gegen Rom gerichteter Politik; sie war nicht aus Gewissensnot geborener Glaubenskampf, sondern antiklerikale Revolution. Hinter ihr stand T. Cromwell, der nach dem Sturz T. Wolseys (1529) als Schatzkanzler, Lordsiegelbewahrer und Generalvikar der englischen Kirche durch seine Verwaltungs-Reformen zum Begründer des modernen englischen Zentralstaates wurde.
Auf dem Gebiet der Außenpolitik bestimmte seit dem Regierungsantritt Heinrichs VII. der Gegensatz zwischen Frankreich und Spanien-Burgund-Habsburg die europäische Geschichte. England wurde zum umworbenen Bundesgenossen, zum insularen Wächter des europäischen Gleichgewichts. Während sich sein Vater auf außenpolitischem Terrain mit Vorsicht und zögernd bewegt hatte, nahm Heinrich VIII. den Kampf mit dem alten Gegner Frankreich zunächst wieder auf, zog sich aber dann unter dem Einfluss seines Ratgebers T. Wolsey auf die Rolle des Vermittlers zurück. Nur für kurze Zeit (1522-25) ließ er sich von Kaiser Karl V. zum Verbündeten gewinnen, auf dessen Seite er noch einmal trat, als sich Frankreich mit Schottland verbündete (1543-46) und damit die Insel ganz unmittelbar bedrohte. Auf irischem Boden baute Heinrich VIII. die bisher nur an der Ostküste bestehende Herrschaft aus, stieß aber dabei auf Widerstand. Die Umwandlung des bisherigen Titels Lord (Herr) in König von Irland blieb ein Anspruch, der erst im 18. Jahrhundert in Realität umgesetzt werden konnte. Heinrichs Nachfolge trat sein einziger, noch unmündiger Sohn Eduard VI. (1547-53) an, zunächst unter Leitung seines Onkels Edward Seymour, des Herzogs von Somerset, seit 1549 unter der von John Dudley, des Herzogs von Northumberland. Nachdem die Protestanten bisher als Ketzer verfolgt worden waren, öffnete sich England jetzt der Reformation. 1549 wurde das Common Prayer Book eingeführt (revidierte zweite Fassung 1553) und damit ein wichtiger Schritt zur Vereinheitlichung des Gottesdienstes in der episkopalen Hochkirche (High Church) getan. Unter Heinrichs VIII. Tochter aus erster Ehe, Maria I. (1553-58), wurde der Katholizismus wiederhergestellt; der Erzbischof von Canterbury, T. Cranmer, wurde mit vielen anderen ein Opfer seines Glaubens. An seine Stelle trat der päpstliche Legat R. Pole. Politisch schloss sich Maria an Spanien an und heiratete 1554 den spanischen König Philipp II. Der Krieg mit Frankreich brachte 1558 England den Verlust von Calais, seiner wichtigsten Festlandsposition.
Die Zeit Elisabeths I.
Marias Tod machte den Weg frei für Anna Boleyns Tochter, Elisabeth I. (1558-1603), die in der Kirchenpolitik auf einen Mittelkurs zurücklenkte. Die Uniformitätsakte (1559) stellte das Staatskirchentum ihres Vaters wieder her. Dadurch ergab sich eine Frontstellung nicht nur gegen die Katholiken, sondern auch gegen Spanien und Schottland, wo seit 1561 die durch ihre erste Ehe mit Frankreich verbundene, katholisch gebliebene Königin Maria II. Stuart regierte. Als diese 1568 aus Schottland, das sich jetzt gleichfalls der Reformation zuwandte, fliehen musste, ließ Elisabeth sie gefangen setzen. Zur Unterzeichnung des Todesurteils, das ohne ihr Wissen vollstreckt wurde, entschloss sie sich erst 1587, veranlasst durch Verschwörungen Marias mit ihren Gegnern. Seit 1585 stand England, das die Spanier durch Freibeuter in den amerikanischen Gewässern schon vorher herausgefordert hatte, im offenen Krieg mit Philipp II. Mit dem englischen Sieg über die spanische Armada (1588) begannen der Abstieg Spaniens und der Aufstieg Englands als Seemacht.
Im Zuge dieser Entwicklung setzte die weltweite Expansion des englischen Außenhandels ein. England gründete seine Macht zunehmend auf überseeische Handels- und Finanzverbindungen, die den Europahandel ergänzten und bald übertrafen. 1553 wurde mit der Muscovy Company die erste Aktiengesellschaft gegründet, gefolgt 1581 von der Levant Company der Türkeihändler und 1600 von der East India Company. Der Frühkapitalist Sir T. Gresham leitete 1571 die Errichtung der Londoner Börse, die Unabhängigkeit vom Antwerpener Kapitalmarkt erstrebte.
Auch in der Binnenwirtschaft kam es im Elisabethanischen Zeitalter zu wichtigen Anstößen und Weichenstellungen. Die verstärkt fortgesetzten Einhegungen (Enclosures) von Gemeindeland und offener Flur führten zur Entfaltung privatkapitalistischer Methoden und Besitzverhältnisse in der Landwirtschaft. Im Metallbergbau wurden 1568 die ersten industriellen Gesellschaften privilegiert. Die Arbeits-, Lehrlings- und Handwerkergesetze von 1562/63 regelten Arbeitszeit und Ausbildung und übertrugen die Festsetzung der Löhne den Friedensrichtern und Stadträten. Sie ließen die Weberei einfacher Haushaltware von der Lehrzeitpflicht frei und schützten damit die Landweber. Kapitalstarke Händler beherrschten den Tuchhandel (Zentrum Yorkshire).
Politisch ließ sich Elisabeth durch Lord Burghley beraten. Das Parlament unterstützte sie, denn ihre Außenpolitik entsprach den Bestrebungen seiner Mitglieder; ihre merkantilistische Wirtschaftspolitik ließ das Bürgertum und den Landadel zu Wohlstand gelangen. Das geistige Leben erreichte seinen Höhepunkt mit W. Shakespeare und F. Bacon.
Da Elisabeth allen Eheprojekten ablehnend gegenüberstand, erlosch mit ihr das Geschlecht der Tudors. Sie musste sich damit abfinden, dass der Sohn Maria Stuarts, König Jakob (VI.) von Schottland, voraussichtlich ihr Nachfolger werden würde (als Jakob I.). Als sie 1603 starb, wurden durch seinen Regierungsantritt England und Schottland, die einander seit dem 14. Jahrhundert immer wieder bekämpft hatten, durch Personalunion verbunden. Damit war die seit Jahrhunderten drohende Gefahr, dass Frankreich Schottland gegen England ausspielen könnte, wesentlich geringer geworden.
Die ersten Stuarts und das Protektorat Oliver Cromwells
Jakob I. (1603-25), Urgroßneffe Heinrichs VIII., hatte eine hohe Auffassung vom Gottesgnadentum der Könige, bemühte sich aber zunächst, Konflikte mit dem Parlament zu vermeiden. Durch die Pulververschwörung sah er sich 1605 zu scharfem Vorgehen gegen die Katholiken gezwungen. Sein Plan, England und Schottland auch staatsrechtlich zu vereinigen, erwies sich als verfrüht. Das Parlament geriet zunehmend in Opposition zu dem landfremden König. Es stürzte 1621 Jakobs Kanzler F. Bacon und baute die parlamentarischen Rechte aus. Die Schwierigkeiten verstärkten sich außerdem durch den Puritanismus, der bis in die maßgebenden politischen Kreise vordrang. Der spanienfreundliche Kurs der Außenpolitik machte Jakob unpopulär. Um die konfessionellen Gegensätze auszugleichen, verheiratete er seinen Erben Karl mit der katholischen Henriette Maria von Frankreich, seine Tochter Elisabeth mit dem protestantischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz. In den Dreißigjährigen Krieg ließ sich Jakob nicht hineinziehen; so konnte England ein Menschenalter lang äußeren Frieden genießen.
Karl I. (1625-49), Sohn Jakobs I., verkörperte das Kavaliersideal seiner Zeit und förderte die Kunst (A. van Dyck). Er war noch stärker als sein Vater vom göttlichen Recht der Könige überzeugt. Sein Ziel, die Versöhnung mit Rom, beunruhigte die Anglikaner ebenso wie die Puritaner, daher fand er zunehmend Widerstand im selbstbewusster werdenden Parlament. 1628 bewilligte er zwar die Petition of Right, löste aber 1629 das Parlament auf und regierte nun allein mithilfe seiner engsten Ratgeber, Lord Straffords und des Erzbischofs W. Laud. Nachdem ein Feldzug gegen die aus konfessionellen Gründen aufständischen Schotten gescheitert war, musste Karl sich (1640) wieder zur Einberufung des Parlaments bequemen. Dieses setzte 1641 die Hinrichtung Straffords durch. Als ein Aufstand in Irland die Entsendung eines Heeres nötig machte, kam es im Streit darüber, ob dieses dem König oder dem Parlament zu unterstellen sei, 1642 zum Bürgerkrieg, in dem den Königlichen, den Kavalieren, die Anhänger des Parlaments, die Rundköpfe, entgegentraten. Auf der Seite des Parlaments standen v. a. London, die Flotte und der wirtschaftlich stärkere Teil des Adels. Die anfängliche Überlegenheit der Königlichen fand ein Ende, als O. Cromwell das Parlamentsheer reorganisierte und mit ihm die Entscheidung im Bürgerkrieg erzwang. Das Parlament war in sich gespalten zwischen den gemäßigten (den eigentlichen) Presbyterianern, die einen Kirchenverband bewahrt wissen wollten, und den das Ideal der ungebundenen Gemeindekirche vertretenden Independenten. Nachdem Cromwells Armee die Presbyterianer aus dem Parlament vertrieben hatte, verurteilte die verbleibende Minorität der Independenten den König zum Tode und ließ dieses Urteil am 30. 1. 1649 vollstrecken. England wurde 1649 (unter Vermeidung des Namens Republik) zum Commonwealth of England (Commonwealth) erklärt, das in der Protektoratsverfassung 1653 auch Schottland und Irland - beide inzwischen militärisch unterworfen - einbezog.
1653 löste Cromwell das »Lange Parlament« auf. Durch die Verfassung, entworfen von seinen Offizieren, erhielt er den Titel Lord Protector. Gestützt auf das Heer, das Parlament diktatorisch niederhaltend, regierte Cromwell wie ein absoluter Herrscher; jedoch gebrauchte er seine Macht zum Nutzen Englands. Durch die Navigationsakte (1651) sicherte er den englischen Kaufleuten und Reedern den Handel mit den sich jetzt erweiternden englischen Kolonien, wodurch die Niederlande, deren Kaufleute in erster Linie als Zwischenhändler tätig waren, schwer getroffen wurden. Mehrere siegreiche Kämpfe zur See gegen die holländische und die spanische Kolonialmacht beschleunigten Englands Aufstieg zur führenden Seemacht (englisch-niederländische Seekriege, englisch-spanische Seekriege). In der Innenpolitik tolerant, ließ Cromwell die Quäker sowie die seit Eduard I. aus England ausgeschlossenen Juden zu. Die sozialrevolutionären Radikalen (Levellers) hielt er in Grenzen. So gewann der Protektor für England die Position zurück, die es unter Elisabeth I. eingenommen hatte. Ungeachtet des religiösen Gegensatzes schloss er 1655 eine Allianz mit Frankreich, wodurch er sich gegen Spanien kehrte.
Cromwells Herrschaft beruhte nur auf seiner Persönlichkeit und brach nach seinem Tod (3. 9. 1658 zusammen. Sein Sohn Richard Cromwell, der ihm im Amt des Lordprotektors nachfolgte (3. 9. 1658-25. 5. 1659), wie auch das Parlament erwiesen sich als unfähig, die Lage zu meistern. Als daher General G. Monk von Schottland aus 1660 nach London marschierte, fand er nur wenig Widerstand; ein neu berufenes Parlament rief in Eile Karls I. geflohenen Sohn Karl (II.) zurück.
Damit kam es zur Restauration der Stuarts. Die Zeit des Commonwealth hatte jedoch ihre unverwischbaren Spuren hinterlassen: Ein für alle Mal wurden Star Chamber und High Commission, die wirksamsten Instrumente des stuartschen Absolutismus, abgeschafft. Als Reaktion auf Cromwells Militärregiment ergriff weite Kreise der englischen Bevölkerung eine tief wurzelnde Abneigung gegen stehende Heere. Die Anerkennung des Parlaments, ohne dessen Zustimmung der König nicht regieren konnte, blieb bestehen. Wenn auch die anglikanische Kirche wieder ihre Rolle als Staatskirche übernahm, so musste sie sich doch damit abfinden, dass sich die ihr nicht Angeschlossenen, die Dissenters, ihren Platz nicht mehr aberkennen ließen. Jedoch wanderten Scharen von Dissenters und Katholiken aus; viele halfen in ihrer neuen Heimat, den amerikanischen Besitzungen, Englands Herrschaft auszubreiten. Die Staatskirche, zwischen Katholiken und Puritanern auf einen »Mittelweg« bedacht, stützte den König, während das Parlament darüber wachte, dass er nicht auf Dauer die Gewalt über ein stehendes Heer erhielt.
Karl II. (1660-85) war politisch nicht einsichtiger als sein Vater. Er neigte dem Katholizismus zu - kurz vor seinem Tod trat er ihm in aller Form bei - und suchte das Übergewicht der Krone zu erneuern. Der Verkauf Dünkirchens an Frankreich sollte ihm Rückhalt gegen die Niederlande bieten. In einem Krieg gegen die Niederländer (1664/65-1667) erweiterten die Engländer durch den Erwerb Neuhollands mit Neuamsterdam (fortan: New York) ihren Kolonialbesitz in Nordamerika; ein weiterer Krieg (1672-74) fiel mit dem zweiten Krieg Ludwigs XIV. gegen Holland zusammen und war nicht viel mehr als eine Rückendeckung für dessen Eroberungspolitik. Das Parlament erzwang 1673 die Testakte und grenzte 1679 den Absolutismus des Königs durch die Habeas-Corpus-Akte ein. Aber es war in sich gespalten; zwei Parteien bildeten sich: die legitimistisch, vornehmlich den kleinen Adel vertretenden Tories und die sich mehr auf Handel, Wirtschaft und den hochadeligen Grundbesitz stützenden Whigs.
Auf Karl II. folgte sein Bruder Jakob II. (1685-88), der 1670 Katholik geworden war. Sein absolutistisches Willkürregiment entfremdete ihn sogar den Tories. Als die Geburt eines Sohnes die katholische Dynastie zu sichern schien, berief die Opposition den Gemahl seiner ältesten Tochter Maria, den protestantischen Erbstatthalter der Niederlande, Wilhelm von Oranien. Dieser landete am 5. 11. 1688 in England, und da sich ihm alle politischen Kräfte zuwandten, blieb Jakob II. nur die Flucht nach Frankreich, wo er 1701 starb.
Wilhelm III. (1689-1702) und Maria II. (1689 bis 1694), die gemeinsam regierten, unterzeichneten nach ihrer Thronbesteigung die fortan als Grundgesetz respektierte Bill of Rights. Die gleichfalls noch 1689 erlassene Toleranzakte sicherte den Dissenters kirchlicher Freiheit zu. Damit war die unblutig verlaufene »Glorious Revolution« von 1688 (Glorreiche Revolution) abgeschlossen. Die politische Macht blieb in den Händen des Hochadels und der Gentry, die sich aber in einem System relativ hoher sozialer Mobilität gegenüber dem Bürgertum in Gewerbe, Handel und Finanzen nicht abschlossen. Die Revolution brachte nicht die Parlamentssouveränität, denn der König besaß nach wie vor entscheidende Prärogativrechte (Ernennung der Minister, Einberufung und Beendigung der Parlamentssitzungen, Leitung der Außenpolitik, v. a. Entscheidung über Krieg und Frieden und das Recht zum Abschluss von Bündnissen mit auswärtigen Mächten). Der König regierte als »King in Parliament«, d. h., König und Parlament waren die beiden das politische Geschehen bestimmenden Verfassungsorgane. Die Frage nach der obersten, souveränen Gewalt im Staat war noch keineswegs entschieden. Sie sollte erst im Verlauf des 18. und frühen 19. Jahrhundert durch die Entwicklung der Staatspraxis endgültig zugunsten des Parlaments beantwortet werden. Mäßigung und Konservatismus kennzeichneten so die Glorreiche Revolution. Die Gesetze, die in ihrem Verlauf erlassen wurden, waren eher dazu angetan, die alte Ordnung zu stärken, als sie von Grund aus umzustürzen. Doch von nun an beherrschten der Ausbau des Kabinettssystems, das Ringen um Parlamentsreform und der Kampf um Ausweitung des Wahlrechts die innenpolitische Diskussion in England.
Wilhelm III., der sich auch in Schottland und Irland durchsetzte, blieb nach wie vor als Generalstatthalter der Niederlande eng verbunden mit den Fragen des Festlandes. Er führte England wieder in die europäischen Auseinandersetzungen, bei denen jetzt der Ausdehnung Frankreichs Schranken zu setzen waren. Grundsatz der englischen Politik wurde die Wahrung des Gleichgewichts der Mächte (Balance of Power). England und die Niederlande beteiligten sich daher mit dem Kaiser, mit Spanien, Savoyen und mehreren Reichsfürsten an der Großen Allianz gegen den zu seinem dritten Eroberungskrieg (1688-97) angetretenen Ludwig XIV. 1692 besiegte die englische Flotte den französischen Gegner in der Seeschlacht von La Hogue. 1701 brachte Wilhelm die zweite Große Allianz mit dem Kaiser und Preußen zustande, der sich dann noch Portugal und Savoyen anschlossen. Der Gewinn im Spanischen Erbfolgekrieg war die Eroberung Gibraltars (1704). Die glänzenden Siege des Herzogs von Marlborough wirkten sich jedoch für England nicht aus, da die 1710 infolge von Kriegsmüdigkeit kurzfristig an die Macht gelangten Tories seine Abberufung und das Ausscheiden Englands aus dem Krieg (1711) durchsetzten.
Auf den zuletzt allein regierenden König folgte seine Schwägerin Anna (1702-14). Weil der katholische Mannesstamm des abgesetzten Jakob II. durch den Act of Settlement (1701) von der Nachfolge ausgeschlossen war, wurden die Welfen in Hannover (als Nachkommen der an Friedrich V. von der Pfalz verheirateten Elisabeth, Tochter Jakobs I.) Thronanwärter. Die seit 1603 bestehende Personalunion zwischen England und Schottland wurde 1707 durch Vereinigung des schottischen mit dem englischen Parlament zur Realunion verdichtet (neuer Landesname: »Großbritannien«).
Aufstieg zur Weltmacht (1714-1815)
Der Regierungsantritt des Kurfürsten Georg Ludwig von Hannover als König Georg I. (1714-27), der die (bis 1837 dauernde) Personalunion mit diesem zum Verband des Deutschen Reiches gehörenden Land begründete, vollzog sich ohne Schwierigkeiten, doch trat der König zunächst hinter den leitenden Ministern und dem Parlament zurück. Die verfassungsrechtliche Stellung des Königs blieb jedoch auch unter den Herrschern aus dem Haus Hannover gewahrt. Die Minister bedurften zu ihrer Amtsführung - außer der Zustimmung des Parlaments - v. a. des Vertrauens des Königs, der sie in ihr Ministeramt berief.
Mehr als zwei Jahrzehnte (1721-42) stand R. Walpole an der Spitze der Regierung, gestützt durch das Vertrauen des Königs und die Mehrheit im Unterhaus, dessen Wahlperiode 1716 auf 7 Jahre heraufgesetzt wurde. Walpole gehört zu den bedeutendsten »inneren Ministern« der neueren Geschichte Großbritanniens und gilt als der erste Premierminister moderner Prägung. Es gelang ihm, die verfassungspolitischen Ergebnisse der Glorreichen Revolution endgültig zu sichern, den Jakobitenaufständen für die Zeit seiner Regierung den Boden zu entziehen und durch neue Steuer- und Zollgesetze die Staatsfinanzen zu verbessern. Stabilität und Sicherheit im Innern sowie Frieden nach außen waren seine großen politischen Ziele. Auch nach dem Tod Georgs I. blieb er unter dessen Nachfolger Georg II. (1727-60) im Amt.
Der Sturz Walpoles vollzog sich vor dem Hintergrund handelspolitischer Gegensätze mit Spanien v. a. in der Karibik. Walpole konnte dem Druck politischer und wirtschaftlicher Kräfte nicht widerstehen, die 1739 zum Krieg gegen Spanien drängten. Der See- und Kolonialkrieg, in den bald auch Frankreich verwickelt sein sollte, erweiterte sich zum Kontinentalkrieg, als Großbritannien in den Österreichischen Erbfolgekrieg eingriff, um Frankreichs Hegemonialstreben entgegenzutreten. Im Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) kämpfte es - mit Kriegsschauplätzen in Europa, im Mittelmeer, in Afrika, v. a. aber in Nordamerika und Indien - wiederum gegen Frankreich. Da dieses in Europa gebunden war, konnte Großbritannien - mit Rückendeckung durch die Armeen Friedrichs des Großen - Kanada erobern, das ihm im Frieden von Paris (1763) zusammen mit anderen französischen Kolonien vertraglich zugesprochen wurde. Wenn auch Frankreich nicht völlig besiegt war, so ging doch Großbritannien aus diesem weltweiten Ringen als überlegene See- und Kolonialmacht hervor. Nach dem Frieden von Utrecht (1713) brachte der Friede von Paris die zweite, weit über ihn hinausführende Stufe des Aufstiegs zum britischen Weltreich. Zu seiner neuen kolonialen Errungenschaft sollte Indien werden, das nach dem Siebenjährigen Krieg durchdrungen und schließlich direkt beherrscht wurde.
Seine neue Weltstellung verdankte Großbritannien v. a. W. Pitt dem Älteren, der - auf den innenpolitischen Erfolgen Walpoles aufbauend - in enger Verbindung mit der Londoner Finanzwelt, gestützt auf die Zustimmung des Volkes und besessen von einer Missionsidee sein Land mit Entscheidungsfreudigkeit und Energie in den Kampf mit dem alten »Erbfeind« Frankreich führte. Er fand dabei die Unterstützung Friedrichs des Großen Seine Nachfolger vermochten jedoch nicht, den Abfall der amerikanischen Kolonien vom Mutterland - außer Kanada - zu verhindern, sodass sich Georg III. (1760-1820) mit dem Verlust der bisher wichtigsten Gebiete abfinden musste. Damit endete zugleich das von Georg III. noch einmal belebte persönliche Regiment. Von nun an verlagerte sich das politische Schwergewicht eindeutig auf das Parlament.
Die weltpolitische Auseinandersetzung mit Frankreich trat in eine entscheidende Phase, als Großbritannien unter der Führung W. Pitts des Jüngeren (Premierminister 1793-1801) in die Französischen Revolutionskriege eingriff. Der Kampf gegen das revolutionäre Frankreich mit dem Höhepunkt 1799, als mit Admiral Nelsons Sieg bei Abukir die ägyptische Expedition Napoleons scheiterte, fand seinen Niederschlag auch in England selbst, wo die Regierung alle Reformkräfte unterdrückte, die eine Erweiterung des aus dem Mittelalter stammenden Wahlrechts forderten, und 1799/1800 ein direktes Verbot von politischen Vereinigungen und Gewerkschaften aussprach. 1802 wurde in Amiens ein vorläufiger Frieden mit Frankreich geschlossen.
Pitt war 1801 zurückgetreten, da er beim König mit der Gleichstellung der Katholiken erfolglos geblieben war. Diese sollte die 1800 von Pitt bewirkte Realvereinigung mit dem mit Frankreich sympathisierenden Irland ergänzen (neuer Landesname: »Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland«); fortan stellten die Iren Mitglieder des britischen Parlaments von Westminster. Dem Gleichgewichtsprinzip folgend, trat Großbritannien 1803 wieder in den Krieg ein (Napoleonische Kriege). Die Gefahr brachte Pitt den Jüngeren 1804 erneut an die Spitze der Regierung. Großbritannien schloss sich 1805 der dritten Koalition gegen Frankreich an, das von Nelson bei Trafalgar besiegt wurde. Zu Lande erreichte Napoleon dagegen eine hegemoniale Stellung in Europa und ein Bündnis mit Russland. Von Berlin aus erklärte Napoleon am 21. 11. 1806 die Kontinentalsperre. Großbritanniens Gegenmaßnahmen, besonders die Unterbindung des französischen Handels - auch mit den Neutralen - auf den Meeren, führten schließlich zu einem Krieg mit den Vereinigten Staaten (1812-14). Um Frankreich die dänische Kriegsflotte zu entziehen, hatte Großbritannien diese im Hafen von Kopenhagen vernichtet, und von Portugal aus hatte der spätere Herzog von Wellington 1808 den Krieg gegen die Herrschaft der Franzosen in Spanien vorangetrieben: Von dort stieß er bis Südfrankreich vor (Peninsular War). Verbündet mit Russland, Preußen und Österreich, beteiligte sich Großbritannien 1813-15 an den Befreiungskriegen. Als Gefangener Großbritanniens starb Napoleon 1821 auf Sankt Helena.
Der Sieg entschädigte Großbritannien nach 22 Kriegsjahren reichlich: Das neu gebildete Königreich der Niederlande entzog Frankreich einen großen Teil der Gegenküste, und mit den USA war bereits 1814 in Gent ein Frieden geschlossen worden, der den Zustand vor 1812 wiederherstellte. Als Kolonialmacht ging Großbritannien - zum Teil auf Kosten der Niederlande - abermals gestärkt aus dem Kampf hervor. In Europa verbesserte es seine Stellung, die bereits 1800 durch die Besetzung Maltas erweitert worden war, durch die Gewinnung von Helgoland (bis 1890) und der Ionischen Inseln (bis 1864). Als Garant des Deutschen Bundes sprach es auch in deutschen Angelegenheiten mit.
Industrielle Revolution und Anfänge der Industriegesellschaft
Die britischen Erfolge in Außenpolitik und Außenhandel waren wichtige Voraussetzungen für den Durchbruch der industriellen Revolution, die im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts von Großbritannien ausging. Als Vorreiter der Industrialisierung erlangte Großbritannien eine Führungsposition in Weltwirtschaft und Weltpolitik. Die industriewirtschaftliche Entwicklung baute auf vorindustriellem Wachstum auf. Es war am Handelsvolumen ablesbar, aber auch an der Landwirtschaft, wo Großbritannien international führend wurde und es im 18. Jahrhundert infolge weiterer Privatisierung von Ackerland und neuer Anbau- und Züchtungsmethoden zu Produktionssteigerungen von durchschnittlich 51 % kam. Damit konnte die Bevölkerungsexplosion verkraftet werden, die allein zwischen 1740 und 1770 die Bevölkerungszahl von England und Wales von 5 auf 6 Mio. steigen ließ. Weitere günstige Voraussetzungen für die Industrialisierung waren gute Verkehrsbedingungen, ausreichende Ausstattung mit Rohstoffen und ein leistungsfähiger Geldmarkt (Ablösung Amsterdams durch London als Weltfinanzzentrum). Auch auf dem Gebiet technischer Neuerungen trat Großbritannien seit dem frühen 18. Jahrhundert hervor. 1712 wurde die erste Dampfpumpmaschine in einer Steinkohlengrube zur Entwässerung aufgestellt. Um 1709 verwendete der Gießer A. Darby zuerst Steinkohlenkoks statt Holzkohle zur Hochofenfeuerung. Die Voraussetzung für die halbmechanische Weberei schuf 1733 J. Kay mit dem fliegenden Weberschiffchen. 1740 entdeckte B. Huntsman die Stahlherstellung im Tiegelgussverfahren. 1769 ließ J. Watt seine Dampfmaschine patentieren. Die erste Umwälzung zur industriellen Massenproduktion erfolgte in der Baumwollbranche (Spinnmaschine 1764, mechanischer Webstuhl 1784). In Lancashire mit Manchester als Mittelpunkt entstand seit den 1780er-Jahren mit Fabriken und Verkehrswegen (Straßen, Kanäle, Eisenbahnen) die erste Industrielandschaft der Weltgeschichte. Die zweite Phase und eigentliche Konsolidierung der industriellen Revolution, die sich allmählich und auf wenige Regionen konzentriert ausbreitete, vollzog sich in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts im Bereich der Eisen- und Stahlproduktion. Der Eisenbahnbau gab dem neuen Zeitalter das Gepräge. Nachdem 1813/14 die Dampflokomotive für Personenverkehr entwickelt und der Lokomotivbau durch G. Stephenson begonnen worden war, wurde 1825 die erste Personeneisenbahn zwischen Stockton und Darlington eröffnet, 1830 die Strecke Liverpool-Manchester. Nach der Gründungsflut von Bahnaktiengesellschaften ging um 1840 das britische Hauptliniennetz in Betrieb. 1844 folgte die erste elektrische Telegrafenlinie. London wurde Mittelpunkt des Dampfschiffbaus; 1845 überquerte das erste britische Eisenschiff den Atlantik. Die Eisenerzeugung verdreifachte sich 1830-48. Großbritannien wurde zur »Werkstatt der Welt« und bewies seinen überlegenen Leistungsstand auf der Londoner Weltausstellung von 1851. Darüber hinaus wurde es im Bereich der Dienstleistung international führend (Reedereien, Versicherungen, Banken). Die Jahrhundertmitte war zugleich der Zeitpunkt, zu dem sich nach den Schwankungen der ersten Jahrhunderthälfte ein stabiles Wirtschaftswachstum einstellte. Dies ging Hand in Hand mit der endgültigen Liberalisierung der Wirtschaft (Abschaffung der Getreideschutzzölle 1846). Sie war eine wesentliche Voraussetzung für die Entschärfung des Gegensatzes zwischen der neuen Schicht der industriellen Unternehmer als Angehörige der aufsteigenden bürgerlichen Mittelschicht und dem Land besitzenden Adel, der in Regierung und Parlament tonangebend blieb, sich aber den neuen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realitäten (u. a. den Belangen der Arbeiterschaft) gegenüber aufgeschlossen zeigte. Zu den Arbeitern aus den traditionellen Handwerksberufen kamen die Industriearbeiter, darunter Frauen und Kinder, die in Fabriken und Bergwerken tätig waren. Der Staat erließ Fabrikgesetze zur Regelung von Arbeitszeiten und -bedingungen. Mit dem Chartismus kam es in England zur ersten politischen Organisation der Arbeiterbewegung. Seit der Jahrhundertmitte, als der Lebensstandard sichtbar anstieg, organisierten sich die Arbeiter v. a. in Gewerkschaften, die 1871-75 als Partner der Arbeitgeber gesetzlich anerkannt wurden.
Großbritannien von 1815 bis 1914
Die politische Geschichte zwischen dem Wiener Kongress und dem Ersten Weltkrieg ist bestimmt durch eine Politik der Friedenswahrung nach außen, mit der Großbritannien als saturierte Macht den Kostenfaktor Krieg vermeiden wollte, und durch eine Politik der Reformen, mit der der innere Friede im Zeitalter der Öffnung des politischen Systems für breitere Bevölkerungsschichten erreicht werden sollte. In Europa stand die von den Außenministern Viscount Castlereagh (1812-22) und G. Canning (1822-27) geleitete britische Außenpolitik unter dem Vorzeichen des Gleichgewichts der Kräfte. Das europäische Gleichgewicht war eine Grundvoraussetzung für die britische Überseepolitik, die zumeist auf dem Weg indirekter Einflussnahme (wirtschaftliche und finanzielle Durchdringung z. B. Südamerikas) die britische Weltgeltung steigerte. Canning förderte den Abfall Süd- und Mittelamerikas von Spanien und Portugal durch Anerkennung der neuen Republiken, wie er auch die aufständischen Griechen als Krieg führende Macht anerkannte. Gefährlichster Gegner britischer Interessen in Asien und im Nahen Osten war Russland. Ein Zusammengehen mit Frankreich wurde 1830 möglich, als Louis Philippe auf den Thron kam. Doch trat die Orientfrage dazwischen: Frankreich unterstützte in Ägypten Mehmed Ali, den Großbritannien wegen seiner Wirkung auf die arabische Welt als gefährlich ansah. Großbritannien stützte stattdessen die Türkei, was auch wegen des russischen Strebens nach Konstantinopel geboten war (Londoner Vertrag 1841).
1829 führte Wellington als Premierminister die Gleichstellung der Katholiken durch (Aufhebung der Testakte von 1673); doch versagte er sich der bereits von Pitt dem Jüngeren geplanten Reform des Parlaments, das praktisch nur durch eine Minorität von Privilegierten gewählt wurde und Mitglieder einschloss, die durch fragwürdige Mittel zu ihrem Sitz gelangt waren (Kauf der Wähler, Aufstellung in Bezirken mit zusammengeschmolzener Bevölkerung, den »rotten boroughs«). Der Weg wurde frei durch den Tod Georgs IV. (1820-30). Ihm folgte sein weniger eigenwilliger Bruder Wilhelm IV. (1830-37), der den Whig C. Grey zum Premier ernannte. Eine Reform Bill (1832) bewirkte eine gerechtere Verteilung der Wahlbezirke und verdoppelte die Zahl der Wahlberechtigten (bisher etwa eine halbe Million). Auch nach der Wahlrechtsreform, die v. a. der bürgerlichen Mittelschicht in den neuen industriellen Wirtschaftszentren zugute kam, verfügten nur 4,2 % der Bevölkerung über das Wahlrecht. Die neue Wählerschaft fügte sich in die Tradition des politischen Lebens und in das Zweiparteiensystem (jetzt: Konservative und Liberale statt Tories und Whigs). Weitere Reformgesetze betrafen die 1833 beschlossene Abschaffung der Sklaverei (Sklavenhandel seit 1807 verboten), Gesetze zur Einschränkung der Frauen- und Kinderarbeit (seit 1833) und die Regelung der Armenunterstützung in Arbeitshäusern (1834). Eine neue Städteordnung (1835) stellte die Lokalverwaltung auf breitere Basis. Auf Wilhelm IV. folgte seine jugendliche Nichte Viktoria (1837-1901), die 1840 ihren Vetter Albert von Sachsen-Coburg-Gotha heiratete und durch ein vorbildliches Familienleben den Forderungen der Kirche sowie dem Wunschbild der Bevölkerung entsprach. Da jedoch in Hannover die weibliche Thronfolge nicht galt, folgte im Stammland der Dynastie ein Bruder Wilhelms IV., König Ernst August; damit fand nach 123 Jahren die Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover ihr Ende. Die Außenpolitik leiteten abwechselnd Lord Aberdeen (konservativ) und Lord Palmerston (liberal). Von der europäischen Revolutionswelle 1848 war Großbritannien nicht betroffen.
In einen europäischen Krieg wurde Großbritannien erst wieder hineingezogen, als Russland 1853 die Türkei angriff. Großbritannien trat an der Seite Napoleons III., der damit aus seiner Isolierung herausgelangte, 1854 in den Krimkrieg ein, dessen Ausgang den Russen die Dardanellen versperrte. Als sich jedoch Napoleon III. 1859 gegen Österreich wandte, trennte Großbritannien sich wieder von ihm und verfolgte nun mit steigendem Argwohn die Politik des Kaisers. Großbritannien war isoliert, als 1864 der österreichisch-preußische Krieg gegen Dänemark, für das es sich 1850 und 1852 eingesetzt hatte, ausbrach; seine diplomatische Intervention zugunsten Dänemarks blieb wirkungslos. Auch während des amerikanischen Sezessionskrieges, der durch die Sperrung der Baumwolllieferungen die britische Industrie in Mitleidenschaft zog, geriet Großbritannien in eine ungünstige Lage. Denn die Nordstaaten protestierten nachdrücklich gegen eine die Neutralität verletzende Ausrüstung von Blockadebrechern der Südstaaten auf britischen Werften (Alabamafrage) und siegten dann über die Südstaaten, denen sich die Konservativen zugewandt hatten; erst 1871/72 wurde dieser Streit durch britisches Nachgeben beendet. Beim Beginn des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 deckte Bismarck Napoleons III. Absichten gegen Belgien auf und verstärkte dadurch die in Großbritannien bereits gegen Napoleon bestehende Animosität. Als sich jedoch nach dem Sieg von Sedan eine Schwächung Frankreichs und die Einigung Deutschlands abzuzeichnen begannen, wandte sich die Stimmung in Großbritannien mehr und mehr den Besiegten zu; B. Disraeli, Führer der Konservativen, gab im Februar 1871 der Besorgnis Ausdruck, dass eine Erschütterung des Gleichgewichts der Kräfte eingetreten sei. Solange das Deutsche Reich die europäische Gleichgewichtsordnung respektierte, wurde der neue deutsche Machtfaktor im Interesse eben dieses Gleichgewichts überwiegend positiv bewertet. Bei Aufrechterhaltung des Gleichgewichts hoffte Großbritannien, seine Politik der freien Hand und Bündnisfreiheit (Splendid isolation) gegenüber dem Kontinent fortsetzen zu können. Friedenswahrung war aus innenpolitischen und wirtschaftlichen Gründen angezeigt. In der Innenpolitik standen weitere Reformen an. So führte 1867 die konservative Mehrheitsregierung eine Wahlrechtsreform durch, die auch allen Inhabern einer städtischen Wohnung, darunter vielen Arbeitern, das Wahlrecht gab. Motor konservativer Politik war B. Disraeli (Premierminister 1868, 1874-80), der die Konservativen auf eine progressive, auch die breiten Massen anziehende Bahn führte (Tory-Demokratie). Disraelis liberaler Gegenspieler W. Gladstone (Premierminister 1868-74, 1880-85, 1886, 1892-94) bewirkte Reformen in Irland, im Schulwesen (allgemeine Schulpflicht) und im Heer (Abschaffung der Käuflichkeit der Offiziersstellen).
Die wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens zeichnete sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts durch nachlassende Konkurrenzfähigkeit aus. Damit wurden die Grundlagen britischer Macht langsam ausgehöhlt. Die Einfuhr stieg 1854-72 von 133 auf 297 Mio. £, die Ausfuhr von 97 auf 256 Mio. £. Haupteinfuhrgüter waren Rohbaumwolle aus den USA und Weizen. Die Landwirtschaft ging überwiegend zur Veredelungswirtschaft durch Viehhaltung über, 1870 waren schon 43 % des kultivierten Bodens Grasland. In der Förderung von Steinkohle und der Erzeugung von Eisen stand Großbritannien zwar noch an erster Stelle der Erde, einen nachhaltigen Rückschlag brachte jedoch die Gründerkrise von 1873. Nun machte sich das Aufkommen von anderen Industrienationen bemerkbar. Der britische Anteil an der Weltfabrikerzeugung betrug 1870 noch 32 %, 1881-85 noch 26,6 %. In Außenhandel, Größe der Handelsmarine und Auslandskapital behauptete es aber die Führung. Der Höhepunkt der jährlichen Kapitalausfuhr wurde in den 1880er-Jahren erreicht. Die Handelsflotte wuchs bis 1900 auf über 8 Mio. Bruttotonnen. Seit 1896 war Großbritannien das einzige Land, das am Freihandel ohne Schutzzölle festhielt. Zur selben Zeit erlangte es freilich die Wende seiner Wirtschaftsmacht. Die Gesamterzeugung nahm noch zu, die Löhne erreichten 1900 eine reale Spitze, doch die Zuwachsrate und die Pro-Kopf-Erzeugung sanken, das Pro-Kopf-Einkommen wuchs nur noch langsam. Diese Stockung machte sich v. a. in der Baumwoll- und Eisenindustrie geltend. Der Anteil an der Weltfabrikerzeugung fiel 1896-1900 auf 19,5 % (USA 30,1 %), 1906-10 auf 14,7 %. Besonders in den neuen Industrien (Chemie, Elektroindustrie), die eine weitere Phase der Industrialisierung anzeigten, war Großbritannien gegenüber der Konkurrenz aus Deutschland und den USA unterlegen.
Zeitalter des Imperialismus:
Friedenswahrung unter den europäischen Großmächten war auch eine wichtige Voraussetzung für die britische Weltreichspolitik, für die sich seit den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts neue Weichenstellungen ankündigten. Disraeli erwarb 1875 9/20 der Aktien des 1869 eröffnetenSuezkanals.Erveranlasste, dass die Königin 1876 den Titel Kaiserin von Indien annahm, und griff 1878 ein, als Russland nach dem Sieg über die Türken Bulgarien stärkte. Es kam zum Berliner Kongress unter dem Vorsitz Bismarcks. Von der Türkei ließ sich Großbritannien Zypern einräumen; in Südafrika annektierte es 1877 die Burenrepublik Transvaal, gab sie aber 1881 wieder frei.
Gladstone, 1880-85 wieder Premierminister, war ein Gegner einer imperialistischen Politik, die Großbritannien jetzt ebenso wie Deutschland und Frankreich betrieb, aber die Entwicklung drängte ihn, die britische Herrschaft in Ägypten 1882 durch Truppenintervention zu festigen. Angesichts des Vordringens Russlands gegen die Nordgrenze Indiens und der Tatsache, dass Frankreich und Deutschland vorübergehend zusammen operierten, sodass Großbritannien auf der Kongokonferenz (1884/85) isoliert war, fand er sich damit ab, dass auch Deutschland in Afrika und in der Südsee Kolonien erwarb und Frankreich seinen Besitz vergrößerte. Auch die britische Kolonialpioniere sicherten ihrem Heimatland Gewinne.
Gladstone hatte 1884 durch eine weitere Parlamentsreform auch den ländlichen Wohnungsinhabern - darunter wiederum vielen Arbeitern - das Wahlrecht gesichert; seine Pläne zur Lösung der irischen Frage (Homerule) scheiterten 1886 und führten zur Spaltung der Liberalen. 1895 übernahmen wieder die nach Disraelis Tod von R. Salisbury geführten Konservativen die Regierung.
Das Regierungsjubiläum der Königin (1887) gab Anlass zu der ersten der britischen Kolonialkonferenzen, die seit 1907 unter dem Namen Imperial Conferences (Reichskonferenzen) stattfanden. Ferner fand sich Großbritannien 1887 mit Italien und Österreich-Ungarn zum Mittelmeerabkommen zusammen, das eine Bismarck erwünschte Ergänzung des Dreibundes darstellte. Ein förmliches Bündnis mit Deutschland lehnte Großbritannien jedoch (1889) ab. Der Helgoland-Sansibar-Vertrag und der Verzicht auf den Rückversicherungsvertrag mit Russland rückten Deutschland näher an Großbritannien heran. Die Beziehungen zu Frankreich blieben durch den Ausbau des französischen Kolonialreichs belastet. Erst recht wurden die Beziehungen zu Russland durch dessen Vordringen an die afghanische Grenze bedroht.
Innenpolitisch setzte die Regierung Salisbury den Kurs Disraelis fort, indem sie auch die ländliche Verwaltung durch vom Volk gewählte Grafschaftsräte demokratisierte. In der irischen Frage waren die Konservativen jedoch nur zu gewissen Agrarreformen bereit. 1895 trat J. Chamberlain in das zweite Kabinett Salisbury ein, das sich einen festeren Zusammenschluss des Britischen Reiches zum Ziel gesetzt hatte. Eine durch das Zusammentreffen mit französischen Kolonialzielen im Ostsudan auftauchende Kriegsgefahr wurde gebannt, als sich die Franzosen aus Faschoda (Faschodakrise) zurückzogen. Chamberlain plante daraufhin (1899 und 1901), Großbritannien mit Deutschland und den USA in einem Bündnis zusammenzuführen; Deutschland aber ging nicht darauf ein, in der Besorgnis, dann von Großbritannien gegen Russland vorgeschoben zu werden. Auch gab es in Großbritannien selbst zu wenig Unterstützung für Chamberlains Pläne. Russlands Beziehungen zu Großbritannien verschlechterten sich weiter, da es nach Fertigstellung der Transsibirischen Bahn (1895) in China aktiv einzugreifen imstande war. Der Burenkrieg (1899-1902) führte zur Angliederung der beiden Burenrepubliken an Großbritanniens südafrikanischen Besitz, der 1910 nach dem Vorbild Kanadas (1867), Australiens (1901) und Neuseelands (1907) Dominion wurde. Seit dem Ersten Weltkrieg setzte sich die schon zu O. Cromwells Zeit benutzte Bezeichnung Commonwealth durch.
Um ein Gegengewicht gegen Russland zu gewinnen, entschloss sich Großbritannien, das in Ostasien bisher mit Deutschland zusammengearbeitet hatte (Oktober 1900 Jangtse-Abkommen), zu einem Bündnis mit Japan (30. 1. 1902. Ferner schloss es unter A. J. Balfour am 8. 4. 1904 die Entente cordiale mit Frankreich ab, die einen kolonialen Interessenausgleich bezweckte. Dieser Vertrag, der in der Marokkokrise 1905 seine erste Belastungsprobe bestand und seit 1906 zu militärischen Besprechungen führte, ermöglichte es Großbritannien, das Schwergewicht seiner Flotte in die Nordsee zu verlegen - zur Sicherung gegen die seit 1898 im Ausbau befindliche deutsche Kriegsmarine.
Der Übergang zum Schiffstyp der Dreadnoughts 1906 hatte zur Folge, dass Deutschland entsprechende Schiffe baute. Dadurch vergrößerte sich die Spannung zwischen den beiden Ländern, die, auf wirtschaftlichem Gebiet seit den 40er-Jahren entstanden, durch das Aufblühen der deutschen Industrie immer deutlicher zu spüren war. Um der deutschen Konkurrenz zu begegnen, war 1887 der Merchandise Marks Act erlassen worden (made in. ..). Kundgebungen und Reden Kaiser Wilhelms II., die Forderungen des Alldeutschen Verbandes, die antibritische Stimmung in Deutschland während des Burenkrieges, der Ausbau der Flotte (und die Propaganda, die diesen populär zu machen versuchte) beschleunigten die Entfremdung. Bedenken löste auch der Bau der Bagdadbahn aus, da Deutschland hierdurch seinen Einfluss bis zum Persischen Golf auszuweiten drohte.
Die Beziehungen zu Russland hatten sich nach dem Sieg von Großbritanniens Verbündeten im russisch-japanischen Krieg (1904/05) geändert. Russland, das sein Augenmerk wieder stärker Europa, besonders dem Balkan und der Türkei, zuwandte und dadurch erneut seinen Gegensatz zu Deutschland und Österreich-Ungarn empfand, schloss am 31. 8. 1907 mit Großbritannien ein Abkommen, das alle Streitfragen regelte. Da Russland bereits mit Frankreich verbündet war, ergab sich ein die Mittelmächte umschließendes Dreieck, von diesen als »Einkreisung« bezeichnet. Demgegenüber meinte Großbritannien (Memorandum des Diplomaten Eyre Crowe für Außenminister Sir E. Grey, 1. 1. 1907), dass zur Sicherung des Gleichgewichts Vorsorge gegen Deutschlands Dynamik getroffen werden müsse. Beim Abschluss der Entente cordiale hatte bereits Eduard VII. (1901-10) mitgewirkt. Nachdem seine Mutter, Königin Viktoria, am 22. 1. 1901 nach 63 Regierungsjahren gestorben war, bewies er, dass auch innerhalb der konstitutionellen Schranken dem Herrscher noch Möglichkeiten belassen waren, eine Rolle in der Politik zu spielen.
Die 1905 zur Regierung gelangten Liberalen blieben ein Jahrzehnt im Amt. Bei ihnen spielten jetzt die jüngeren, »imperialistischen« Liberalen die entscheidende Rolle (H. Asquith, E. Grey, R. Haldane). Neue Wege ging D. Lloyd George: Die wohlhabenden Schichten, besonders die Großgrundbesitzer, wurden schwer belastet, um sie zum Verkauf von Land zu zwingen, und für die Unbemittelten wurden Sozialgesetze erlassen (1908 Alterspension, 1911 Zwangsversicherung gegen Krankheit und Arbeitslosigkeit). Da das Oberhaus das Budget abgelehnt hatte, wurde 1911 seine bisherige Gleichstellung mit dem Unterhaus aufgehoben: Finanzgesetze bedürfen seither nicht mehr seiner Zustimmung, und alle übrigen gelten nun als angenommen, wenn das Unterhaus sie in drei aufeinander folgenden Sessionen beschlossen hat. Als neuer innenpolitischer Faktor trat seit der Jahrhundertwende die Labour Party auf, mit der sich die Eingliederung der Arbeiterbewegung in das politische Parteigefüge ohne Kämpfe vollzog. Dagegen blieb noch bis 1918 die Streitfrage des von den Suffragetten geforderten Wahlrechts für Frauen bestehen.
Obwohl mittlerweile infolge der konservativen Gesetzgebung der Großteil des britischen Großbesitzes in Irland in die Hand irischer Bauern übergegangen war, blieb die irische Frage auch jetzt noch ungelöst. Ein vom Unterhaus im Mai 1914 verabschiedetes Home-Rulegesetz konnte wegen Widerständen in Irland nicht durchgesetzt werden. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges schob die Entscheidung hinaus.
Vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg
Der Eintritt in den Ersten Weltkrieg erfolgte aufgrund der im Kabinett nicht unumstrittenen Politik Außenminister Greys, der zwar einen Krieg lieber vermeiden, im Konfliktfall aber die Stellung Frankreichs als Großmacht verteidigt sehen wollte. In diesem Sinn machte er 1912 Frankreich gegenüber weitgehende Zusagen. Ebenfalls 1912 scheiterte die Mission Haldanes in Berlin, der sich um eine Begrenzung des maritimen Wettrüstens bemühte. Großbritannien konnte dem Ansinnen Deutschlands, das auf Zusicherung der britischen Neutralität bestand, nicht zustimmen. Im außereuropäischen Bereich (Bagdadbahn, portugiesische Kolonien) kam es zu deutsch-britischen Absprachen. Sie konnten aber über den machtpolitisch geprägten deutsch-britischen Antagonismus in Europa nicht hinwegtäuschen. Der deutsche Einmarsch ins neutrale Belgien bewirkte die Einigung des am 2. 8. 1914 noch gespaltenen britischen Kabinetts, das nun fast geschlossen hinter der Kriegserklärung vom 4. 8. 1914 stand. Auch das Unterhaus billigte, allerdings gegen die Stimmen des pazifistischen Flügels der Labour Party, den Kriegseintritt. Als sich das Osmanische Reich den Mittelmächten anschloss, annektierte Großbritannien das schon seit 1878 unter britischer Verwaltung stehende Zypern und verkündete sein Protektorat über Ägypten.
Da sich die britische Flotte auf die Fernblockade beschränkte, kam es nur zu einer großen Seeschlacht vor dem Skagerrak (31. 5./1. 6. 1916), die jedoch nicht bis zur Entscheidung ausgefochten wurde (britische Verluste an Kriegsschiffraum: 115 000 t; deutsche Verluste: 61 000 t). Die Blockade des deutschen Imports über See und womöglich auch über die neutralen Länder wurde stetig ausgebaut. Die deutschen U-Boote bedrohten ihrerseits die britische Ernährung und Produktion, zumal nach der Erklärung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges (1. 2. 1917. Es gelang aber der britischen Kriegsmarine in steigendem Maße, der deutschen U-Boot-Waffe Verluste zuzufügen.
Dank der von Haldane durchgeführten Heeresreform und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht (1916) erwies sich Großbritannien zu Lande stärker als vorausgesehen. Zu den 5,7 Mio. Soldaten, die das Mutterland aufstellte, kamen fast 3 Mio. aus den Dominions und den Kolonien. Als Folge des Krieges kam es zu erheblichen staatlichen Eingriffen in Wirtschaft und Gesellschaft (Produktionslenkung, Handels- und Verbrauchsbeschränkungen, Arbeitsverpflichtungen, Einschränkung des Streikrechts). Die Munitionsindustrie wurde von Lloyd George zu steigender Produktion angetrieben. Im Mai 1915 wurde das Kabinett durch Mitglieder der Konservativen und der Labour Party zum ersten Koalitionsministerium unter Asquith erweitert. Ihn löste im Dezember 1916 Lloyd George ab, der mit großer Energie die Kräfte des Britischen Reiches zur Wirkung brachte. Die eigentliche Leitung übernahm ein Kriegskabinett von fünf Mitgliedern. Grey wurde 1916 durch A. J. Balfour ersetzt; das Munitionsministerium übernahm 1917 W. Churchill, der 1911 Erster Lord der Admiralität geworden war, aber 1915 nach dem Scheitern des Unternehmens gegen die Dardanellen in den Hintergrund trat. Die Kriegskosten wurden durch Kriegsanleihen, Steuerabschöpfung und Kredite der USA aufgebracht. Bis 1920 hatte Großbritannien rund 8 Mrd. US-$ an die anderen Alliierten geliehen und schuldete den USA 4 Mrd. US-$.
Die Lage in Irland, wo die Sinn-Féin-Bewegung (Sinn Féin) eine über die Homerule hinausgehende separatistische englandfeindliche Politik verfolgte, hatte sich verschärft. Ostern 1916 brach in Dublin ein Aufstand aus, der aber rasch niedergeschlagen wurde. Nach Zusammentritt eines irischen Parlaments (Dail Eireann) in Dublin 1919 und der Bildung einer illegalen republikanischen Regierung durch E. de Valera kam es zu blutigen britisch-irischen Auseinandersetzungen. 1920 kehrte die britische Regierung zur Politik der Homerule zurück. Ein Gesetz respektierte jedoch den Widerstand des protestantischen Ulster, von Dublin aus regiert zu werden, und teilte Irland in Nord- und Südirland. Auf dieser Basis kam es 1921 zum Friedensvertrag mit den Aufständischen, der für Nordirland die Homerule, für Südirland Unabhängigkeit und Dominionstatus vorsah. Nach Konstituierung des »Irischen Freistaates« und dem Verbleib Nordirlands beim britischen Staat änderte dieser 1922 den Landesnamen in »Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland«.
In den USA, die als Weltbankier an Großbritanniens Stelle getreten waren, wurde ein Teil der Kriegsanleihen untergebracht. Die USA halfen den Alliierten auch durch Kriegslieferungen und traten 1917 selbst in den Krieg ein. Das Übergewicht, das sie auf diese Weise erlangten, war eines der wesentlichen weltpolitischen Ergebnisse des Krieges.
Zwischen den Weltkriegen (1919-39)
Zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg verschärften sich für Großbritannien die bereits in der zweiten Hälfte des Viktorianischen Zeitalters aufgetretenen Probleme: Angesichts des erheblichen Modernisierungsdefizits in den alten Industrien (Kohle, Stahl, Eisen, Textilien, Schiffbau) und dauernder Arbeitslosigkeit nahm das britische Wirtschaftsimperium an Macht ab. Als charakteristisch für Großbritannien erwies sich, dass Modernisierung und Ausbau der Wirtschaft bei gleichzeitigen sozialen Reformen in Abhängigkeit von der Wahrung des Friedens standen. Denn das Land war nicht fähig, die Kosten für einen inneren Strukturwandel und zugleich für die Rüstung aufzubringen. Zusätzlich war Großbritannien in beinahe alle großen Krisenherde verwickelt.
Internationale Position nach dem Ersten Weltkrieg:
Der Versailler Vertrag brachte 1919 dem Britischen Reich die Auslieferung der deutschen Kriegsflotte, eines Großteils der deutschen Handelsflotte, ferner Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Teile von Kamerun und Togo, Deutsch-Neuguinea und den Großteil der Besitzungen in der Südsee als Mandate des Völkerbundes, in dem Großbritannien mit seinen als selbstständige Mitglieder zugelassenen Kolonialgebieten eine führende Rolle übernahm. Als befristete Mandate erhielt es aus den Resten des Osmanischen Reiches den Irak, Palästina und Transjordanien. Dem machtpolitischen Gewinn standen etwa 800 000 Weltkriegstote sowie eine wirtschaftliche Schwächung gegenüber. Die stets wiederkehrenden Unruhen in Irland hatten außer wirtschaftlichen Gründen v. a. politische Ursachen, nämlich den jahrhundertealten Autonomiewillen der katholischen Mehrheit. Diesem wurde schließlich am 23. 12. 1920 mit dem Gesetz zur Teilung Irlands Rechnung getragen.
Auch in der übrigen Welt wurde durch den Ersten Weltkrieg die Lage des Britischen Reiches verschärft. Als Folge der im Krieg eingetretenen Kräfteverlagerung musste Großbritannien auf der Konferenz von Washington (1921/22) den USA die gleiche Stärke der Schlachtflotte zugestehen und damit auf seine traditionelle Flottenüberlegenheit verzichten. Angesichts der expansiven Politik Japans in Asien gab es sein Bündnis mit ihm preis. Die Einigung Chinas durch Chiang Kai-shek minderte auch dort den britischen Einfluss. Als Pfeiler der ostasiatischen Position behielt es Hongkong und das nach 1924 als Festung verstärkte Singapur. Eine Reichskonferenz (19. 10.-18. 11. 1926) hatte den Dominionstatus definiert, der 1931 im Westminster-Statut verankert wurde (Britisches Reich und Commonwealth).
Im übrigen Asien sah sich Großbritannien der politischen Aktivität nationaler Bewegungen gegenübergestellt. Die unter M. Kemal Atatürk wieder erstarkte Türkei erzwang im Vertrag von Lausanne (1923) die Revision des Friedensvertrages von Sèvres (1920). In Ägypten sah sich Großbritannien gezwungen, die Protektoratsherrschaft über dieses Land aufzugeben; Ägypten räumte ihm jedoch den Schutz der Suezkanalzone sowie die Fortsetzung des angloägyptischen Kondominiums über den Sudan ein. 1932 erkannte die britische Regierung die Unabhängigkeit des Irak an. Im Mandatsgebiet Palästina stieß die durch die Balfour-Erklärung geförderte jüdische Einwanderung auf arabischen Widerstand. Auf diesen, aber auch auf die in Amerika einflussreichen Zionisten musste Großbritannien, nach beiden Seiten durch widersprechende Zusagen gebunden, Rücksicht nehmen. Daher machte das 1920 übernommene Mandat über Palästina der britischen Regierung zunehmend Schwierigkeiten. Als vorläufig unlösbar erwies sich die indische Frage (Indien, Geschichte).
Nationale Entwicklung:
Bei den Wahlen vom Dezember 1918, die noch immer unter einem - allerdings geringen - Zensus standen und zu denen alle Männer mit vollendetem 21. und Frauen mit vollendetem 30. Lebensjahr berechtigt waren (insgesamt 21,3 Mio.), erhielten zunächst die Konservativen das Übergewicht. Aber der Krieg hatte innenpolitisch zu einer Stärkung der Labour Party zulasten der Liberalen geführt. Die Liberalen verloren so viele Wähler, dass Großbritannien wieder zum Zweiparteiensystem zurückkehrte; an die Stelle der Liberalen war jetzt erstmalig die Labour Party getreten. Als 1922 die Koalitionsregierung D. Lloyd Georges, der noch die Befriedung Irlands gelungen war, zerbrach, übernahmen die Konservativen allein die Regierung (Premierminister A. Bonar Law, seit Mai 1923 S. Baldwin, Außenminister Lord Curzon). Die Regierung Baldwin missbilligte die französische Besetzung des Ruhrgebiets, blieb aber auf den französischen Partner angewiesen und verhielt sich abwartend.
Im Januar 1924 kam die Labour Party zum ersten Mal an die Regierung, konnte jedoch - da nicht im Besitz der absoluten Mehrheit - nicht ohne die Unterstützung der Liberalen auskommen. Die von ihr getragene Regierung unter Premierminister J. R. MacDonald bemühte sich um bessere Beziehungen zu Frankreich und erkannte die UdSSR an (Februar 1924). Schon nach 11 Monaten aber brachten Wahlen - im Zeichen der Russlandpolitik - wieder die Konservativen an die Macht (zweites Kabinett Baldwin) und eine entscheidende Reduzierung der Liberalen. Die konservative Regierung brach (Mai 1927) die diplomatischen Beziehungen zur UdSSR wieder ab, da die sowjetische Handelsvertretung in London und eine Tarngesellschaft sich v. a. mit Spionage und Zersetzung zu befassen schienen. Das Kabinett überstand einen zeitweise zum Generalstreik gesteigerten Kohlenstreik (Mai-November 1926), der mit der gesetzlichen Einschränkung des Streikrechts endete und die Wirtschaft schwer beeinträchtigte. Bei der durch G. Stresemann und A. Briand herbeigeführten Entspannung zwischen Deutschland und Frankreich (Locarnoverträge, 1925) leistete Großbritannien und Nordirland Hilfe, ebenso wie bei der 1929 eingeleiteten Revision des Dawesplans (Youngplan). Dem Briand-Kellogg-Pakt (1928) trat es mit Vorbehalt bei.
Als 1929 die Unterhauswahlen für die Labour Party entschieden, bildete MacDonald sein zweites Kabinett. Dieses blieb in seiner Regierungs-Tätigkeit auf die Tolerierung durch die Liberalen angewiesen. Er nahm am 1. 10. 1929 die Beziehungen zur UdSSR wieder auf und versteifte die Haltung gegen Frankreich, dem Sir Austen Chamberlain (Außenminister 1924-29) so weit wie möglich entgegengekommen war. MacDonald führte im Interesse der Exportindustrie eine Verständigung mit den USA über den Flottenbau herbei; auf dieser Grundlage tagte 1930 eine Flottenkonferenz in London, deren Beschlüssen Frankreich nicht zustimmte. Da die Weltwirtschaftskrise seit 1929 Großbritannien und Nordirland schwer in Mitleidenschaft zog und die Arbeitslosigkeit vermehrte, trat die Labour Party im August von der Regierungsverantwortung zurück. Auf Drängen König Georgs V. übernahm MacDonald im August 1931 eine Koalitionsregierung (National Government), die sich Vollmachten geben ließ und am 21. 9. 1931 das bisher als unverrückbarer Pfeiler der Weltwirtschaft angesehene Pfund vom Goldstandard löste. Die Wahlen im Oktober brachten dieser weitgehend konservativen Regierung einen großen Sieg; nur 52 oppositionelle Labour-Vertreter und 38 Liberale zogen ins Unterhaus ein. Die Wirtschaftslage führte jetzt dazu, dass das Freihandelsprinzip modifiziert wurde. Den britischen Markt schützte der Import Duties Act (29. 2. 1932; die Reichskonferenz von Ottawa (Juli-August 1932) setzte ein System gegenseitiger Vorzugszölle innerhalb des Commonwealth in Kraft. Die Wirtschaftskrise (1932 etwa 3 Mio. Arbeitslose) wurde durch eine Konjunkturpolitik des billigen Geldes ohne Inflation und durch eine Bauwelle zum Stillstand gebracht. 1936/37 kam ein Aufrüstungsprogramm hinzu (Arbeitslose bei Kriegsbeginn etwa 1,5 Mio.). Die Koalitionsregierung, die seit 1935 mit S. Baldwin und seit 1937 mit A. N. Chamberlain als Premierminister immer stärker von Politikern der Konservativen Partei geführt wurde, sah seit Mitte der 30er-Jahre das bestehende internationale System und in zunehmendem Maße auch die eigene Position als Weltmacht durch die expansive Politik Deutschlands, Italiens und Japans (7. 7. 1937 wieder eröffneter Krieg zwischen Japan und China) bei gleichzeitig sich verstärkender Desintegration des britischen Commonwealth gefährdet. Der Versuch, trotz unzureichender militärischer Stärke die britischen Interessen voll zu wahren, nur begrenzte Veränderungen des Status quo zuzulassen und v. a. einen neuen Weltkrieg zu verhindern, ist als Appeasementpolitik bekannt geworden.
In Europa wurde eine Übereinstimmung der vier Großmächte Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien und Nordirland angestrebt, die eine erste Ausprägung in dem von B. Mussolini angeregten, allerdings nicht ratifizierten Viererpakt vom 15. 7. 1933 erfuhr. Als aber Deutschland im Oktober 1933 die Abrüstungskonferenz verließ und aus dem Völkerbund austrat, war das Ziel der britischen Regierung, zu einem allgemeinen Rüstungsabkommen zu gelangen, zunächst einmal unerreichbar geworden, sodass sie 1934 eine Verstärkung der britischen Rüstung einleitete. Nach anfänglichem Zögern wurde die Politik des französischen Außenministers J. L. Barthou unterstützt, der einen Regionalpakt für Osteuropa im Rahmen des Völkerbundes (»Ostlocarno«) anstrebte. Als Deutschland seinen Beitritt zu dem Vertragswerk verweigerte und sich am 16. 3. 1935 von den Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrages einseitig lossagte, beschlossen Großbritannien und Nordirland, Frankreich und Italien auf der Konferenz von Stresa (11.-14. 4. 1935), sich diesem Vorgehen der deutschen Regierung zu widersetzen. Da die »Stresa-Front« für den britischen Außenminister von vornherein jedoch nur deklamatorischen Wert besaß, suchte die britische Außenpolitik mit Deutschland zunächst zu separaten Abkommen zu gelangen: Abschluss des Deutsch-Britischen Flottenabkommens (1935). Die allmähliche Revision der Bestimmungen der Friedensverträge erlebte einen erfolgreichen Höhepunkt mit der Konferenz von Montreux im Sommer 1936, die die türkische Souveränität über die Meerengen wiederherstellte.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Großbritannien und Nordirland neben den USA die Führung in der Politik der Westmächte gegenüber den um Modifizierung der Pariser Vorortverträge bemühten Staaten übernommen und damit Frankreich außenpolitisch in ein Abhängigkeitsverhältnis gedrängt. Obwohl die britische Regierung am Beschluss des Völkerbunds über Sanktionsmaßnahmen gegen Italien (italienischer Angriff auf Äthiopien) noch maßgeblich beteiligt war (1935), trat der Völkerbund in der zweiten Hälfte der 30er-Jahre als Instrument der britischen Außenpolitik zurück.
Zwar musste der britische Außenminister S. Hoare im Dezember 1935 auf Druck der Öffentlichkeit zurücktreten, als er das Hoare-Laval-Abkommen unterzeichnet hatte, das Italien in Äthiopien gewisse Zugeständnisse machte, doch konnte auch sein Nachfolger A. Eden die Schwächen des Völkerbundes besonders bei der Durchsetzung seiner Ziele nicht überwinden. Zudem fehlte den Sanktionen gegen Italien ein Ölembargo, sodass der Krieg in Äthiopien nicht gestoppt werden konnte. Die Politik der Revisionen, die alle Konfliktursachen in der internationalen Politik und die als berechtigt erachteten Beschwerden einzelner Länder auf dem Verhandlungswege beseitigen wollte, trat endgültig an die Stelle der Politik der kollektiven Sicherheit. 1936 nahm die britische Regierung die Remilitarisierung des Rheinlands hin und befolgte im Spanischen Bürgerkrieg die »Politik der Nichtintervention«. Im Fernen Osten galt es, zu einem Modus Vivendi mit dem expansiven Japan zu kommen, das im Januar 1936 durch sein Verlassen der Londoner Flottenkonferenz ein umfassendes Abkommen verhindert hatte.
Innenpolitisch stand das Jahr 1936 im Zeichen der Thronkrise. Nach dem Tode König Georgs V. (20. 1. 1936 folgte sein Sohn Eduard VIII. auf dem Thron. Doch sah sich dieser gezwungen, wegen seiner geplanten Ehe mit der geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson, die von Premierminister Baldwin und der Öffentlichkeit missbilligt wurde, am 10. 12. auf den Thron zu verzichten. Nachfolger wurde sein Bruder als Georg VI. (1936-52).
Im Mai 1937 fand in London eine Reichskonferenz statt, auf der die Mitglieder der britischen Staatenfamilie entschieden auf eine Politik der »Internationalen Befriedung« drangen. Seit der Regierungsübernahme durch Chamberlain am 28. 5. 1937 wurde diese Politik, die in Übereinstimmung mit der öffentlichen Meinung konsequent Aufrüstung und gleichzeitige Entspannung in Europa fortsetzte, bis zu ihrem offenkundigen Scheitern verfolgt. Dabei konnten die Staaten des Antikominternpakts (v. a. Deutschland, Japan, Italien) den Eindruck gewinnen, Großbritannien und Nordirland lasse ihnen freie Hand. Tatsächlich aber war Chamberlain nur zu bestimmten Zugeständnissen als Vorleistungen für ein weit reichendes Gesamtabkommen bereit. Die Einigungsversuche mit Italien führten am 20. 2. 1938 zum Rücktritt Edens, der im Unterschied zum Premierminister stärker auf Gegenleistungen der Diktatoren zu einem früheren Zeitpunkt drang. Sein Nachfolger wurde Lord Halifax. Die Bemühungen der Regierung Chamberlain, Hitler zum Einlenken zu bewegen, wurden enttäuscht, obwohl es die britische Regierung beim »Anschluss« Österreichs mit diplomatischen Protesten bewenden ließ und im Juli 1938 auch zu einem für Deutschland günstigen Zahlungs- und Handelsabkommen bereit war. Die Sudetenkrise, die auf ihrem Höhepunkt im September 1938 Chamberlain zu einem Besuch bei Hitler in Berchtesgaden veranlasste und schließlich auf der Viermächtekonferenz von München mit der Abtrennung des Sudetenlandes von der Tschechoslowakei ihren Abschluss fand, ließ Chamberlain noch einmal als den Bewahrer des Friedens erscheinen.
Die Opposition der Labour Party und der Liberalen sowie kleinerer Gruppen der Regierungsparteien unter der Führung W. Churchills und Edens sowie von Regierungsmitgliedern selbst (Rücktritt des Ersten Lords der Admiralität, A. D. Cooper, [* 1890, ✝ 1954]) erhielt neue Nahrung durch Hitlers aggressive Haltung nach der Münchener Konferenz und die Ausschreitungen gegen die Juden. Nach der deutschen Besetzung Prags am 15. 3. 1939 erreichten die britisch-deutschen Beziehungen schließlich ihren Tiefpunkt. Die britische Regierung war zwar auch noch im Sommer 1939 bereit, ein allgemeines Abkommen mit Deutschland abzuschließen, machte aber zugleich deutlich, dass weitere einseitig und mit Gewalt herbeigeführte expansive Schritte britischen Widerstand finden würden. In diesem Sinne garantierte Großbritannien und Nordirland mit Frankreich die Unabhängigkeit Polens (31. 3. 1939 und - nach der Besetzung Albaniens durch Italien - auch die Griechenlands und Rumäniens (13. 4. 1939. Am 26. 4. 1939 wurde die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt. Außenpolitisch suchte Großbritannien und Nordirland gemeinsam mit Frankreich erfolglos, die UdSSR in eine Abwehrlinie gegen die aggressiven Aktivitäten des nationalsozialistischen Deutschland einzubinden, v. a. deshalb, weil die UdSSR Ende August 1939 einen Nichtangriffspakt mit Deutschland (einschließlich eines geheimen Protokolls über die Einteilung Polens in Interessensphären) abschloss (Hitler-Stalin-Pakt).
Der Zweite Weltkrieg (1939-45)
Mit dem Angriff auf Polen am 1. 9. 1939 löste das national-sozialistische Deutschland den Zweiten Weltkrieg aus. Bestimmt von seiner Garantieerklärung gegenüber dem polnischen Staat, erklärte Großbritannien und Nordirland am 3. 9. 1939 Deutschland den Krieg. Hitler, der bis zuletzt nicht mit einem britischen Eingreifen gerechnet hatte, wurde von der Kriegserklärung überrascht. Ein wesentliches Resultat der beharrlichen Friedenspolitik der Regierung Chamberlain war die Geschlossenheit, mit der die britische Nation und die Staaten des Commonwealth in den Krieg eintraten.
Chamberlain blieb zunächst Regierungschef und bildete ein Kriegskabinett, dem nunmehr auch Churchill und Eden angehörten. Nach den raschen deutschen Anfangserfolgen 1940 auf dem westlichen Kriegsschauplatz, die durch die defensive französische und britischer Kriegführung begünstigt wurden, schrumpfte die Regierungs-Mehrheit im Unterhaus, sodass sich Chamberlain am 10. 5. 1940 zum Rücktritt gezwungen sah. Churchill bildete nun ein Koalitionskabinett, in dem neben den Konservativen v. a. auch Politiker der Labour Party vertreten waren; ihr Führer im Unterhaus, C. Attlee, wurde stellvertretender Premierminister. Unter dem Druck des Krieges rückten die innenpolitischen Auseinandersetzungen in den Hintergrund. Mit der Anerkennung des britischen Gewerkschaftsverbandes TUC als gleichberechtigter politischer Partner der Regierung sollte die innere Geschlossenheit des Landes gefördert werden. Der Gewerkschaftsführer E. Bevin wurde in die Regierung berufen. Streik und Aussperrung wurden verboten, Löhne und Arbeitsbedingungen verbessert. Mit dem Beveridge-Plan (1942/43; William Baron Beveridge of Tuggal) und dem Erziehungsgesetz (1944) wurden gesellschaftliche Reformen eingeleitet. Die britische Wirtschaft wurde in den Dienst der Waffenproduktion gestellt, trotz der eigenen Anstrengungen war Großbritannien und Nordirland jedoch entscheidend von Hilfslieferungen der USA abhängig (Lend-Lease-System, 1941). Zur Sicherung der lebensnotwendigen Zufuhr an Gütern (einschließlich Lebensmitteln) erwarb die Regierung große Teile der norwegischen und griechischen Handelsflotte. Etwa die Hälfte der Kriegsausgaben deckte der Staat auf dem Kreditwege (Anwachsen der Auslandsverschuldung auf 3,5 Mrd. £).
Auf dem Kriegsschauplatz war Großbritannien und Nordirland zunächst wenig erfolgreich. Einer geplanten Landeoperation in Norwegen kam im April 1940 die deutsche Besetzung Dänemarks und Norwegens zuvor. Das britische Expeditionskorps in Frankreich musste sich - von den deutschen Truppen auf den Raum Dünkirchen zurückgedrängt - Ende Mai/Anfang Juni 1940 nach Großbritannien und Nordirland zurückziehen. Als Churchill nach dem französischen Zusammenbruch (Juni 1940) mit seinem Vorschlag einer »anglofranzösischen Union« keine Resonanz fand und Frankreich mit Deutschland und Italien einen Waffenstillstand abschloss, unterstützte er das von General C. de Gaulle gegründete Comité National Français (CNF; deutsch Französisches Nationalkomitee). Am 4. 7. 1940 brach die Regierung in Frankreich unter Marschall P. Pétain die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien und Nordirland ab, nachdem die französische Flotte vor Oran von britischen Einheiten bombardiert worden war. Im August 1940 setzte der deutsche Luftkrieg gegen Großbritannien und Nordirland ein, der zu schweren Zerstörungen in englischen Städten (u. a. London, Coventry) führte, doch vermochte die britische Luftwaffe einen deutschen Erfolg zu verhindern. Der Einsatz britischer Truppen in Griechenland 1941 war erfolglos, auch in Nordafrika traten bis in den Sommer 1942 bedrohliche Rückschläge ein. Auf dem ostasiatischen Kriegsschauplatz erlitt Großbritannien und Nordirland gegen Japan zunächst schwere Verluste: Kapitulation von Hongkong am 25. 12. 1941 und von Singapur am 15. 2. 1942, Verlust von Neuguinea, Bedrohung Australiens und der nördlichen Grenze Indiens.
Gemeinsam mit dem amerikanischen Präsidenten F. D. Roosevelt verkündete Churchill in der Atlantikcharta (14. 8. 1941 die Grundsätze einer zukünftigen Friedensordnung. Nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR (Juni 1941) und dem Kriegseintritt der USA (Dezember 1941) schlossen sich Großbritannien und Nordirland, die UdSSR und die USA zur »Anti-Hitler-Koalition« zusammen, die v. a. auf den Konferenzen von Teheran (1943) und Jalta (Februar 1945, Jalta-Konferenz) gemeinsame Kriegsziele formulierte. Auf der Konferenz von Casablanca (1943) forderten Churchill und Roosevelt die »bedingungslose Kapitulation« Deutschlands und Italiens. Mit der Landung ihrer Streitkräfte in der Normandie (Juni 1944) errichteten Großbritannien und Nordirland und die USA eine zweite Front gegen Deutschland; sie begannen damit einen Großangriff, der ihre Streitkräfte unter schweren Kämpfen bis Mai 1945 nach Deutschland führte.
Wie nach dem Ersten Weltkrieg war Großbritannien und Nordirland auch 1945 zwar siegreich, aber doch entscheidend geschwächt aus dem Kampf hervorgegangen. Als Großmacht befand es sich fortan im Schatten der USA und der UdSSR, die den Krieg entschieden hatten. Nicht nur hohe Verluste waren zu beklagen, auch die Wirtschafts- und Sozialpolitik des Landes stand vor schweren Aufgaben. Britisches Reich und Commonwealth wurden von tief greifenden Veränderungen erfasst; außenpolitisch bahnte sich der Abstieg von einer Weltmacht zu einer europäischen Macht an.
Die Nachkriegszeit (1945-57)
Innenpolitische Entwicklung:
Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands (in Kraft seit dem 9. 5. 1945) traten die Kabinettsmitglieder, die nicht der Konservativen Partei angehörten, zurück. Bei den Unterhauswahlen vom Juli 1945 errang die Labour Party mit 393 Sitzen (gegenüber 189 für die Konservativen) einen äußerst hohen Wahlsieg. Als Premierminister (1945-51) berief nun Attlee bedeutende Vertreter der britischen Arbeiterbewegung und Mitglied des britischen Kriegskabinetts in seine Regierung, so H. S. Morrison (Präsident des Geheimen Kronrates), H. Dalton (Finanzen), S. Cripps (Handel) und E. Bevin (Äußeres). Die finanzpolitische Situation war äußerst schwierig. Um die Kriegskosten aufzubringen, waren im Krieg große Teile des im Ausland angelegten Kapitals (in Höhe von über 1 Mrd. £) veräußert worden, dessen Zinsfluss jetzt entfiel; das Volksvermögen hatte um 7,5 Mrd. £ abgenommen. In dieser Situation belasteten die Kosten für den Wiederaufbau des Landes, für die Pensionen und für die Umstellung der Wirtschaft von Kriegs- auf Friedensproduktion den Staatshaushalt sehr. Als Finanzminister setzte Cripps daher ein Sparprogramm durch (Austerity); die 1946 von den USA gewährten Anleihen brachten große Eingriffe in die Unabhängigkeit der britischen Währungs- und Außenhandelspolitik mit sich und machten die wirtschafts- und finanzpolitische Abhängigkeit Großbritannien und Nordirlands von den USA deutlich. Ohne die Marshallplanhilfe (ERP, 1947) wäre die britische Wirtschaft zusammengebrochen. Als eine schwere Einbuße auch an außenpolitischem Gewicht wurde die Abwertung des Pfundes um fast ein Drittel seines Wertes empfunden (1949).
Mit dem Gesetz zur Verstaatlichung der Bank von England (Dezember 1945) leitete die Labourregierung ein Reformprogramm ein. 1946 führte sie die Verstaatlichung des Steinkohlebergbaus und der Zivilluftfahrt, 1947 wesentliche Teile des Transportwesens (u. a. Eisenbahnen, Häfen, Binnenschifffahrt) und 1947/48 der Elektrizitäts- und Gasgewinnung durch. Besonders umkämpft zwischen ihr und der konservativen Opposition war die 1948 eingeleitete (1951 durchgeführte) Nationalisierung der Eisen- und Stahlindustrie. Mit dem Gesetz über die Sozialversicherung (1946) und der Einführung eines unentgeltlichen staatlichen Gesundheitsdienstes (1946) suchte die Regierung Attlee Großbritannien und Nordirland zu einem Wohlfahrtsstaat zu entwickeln.
Nachdem bei den Unterhauswahlen die parlamentarische Basis der Labourregierung stark geschmolzen war, begründete der Wahlsieg der Konservativen (1951) mit 321 Sitzen gegenüber 295 für die Labour Party eine längere Periode konservativer Regierungen (bis 1964). Im Gegensatz zu ihrem Wahlmanifest machten die Konservativen unter der Regierung Churchill (1951-55) nur wenige Verstaatlichungen rückgängig, darunter die der Eisen- und Stahlindustrie. Im Zeichen der sich wieder belebenden Weltwirtschaft verbesserte sich die britische Position im Außenhandel. Nach dem Tod Georgs VI. (6. 2. 1952 bestieg Elisabeth II. (gekrönt am 2. 6. 1953) den Thron. Im April 1955 übernahm Eden als Nachfolger Churchills das Amt des Premierministers Aus den Unterhauswahlen von 1955 gestärkt hervorgegangen, suchte die Regierung Eden die Idee einer auf dem Privateigentum aufgebauten, sozial verantwortlichen Demokratie zu verwirklichen. Es gelang ihr jedoch nicht, die fortschreitende Inflation und die wirtschaftlich folgenschwere Streik- und Lohnpolitik der Gewerkschaften einzudämmen.
Außenpolitische Entwicklung:
Mit der Verselbstständigung seiner Kolonien (Indien, Birma, Ceylon/Sri Lanka) innerhalb und außerhalb des Commonwealth of Nations setzte verstärkt der Auflösungsprozess des britischen Weltreichs ein, der sich unter den konservativen Regierung (seit 1951) fortsetzte. Allerdings verlief dieser Prozess der Ablösung nicht immer friedlich. Mit der Übertragung des Palästinamandats 1947 durch die Regierung Attlee an die UNO setzte der Nahostkonflikt ein. Vor dem Hintergrund seiner kolonialen Hinterlassenschaft blieb Großbritannien und Nordirland mit vielen ungelösten Problemen der neuen Staaten der Dritten Welt konfrontiert.
Die britische Außenpolitik im Zweiten Weltkrieg (v. a. auf den großen Weltkriegskonferenzen) ging davon aus, dass nur eine von den »Großen Drei« (USA, UdSSR und Großbritannien und Nordirland) getragene Nachkriegsordnung von Dauer sein könne. Auf der Potsdamer Konferenz (1945) suchte Churchill, und nach ihm Attlee, in diesem Sinne zu wirken. In enger Verbindung mit der Politik der US-Präsidenten Roosevelt und H. S. Truman wirkte Großbritannien und Nordirland intensiv an der Gründung der UNO mit, in deren Sicherheitsrat es einen ständigen Sitz erhielt.
Im Anschluss an die deutsche Kapitulation beteiligte sich Großbritannien und Nordirland als eine der Hauptsiegermächte an der Besetzung Deutschlands (deutsche Geschichte) und der wieder gegründeten Republik Österreich (Österreich, Geschichte). 1947 schloss es mit Frankreich ein Bündnis (Dünkirchenvertrag), 1948 zum Brüsseler Pakt mit den Beneluxstaaten erweitert, um die Aggression eines möglicherweise in der Zukunft wieder erstarkten Deutschland abwehren zu können. Angesichts des seit 1946 sichtbar werdenden Ost-West-Konflikts erhöhte Großbritannien und Nordirland noch unter der Labourregierung seine Verteidigungsanstrengungen, leistete einen maßgeblichen Beitrag zur Gründung der NATO (1949), stellte nach Ausbruch des Koreakrieges (1950) den UNO-Streitkräften ein britischen Truppenkontingent zur Verfügung und befürwortete den Zusammenschluss der westlichen Besatzungszonen zur Bundesrepublik Deutschland (1949). Die konservativen Regierung leiteten den Aufbau einer britischen Atomstreitmacht ein.
Seit dem Ende der 40er-Jahre unterstützte Großbritannien und Nordirland die Integrationsbemühungen der parlamentarischen Demokratien Europas; es trat 1949 dem Europarat bei, lehnte aber mit Rücksicht auf seine außereuropäische Bindungen einen Beitritt zur supranationalen Montanunion (später Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, EGKS) ab. Die Regierung Churchill und ihre Nachfolgerinnen verstärkten einerseits die angloamerikanischen Beziehungen, bemühten sich jedoch andererseits um Entspannung im Ost-West-Verhältnis und trugen entscheidend zur Einberufung der Genfer Gipfelkonferenz (Genfer Konferenzen) 1955 bei. Die militärische Intervention britischer und französischer Truppen nach der Verstaatlichung des Suezkanals durch Ägypten (1956) belastete nicht nur die britischen Beziehungen zur UdSSR, sondern auch die zu den USA. Angesichts der scharfen Kritik im In- und Ausland an seiner Nahostpolitik sah sich Premierminister Eden im Januar 1957 zum Rücktritt gezwungen. Die politisch-diplomatische Niederlage Frankreichs und Großbritanniens und Nordirlands zeigte, wie begrenzt nun ihr internationaler Handlungsspielraum geworden war.
Von der weltpolitischen zur europäischen Option (1957-75)
Im Januar 1957 übernahm H. Macmillan die Führung der Regierung. Im Zeichen einer steigenden Prosperität konnte er 1959 die Konservative Partei zu einem deutlichen Wahlsieg führen (365 Abgeordnete der Konservativen, 258 der Labour Party). Trotz wirtschaftlicher Aufwärtsentwicklung sah er sich einer wachsenden Inflation und einer steigenden Arbeitslosigkeit gegenüber; die wirtschaftliche Macht der Gewerkschaften suchte er zu begrenzen. Rechtspolitisch schränkte seine Regierung die Todesstrafe ein (1957; 1965 gänzlich abgeschafft). In der Verteidigungskonzeption legte die Regierung Macmillan das Schwergewicht auf die Entwicklung von Atombomben und Trägerraketen. Ihre Bemühungen um den Aufbau einer gemeinsamen Kernwaffenstreitmacht der NATO (Bahamakonferenz; 1962) veranlassten Präsidenten C. de Gaulle, Frankreich aus der militärischen Integration der NATO zu lösen.
Auf außenpolitischem Gebiet entfaltete Großbritannien und Nordirland unter Betonung seiner engen Verbundenheit mit den USA starke abrüstungspolitische Aktivitäten (u. a. Abschluss eines Teststoppabkommens mit den USA und der UdSSR; 1963). Im Gegensatz zu der bis dahin noch stark auf die britische Reichsidee gerichteten Politik der Konservativen setzte Macmillan die von der Regierung Attlee eingeleitete Politik der Entkolonialisierung fort. Im Rahmen eines »Dreimächteabkommens« (1959) vereinbarte Großbritannien und Nordirland mit Griechenland und der Türkei die Schaffung einer selbstständigen Republik Zypern.
Noch Ende der 50er-Jahre stand Macmillan einer engeren politischen Bindung an den Kontinent kritisch gegenüber und begegnete der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG; 1957) mit der Bildung der Europäischen Freihandelsassoziation (englische Abkürzung EFTA; 1960). Bereits 1961 wandte sich die Regierung Macmillan jedoch von dieser Politik ab und beantragte mit anderen EFTA-Staaten die Aufnahme in die Europäischen Gemeinschaften (EWG, EURATOM, EGKS); der britische Beitritt scheiterte aber 1963 am Veto Frankreichs. Vom Zusammenbruch der britischen Europapolitik in ihrem Ansehen geschwächt und innenpolitisch erschüttert durch den Profumoskandal (Kabinettskrise, die der Kriegsminister J. D. Profumo [* 1915] durch Irreführung des Parlaments im Zusammenhang mit der Weitergabe von Geheimnissen an ein Mitglied der sowjetischen Botschaft auslöste), trat die Regierung Macmillan im Oktober 1963 zugunsten eines Kabinetts von Sir Alexander Douglas-Home (früher Lord Home) zurück; dieses wurde v. a. mit dem beginnenden Konflikt um (Süd-)Rhodesien konfrontiert.
Bei den verfassungsmäßig notwendig gewordenen Unterhauswahlen errang die Labour Party im Oktober 1964 einen knappen Wahlsieg (317 Abgeordnete gegenüber 304 Abgeordnete der Konservativen). Premierminister wurde H. Wilson, der nach dem Tod H. Gaitskells (1963) die parlamentarische Führung der Labourabgeordneten im Unterhaus übernommen hatte. Das neue Kabinett verkündete ein sozialistisches Regierungs-Programm: u. a. die Verstaatlichung der Stahlindustrie, Kontrolle der Mieten und des Grundstücksmarktes. Vor dem Hintergrund einer Zahlungsbilanzkrise sah die Regierung Wilson die Sanierung des Pfundes (1964 und 1965 ausländische Stützungsaktionen), die Beseitigung des Handelsbilanzdefizits und die allgemeine Stabilisierung der Wirtschaft als ihre dringendsten Aufgaben an. Im September 1965 legte die Regierung ein umfangreiches Dokument zur Arbeits-, Wirtschafts- und Finanzpolitik (Nationalplan) vor. Nach den Wahlen von 1966, bei denen Premierminister Wilson seine parlamentarische Basis vergrößern konnte, setzte die Regierung ihre Deflationspolitik fort (u. a. Preis- und Lohnstopp, Steuererhöhungen).
Nach dem Ausbruch religiös wie sozial motivierter Unruhen in Nordirland (1968/69) nahm das Unterhaus das im Government of Ireland Act von 1920 vorgesehene Interventionsrecht in Anspruch. Im August 1969 übernahm die britische Armee dort die Polizeigewalt. Seit Beginn der 70er-Jahre herrscht ein bürgerkriegsähnlicher Zustand.
In seiner Außenpolitik setzte Großbritannien und Nordirland auch unter der Regierung Wilson seine abrüstungs- und entspannungspolitischen Bemühungen fort. Gemeinsam mit den USA und der UdSSR schloss es 1968 den Kernwaffensperrvertrag ab. Nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung (Süd-)Rhodesiens (1965) geriet Großbritannien und Nordirland in einen schweren Konflikt mit dieser Kolonie, der bis 1980 anhielt. Während die Regierung Wilson - in Fortsetzung der Entkolonialisierungspolitik ihrer Vorgängerinnen - die Aufgabe aller britischen Stützpunkte »östlich von Suez« bis 1971 ankündigte, intensivierte sie wiederum ihre Hinwendung zu den Europäischen Gemeinschaften; die Aufnahme scheiterte jedoch erneut am Veto Frankreichs, das eine tief greifende Gesundung der britischen Wirtschaft forderte.
Bei den vorzeitig angesetzten Wahlen von 1970 siegten die Konservativen, die seit 1965 im Unterhaus von E. Heath geführt wurden. Seine Regierung übernahm zwar eine ausgeglichene Zahlungsbilanz, konnte aber die durch wirtschaftliche Stagnation und eine hohe Inflationsrate gekennzeichnete Lage nicht grundlegend ändern. Angesichts der zahlreichen, die Wirtschaft des Landes lähmenden Streiks suchte Heath, mit dem Industrial Relations Act (1971) die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften zu regulieren. Das Gesetz, das u. a. ein Verbot der Closed Shops (d. h. von Betrieben, in denen nur Gewerkschaftsmitglieder beschäftigt werden), Geheimabstimmung bei Streiks und die rechtliche Durchsetzbarkeit von Tarifbeschlüssen vorsah, stieß auf den entschlossenen Widerstand der Gewerkschaften und wurde von der Labour Party im Unterhaus scharf kritisiert. Getragen von einem starken persönlichen Engagement für die Einbindung in die Europäische Gemeinschaft (EG), erreichte Heath nach langen Verhandlungen die Aufnahme seines Landes zum 1. 1. 1973.
Nach den Wahlen im Februar 1974, bei denen eine Pattsituation zwischen den Konservativen und der Labour Party entstand, bildete Wilson mit parlamentarischer Unterstützung der Liberalen und Regionalisten (schottische und walisische Richtung) eine Minderheitsregierung, die u. a. mit der Aufhebung des Industrial Relations Act und der Bestätigung des Closed-Shop-Prinzips den Forderungen der Gewerkschaften entsprach. In einem zum ersten Mal anberaumten Referendum sprach sich die Bevölkerung am 5. 6. 1975 mit 67,2 % gegen 32,8 % (Beteiligung 63,4 %) für den Verbleib in der EG aus. In Verhandlungen mit den Organen der EG hatte die Regierung Wilson seit 1974 verbesserte britische Mitgliedschaftsbedingungen erreicht. In der Tradition seiner Entspannungs- und Abrüstungspolitik förderte Großbritannien und Nordirland die Bemühungen der Konferenz um Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und ihre Nachfolgekonferenzen.
Nach dem überraschenden Rücktritt Wilsons (März 1976) schloss sein Nachfolger als Premierminister, J. Callaghan (im Amt seit April 1976), einen Sozialpakt (social contract, 1976) mit den Gewerkschaften, um die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Entwicklung zu stabilisieren. Nach einer erneuten Streikwelle und dem Scheitern der Teilautonomiegesetze für Schottland und Wales stürzte die Regierung Callaghan am 29. 3. 1979 durch einen von den Konservativen im Unterhaus eingebrachten Misstrauensantrag.
Die Entwicklung seit 1979
Bei den Unterhauswahlen Anfang Mai 1979 errang die seit 1975 von M. Thatcher politisch geführte Konservative Partei einen hohen Wahlsieg; sie erhielt 339, die Labour Party 268 Sitze. Mit einem strikten Sparprogramm, begleitet u. a. von einer Änderung des Steuersystems, versuchte die Regierung Thatcher, die Rezession der Wirtschaft zu überwinden, nahm dabei aber steigende Arbeitslosigkeit in Kauf; sie brach mit der bisher geübten Interventions- und Subventionspolitik zugunsten einer rigorosen Beschränkung der Staatsausgaben und Aktivierung des privaten Investitionskapitals. Mit dem Employment Act von 1980 suchte die Regierung die rechtlichen Kompetenzen der Gewerkschaften zu beschneiden (u. a. Verbot von Sympathiestreiks). Angesichts starker Unzufriedenheiten rassisch-ethnischer Minoritäten kam es 1981 in mehreren Industriestädten zu schweren Unruhen.
Die starke Radikalisierung in der Labour Party unter der Führung M. Foots (1980-83) führte zu innenparteilichen Kämpfen, in deren Verlauf die sozialdemokratisch orientierten Mitglieder (u. a. D. Owen, S. Williams, W. Rodgers [* 1928], R. Jenkins) aus der Partei austraten und 1981 die Social Democratic Party (SDP) gründeten; diese schloss mit den von D. Steel geführten Liberalen ein Wahlbündnis, das sich bei den folgenden Wahlen als »dritte« politische Kraft im britischen Parteienspektrum durchzusetzen versuchte (nach dem 1988 erfolgten Zusammenschluss eines Großteils der SDP mit den Liberalen zu den Social and Liberal Democrats 1990 Auflösung der restlichen SDP). Gestützt auf die bei den Wahlen von 1983 und 1987 gefestigte Position der Konservativen verfolgte M. Thatcher ihren innenpolitischen Kurs. Führer der Labour-Opposition war 1983-92 N. Kinnock (sein Nachfolger 1992-94 J. Smith).
Außenpolitisch setzte Großbritannien und Nordirland mit der Entlassung Rhodesiens (seit 1980 Simbabwe) und vieler kleiner Gebiete der Karibik in die Unabhängigkeit den Prozess der Entkolonialisierung fort. Nach der Besetzung der Falklandinseln und Südgeorgiens durch argentinische Truppen stellte die Regierung Thatcher im Falklandkrieg (1982) die britische Herrschaft über diese Gebiete wieder her. 1984 kam es zum Abschluss eines britisch-chinesischen Abkommens über Hongkong. Seit der Formulierung des NATO-Doppelbeschlusses (1979) und seiner Realisierung suchte die Regierung Thatcher besonders in engem Einvernehmen mit den USA, die UdSSR zur Reduzierung ihres Waffenpotenzials zu drängen; sie unterstützte seit Mitte der 80er-Jahre die sowjetisch-amerikanischen Bemühungen um Abrüstung (u. a. den INF-Vertrag von 1987); das britische Mittelstreckenpotenzial blieb jedoch bestehen. Im Januar/Februar 1991 beteiligte sich Großbritannien und Nordirland an der antiirakischen Koalition zur Befreiung Kuwaits.
Die Einführung einer von den Eigentumsverhältnissen unabhängigen Kopfsteuer (poll-tax) 1990 rief schwere Unruhen hervor. Nach mehreren Kabinettsumbildungen und heftiger, auch innenparteiliche Kritik an ihrer Innen- und Wirtschaftspolitik sowie ihrem starren europapolitischen Kurs trat M. Thatcher im November 1990 zurück. Nachfolger wurde J. Major, der die Kopfsteuer aufhob, die bisherige Politik aber weitgehend fortsetzte.
Bei den Unterhauswahlen im April 1992 gewannen die Konservativen unter Premierminister Major mit rd. 42 % der Stimmen überraschend die absolute Mehrheit, die Labour Party erhielt rd. 34 %, die Social and Liberal Democrats rd. 18 %. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Rezession kam es im Sommer 1992 zu einer Währungskrise, die im September 1992 zum Ausscheiden des britischen Pfunds aus dem Europäischen Währungssystem führte. Nach langen Auseinandersetzungen mit dem rechten Flügel der Konservativen und einer ersten Abstimmung des Unterhauses im Mai 1993 (hier wie bei der Entscheidung im Oberhaus im Juli Ablehnung eines Referendums zum EU-Vertrag) erreichte Major gegen die Opposition der Labour Party abschließend im Juli 1993 die Ratifizierung des Vertrags von Maastricht in der von ihm ausgehandelten Form (ohne Sozialcharta), nachdem er die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verbunden hatte. Die innenparteiliche Kritik an der Europapolitik Majors seitens der »Euro-Skeptiker« beziehungsweise »Euro-Rebellen« (u. a. M. Thatcher) hielt jedoch an; der europapolitische Kurs blieb weiterhin von einer nur zögerlichen Integration in die gesamteuropäischen Gremien bei starker Betonung nationalstaatlicher Interessen geprägt (u. a. im April 1996 Beschluss der konservativen Regierung über ein Referendum vor dem britischen Beitritt zur geplanten Währungsunion, Ablehnung von Mehrheitsentscheidungen in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, nach Verhängung eines Exportverbots für Rindfleisch aus Großbritannien und Nordirland wegen der dort aufgetretenen Rinderseuche BSE 1996 Spannungen mit der EU). Die Schwäche und das gesunkene Ansehen der Regierung Major äußerten sich u. a. in wiederholten schweren Niederlagen der Konservativen bei Kommunal- und Nachwahlen (1993-96) sowie bei der Wahl zum Europäischen Parlament (Juni 1994). Politischer Aufwind erhielt die Labour Party v. a. nach der Wahl T. Blairs zum Parteivorsitzenden im Juli 1994; um breite Wählerschichten anzusprechen, leitete er eine Modernisierung der Partei und deren Öffnung zur bürgerlichen Mitte ein. Innenpolitisch bedeutsam war zu Beginn der 90er-Jahre auch das weitere Anwachsen nationalistischer Strömungen in Schottland und Wales; zudem zeichnete sich in der Bevölkerung ein Ansehensverlust der britischen Monarchie angesichts mehrerer Skandale innerhalb der Königsfamilie ab.
Außenpolitisch kam es bezüglich der Kronkolonie Hongkong, deren Übergabe an die Volksrepublik China für 1997 festgelegt wurde, ab 1992 wegen der Demokratisierungsbestrebungen des britischen Gouverneur in Hongkong, Christopher Patten (* 1944), zu zeitweiligen Spannungen mit der chinesischen Regierung. Brit.Truppen nahmen ab 1992 an der UN-Friedensmission im Bosnienkonflikt teil; seit 1994 gehörte Großbritannien und Nordirland der internationalen Kontaktgruppe für die Ausarbeitung eines Friedens- und Teilungsplans für Bosnien an (Genfer Jugoslawienkonferenz, Genfer Konferenzen) und beteiligte sich an der multinationalen Truppe unter NATO-Führung zur Durchsetzung des Friedensabkommens für Bosnien und Herzegowina.
Nach hoffnungsvollen Ansätzen zur Lösung des Nordirlandkonflikts (im Dezember 1993 gemeinsames Angebot der britischen und irischen Regierung über Friedensgespräche mit allen nordirischen Parteien nach einem Gewaltverzicht der Terrororganisationen, am 31. 8. 1994 Waffenstillstandserklärung der IRA und am 13. 10. 1994 der protestantischen Terrorgruppen, im Dezember 1994 erstmals offizielle Gespräche der britischen Regierung mit Vertretern der Sinn Féin, am 22. 2. 1995 britisch-irisches Rahmenabkommen für die Allparteienverhandlungen) geriet die anschließend nur zögerlich in Gang gekommene Verständigung angesichts britischen Forderungen (besonders nach Entwaffnung der IRA als Voraussetzung für die Teilnahme der Sinn Féin an den Verhandlungen) und nach der Wiederaufkündigung des Waffenstillstands durch die IRA (9. 2. 1996, nachfolgend Bombenanschläge u. a. im Februar in London, im Juni 1996 in Manchester) sowie erneuten Gewaltausbrüchen in Nordirland im Sommer 1996 wieder ins Stocken; die am 10. 6. 1996 begonnenen Allparteiengespräche über die Zukunft Nordirlands wurden Ende Juli weitgehend ergebnislos abgebrochen, im September 1996 (zunächst unter Ausschluss von Sinn Féin) jedoch fortgesetzt. Erst im Juli 1997 erneuerte die IRA ihre Waffenruhe. Am 10. 4. 1998 erreichte die britische Regierung im Zusammenwirken mit der irischen ein Friedensabkommen für Nordirland unter Beteiligung der dortigen Konfliktparteien, die die Vereinbarungen (trotz deutlicher Zustimmung durch Referenden in Irland und Nordirland am 22. 5. 1998) jedoch nur schleppend umzusetzen vermochten. Im Dezember 1999 konstituierte sich eine nordirische Regionalregierung (wegen der Auseinandersetzung um die Entwaffnung der Untergrundbewegungen, v. a. der IRA, von Februar bis Mai 2000 suspendiert, aus dem selben Grund Rücktritt des noririschen »Ersten Ministers« D. Trimble mit Wirkung vom 1. 7. 2001, Wiederwahl in dieses Amt am 6. 11. 2001).
Bei den Wahlen zum Unterhaus am 1. 5. 1997 errang die Labour Party einen überwältigenden Sieg über die Konservativen, deren achtzehnjährige Regierungszeit (seit 1979) damit beendet wurde. Die Labour Party, die 419 Abgeordnetensitze erhielt (die Konservative Partei lediglich 165) und die das bisher beste Wahlergebnis ihrer Geschichte erreichte, stellte mit ihrem Vorsitzenden T. Blair den neuen Premierminister Im September 1997 fanden in Schottland und Wales Volksabstimmungen zur Schaffung eigener Regionalparlamente statt (von 74,3 % beziehungsweise 50,3 % der Teilnehmer befürwortet; Durchführung erster Wahlen im Mai 1999). Im März 1999 wurde eine Parlamentsreform verabschiedet (im Oktober 1999 Zustimmung des Oberhauses bei zahlreichen Gegenstimmen und Enthaltungen zur Abschaffung der Erbsitze). Bei den Unterhauswahlen am 7. 6. 2001 gelang der Labour Party erstmals in ihrer Geschichte ein zweiter Wahlsieg in Folge; sie errang (bei einer Wahlbeteiligung von allerdings nur 59 %) 413 der 659 Sitze im Unterhaus. Das erneut schwache Abschneiden der Konservativen, die lediglich 166 Mandate erhielten, quittierte deren Führer William Hague mit seinem Rücktritt (Nachfolger seit September 2001: Iain Duncan Smith). Blair, der im Amt des Premierministers bestätigt wurde, nahm eine umfangreiche Kabinettsumbildung vor: So löste der bisherige Innenminister Jack Straw den als »eurofreundlich« geltenden Robin Cook im Amt des Außenministers ab. Der Erziehungsminister David Blunkett rückte in das Amt des Innenministers nach. Das Amt des Schatzkanzlers (Finanzminister) blieb in den Händen des »Euroskeptikers« Gordon Brown. Insgesamt stellten sieben Frauen, mehr als je zuvor, Minister des neuen Labourkabinetts. Dessen erste Regierungserklärung nach der Wiederwahl kündigte als Programmschwerpunkte eine tiefgreifende Reform des Gesundheits-, Bildungs- und Transportwesens und eine bessere Verbrechensbekämpfung an.
Zum 1. 7. 1997 übergab Großbritannien und Nordirland seine Kronkolonie Hongkong vertragsgemäß an die Volksrepublik China. Die Regierung Blair aktivierte die Rolle Großbritanniens in der EU (u. a. Ende März 1999 Zustimmung zur Agenda 2000). Im Kosovokonflikt zeigte sie sich kompromisslos gegenüber dem serbischen Präsidenten S. Milošević (Beteiligung Großbritanniens und Nordirlands an NATO-Luftangriffen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien von März bis Juni 1999; anschließend Bereitstellung eines nationalen Kontingents der KFOR-Friedenstruppe). Nach den Terroranschlägen auf die USA am 11. 9. 2001 beteiligte sich Großbritannien und Nordirland führend an der Formierung einer internationalen Antiterrorallianz und nahm auch direkt an der im Oktober 2001 eingeleiteten amerikanischen Militäraktion gegen das Taliban-Regime und Terroristenstützpunkte der »al-Qaeda« in Afganistan teil (nach Erteilung eines Weltsicherheitsrats-Mandats im Dezember 2001 zur Errichtung einer internationalen Friedenstruppe deren Unterstellung unter britisches Oberkommando; im Juni 2002 an die Türkei übergeben).
Die starke Anteilnahme der Bevölkerung am Tod (30. 3. 2002) der »Queen Mother«, v. a. aber am 50-jährigen Thronjubiläum Königin Elisabeths II. im selben Jahr offenbarten das wieder gewachsene Ansehen der britischen Monarchie im Land. Ende Mai 2002 bildete Premierminister Blair (bedingt durch den Rücktritt des umstrittenen Verkehrsministers Stephen Byers) sein Kabinett um, wobei mit Paul Boateng als Staatsminister im Schatzamt erstmals ein schwarzer Politiker in die Regierung aufrückte.
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Universal-Lexikon. 2012.