Normạnnen,
1) Nọrdmannen, bereits im Mittelalter im weiteren Sinn Bezeichnung für diejenigen Wikinger, die in Scharen als Händler, Krieger, Entdecker, Siedler und in der Folge manchmal auch als Staatengründer in Westeuropa auftraten und damit vorübergehend oder auf Dauer ihre nordeuropäische Heimat (Skandinavien und Dänemark) verließen (Wikinger). In Osteuropa bis zum Kaspischen Meer sowie bis Byzanz und bis zu den östlichen Kalifaten (Bagdad) waren sie als Rus und Waräger bekannt, die überwiegend aus Schweden kamen; 2) im engeren Sinn Bezeichnung für diejenigen Wikinger, die sich in Nordfrankreich niederließen und von dort aus nach England und Süditalien übergriffen. In einigen Fällen, so in Rüstringen und auf Walcheren, waren schon im 9. Jahrhundert Normannen mit kontinentalen Gebieten belehnt worden; allerdings führte das nicht zu der gewünschten Befriedung. Bedeutung erlangte allein die 911 vertraglich abgesicherte Niederlassung der Normannen als Vasallen des westfränkischen Königs in der Normandie, wo sie einen straff gegliederten Lehnsstaat schufen. Von hier aus gelangten Normannen zu Beginn des 11. Jahrhunderts nach Unteritalien, anfangs als Söldner, ab 1057 als Eroberer. Robert Guiscard gewann dort die byzantinischen und langobardischen Besitzungen, sein Bruder Roger I. vertrieb die Sarazenen. In Apulien und auf Sizilien entstanden so Normannenstaaten, die 1130 zu einem Königreich vereinigt wurden. Dieses erlebte in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts als Beamtenstaat seine Blüte und ging 1194 an die Staufer über (Italien, Geschichte; Neapel 3).
In dem von Wikingereinfällen besonders stark heimgesuchten England erlangte 1016 der zeitweilig auch über Norwegen herrschende dänische König Knut der Große die Königswürde, sodass für einige Jahre ein zusammenhängendes Nordseereich entstand. Durch solche angelsächsisch-wikingische Verbindungen ist letztlich auch der Anspruch Wilhelms von der Normandie auf die englische Krone begründet. Als Wilhelm der Eroberer nahm er 1066 England ein. In der Folge kam es dort zur Ausbildung einer anglonormannischen Kultur (Großbritannien und Nordirland, Geschichte).
J. J. Norwich: Die Wikinger im Mittelmeer. Das Südreich der N. 1016-1130 (a. d. Engl., 21974);
K. U. Jäschke: Die Anglo-N.(1981);
G. Faber: Die N. Piraten, Entdecker, Staatengründer (1991);
K. Heller: Die N. in Osteuropa (1993).
Weitere Literatur: Wikinger.
Universal-Lexikon. 2012.