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Lohnpolitik
Lohn|po|li|tik 〈f.; -; unz.; Wirtsch.〉 Gesamtheit der von Staat, Arbeitgebern u. Gewerkschaften geplanten bzw. ergriffenen Maßnahmen zur Steuerung von Niveau u. Entwicklung der Löhne u. Gehälter

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Lohn|po|li|tik, die:
a) Gesamtheit der Maßnahmen des Staates, der Arbeitgeber- u. Arbeitnehmerverbände zur Einflussnahme auf das allgemeine Lohnniveau;
b) (Wirtsch.) Gesamtheit der Überlegungen u. Maßnahmen eines Unternehmens auf dem Sektor der Löhne.

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Lohnpolitik,
 
zielorientiertes Handeln betrieblicher (Geschäftsleitung, Betriebsrat), verbandlicher (Tarifparteien) und staatlicher Institutionen zur Beeinflussung von Höhe, Entwicklung und Struktur der Löhne (und Gehälter) sowie zur Sicherung, Steigerung und »gerechten« Verteilung der Arbeitseinkommen unter Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Ziele.
 
In marktwirtschaftlich organisierten Staaten liegt die Bestimmung des Nominallohnniveaus in der Hand der Tarifparteien (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände), deren Tarifautonomie vielfach, so z. B. in Deutschland, gesetzlich garantiert ist. Die Lohnpolitik der Tarifparteien ist durch ihre unterschiedliche Interessenlage geprägt: Während die Gewerkschaften die Erhaltung und Steigerung des Anteils der Arbeitnehmer am Sozialprodukt (Lohnquote) anstreben, sind die Arbeitgeberverbände an der Erhaltung beziehungsweise Steigerung der Gewinnquote interessiert. Da sich Lohn- und Gewinnquote zu 100 % ergänzen, ist somit ein Verteilungskonflikt gegeben, der in Tarifverhandlungen einer Lösung zugeführt werden soll. Ergebnis dieser Verhandlungen ist der Tarifvertrag, in dem sich die Tarifpartner u. a. zur Einhaltung bestimmter Mindestlöhne (Tariflöhne) verpflichten. Den Lohnforderungen der Arbeitnehmer wird durch gemeinschaftliches Vorgehen und die Möglichkeiten des Lohnkampfes Nachdruck verliehen. Als Gegenmittel im Arbeitskampf greifen die Arbeitgeber zur Aussperrung. Diese Lohnpolitik der Tarifparteien wird ergänzt durch die betriebliche Lohnpolitik, bei der Betriebsrat und Geschäftsleitung z. B. eine betriebsgerechte Ausgestaltung des Lohnsystems und übertariflicher Lohnbestandteile vereinbaren, um den spezifischen Bedingungen von Unternehmen und Belegschaften besser beziehungsweise differenzierter gerecht zu werden. Betriebliche Lohnpolitik ist aus unternehmerischer Sicht Teil der Personalpolitik.
 
In Staaten, in denen Tarifautonomie besteht, und der Staat durch Tarif-, Streik- und Arbeitsrecht den ordnungspolitischen Rahmen für den kollektiven und individuellen Lohnbildungsprozess geschaffen hat, beschränkt sich die staatliche Einflussnahme auf die Lohnentwicklung weitgehend auf Appelle an die Tarifparteien, bei Lohnsteigerungen maßvoll zu sein und die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen, v. a. auf das Preisniveau, zu berücksichtigen (Moral Suasion). Unterstützung finden diese Appelle durch Empfehlungen von wissenschaftlicher Seite, wie eine stabilitätsorientierte Lohnentwicklung aussehen könnte. Am bekanntesten ist der Vorschlag einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik, nach der die Löhne nur im Ausmaß der Steigerung der Arbeitsproduktivität erhöht werden sollen. Die Lohnkosten je Stück bleiben damit konstant und geben den Unternehmen keinen Anlass, die Preise zu erhöhen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat diesen Ansatz zur kostenniveauneutralen Lohnpolitik weiterentwickelt. Dieses Konzept berücksichtigt auch weitere Kostenelemente (z. B. Rohstoff-, Energie-, Kapitalkosten, Steuern) und empfiehlt eine Lohnentwicklung, bei der die gesamten Kosten pro Stück konstant bleiben. Das Hauptproblem dieser Vorschläge besteht aus Sicht der Arbeitnehmer darin, dass konstante Kosten pro Stück nicht garantieren, dass auch die Preise konstant bleiben. Eine kostenneutrale Lohnpolitik macht darüber hinaus die Löhne zu einer Residualgröße: Da die Löhne nach diesem Ansatz der Teil des Sozialprodukts sind, der nach Abzug aller Kosten und (wegen des Preissetzungsspielraums der Unternehmen) des Gewinns verbleibt, werden im Grunde genommen die Gewinneinkommen garantiert.
 
In der frühen Nachkriegszeit versuchten manche Gewerkschafter, ihre Forderung nach Lohnerhöhungen über Arbeitsproduktivitätssteigerungen hinaus mithilfe der expansiven Lohnpolitik zu begründen: Eine Nominallohnerhöhung führe zu einer Erhöhung des Reallohns, da die Unternehmen kurzfristig keine Preiserhöhungen durchsetzen können. Daher müssten diese produktivitätssteigernde Maßnahmen vornehmen, und es käme durch den Lohnkostendruck zu beschleunigten Rationalisierungsmaßnahmen. In die gleiche Richtung zielt die Kaufkrafttheorie, nach der Lohnerhöhungen die gesamtwirtschaftliche Kaufkraft und damit die Nachfrage stärken. Gegen die Forderung nach expansiver Lohnpolitik ist einzuwenden, dass damit Arbeitsplätze gefährdet werden, sodass sie nur bei Vollbeschäftigung vertretbar ist. Bei der Kaufkrafttheorie wird übersehen, dass zwar Kaufkraft und Nachfrage der Arbeitnehmer steigen, dafür aber die Gewinne der Unternehmen sinken, sodass unbestimmt ist, ob die Gesamtnachfrage steigt, konstant bleibt oder fällt.
 
In Staaten ohne Tarifautonomie greift der Staat zum Teil stärker in den Lohnbildungsprozess ein. Die schärfste Form staatlicher Lohnpolitik ist der Lohnstopp, d. h. die Festsetzung rechtsverbindlicher Höchstgrenzen für die Entlohnung aus Arbeitsverhältnissen für einen bestimmten Zeitraum. Um mehr oder weniger verbindliche Orientierungsdaten für die Tarifparteien handelt es sich bei Lohnleitlinien, die Lohnerhöhungsspielräume für einen bestimmten Zeitraum vorgeben, deren Einhaltung wirtschaftspolitische Ziele sichern oder erreichen helfen soll. Den Lohnleitlinien ähnlich sind Orientierungsdaten, die bei der konzertierten Aktion im Rahmen der Globalsteuerung eine Rolle gespielt haben.
 
Jede Lohnpolitik muss die Wechselwirkungen zwischen Höhe, Entwicklung und Struktur der Löhne und den gesamtwirtschaftlichen Zielen berücksichtigen. Dabei geht es z. B. um die Bildung von Gleichgewichtslöhnen an den Arbeitsmärkten, die Vollbeschäftigung sichern (Phillips-Kurve), um die Entwicklung und Struktur der Nominallöhne, die die Preisniveaustabilität nicht beeinträchtigen (Lohn-Preis-Spirale, Indexlohn), die wirtschaftlichen Wachstum und technischen Fortschritt nicht behindern, die den sektoralen und auch regionalen Strukturwandel und die Anpassung der Beschäftigten an solche Veränderungen ermöglichen sowie zu einer als gerecht empfundenen Einkommensverteilung beitragen. Wie wichtig die Beachtung dieser Zusammenhänge ist, zeigt auch die Diskussion um den Lohnangleichungsprozess nach der deutschen Vereinigung. Gewerkschaften und Politiker setzten sich zunächst für eine rasche Angleichung der Löhne in den neuen Ländern an das westdeutsche Niveau ein (»gleicher Lohn für gleiche Arbeit«). Dafür sprachen nicht nur sozialpolitische Gründe, sondern auch das Bestreben, die Abwanderung qualifizierter, junger Arbeitskräfte einzudämmen. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass die Produktivitätsentwicklung in vielen Branchen nicht mit der Lohnentwicklung Schritt halten konnte, sodass Wirtschaftswachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern durch zu hohe Lohnstückkosten behindert wurden.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Arbeitskosten · Arbeitsmarkt · Beschäftigung · Einkommenspolitik · Inflation · Stabilitätspolitik
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Lohnpolitik: Lohn- und Tarifpolitik
 

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Lohn|po|li|tik, die: a) Maßnahmen des Staates, der Arbeitgeber- u. Arbeitnehmerverbände zur Einflussnahme auf das allgemeine Lohnniveau; b) (Wirtsch.) Überlegungen u. Maßnahmen eines Unternehmens auf dem Sektor der Löhne.

Universal-Lexikon. 2012.