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Shakespeare
Shakespeare
 
['ʃeːkspiːr, englisch 'ʃeɪkspɪə], William, englischer Dramatiker, Schauspieler und Dichter, * Stratford-upon-Avon 23. 4. (getauft 26. 4.) 1564, ✝ ebenda 23. 4. 1616. Shakespeare selbst unterschrieb mit Shak(e)spere oder Shak(e)speare; die Versepen sowie fast alle zeitgenössischen Drucke der Dramen haben die Schreibung Shakespeare. Außer sechs Unterschriften und den zwei Worten »by me« vor der letzten Unterschrift unter dem Testament ist nichts Handschriftliches überliefert. Ob eine aus drei Manuskriptseiten bestehende Szene in dem von Anthony Munday (* 1560, ✝ 1633) u. a. verfassten Drama »Sir Thomas More« (um 1595) von Shakespeare stammt, ist nicht geklärt.
 
 Leben
 
Nur wenige Dokumente, die biographische Auskunft über Shakespeare geben, sind überliefert. Fest steht jedoch, dass Shakespeares Vater John, Sohn eines Pächters aus der Nähe von Stratford-upon-Avon, es als Zunftmitglied der Handschuhmacher in Stratford zu relativem Wohlstand brachte und dass er öffentliche Ämter bekleidete. Seine Heirat mit Mary Arden, Tochter eines zu den ältesten Landadelsfamilien Warwickshires gehörenden Grundbesitzers, bedeutete gesellschaftlichen Aufstieg (1556/1558?). Ab 1575 zog sich Shakespeares Vater (wegen finanzieller oder religiöser Schwierigkeiten?) aus dem öffentlichen Leben zurück. Shakespeare besuchte vermutlich die örtliche Lateinschule (bis 1579?), heiratete 1582 die acht Jahre ältere Tochter eines Farmers aus dem benachbarten Shottery, Ann Hathaway (✝ 6. 8. 1623); 1583 wurde die Tochter Susanna geboren, 1585 die Zwillinge Hamnet (✝ 1596) und Judith. Über die »verlorenen Jahre« bis 1592 ist nichts bekannt, doch dürfte sich Shakespeare ab 1589 in London aufgehalten haben. 1592 wird er erstmals dort erwähnt und von R. Greene als Blankverse schreibender krähenhafter Emporkömmling geschmäht, der sich mit anderer Autoren Federn schmücke, wofür sich der Drucker Henry Chettle wenig später entschuldigte. Shakespeare gehörte zumindest ab 1594 zur Theatertruppe der Chamberlain's Men (ab 1603 King's Men), bei der er während seiner gesamten Theaterkarriere blieb. 1598 deuten der Druck der Komödie »Love's labour's lost« (entstanden 1594/95, gedruckt 1598) sowie das Lob des Literaten Francis Meres (* 1565, ✝ 1647) auf das hohe Ansehen des Autors Shakespeare hin. Ab 1599 war Shakespeare Teilhaber am Globe Theatre, ab 1608 am Blackfriars Theatre. Da er 1597 in Stratford ein großes Haus kaufte (New Place) und sein Geld in Grundbesitz investierte, zog er möglicherweise 1610, sicher aber 1612 wieder in seinen Geburtsort und dürfte sich ab 1613 aus dem Theaterleben zurückgezogen haben. Das im Januar 1616 angefertigte Testament wurde am 25. 3. in modifizierter Form von Shakespeare gezeichnet. Er wurde in der Trinity Church in Stratford beigesetzt; die Büste des Grabmals (von G. Jannsen; vor 1623) sowie der Kupferstich in der ersten Folioausgabe (1623, von M. Droeshout) sind die einzigen Bildnisse Shakespeares, die eine gewisse Authentizität beanspruchen können, da sie wohl von der Familie und Freunden akzeptiert wurden.
 
 Werke
 
Versdichtung:
 
Die seinem langjährigen Mäzen Henry Wriothesley, 3. Earl of Southampton (* 1573, ✝ 1624), gewidmeten, wohl während der pestbedingten Schließung der Theater entstandenen Versepen »Venus and Adonis« (1593; deutsch) und »The rape of Lucrece« (1594; deutsch »Die Vergewaltigung der Lukrezia«) stellen Versuche dar, den Anforderungen der Renaissancepoetik zu genügen. Wegen ihrer Konventionalität bleiben sie jedoch hinter den wohl zwischen 1592 und 1598 entstandenen 154 Sonetten zurück, die die Freundschaft beziehungsweise Liebe zu einem jungen Mann (1-126) und zu einer »dunklen Dame« (127-154) sowie das Wirken der Zeit zum Thema haben, die petrarkistische Sonettmode der Zeit zu einem Höhepunkt führten und die »englische Form« (drei kreuzweise gereimte Quartette und ein Couplet) populär machten. Ob die 1609 als Zyklus gedruckten Sonette autobiographischer Natur sind, ist geklärt.
 
Shakespeares dramatisches Werk umfasst neben drei Titeln, an denen er als Teilautor mitgewirkt hat, 35 Stücke, von denen es aber keine Manuskripte gibt. Neben Fassungen, die lediglich auf Arbeitspapieren, Regiebüchern (z. B. »Macbeth«) oder Gedächtnisrekonstruktionen (»Hamlet«, Druck 1603) beruhen, gibt es unter den 20 zu Shakespeares Lebzeiten erschienenen Einzeldrucken (»Quartos«) offensichtlich autorisierte Ausgaben (z. B. die Hamlet-Drucke von 1604 und 1611). Die von zwei Schauspielerkollegen sorgfältig vorbereitete »Folio«-Ausgabe der Werke (1623) enthält 36 Titel, die im Sinne des zeitgenössischen Gattungsverständnisses als Komödien, Historien und Tragödien klassifiziert werden. Die Entstehungszeiten und die Chronologie der Werke lassen sich nur indirekt und annäherungsweise erschließen. Über die wichtigsten Daten besteht jedoch in der Forschung weitgehend Übereinstimmung.
 
Historien
 
oder »Königsdramen«: Die nach dem Sieg über die spanische Armada (1588), einer Zeit nationalen Hochgefühls und wirtschaftlichen Aufschwungs unter der Regentschaft Elisabeths I., populären Dramatisierungen englischer Geschichte, stellen, abgesehen von »Heinrich V.« und »Heinrich VIII.«, schwache oder schurkische Herrscher vor, deren unheilvolles Wirken die Probleme Usurpation und politische Legitimität von Gegengewalt, Intrigen der Mächtigen sowie Notwendigkeit nationaler Einheit in den Vordergrund rückt. Sie lassen den Kreislauf von Schuld (Usurpation Heinrichs IV.), Sühne (politische Wirren der Rosenkriege zwischen den Häusern York und Lancaster) und Erlösung (Befriedung Englands durch Henry Tudor, den späteren Heinrich VII.) deutlich werden. Insofern huldigen sie einerseits der Tudormonarchie, warnen aber auch vor der Gefahr politischer Instabilität (angesichts der ungeklärten Nachfolge Elisabeths I.) und diskutieren die Elemente eines harmonischen Staatsgefüges. Die zehn teilweise als breit angelegte Geschichtspanoramen konzipierten Historien setzen sich zusammen aus der Lancaster-Tetralogie (»Richard II«, entstanden 1595, gedruckt 1597; »Henry IV«, 2 Teile, entstanden 1596-98, gedruckt 1598; »Henry V«, entstanden 1599, gedruckt 1600) und der York-Tetralogie (»Henry VI«, 3 Teile, entstanden 1589-91, gedruckt 1595; »Richard III«, entstanden 1592/93, gedruckt 1597) sowie »King John« (entstanden 1594/96?, gedruckt 1623) und »Henry VIII« (entstanden 1612/13, gedruckt 1623). Shakespeares Originalität besteht darin, sprachlich-stilistische Kontraste und Parallelhandlungen eingefügt (Falstaff in »Henry IV« als parodistisches Gegenbild zur Kriegshandlung) und Historie in zusammenhängenden Zyklen präsentiert zu haben. Die Publikumswirksamkeit hat bis heute angehalten und das Vergangenheitsbewusstsein der Engländer nachhaltig geprägt. Die Stücke über die Regierungszeit Heinrichs VI. wurden verschiedentlich auch als Zyklus auf dem Theater dargeboten, so von P. Hall (1963-64), P. Palitzsch (1967) und G. Strehler (1965/73).
 
Tragödien:
 
Die zehn Tragödien entstanden in Shakespeares mittlerer Schaffensperiode. Das Grundmuster liefert das aus dem Mittelalter tradierte Konzept eines durch das Wirken der Fortuna bewirkten Aufstiegs und Falls der Mächtigen, das Shakespeare jedoch unter dem Einfluss der Senecatragödie und T. Kyds neuem Typ der Rachetragödie im melodramatischen Drama »Titus Andronicus« (entstanden 1593/94, gedruckt 1594) variiert. »Romeo and Juliet« (entstanden 1595, gedruckt 1597; deutsch »Romeo und Julia«) gestaltet das Motiv der reinen, der Fortuna unterworfenen Liebe. In den Römerdramen »Julius Caesar« (entstanden 1599, gedruckt 1604), »Antony and Cleopatra« (entstanden 1606/07, gedruckt 1623) und »Coriolanus« (entstanden 1607/08, gedruckt 1623) nutzt Shakespeare antike Stoffe, um verdeckt sonst nicht erlaubte Themen und Figuren zu dramatisieren: das Scheitern des Revolutionärs (Brutus), die privaten Beziehungen zwischen der (ägyptischen) Herrscherin und dem (römischen) Feldherrn sowie Landesverrat und Bedrohung durch das wankelmütige Volk (Coriolan). »Timon of Athens« (entstanden 1607/08, gedruckt 1623) gestaltet das Thema des durch den Undank der Welt zum Menschenfeind Gewordenen. Die »großen Tragödien« - »Hamlet« (entstanden 1600/01, gedruckt 1608), »Othello« (entstanden 1604, gedruckt 1622), »King Lear« (entstanden 1605, gedruckt 1608) und »Macbeth« (entstanden 1606, gedruckt 1623) - bringen überzeitlich relevante Gestalten und Geschehen auf die Bühne und gehören zu den unbestrittenen Meisterwerken Shakespeares. Sie dramatisieren das Wirken des Bösen in der Welt und siedeln den Konflikt im einzelnen Menschen selbst an, anhand von Themen wie dem des politischen Verbrechens aus Ehrgeiz und Verblendung, der unüberlegten Machtabgabe und des Generationenkonflikts, der privaten Rache, des Intrigenspiels und der Täuschung der Liebenden. Hervorstechende stilistische Merkmale der großen Tragödien sind: unterschiedlichste sprachliche Mittel der Dialogführung, funktionelle Vielfalt der Monologe, leitmotivisch Szenen und Akte strukturierende Bildlichkeit, Konzentration der dramatischen Handlung, schließlich die bis in seelische Tiefendimensionen reichende Zeichnung der Hauptfiguren, die häufig an den Rand des Wahnsinns getrieben werden, aber durch den subtilen Einsatz der dramatischen Sympathielenkung den Zuschauer auch dann noch als zutiefst menschlich anrühren, wenn sie zum Bösen und Verwerflichen neigen; während die Historienfigur des Richard III. entsprechend der statischen Figurenzeichnung der mittelalterlichen Moralitäten als Stellvertreter des Bösen erscheint, fesseln Gestalten wie Macbeth oder Lear gerade wegen ihrer Komplexität.
 
Komödien:
 
Mit seinen Komödien knüpft Shakespeare an mittelalterliche Traditionen des Volksschauspiels, an antike Muster der Situationskomik (Plautus) sowie an die erfolgreichen höfischen Komödien J. Lylys an, variiert jedoch besonders in den Spätwerken auf meisterhafte Weise die vorgefundenen Strukturmuster und Motive. Die frühen Komödien »The comedy of errors« (entstanden 1592/94, gedruckt 1623; deutsch »Die Komödie der Irrungen«), »The taming of the shrew« (entstanden 1593/94, gedruckt 1594; deutsch »Der Widerspenstigen Zähmung«), »The two gentlemen of Verona« (entstanden 1594, gedruckt 1623; deutsch »Die beiden Veroneser«) und »Love's labour's lost« (entstanden 1594/95, gedruckt 1598; deutsch »Verlorene Liebesmüh«) sind noch einfacher konstruiert. Ihre verwickelten Handlungen um Liebe und Freundschaft bedienen sich vielfältiger farcenhaft-komischer Mittel, weisen jedoch auch zunehmend reflexive Züge auf. Zu den Komödien der mittleren Schaffenszeit gehören »A midsommer night's dreame« (entstanden 1595/96, gedruckt 1600; deutsch »Ein Sommernachtstraum«), »Much ado about nothing« (entstanden 1598/1599, gedruckt 1600; deutsch »Viel Lärm um nichts«), »As you like it« (entstanden 1599, gedruckt 1623; deutsch »Wie es euch gefällt«) und »Twelfth night« (entstanden 1601/02, gedruckt 1623; deutsch »Was ihr wollt«). Sie beschäftigen sich feinsinnig mit den ernsten und heiteren Seiten der Liebe (in den Nebenhandlungen vielfach bis ins Derbe oder Verstiegene abgewandelt), die mit ernsten Themen wie dem der politischen Herrschaft verknüpft und zur Darstellung menschlicher Vervollkommnung durch Selbsterkenntnis und Herzensbildung geführt werden. Zu den so genannten Problemkomödien gehören »The merchant of Venice« (entstanden 1596/97, gedruckt 1600; deutsch »Der Kaufmann von Venedig«), »Troilus and Cressida« (entstanden 1601/02, gedruckt 1609), »All's well that ends well« (entstanden 1602/03, gedruckt 1623; deutsch »Ende gut, alles gut«) und »Measure for measure« (entstanden 1604, gedruckt 1623; deutsch »Maß für Maß«), in denen Themen grundsätzlicher durchgespielt und um Aspekte wie Gnade und Gerechtigkeit erweitert werden; die Behandlung des antiken Troilus-Stoffes steht den Tragödien nahe. Die späteren, häufig als »romantische Komödien« oder »Romanzen« bezeichneten Stücke »Pericles« (entstanden 1607/08, gedruckt 1609), »Cymbeline« (entstanden 1609/10, gedruckt 1623), »The winter's tale« (entstanden 1610/11, gedruckt 1623; deutsch »Ein Wintermärchen«) und »The tempest« (entstanden 1611, gedruckt 1623; deutsch »Der Sturm«) greifen auf spätgriechische und mittelalterliche Romanzenstoffe und Motive wie Schiffbruch, Trennung und Wiedervereinigung zurück, wobei tragisches Geschehen zum Teil durch magische Kräfte zu einem glücklichen Ende gewendet wird.
 
 Gesamtcharakteristik
 
Inwiefern persönliches Erleben das Werk Shakespeares bestimmt hat, lässt sich nicht mehr ermitteln. Jedenfalls entstammen die Stoffe seiner Stücke in den wenigsten Fällen eigener Erfindung. Shakespeare bediente sich zum Teil wohl bekannter Vorlagen (G. Boccaccio, G. Chaucer, Plutarch, R. Holinshed). Zweifellos deutet das Werk jedoch auf die Fähigkeit, diesen Stoffen unterschiedlichste Erfahrungen und Erlebnisse, Gefühle und Fantasien unter Einsatz vielfältiger sprachlicher Mittel von der holprigen Prosa der niederen Figuren bis zum Blankverspathos der politisch Mächtigen abzugewinnen und sie so zu gestalten, dass ein fast unbegrenzter Facettenreichtum von Personen und Haltungen entsteht. Deshalb lässt sich zu Recht sagen, dass die dichterische Einbildungskraft für Shakespeare die Quelle des künstlerischen Schaffens dargestellt haben muss. Wenn sich P. Sidney in »The defense of poesie« (herausgegeben 1595) angesichts der konstatierbaren Regelverstöße englischer Dramatiker, die sich nicht an die die Normen der Gattungsreinheit vorschreibende Renaissancepoetik halten, besorgt über den Zustand des englischen Theaters äußert, dann deutet Shakespeares Werk angesichts der Fülle von gegensätzlichen Figuren, miteinander kontrastierenden Handlungen und der Vermischung des Komischen mit dem Tragischen, des Derben mit dem Sentimentalen, dem Pathetischen, Grotesken und Satirischen auf eine als realistisch zu bezeichnende multiperspektivische Weltabbildung hin, die das Leben, die Menschen und die Gesellschaft in ihrer Breite und Vielschichtigkeit darstellt. Das Frühwerk weist sicherlich Texte auf, deren literarische Vorbilder (C. Marlowe, Lyly, Greene) ebenso erkennbar sind, wie Figurenzeichnung und Handlungsführung noch eher konventionellen Mustern entsprechen. Das ab 1595 zu verzeichnende Nebeneinander von nationalem Optimismus und Sorge vor der staatlichen Desintegration (in den Historien und »Julius Caesar«) wird kompensiert durch die spielerische Heiterkeit der Komödien, die etwa in der Judendarstellung des »Merchant of Venice« auch düstere Facetten aufweist, so wie sich in »Twelfth night« die Probleme von Sein und Schein, Identitätsverlust und Desorientierung andeuten, ohne dominant zu werden. Die Schaffensphase nach 1601 ist zunächst einmal geprägt vom Geist der bitteren Komödie und der düsteren Tragik, die sich am eindrucksvollsten in den verzweifelten Figuren des König Lear und Macbeth niederschlägt. Demgegenüber zeichnen sich die märchenspielhaften Romanzen des Spätwerks ab 1607 durch das Element der Versöhnung aus, wie es sich in Shakespeares letztem Drama »The tempest« ausdrückt; allerdings bleibt Shakespeare mit der Kritik an utopischen Schwelgereien des Höflings und an den gesellschaftlichen Umsturzfantasien des »wilden« Caliban in »The tempest« seiner prinzipiellen Orientierung am politischen und sozialen, wesentlich hierarchischen Ordnungsgefüge der Zeit treu. Wenn er einerseits häufig auf Techniken und Figuren des Volkstheaters zurückgreift und Gestalten aus dem Volk (z. B. die Totengräber in »Hamlet«) oder die Narren überraschende Einsichten formulieren lässt, schreibt er andererseits auch für das gebildete Publikum der Londoner Juristenschulen oder für den Hof Jakobs I. Der überständischen Rezeption in seiner eigenen Zeit entspricht die überzeitliche Aussagekraft von Shakespeares Werk, die in der Ausweitung seiner Stoffe auf universell-philosophische Fragen und das gesamte Spektrum menschlicher Empfindungen begründet ist und seine bis heute anhaltende internationale Wirksamkeit zu einer weltliterarischen Ausnahmeerscheinung hat werden lassen.
 
 Nachleben
 
Schon zu seinen Lebzeiten galt Shakespeare als der führende Dramatiker Englands. Sein Ansehen stieg in der Folgezeit zusehends, auch wenn mit Beginn der Restaurationszeit nach Wiedereröffnung der während der Puritanerherrschaft geschlossenen Theater (1660) die »barock« scheinenden Regelverstöße seiner Dramen kritisiert wurden. Mit der Werkausgabe N. Rowes (6 Bände, 1709) begann eine Shakespeare-Philologie, die bereits Ende des 17. Jahrhunderts in E. Malones Ausgabe von 1790 (überarbeitet 1821) einen Höhepunkt fand. Gleichzeitig wurde Shakespeare v. a. in Deutschland zum dramatischen Paradigma (G. E. Lessing, H. W. Gerstenberg) und Inbegriff des Originalgenies (J. G. Herder, Goethe); die Wirkungen zeigen sich bei den Autoren des Sturm und Drang sowie in der Versübertragung von A. W. Schlegel und L. Tieck, fortgeführt von Dorothea Tieck und W. H. von Baudissin (9 Bände, 1825-33). Nachhaltig ist das Shakespeare-Bild immer wieder auch durch die wechselnden Zielsetzungen der Aufführungspraxis geprägt worden: während des 19. Jahrhunderts durch die historistische Detailtreue ebenso wie durch die Rekonstruktion der Shakespeare-Bühne und den Anti-Illusionismus des modernen Theaters zu Beginn des 20. Jahrhunderts (E. G. Craig, H. Granville-Barker). In den 1960er-Jahren wurden v. a. die Inszenierungen der Royal Shakespeare Company durch die Regisseure P. Brook und P. Hall wegweisend, ebenso wie das Buch des Polen J. Kott (»Szekspir współczesny«, 1961; deutsch »Shakespeare heute«) nachhaltig auf Shakespeare-Bearbeitungen von E. Ionesco (»Macbett«, 1972), Heiner Müller (»Macbeth«, 1971) oder R. Polanski (»Macbeth«, Film 1971) gewirkt hat. Autoren wie B. Brecht (»Coriolan von Shakespeare«, herausgegeben 1959), P. Ustinov (»Romanoff and Juliet«, 1957), G. Grass (»Die Plebejer proben den Aufstand«, 1966), T. Stoppard (»Rosencrantz and Guildenstern are dead«, 1967, Film 1990), F. Dürrenmatt (»König Johann«, 1968; »Titus Andronicus«, 1970), E. Bond (»Lear«, 1972) oder B. Strauss (»Der Park«, 1983) schrieben Shakespeare-Stücke um. Shakespeare-Titel waren häufig auch Vorlagen für Opernkomponisten wie G. Verdi (»Macbetto«, 1847; »Otello«, 1887; »Falstaff«, 1893), F. Martin (»Der Sturm«, 1956), B. Britten (»A midsummer night's dream«, 1960) und A. Reimann (»Lear«, 1978) oder Ballett- (S. S. Prokofjew, »Romeo und Julia«, 1938 und Musicalbearbeitungen C. Porter, »Kiss me, Kate«, 1948; L. Bernstein, »West side story«, 1957). Die Popularität der Shakespeare-Dramen zeigt sich auch in den zahlreichen Verfilmungen bis hin zu F. Zeffirellis »Romeo und Julia« (1967), K. Branaghs Filmen, u. a. »Henry V.« (1989), P. Greenaways »Tempest«-Version (»Prosperos Bücher«, 1991), Baz Luhrmanns »W. Shakespeares Romeo & Julia« (1996) und A. Pacinos »Looking for Richard« (1996).
 
Ausgaben: A new variorum edition of the works, herausgegeben von H. H. Furness und anderen, 11 Bände (1873-98); The Arden edition of the works, herausgegeben von U. Ellis-Fermor u. a., auf zahlreiche Bände berechnet (Neuausgabe 1951 folgende); New Penguin Shakespeare, herausgegeben von T. J. B. Spencer, auf zahlreiche Bände berechnet (1967 folgende); The Riverside Shakespeare, herausgegeben von G. B. Evans, 2 Bände (1974); Sonnets, herausgegeben von S. Booth (1977); The Oxford Shakespeare, herausgegeben von S. Wells und anderen, auf zahlreiche Bände berechnet (1982 folgende); The new Cambridge Shakespeare, herausgegeben von P. Brockbank und anderen, auf zahlreiche Bände berechnet (1984 folgende).
 
Werke, herausgegeben von L. L. Schücking, 12 Bände (1970, englisch und deutsch); Sämtliche Werke in 4 Bänden (3-71983-91); Sonette, Epen und die kleineren Dichtungen, übersetzt von T. Robinson (Neuausgabe 1983, deutsch und englisch); Die Sonette, übersetzt von H. Helbling (21986, deutsch und englisch); 27 Stücke, übersetzt von E. Fried, herausgegeben von F. Apel, 4 Teile (1989).
 
Literatur:
 
Bibliographien:
 
W. Ebisch u. L. L. Schücking: A S. bibliography (Oxford 1931, Nachdr. New York 1968);
 World S. bibliography, jährl. in: The S. quarterly (New York 1950 ff.);
 Gordon R. Smith: A classified S. bibliography 1936-1958 (University Park, Pa., 1963, Nachdr. ebd. 1968);
 R. Berman: A reader's guide to S.'s plays (Neuausg. Glenview, Ill., 1973);
 K. S. Rothwell u. A. H. Melzer: S. on screen. An international filmography and videography (London 1990);
 H. Blinn: Der dt. S. (1993).
 Quellen:
 
Narrative and dramatic sources of S., hg. v. G. Bullough, 8 Bde. (London 1957-75);
 K. Muir: The sources of S.'s plays (Neuausg. New Haven, Conn., 1978).
 Handbücher:
 
M. Spevack: A complete and systematic concordance to the works of S., 9 Bde. (Hildesheim 1964-80);
 
The Cambridge companion to S. studies, hg. v. S. Wells (Cambridge 1986);
 C. T. Onions: A S. glossary (Oxford 1986);
 C. Boyce: S. A-Z (New York 1990);
 B. N. S. Gooch u. D. Thatcher: A S. music catalogue, 5 Bde. (Oxford 1991);
 
S. Hb., hg. v. I. Schabert (31992).
 Biographien:
 
E. K. Chambers: W. S. A study of facts and problems, 2 Bde. (Oxford 1930, Nachdr. ebd. 1966);
 F. E. Halliday: S. Eine Bildbiogr. (a. d. Engl., 1961);
 G. E. Bentley: S. A biographical handbook (Neuausg. New Haven, Conn., 1974);
 S. Schoenbaum: W. S. (a. d. Engl., New York 1990);
 S. Schoenbaum: S.'s lives (Neuausg. Oxford 1993);
 S. Wells: S. A dramatic life (London 1994);
 A. Posener: W. S. (10.-13. Tsd. 1996).
 Überlieferung:
 
W. W. Greg: The editorial problem in S. (Oxford 1939, Nachdr. ebd. 1967);
 C. Hinman: The printing and proof-reading of the first folio of S., 2 Bde. (ebd. 1963);
 F. Bowers: On editing S. (Charlottesville, Va., 1966);
 
The first folio of S., hg. v. C. Hinman (New York 1968).
 Kritische Würdigungen:
 
T. Spencer: S. and the nature of man (Neuausg. New York 1951);
 M. M. Reese: The cease of majesty. A study of S.'s history plays (London 1961, Nachdr. ebd. 1968);
 A. Righter: S. and the idea of the play (ebd. 1962);
 R. G. Hunter: S. and the comedy of forgiveness (New York 1965);
 E. M. W. Tillyard: S.'s early comedies (London 1965, Nachdr. Atlantic Highlands, N. J., 1983);
 B. Beckerman: S. at the Globe 1599-1609 (New York 61967);
 J. L. Styan: S.'s stagecraft (Cambridge 1967, Nachdr. ebd. 1975);
 L. Kirschbaum: Character and characterization in S. (Detroit, Mich., 21970);
 K. Muir: W. S. The great tragedies (Neuausg. Harlow 1970);
 K. Klein: Wege der S.-Forschung (1971);
 J. R. Brown: S.'s dramatic style (Neuausg. London 1972, Nachdr. ebd. 1980);
 R. Ornstein: A kingdom for a stage. The achievement of S.'s history plays (Cambridge, Mass., 1972);
 B. McElroy: S.'s mature tragedies (Princeton, N. J., 1973);
 R. Weimann: S. u. die Tradition des Volkstheaters (21975);
 G. L. Brook: The language of S. (London 1976);
 D. Traversi: S. The Roman plays (ebd. 61976);
 W. Clemen: The development of S.'s imagery (Neuaufl. ebd. 1977);
 
Sympathielenkung in den Dramen S.s, hg. v. W. Habicht u. a. (1978);
 
The woman's part. Feminist criticism of S., hg. v. C. R. S. Lenz u. a. (Urbana, Ill., 1980);
 
W. S. Didakt. Hb., hg. v. R. Ahrens, 3 Bde. (1982);
 D. Mehl: Die Tragödien S.s (1983);
 A. C. Bradley: Shakespearean tragedy (Neuausg. Basingstoke 1985);
 S. J. Greenblatt: Shakespearean negotiations (Berkeley, Calif., 1988);
 J. Kott: S. heute (a. d. Poln., Neuausg. 1989);
 J. Paris: W. S. mit Selbstzeugnissen u. Bilddokumenten (a. d. Frz., 112.-115. Tsd. 1990);
 
The appropriation of S. Post-renaissance reconstructions of the works and the myth, hg. v. J. I. Marsden (New York 1991);
 G. Holderness: S. recycled. The making of historical drama (ebd. 1992);
 U. Suerbaum: S.s Dramen (Neuausg. 1996);
 W. Riehle: S.s Trilogie »King Henry VI« u. die Anfänge seiner dramat. Kunst (1997).
 Nachleben:
 
J. C. Trewin: S. on the English stage 1900-1964 (London 1964);
 
S. in music, hg. v. P. Hartnoll (Neuausg. New York 1967);
 R. Speaight: S. on the stage (Boston, Mass., 1973);
 J. J. Jorgens: S. on film (Bloomington, Ind., 1977);
 
Anglo-amerikan. S.-Bearbeitungen des 20. Jh., hg. v. H. Priessnitz (1980);
 
S.-Rezeption. Die Diskussion um S. in Dtl., hg. v. H. Blinn, 2 Bde. (1982-88);
 K. P. Steiger: Moderne S.-Bearbeitungen (1990);
 S. Williams: W. S. on the German stage, auf mehrere Bde. ber. (Cambridge 1990 ff.);
 T. Metscher: S.s Spiegel. Gesch. u. literar. Idee, auf 4 Bde. ber. (1995 ff.).
 Zeitschriften:
 
S. Studies (Cincinnati, Oh., 1965 ff.);
 
S.-Jb., Jg. 131 ff. (1995 ff., früher u. a. T.).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Shakespeares großes Welttheater
 

Universal-Lexikon. 2012.