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Italien
Ita|li|en; -s:
Staat in Südeuropa.

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Itali|en
 
 
Kurzinformation:
 
Fläche: 301 341 km2
 
Einwohner: (2000) 57,6 Mio.
 
Hauptstadt: Rom
 
Amtssprachen: Italienisch, Französisch, Deutsch
 
Nationalfeiertag: 1. Sonntag im Juni
 
Währung: 1 Euro (EUR, ) = 100 Cent
 
Zeitzone: MEZ
 
amtlich italienisch Repubblica Italiana, Staat in Südeuropa, 301 341 km2, (2000) 57,6 Mio. Einwohner, umfasst einen Teil der Südabdachung der Alpen, die Poebene, die Apenninenhalbinsel, die Inseln Sizilien, Sardinien und mehrere kleinere Inselgruppen. Die Halbinsel ist fast 1 000 km lang und 130-250 km breit. Italien ist im Osten, Süden und Westen vom Mittelmeer umspült und grenzt im Norden an Frankreich, die Schweiz, Österreich und Slowenien; Hauptstadt ist Rom; Amtssprachen: Italienisch, in der autonomen Region Aostatal auch Französisch, in der Provinz Bozen auch Deutsch. Währung: 1 Euro (EUR, ) = 100 Cent. Zeitzone: MEZ.
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Nach der am 22. 12. 1947 von der verfassunggebenden Versammlung angenommenen und am 1. 1. 1948 in Kraft getretenen Verfassung (mehrfach revidiert) ist Italien eine parlamentarisch-demokratische Republik. Staatsoberhaupt ist der Präsident, der von beiden Häusern des Parlaments und je drei Vertretern der Regionen auf sieben Jahre gewählt wird (Wiederwahl möglich). Zu seiner Wahl ist in den ersten drei Wahlgängen eine Zweidrittelmehrheit, sonst die absolute Mehrheit erforderlich. Der Präsident hat das Recht, das Parlament aufzulösen und den Ministerpräsident zu ernennen, und verfügt über ein aufschiebendes Vetorecht im Gesetzgebungsverfahren. Die Legislative liegt beim Zweikammerparlament, bestehend aus Senat (Senato; 315 für fünf Jahre auf regionaler Basis gewählte und neun auf Lebenszeit ernannte Senatoren) und Abgeordnetenhaus (Camera dei Deputati; 630 für fünf Jahre gewählte Abgeordnete). Nach der Wahlrechtsreform vom 18. 12. 1993 werden die Senatoren in 232, die Abgeordneten der Kammer in 475 Wahlkreisen gewählt, jeweils drei Viertel nach dem Mehrheitswahlrecht (relative Mehrheit genügt) und ein Viertel im Verhältniswahlsystem nach Parteilisten; es gilt eine Sperrklausel von 4 %. Das aktive Wahlalter beginnt für die Kammer mit dem 18., für den Senat mit dem 25. Lebensjahr, das passive mit dem 25. beziehungsweise dem 40. Lebensjahr. Beide Häuser haben gleiches Initiativ- und Beschlussrecht. Der Präsident des Senats ist zugleich Stellvertreter des Staatspräsidenten Exekutivorgan ist die Regierung unter Vorsitz des Ministerpräsidenten Der Staatspräsident ernennt den Regierungschef und auf dessen Vorschlag die übrigen Mitglieder des Kabinetts.
 
Parteien:
 
In den 1990er-Jahre erfolgte ein grundlegender Umbruch des Parteiensystems. Politisch bestimmend waren dabei die Neuformierung der bis dahin in der Democrazia Cristiana (DC) und in der Kommunistischen Partei (Partito Comunista Italiano, PCI) gebundenen Kräfte. Einflussreichste der zahlreichen Nachfolgeparteien der DC wurde der Partito Popolare Italiano (PPI, deutsch Italienische Volkspartei; gegründet 1994); aus der PCI gingen 1991 der Partito Democratico della Sinistra (PDS, deutsche Demokratische Partei der Linken; sozialdemokratisch) und der Partito della Rifondazione Comunista (PRC, deutsche Partei der kommunistischen Erneuerung; reformkommunistisch) hervor. Wichtigste Parteien im seit 1996 bestehenden Mitte-links-Bündnis »L'Ulivo« (»Der Ölbaum«) sind die Democratici di Sinistra (DS, deutsch Linksdemokraten; gegründet 1998 als Zusammenschluss der PDS mit kleineren Linksparteien), der PPI, die Lista Dini-Rinnovamento Italiano (RI, deutsch Liste Dini-Ital. Erneuerung; gegründet 1996), der Partito di Communisti Italiani (PdCI, deutsch Partei der Kommunisten Italiens; 1998 aus dem PRC hervorgegangen) und der Bund der Grünen (italienisch Federazione dei Verdi). Tragende Parteien des parlamentarischen Mitte-rechts-Blocks (»Polo per la Libertà«, deutsch »Pol der Freiheit«, für die Wahlen 2001 erneuert unter dem Namen »Casa delle Libertà«, deutsch »Haus der Freiheiten«) sind die Forza Italia (FI, deutsch Italien voran; gegründet 1993; liberalkonservativ), die Alleanza Nazionale (AN, deutsch Nationale Allianz; gegründet 1994; rechtskonservativ), die Lega Nord (gegründet 1989 als regionale Autonomiebewegung) und der Centro Cristiano Democratico (CCD, deutsch Christlich-Demokratisches Zentrum; 1994 aus der DC hervorgegangen). Politisch zwischen die beiden Parteienblöcke ordnet sich die Unione Democratica per la Repubblica (UDR, deutsch Demokratische Union für die Republik; gegründet 1998) ein. Jüngste Partei im Parteienspektrum ist die Democrazia Europea (gegründet2001 als christdemokratische Partei der Mitte).
 
Gewerkschaften:
 
Die italienische Gewerkschaftsbewegung war von Beginn an zersplittert. Es gibt christliche, sozialistische und sozialdemokratische Gewerkschaften. Als freigewerkschaftliche Zentralorganisation entstand 1906 die Confederazione Generale del Lavoro Italiano. Die Verbreitung christlicher (katholischer) Gewerkschaften, zusammengefasst in der Confederazione Italiana dei Lavoratori, wurde durch die Enzyklika »Rerum novarum« Leos XIIItalien wesentlich gefördert. Unter dem faschistischen Regime wurde 1922 in Bologna die Confederazione Nazionale delle Corporazioni Sindacali gebildet. Das Gewerkschaftsgesetz von 1926 erkannte ein Einheitssyndikat für jeden Bezirk und jede Berufskategorie gleichmäßig für Arbeitgeber und Arbeitnehmer an. Die »Carta del Lavoro« von 1927 gliederte das Syndikatssystem in den Staat ein. Nach dem Zusammenbruch des faschistischen Regimes bildete sich 1944 die Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL); aus ihr traten 1948 die christlichen Gewerkschafter aus. Im selben Jahr wurde als Versuch einer überparteilichen Gewerkschaft die Libera CGIL (LCGIL) gegründet. Republikaner und Sozialisten bildeten die Federazione Italiana del Lavoro (FIL), sodass nunmehr nebeneinander bestanden CGIL, LCGIL, FIL und die 1950 errichtete Unione Italiana del Lavoro (UIL). 1950 vereinigten sich LCGIL und FIL zur Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori (CISL), die - wie die UIL - dem Internationalen Bund Freier Gewerkschaften angehört. Bis 1978 war die CGIL Mitglied des Weltgewerkschaftsbundes. Die sozialdemokratisch orientierte CGIL hatte (2001) 5,4 Mio., die mehrheitlich katholische, in Teilen laizistische CISL 4,1 Mio. und die linksliberal-sozialistisch orientierte UIL 1,8 Mio. Mitglieder. Zwischen CGIL, CISL und UIL wurde 1972 eine Föderation als loser Zusammenschluss der drei Bünde gegründet. Die 1996 aus der Vereinigung der neofaschistischen Confederazione Italiana Sindacati Nazionali Lavoratori (CISNAL) mit 28 autonomen Gewerkschaften hervorgegangene rechte Unione Generale del Lavoro (UGL) hat 2,14 Mio. Mitglieder, der der Lega Nord nahestehende Sindacato Padano (SIN.PA, gegründet 1997) rd. 320 000 Mitglieder. Neben den großen Gewerkschaften existieren rd. 160 berufsständisch ausgerichtete autonome Gewerkschaften, von denen über 60 der Confederazione Italiana Sindacati Autonomi Lavoratori (CISAL, gegründet 1957; rd. 1,5 Mio. Mitglieder) angehören.
 
Wappen:
 
Das Wappen (seit 1948) zeigt einen rot geränderten weißen Stern, der auf einem eisenfarbenen, speichenförmig versteiften Tellerzahnrad liegt und von Eichen- und Lorbeerlaub umrankt wird. Das Spruchband trägt den offiziellen Staatsnamen »Repubblica Italiana«.
 
Nationalfeiertage:
 
Am ersten Sonntag im Juni wird an die Volksabstimmung vom 2. 6. 1946 über die Frage »Republik oder Monarchie« sowie an die gleichzeitig durchgeführten Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung erinnert.
 
Verwaltung:
 
Italien ist in 20 Regionen gegliedert, von denen fünf (Sardinien, Sizilien, Trentino-Südtirol, Friaul—Julisch Venetien und das Aostatal) einen besonderen Autonomiestatus genießen. Jede Region besitzt einen auf 5 Jahre gewählten Regionalrat sowie eine von diesem gewählte Regionalregierung (Giunta regionale), die dem Regionalrat verantwortlich ist.
 
Recht:
 
Als höchstes Gericht wacht der 1956 eingerichtete Verfassungsgerichtshof (Corte Costituzionale) als unabhängiges Verfassungsorgan über die Einhaltung der Verfassung. An der Spitze der Straf- und Zivilgerichtsbarkeit steht der Oberste Kassationsgerichtshof (Corte Suprema di Cassazione); unterhalb dieser Ebene sind für die Strafgerichtsbarkeit Berufungs- und Berufungsassisengerichte, Assisengerichte und Magistratsgerichte eingerichtet. Die Eingangszuständigkeit hängt von der Schwere des Delikts ab. Für die Zivilgerichtsbarkeit sind Berufungsgerichte und verschiedene Untergerichte (Giudici Conciliatori, Preture, Tribunali) zuständig, deren Erstzuständigkeit vom Wert der Sache bestimmt wird. Während Arbeitsgerichtsverfahren in den Bereich der Zivilgerichtsbarkeit gehören, gibt es einen zweistufigen Verwaltungsgerichtsaufbau (Consiglio di Stato, Tribunali Amministrativi Regionali). Die nationale Einigung (Risorgimento) brachte die Vereinheitlichung des Privatrechts durch den Codice civile von 1865 (nachgebildet dem Code Napoléon von 1804). Mit dem Codice civile von 1942 (Kodifizierung auch von Arbeits- und Wirtschaftsrecht) erhielt Italien ein modernes Gesetzeswerk. Seit 1929 gibt es neben der Zivilehe die kirchliche (Konkordats-)Ehe mit zivilrechtlicher Wirkung; beide können seit dem Scheidungsgesetz vom 1. 12. 1970 bei Zerrüttung geschieden werden.
 
Streitkräfte:
 
Die Gesamtstärke der Wehrpflichtarmee (Dienstzeit 10 Monate) beträgt rd. 260 000 Mann (Reduzierung auf 190 000 vorgesehen), die der paramilitärischen Kräfte etwa 260 000 Mann, darunter 115 000 Carabinieri. Nach einem Gesetz von 1999 ist ab 2007 die Schaffung einer Berufsarmee geplant; verbunden damit ist eine Umstrukturierung, Modernisierung und Professionalisierung der Streitkräfte. Seit 2000 können auch Frauen freiwillig in den Streitkräften dienen. Das Heer (160 000 Soldaten, geplante Reduzierung auf 100 000) ist v. a. gegliedert in eine Panzerbrigade, drei Alpini- und fünf mechanisierte Brigaden sowie eine Fallschirmjägerbrigade. Hinzu kommen mehrere selbstständige Regimenter, v. a. der Artillerie- und Pioniertruppe, und die Heeresflieger. Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus etwa 800 Kampfpanzern vom Typ Leopard und Ariete. Die Luftwaffe hat rd. 60 000 Mann (geplante Reduzierung auf 45 000) und etwa 300 Kampfflugzeuge (v. a. Tornado, F-104 Starfighter). Die Marine (40 000 Mann, geplante Reduzierung auf etwa 30 000) verfügt u. a. über einen leichten Flugzeugträger, einen Hubschrauberkreuzer, 4 Zerstörer, 24 Fregatten und 8 U-Boote. - Italien ist Mitglied der NATO sowie der WEU.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
Zu Italien gehören im Westen und Norden, etwa bis zum Luganer See, Teile der kristallinen West- und Zentralalpen, im Norden und Osten Teile der südlichen Kalkalpen mit den italienischen Dolomiten. Am Alpenrand liegt ein Moränenhügelland, welches die nur vereinzelt (Gardasee) aus den Alpentälern in die Ebene hinaustretenden, von eiszeitlichen Gletschern geschaffenen Alpenrandseen (z. B. Lago Maggiore) von Süden abschließt. Vor dem Alpenrand entstanden die Monti Berici und die Euganeen durch vulkanische (basaltische) Ausbrüche im Tertiär. Der Vulkanismus im Innern der Alpen war v. a. im Perm (Bozener Porphyr) tätig. Der Apennin, ein Falten- und Bruchfaltengebirge, beginnt als Fortsetzung der südlichen Westalpen (Ligurische Alpen). Er bildet das Rückgrat der Apenninenhalbinsel, erreicht in den Abruzzen im Gran Sasso d'Italia 2 912 m über dem Meeresspiegel und setzt sich in einem Bogen bis Sizilien fort. Dicht besiedelte Längstäler und (Karst-)Becken sind zwischen die einzelnen Kämme geschaltet. Zwischen Alpen und Apennin liegt als südliche Vortiefe der Alpen die Poebene. Über ihrem tertiären Untergrund lagern 2 000 m mächtige quartäre Ablagerungen. Am Rande gegen Alpen und Apennin ziehen sich durchlässige quartäre Schotterlagen hin, deren Rand als Fontanilizone Quellgebiet zahlreicher Flüsse ist. Der Apennin trennt die breite, reich gegliederte feuchte Westseite der Halbinsel mit ihren Beckenlandschaften (Toskana, Umbrien) von der trockeneren, kaum gegliederten, hafenarmen und schmalen Ostseite. Als eine nur schwach gefaltete Kalktafel ist Apulien dem apenninischen Italien angegliedert. In Kalabrien bilden Gesteine des kristallinen Grundgebirges den Apennin. - Die Küsten sind meist flach, im Westen leicht gebuchtet, im Osten Längsküsten, im Nordosten Nehrungsküsten. Versumpfte Küstenebenen waren bis zur Beendigung der Entwässerungsarbeiten im 20. Jahrhundert in den Maremmen, den Pontinischen Sümpfen, der Seleniederung und der Bucht von Palermo hinter Strandwällen und Dünenkränzen weit verbreitet. Schroffe Gebirgsküsten als Folge von Bruchtektonik weisen die Halbinsel Sorrent und die Kalabrische Halbinsel auf. Mit der großen tyrrhen. Bruchzone stehen auch die zum Teil tätigen Vulkane im Zusammenhang (Vesuv, Stromboli, zahlreiche erloschene Vulkane vom Monte Amiata bis zu den Liparischen Inseln). Am Außenrand des Apennins liegen der Ätna und der erloschene Monte Vulture. Die noch heute lebhafte Bruchtektonik und der Vulkanismus zeigen sich in häufigen Erdbeben, vielen warmen Quellen und Mineralquellen.
 
Die bedeutendsten Flüsse, wegen der unregelmäßigen Wasserführung jedoch ohne Verkehrswert, sind Po, Etsch, Tiber, Adda, Oglio, Tanaro, Tessin, Arno. Gefürchtet sind die Herbsthochwasser des Po. Im Sommer liegen die schuttgefüllten Flussbetten trocken (Fiume). Im Norden sind außer den Alpenrandseen Karseen ausgebildet, die Seen der Mitte sind tektonischer Entstehung (Trasimen. See) oder Kraterseen (Lago di Bolsena, Albaner See). Größter Alpenrandsee ist der Gardasee.
 
Klima:
 
Die große Längenerstreckung über fast 10 Breitengrade und die starke Höhengliederung bringen sehr unterschiedliche Klimaverhältnisse mit sich. In den Südalpen, der Poebene und dem Nord-Apennin vollzieht sich der Übergang vom mitteleuropäischen zum nordmediterranen Klima, von vorherrschenden Sommerregen zu Herbst- und Frühjahrsniederschlägen. Gegenüber der winterkalten Poebene sind die Südalpentäler, die Seengebiete am Alpenrand und die ligurische Küste geschützt (Winterkurorte). Südlich von Rom fallen die Niederschläge vorwiegend im Winter, dem ein trockener, heißer Sommer folgt. Die aride Zeit dauert in Mittelitalien 1-2, in Sizilien 4-6 Monate. Während die Gebirge über 1 000 mm Niederschlag (in den Alpen bis 3 000 mm) im Jahr erhalten, liegen auf der Ostseite des Apennins und in Becken Trockengebiete mit weniger als 500 mm Niederschlag, denn die Niederschläge fallen im Allgemeinen bei Durchzug von Fronten mit Westwinden. Schneedecken oberhalb 2 000 m Höhe halten sich auch im südlichen Apennin lange Zeit. In den italienischen Alpen liegen etwa 800 Gletscher, 200 allein im Bereich des Aostatals.
 
Vegetation:
 
Norditalien und die höheren Teile des Apennins gehören zum mitteleuropäischen sommergrünen Laubwaldgebiet; immergrüne Mittelmeervegetation findet sich schon an den Alpenrandseen und an der ligurischen Küste. In Mittelitalien reichen die Hartlaubgewächse bis 400 m, in Süditalien bis über 800 m über dem Meeresspiegel; auf Sizilien und Sardinien kommt noch die Zwergpalme hinzu. Darauf folgen Edelkastanien und Eichen bis um 1 200 m über dem Meeresspiegel, Rotbuchen und Tannen, zum Teil Kiefern. Die Baumgrenze liegt zwischen 1 900 m im Norden und 2 100 m über dem Meeresspiegel im S. Fremde Florenelemente sind Agaven, Opuntien, Zypressen, Zedern, Eukalyptus. Der Wald ist stark verringert worden: in der Poebene durch Kolonisierung, im Gebirge durch übermäßige Holznutzung und Beweidung. Dies führte zu hartlaubigen Buschformationen (Macchie), Strauchheiden (Garrigue), Bodenerosion und Verschüttung von Tälern und Mündungsbuchten (Pisa, Sibaris), Verkarstung der Kalkgebirge und Versumpfung. Kulturpflanzen wie Ölbäume, Weinreben und Getreide bestimmen heute das Landschaftsbild, in der Poebene auch Wiesen; außerhalb der Nutzflächen breitete sich dort die Robinie aus. Im Süden entstanden weite Weizenanbauareale. Der Terrassenfeldbau im Gebirge geht zugunsten der Aufforstung zurück (Alpen, Apennin).
 
Bevölkerung:
 
Den Hauptanteil stellen die Italienisch sprechenden Italiener (94 % der Gesamtbevölkerung). Außerdem umfasst der Staatsraum im Norden das mehrheitlich deutsche Sprachgebiet Südtirols (etwa 300 000 Personen; dazu weitere etwa 15 000 in isolierten Gruppen im übrigen italienischen Alpenraum), eine französischsprachige Minderheit im Aostatal und in Piemont, die rätoromanischsprachigen Ladiner (30 000), in Friaul—Julisch Venetien außer den eine sprachliche Sonderstellung einnehmenden Friulani (etwa 720 000) auch slowenisch- (53 100) und kroatischsprachige Volkssplitter (3 000). In Süditalien und Sizilien leben auch isolierte Gruppen von Albanern (etwa 90 000) und Griechen (15 000). Auf Sardinien wird außer Sardisch (1,35 Mio. Sprecher), einer eigenen romanischen Sprache, auch noch Katalanisch gesprochen (15 000 Sprecher). - Das durchschnittliche jährliche Bevölkerungswachstum (1990-99) beträgt 0,2 %; die Siedlungsdichte (2000) 191 Einwohner je km2. Die Bevölkerungsverteilung ist jedoch sehr unterschiedlich, größte Dichte in Teilen von Norditalien (Lombardei, Ligurien, Venetien), weitere Dichtezentren sind um Rom und am Golf von Neapel. Diesen Ballungsräumen stehen extrem dünn besiedelte Gebiete gegenüber (Basilicata, Sardinien, die Gebirgsregionen im Norden). Die städtische Bevölkerung beträgt (1999) 67 %; in städtischen Ballungsgebieten mit 1 Mio. Einwohnern und mehr leben etwa 20 % der Bevölkerung Eine Rolle spielt die saisonale Arbeiterwanderung v. a. arbeitsloser Süditaliener nach Frankreich, der Schweiz und nach Deutschland. Sehr stark ist auch die Binnenwanderung von Süden nach Norden (v. a. zum Industriedreieck Mailand-Turin-Genua), aus den Gebirgsteilen in die Küstenebenen und vom Land in die Städte, die in den industriellen Ballungsräumen wachsende soziale Spannungen verursacht.
 
Unter den ländlichen Siedlungen bestimmen Dörfer in geschlossener Bauweise mit oft großen Gemarkungen das Bild. Die Siedlungen liegen in Mittel- und Süditalien oft (in Schutzposition) auf Bergen; wegen dieser unter gegenwärtigen Verhältnissen ungünstigen Lage entstehen charakteristische Neusiedlungen in tiefer Lage, wie die »Marina«-Orte an den Küsten z. B. Kalabriens. Einzelsiedlungen finden sich weit verbreitet im Bereich der Alpen, in der Poebene und in Verbindung mit der jetzt auslaufenden Halbpacht (Mezzadria) in Mittelitalien, ferner in Kampanien und Apulien auch als Weilersiedlung.
 
Religion:
 
Es besteht Religionsfreiheit. Die rechtliche Gleichstellung der Religionsgemeinschaften ist durch die Verfassung (Art. 8) garantiert. Die Beziehungen zwischen dem Staat und der katholischen Kirche als der größten Religionsgemeinschaft wurden durch das Konkordat von 1984, das die Lateranverträge ablöste, neu bestimmt. Seither ist die katholische Religion nicht mehr Staatsreligion. An die Stelle des bisher vom Staat gezahlten Finanzausgleichs für den Unterhalt der Geistlichen trat die Eigenfinanzierung der Kirche durch steuerlich begünstigte Spenden in Höhe von 8‰ der Lohn- oder Einkommensteuer. Der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen ist fakultativ und wird als konfessioneller katholischer Religionsunterricht angeboten. Kirchlich geschlossene Ehen werden zivilrechtlich anerkannt. Grundlage der Staat-Kirche-Beziehungen zu den anderen Glaubensgemeinschaften sind die zwischen ihnen (als juristische Personen) und dem Staat abgeschlossenen Staatsverträge. - Über 95 % der Bevölkerung gehören (bezogen auf die Taufe) der katholischen Kirche an, 61 500 Katholiken der italoalbanischen Kirche. Selbst bezeichnen sich nur 85-89 % als »katholisch«, dagegen rd. 9 % als »konfessionslos«. Die Mehrheit der über 300 000 Protestanten wird Pfingstkirchen und -gemeinden zugerechnet. Die Waldenser (rd. 30 000 Mitglieder), Methodisten (5 000, seit 1979 mit den Waldensern eine Kirche bildend), Lutheraner und Baptisten (je 7 000) arbeiten im »Bund der Evangelischen Kirchen Italiens« (»Federazione delle Chiese Evangeliche in Italia«) zusammen. Die größte nichtchristliche Religionsgemeinschaft bilden die Muslime, deren Zahl auf mindestens 600 000 geschätzt wird, aufgrund der oft illegalen Arbeitsmigration (v. a. aus Nordafrika) aber wohl höher ist. 1995 wurde in Rom für die dortigen Muslime (damals rd. 50 000) eine Moschee eröffnet. Verbindung mit den über 30 in der »Buddhistischen Union Italiens« zusammengeschlossen Zentren pflegen etwa 70 000 den Buddhismus praktizierende beziehungsweise an ihm interessierte Menschen. Die 21 jüdischen Gemeinden haben rd. 35 000 Mitglieder. Die größten Einzelgemeinden sind Rom (zugleich die älteste jüdische Gemeinde Europas) mit rd. 15 000 Mitgliedern und Mailand mit rd. 10 000 Mitgliedern. Die Bahai-Religion zählt rd. 5 000 Mitglieder. Den Zeugen Jehovas, der größten religiösen Sondergemeinschaft in Italien, gehören etwa 400 000 Menschen an.
 
Bildungswesen:
 
Das Schulwesen ist kommunal, kirchlich beziehungsweise privat und vom Staat kontrolliert. Der Unterricht ist kostenlos; allgemeine Schulpflicht besteht vom 6. bis 14. Lebensjahr. An den fünfjährigen Unterricht der Grundschule (Scuola elementare) schließt sich eine dreijährige Oberstufe (Scuola media) an, der nach Erwerb des Abschlusszeugnisses (Licenza media) eine weitere, in der Regel fünfjährige Ausbildungsstufe (Media superiore) folgen kann. Diese teilt sich in allgemein bildende Schulen, das klassische »Liceo« (Gymnasium), naturwissenschaftliche Lyzeen beziehungsweise verschiedene technische Lehranstalten (z. B. für Landwirtschaft, Handel, Industrie), Gewerbeschulen und Lehrerbildungsanstalten. Die Alphabetisierungsquote beträgt 98,3 %. Im tertiären Bildungsbereich gibt es über 100 staatliche (und zunehmend auch kleinere private) Einrichtungen, darunter circa 50 Universitäten mit 16 »dezentralisierten« Fachbereichen und zwei TH (Turin, Mailand). Zahlreiche Universitäten sind privat (kirchlich) geführt und staatlich anerkannt. Von den älteren Universitäten sind besonders zu nennen die in Bologna, Florenz, Neapel, Padua und Rom (Sapienza), von den im 20. Jahrhundert gegründeten die in Mailand und Venedig.
 
Publizistik:
 
Presse: Die nationale Presse wird eher von politisch Interessierten gelesen, deckt jedoch auch populäre Leserbedürfnisse ab; eine Boulevardpresse vom Typ der britischen »Sun« oder der deutschen »Bild« ist in Italien nicht vertreten. Die Verbreitung der Tagespresse weist ein starkes Nord-Süd-Gefälle auf; der Vertrieb geschieht hauptsächlich über den Kioskverkauf, nur rd. 7,5 % werden im Abonnement vertrieben. Die Finanzierung der großen Tageszeitungen geschieht zumeist mithilfe von Industriekonzernen, Parteien oder anderen Interessengruppen. Die großen überregionalen Tageszeitungen sind: »Corriere della Sera«, Mailand (gegründet 1876, politische Mitte; Auflage 686 000), »La Repubblica«, Rom (Mitte-links; 598 000), »La Stampa«, Turin (gegründet 1886, Mitte; 393 000), »Il Messaggero«, Rom (gegründet 1878, Mitte-links; 279 000) und »Il Giornale«, Mailand (Mitte-rechts; 226 000), ferner »Il Giorno«, Mailand (rd. 95 000), »Avvenire«, Mailand (katholisch; rd. 90 000), »Il Tempo«, Rom (rd. 70 000) sowie die Wirtschaftszeitung »Il Sole - 24 Ore«, Mailand (439 000) und die Sportzeitungen »Gazetta dello Sport«, Mailand (552 000), »Corriere dello Sport«, Rom (409 000) und »Tuttosport«, Turin (176 000). Neu gegründet wurde 2000 das rechtsgerichtete Blatt »Libero«, während im selben Jahr das PDS-Organ »L'Unità« (gegründet 1924) eingestellt wurde (2001 als unabhängige Zeitung neu gegründet). Während die politische Tagespresse nach Schätzungen nur von einer Minderheit von 8-10 Mio. Italienern gelesen wird, besteht eine hohe Nachfrage nach illustrierten Wochenzeitungen und Magazinen. Mit einer Gesamtauflage von 15 Mio. Exemplaren haben die rd. 50 Titel der Wochenpresse eine doppelt so hohe Auflage wie die Tageszeitungen (knapp 7 Mio.). Im internationalen Vergleich der Lesedichte von Periodika liegt Italien damit auf einem der ersten Plätze. Die großen Zeitungsverlage reagierten deswegen mit der Gründung von eigenen Wochenblättern, z. B. »Sette« (Corriere della Sera), »Venerdi« (La Repubblica), »Specchio« (La Stampa). Beliebte Wochenzeitschriften sind das katholische Blatt »Famiglia Cristiana« (950 000), die Illustrierten »Gente« (740 000) und »Oggi« (700 000) sowie die politischen Nachrichtenmagazine »Panorama« (Mitte-rechts; 500 000) und »L'Espresso« (Mitte-links; 370 000). - Charakteristisch sind die Verflechtungen mit Industriegruppen und Banken: Die Fiat-Gruppe (Agnelli) ist an der Mediengruppe Rizzoli-Corriere della Sera (RCS), an »La Stampa« und an der Buch- und Zeitschriftengruppe Fabbri beteiligt; der römische Bauunternehmer F. G. Caltagirone kontrolliert »Il Messaggero« und »Il Tempo« sowie einen lokalen Fernsehkanal; die Immobiliengruppe C. De Benedetti hält Beteiligungen am römischen Verlag »L'Espresso« mit der gleichnamigen Wochenzeitschrift und der Tageszeitung »La Repubblica«, ferner am Mailänder Buch- und Zeitschriftenverlag A. Mondadori. Dem staatlichen Energiekonzern ENI gehört »Il Giorno«. Zum Mischkonzern Fininvest S. p. A. (S. Berlusconi) gehören Publikumszeitschriften (u. a. »TV Sorrisi e Canzoni«, »Panorama«), die Tageszeitung »Il Giornale«, Beteiligungen an Fernsehgesellschaften (über die Holding Mediaset S. p. A.) sowie am Verlag A. Mondadori.
 
Nachrichtenagenturen
 
sind die genossenschatlichen ANSA (Agenzia Nazionale Stampa Associata), AGI (Agenzia Giornalistica Italia) und IPS (Inter Press Service). - Rundfunk: Die staatliche Rundfunkgesellschaft privaten Rechts »Radiotelevisione Italiana« (RAI), gegründet 1944 als »Radio Audizioni Italiane«, Sitz Rom, verbreitet drei landesweite Fernsehprogramme und drei landesweite Hörfunkprogramme sowie jeweils mehrere Regionalprogramme. Sie finanziert sich durch Werbung und Gebühren. Mitte der 1990er-Jahre konnte sie ihre bis dahin rückläufigen Zuschauerzahlen stabilisieren; seit 1995 ist ihr Programm wieder das meistgesehene in Italien (Marktanteil 1998: 48,1 %). Seit 1976 ist privater Rundfunk zugelassen. Die verbreitetsten landesweiten Privatsender sind die drei zum (börsennotierten) Fininvest-Konzern Berlusconis gehörenden Kanäle »Canale 5«, »Rete 4« und »Italia 1«, seit 1996 in der Holding Mediaset zusammengefasst (Marktanteil 1998: 41,6 %). 2000 übernahm die Mediengruppe Seat Pagine Gialle S. p. A. die Mehrheit an den Fernsehsendern »Telemontecarlo« und »Telemontecarlo 2/Videomusic« (Marktanteil 1998: 2,5 %) des Medienunternehmers Cecchi Gori; die geplante Fusion von Seat Pagine Gialle und dem Internetanbieter Tin.it (Telecom Italia), durch die ein die Bereiche Fernsehen, Telekommunikation und Internet umfassendes Unternehmen entsteht, dürfte zur Etablierung einer dritten Kraft neben dem langjährigen Duopol RAI/Mediaset führen. Daneben existieren Hunderte von privaten werbefinanzierten Lokalsendern; im Hörfunkbereich gibt es 14 landesweite sowie rd. 2 000 lokale Sender. - Die Einsetzung einer neuen unabhängigen Medienaufsichtsbehörde (Autorità) 1997, durch die u. a. die Einflussnahme der Regierung auf die RAI eingedämmt werden sollte, hatte nicht den erhofften Erfolg. Durchgesetzt wurde hingegen 2000 ein Gesetz, das den politischen Parteien bezahlte Wahlwerbespots im landesweiten Fernsehen verbietet. - Von den 20,66 Mio. Fernsehhaushalten in Italien verfügt (Mitte 2000) der weitaus größte Teil (89,1 %) über terrestrischem Empfang, 10,5 % haben Satelliten- und 0,4 % Kabelempfang. Die Ausstrahlung von terrestrischem Pay-TV begann 1991 mit drei (seit 1998 zwei) Kanälen des Senders Telepiù (Gesellschafter: 90 % Canal plus S. A., 10 % Berlusconi); digitales Pay-TV startete 1996 mit dem Programmpaket »D+« (99 % Canal plus, 1 % RAI). Als Gegenpol agiert seit 1998 die Gesellschaft Stream (je 50 %Telecom Italia und R. Murdoch).
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Mit einem Bruttosozialprodukt (BSP) je Einwohner von (1999) 23 065 US-$ (Deutschland: 23 819 US-$, Frankreich: 22 068 US-$) ist Italien nach Deutschland, Großbritannien und Frankreich die viertgrößte wirtschaftliche Kraft der EU-Staaten. Italien ist ein Industriestaat mit einem marktwirtschaftlich ausgerichteten Wirtschaftssystem, dessen besonderes Kennzeichen die starke Beteiligung des Staates an der Führung der großen Industriebetriebe ist. Die öffentliche Hand hat ihre Befugnisse an mehrere staatliche Holdinggesellschaften delegiert, die für die Tätigkeit bestimmter Industriezweige und ihrer Nebenbetriebe zuständig sind. Damit unterstehen nicht nur die örtlichen Versorgungsbetriebe, Eisenbahnen und Luftfahrtgesellschaften, sondern auch Großbanken und Versicherungen staatlicher Einflussnahme.
 
Den Übergang vom Agrar- zum Industriestaat hat Italien, begünstigt durch starke staatliche Einflussnahme, schon relativ frühzeitig vollzogen. Bereits 1933 entstand das Istituto per la Ricostruzione Industriale (IRI) zur Unterstützung der Banken durch Erwerb von Wertpapieren und Beteiligungen an Unternehmen. Die zweite Holdinggesellschaft Ente Nazionale Idrocarburi (ENI) wurde 1953 gegründet und befasst sich besonders mit der Entwicklung der Energiewirtschaft. ENI und IRI wurden seit ihrer Gründung v. a. dazu benutzt, staatliche Investitionslenkung zu betreiben, und sind damit bis zur Gegenwart wichtige Instrumente der Wirtschaftspolitik.
 
Mit dem Abbau staatlicher Einflußnahme wurde in Italien relativ spät begonnen. 1990 wurde erstmals ein Privatisierungskonzept vorgelegt und 1992 ein darauf aufbauenden Gesetz verabschiedet. Dies führte zur Beendigung des Monopols in der Telekommunikation und zu deutlichen Fortschritten bei der Abschaffung des Monopols in der Elektrizitätserzeugung und -verteilung. Auch in anderen Bereichen wurde mit dem Abbau staatlicher Beteiligungen begonnen, entscheidende Durchbrüche bliben bisher aber aus. Wichtigste wirtschaftspolitische Problembereiche zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit (2001: 9,8 %), das krasse Nord-Süd-Gefälle und der andauernde Reformstau (überfällige Renten-, Steuer- und Arbeitsmarktreform). Trotz nationaler Förderung und starker Unterstützung mit Investitionshilfen durch die EU zur wirtschaftlichen Entwicklung Süditaliens (Mezzogiorno) sowie andauernder Wanderungsbewegung von Süd- nach Mittel- und Norditalien sowie ins Ausland konnte das Einkommensgefälle zwischen dem wohlhabenden Norden und dem ärmeren Süden nicht entscheidend vermindert werden. Im Süden des Landes ist die Arbeitslosenquote rund vier mal so hoch wie im Landesdurchschnitt. V. a. im Mezzogiorno liegt die Beschäftigungsquote für Frauen und Jugendliche etwa 20 % niedriger als im europäischen Durchschnitt. Die Infrastrukturausstattung des Südens ist unterdurchschnittlich und das organisierte Verbrechen stellt sich nach wie vor als Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung dar.
 
Mit einem Anteil des Staatshaushaltes am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von (2000) 47,8 % liegt die Staatsquote in Italien etwa so hoch wie in Deutschland. Die Abgabenquote von (2000) von 43 % liegt im europäischen Mittelbereich. Die öffentlichen Schulden erreichten 2000 ein Volumen von 110,2 % des BIP (1980: 59 %). Dieser Spitzenwert wird in der EU nur noch von Belgien (110,8 %) übertroffen. Das Haushaltsdefizit hatte in den 1980er- Jahren bis in die 1990er-Jahre hinein einen Anteil am BIP zwischen 9 und 12 %; danach konnte es dank eines rigorosen Konsolidierungsprogramms immer weiter abgebaut werden. Für das Jahr 2001 wurde nur noch ein Defizitanteil von 0,8 % des BIP angestrebt. Damit gehört dieses Programm zu den erfolgreichsten Maßnahmen der italienischen Wirtschaftspolitik überhaupt. Von allen Mitgliedsländern der OECD war die italienische Wirtschaftspolitikin den 1990er-Jahren in dieser Hinsicht mit am erfolgreichsten. Das angestrebte Ziel, die Staatsausgaben im Gleichklang mit der Inflationsrate zu erhöhen, konnte bisher jedoch noch nicht erreicht werden; die Deckungslücken im Etat wurden in den letzten Jahren im Wesentlichen durch Privatisierungserlöse geschlossen.
 
Landwirtschaft:
 
Die Landwirtschaft besitzt noch immer einen beachtlichen Stellenwert. Im Jahr 2000 waren 5,3 % aller Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig, sie trug aber im gleichen Jahr nur mit 2,4 % zur Entstehung des BIP bei. Die stark divergierenden Quoten sind Abbild des starken strukturellen und regionalen Ungleichgewichts. Große klimatische Unterschiede prägen den Agrarsektor. Im Norden schwanken die mittleren Temperaturen zwischen —11 ºC und +35 ºC, im Süden zwischen 8 ºC und 40 ºC. Die Niederschläge liegen zwischen 500 und 2 000 mm. Etwa 16,79 Mio. ha, das sind 56,3 % der Landesfläche, werden 1997 landwirtschaftlich genutzt; davon entfallen 53 % auf Ackerland, der Rest auf Dauerkulturen (Rebfläche und Olivenhaine) und Grünland. Kleine und kleinste Betriebe dominieren in der Betriebsgrößenstruktur. Italien verfügt zahlenmäßig mit (2000) 2,27 Mio. über die meisten landwirtschaftlichen Betriebe aller EU-Länder.
 
Hauptanbauprodukte sind Getreide; Frischobst und Gemüse sowie Wein und Oliven. In Südtirol befindet sich das größte geschlossene Anbaugebiet für Kernobst (v. a. Äpfel) in Europa. Die fruchtbare Poebene und die der adriatischen Küste zugeneigten Zonen sind Zentren des Weizen- und Hybridmaisanbaus, während Landmais auf den weniger fruchtbaren, nicht bewässerten Böden im Süden angebaut wird. Die aus Landmais bereitete Polenta ist besonders in der Lombardei und Venetien ein Grundnahrungsmittel. In der Poebene und auf Sardinien wird auch Reis angebaut (Italien ist größter Reisproduzent Europas). Nach den Zuckerrüben nimmt der Tabakanbau die größte Fläche unter den Handelsgewächsen ein. Tabak wird überwiegend in Apulien und Kampanien angepflanzt. Kartoffeln werden in allen Teilen des Landes angebaut, spielen aber als Nahrungs- und Futtermittel eine weit geringere Rolle als in Mitteleuropa. Wichtigstes Gemüse ist die Tomate. Ihr folgt die Artischocke, die für den Frischverzehr, aber auch als Konserve und für die Getränkeherstellung (Cynar) von Bedeutung ist. Zitrusfrüchte werden zu drei Vierteln auf Sizilien gezogen. Olivenkulturen finden sich mit Ausnahme von Oberitalien dagegen landesweit, ebenso wie Weinbau (italienische Weine). Zusammen mit Frankreich ist Italien im Weinbau weltweit führend.
 
Die Viehwirtschaft (Rinder- und Schweinezucht) hat v. a. im nördlichen Italien Bedeutung. Im Süden werden überwiegend Schafe und Ziegen gehalten. Häute, Felle, Wolle und Käse sind die wichtigsten tierischen Ausfuhrprodukte.
 
Forstwirtschaft:
 
Etwa ein Fünftel der Gesamtfläche ist bewaldet, große Teile davon bestehen jedoch aus Baumgruppen oder minderwertigem Gebüsch. Die bereits in der Römerzeit beginnende Übernutzung der Wälder kann nur allmählich durch Aufforstungen überwunden werden.
 
Fischerei:
 
Mit der Fischereiflotte werden in der Küstenfischerei Meeresfische, Weichtiere und Schalentiere angelandet.
 
Bodenschätze:
 
Italien ist ein rohstoffarmes Land. Die Erdölreserven werden auf (1999) 91 Mio. t geschätzt. Die derzeitige Jahresförderung von 5,5 Mio. t stammt v. a. aus dem Feld von Gela in Südsizilien. Größere Vorkommen an Erdöl wurden, neben Erdgas, in der Provinz Bergamo festgestellt. Erdgas wird vornehmlich in der Poebene (knapp die Hälfte der Gesamtförderung), in Mittelitalien und Apulien gefördert. Außerdem werden untermeerische Vorkommen in der nördlichen Adria und im Ionischen Meer abgebaut (Gesamtfördermenge 1994: 20,3 Mrd. m3). Die Förderung von Erdöl und Erdgas liegt hauptsächlich in Händen des staatlichen Konzerns ENItalien Auch die im Land geförderte Braunkohle kann nur einen kleinen Teil des Bedarfs decken. Außer Brennstoffen sind im Bergbau noch Quecksilber (Italien ist eines der Hauptförderländer der Erde), Antimonerz, Schwefel (Pyrit) und Marmor von Bedeutung. Abgebaut werden außerdem Blei-, Zink- und Manganerz sowie Steinsalz und Gips. In der norditalienischen Provinz Bergamo lagern etwa 1 500 t Uranoxid.
 
Energiewirtschaft:
 
Die Energieversorgung basiert im Wesentlichen auf importierter Steinkohle und importiertem Erdöl. Die installierte Leistung der Kraftwerke beträgt (2000) 65 513 MW. Davon entfallen 79 % auf Wärmekraftwerke und 20 % auf Wasserkraftwerke. Die Kernkraftwerke (1987 waren noch vier in Betrieb) sind inzwischen aus politischen Gründen und wegen Erdbebengefahr der Standorte abgeschaltet worden.
 
Industrie:
 
Im produzierenden Sektor (einschließlich Bergbau, Energie- und Bauwirtschaft) sind (2000) 32,1 % aller Beschäftigten tätig; er trägt mit 31 % zum BIP bei. Die Wirtschaftszentren liegen im Norden des Landes. Das wichtigste industrielle Ballungsgebiet wird vom Stadtdreieck Turin-Genua-Brescia gebildet. Mit Mailand als Mittelpunkt reichen seine Ausläufer bis nach Venetien. Die seit den 50er-Jahren andauernden Versuche, auch den wirtschaftlich rückständigen Süden Italiens (Mezzogiorno) zu industrialisieren, haben bisher keinen durchgreifenden Erfolg gebracht. Die wichtigsten Zweige der verarbeitenden Industrie sind die Metallurgie, im Bereich der Metallverarbeitung der Kraftfahrzeug- und Schiffbau, der Maschinenbau und die Herstellung elektrotechnischer Erzeugnisse, ferner die chemische Industrie, Reifenproduktion, Nahrungs- und Genussmittelindustrie (u. a. Teigwaren, Obst-, Gemüse-, Fischkonserven, Speiseöl, Käse, Wein), Zementindustrie sowie Textil- und Bekleidungs-, insbesondere die Schuhindustrie. Eine alte Tradition besitzt die Seidenindustrie mit dem Zentrum Como; sie ist in Westeuropa führend. Berühmt ist das italienische Kunsthandwerk mit Zentren in Florenz und Venedig.
 
In der Rohstahlerzeugung hat Italien mit (19983) 25,7 Mio. t weltweit einen Anteil von 3,3 % und liegt hinter Deutschland an 2. Stelle in der EU. Die italienische Automobilindustrie, v. a. durch Fiat vertreten, nimmt mit einer Produktion von (1998) 1,4 Mio. Pkw den 5. Platz in der EU ein. Im Schiffbau liegt Italien mit einem Anteil von (1999) 2,9 % erstellter Schiffstonnage an 4. Stelle der Schiffbaunationen und an 1. Stelle in der EU. Mit an führender Stelle in der Welt liegt die chemische Industrie.
 
Die Größenstruktur der Industrieunternehmen ist sehr heterogen. Es gibt eine Reihe von technologisch hoch stehenden, kapital- und umsatzstarken Großkonzernen, von denen einige Weltgeltung besitzen, vorherrschend ist jedoch der häufig recht patriarchalisch geführte Kleinbetrieb, der sich bei vielen Arbeitskonflikten und in unterschiedlichen Konjunkturlagen als außerordentlich anpassungsfähig erwiesen hat.
 
Dienstleistungssektor:
 
Im Dienstleistungssektor sind (2000) 62,6 % aller Beschäftigten tätig; der Beitrag zur Entstehung des BIP beträgt 66,8 %. Großen Anteil daran hat der Tourismus. Abwechslungsreiche Landschaften (z. B. Alpen, Adriaküste, Riviera), ausgezeichnete touristische Einrichtungen, die Vielseitigkeit der Küche, hervorragende Weine sowie zahlreiche historische Stätten und reiche Kunstschätze locken jährlich etwa 55 Mio. Auslandsgäste ins Land, v. a. aus der Schweiz, aus Deutschland, aus Jugoslawien und Frankreich.
 
Außenwirtschaft:
 
Die Handelsbilanz weist nach zumeist beträchtlichen Defiziten in den 1980er-Jahren seit Beginn der 1990er-Jahre leichte Überschüsse auf. Exporten im Werte von (2000) 236,6 Mrd. US-$ stehen Importe von 235,3 Mrd. US-$ gegenüber. Hauptausfuhrgüter sind Erzeugnisse des Maschinenbaus und der Elektrotechnik, Straßenfahrzeuge, chemische Erzeugnisse, Textilien und Schuhe sowie Nahrungsmittel. Auf der Importseite dominieren Rohstoffe wie Holz und Erze, mineralische Brennstoffe, chemische Erzeugnisse, Erzeugnisse des Maschinenbaus und der Elektrotechnik, Straßenfahrzeuge, EDV-Maschinen, Geräte für die Nachrichtentechnik sowie Prüf- und Kontrollinstrumente. Haupthandelspartner sind die EU-Länder. Aus ihnen werden (1999) knapp 61 % der Importe bezogen. Dieser Anteil ist in den vergangenen Jahren ständig angestiegen. 57,3 % der Ausfuhren gehen in die EU. Sowohl auf der Einfuhr- als auch auf der Ausfuhrseite ist Deutschland seit langem der wichtigste Handelspartner. Die Auslandsinvestitionen liegen in Italien auf niedrigem Niveau. Der schwerfällige bürokratische Apparat, übermäßig hohe Steuerlasten und rigide Verhältnisse am Arbeitsmarkt bremsen die Investitionslust ausländischer Unternehmen. Deutschland und Frankrreich sind die beliebtesten Investitionsstandorte italienischer Unternehmen.
 
Verkehr:
 
Italien verfügt über ein gut ausgebautes Verkehrsnetz. Die Streckenlänge der Eisenbahn beläuft sich auf 16 100 km, wovon rd. 10 000 km elektrifiziert sind. Wichtige Eisenbahnlinien führen, zum Teil durch Tunnel, von Mitteleuropa in die Poebene. Die Alpenübergänge haben sowohl für den Personen- wie für den Güterfernverkehr erhebliche Bedeutung. Das Hochgeschwindigkeitsnetz befindet sich noch im Aufbau.
 
Das Straßennetz hat eine Länge von (1997) knapp 655 000 km; davon entfallen rd. 1 % auf Autobahnen und 7 % auf Nationalstraßen. Mit seinem modern ausgebauten Autobahnnetz nimmt Italien, gemessen an der Gesamtlänge, in Europa nach Deutschland, Frankreich und Spanien den 4. Rang ein. Das Netz wird planmäßig um neue Autobahnen erweitert und in seiner Leistungsfähigkeit verbessert. Bis auf einige Strecken in Süditalien sind die Autobahnen gebührenpflichtig. 1998 wurden 34,3 Mio. Kraftfahrzeuge verzeichnet, darunter 31,4 Mio. Personenkraftwagen. Die Pkw-Dichte beträgt (1998) 596 Pkw je 1 000 Einwohner. Italien hat damit nach Luxemburg und vor Deutschland die zweitgrößte PKW-Dichte der EU-Staaten.
 
Die Handelsflotte nahm von 1980 bis 2000 deutlich ab. Mit einer Flottengröße von 9,44 Mio. BRZ (2000; 1980: rd. 11 Mio. BRT) nimmt Italien nur noch den 20. Rang unter den führenden Schifffahrtsländern ein (Anteil an der Welthandelstonnage: 1,2 %; Deutschland: 24. Rang mit einem Anteil von 0,9 %). Wichtigste Häfen im Güterverkehr sind Genua, Triest und Neapel. Von Triest und Genua führen Rohölpipelines (TAL beziehungsweise CEL) nach Ingolstadt.
 
Wie in anderen europäischen Ländern gewinnt der Luftverkehr zunehmend an Bedeutung. Wichtigste Fluggesellschaft ist die Alitalia. Die bedeutendsten internationalen Flughäfen sind Fiumicino (»Leonardo da Vinci«) bei Rom, Linate in und Malpensa bei Mailand, Capodichino bei Neapel, Caselle bei Turin, »Marco Polo« bei Venedig und Rimini.
 
 
Das Gebiet des heutigen italienischen Staates bildete in nachantiker Zeit bis zum Jahre 1870 keine staatliche Einheit. Der ursprünglich nur geographisch verstandene Begriff Italien gewann politische Bedeutung seit dem 12. Jahrhundert; ungeachtet der staatlichen Zersplitterung wurde, nicht zuletzt durch die gemeinsame Sprache, ein Gemeinschaftsgefühl der Landesbewohner fassbar.
 
Zur Vorgeschichte Mittelmeerraum; Eisenzeit, Etrusker. Zur Geschichte bis 476 n. Chr. römische Geschichte, Römisches Reich; Italia.
 
 Vom Ende des Weströmischen Reiches bis zum Eingreifen Ottos Italien (476-951)
 
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches in der Spätantike wurde Italien Kampfplatz auswärtiger Mächte; die Bevölkerung nahm ab und verelendete. In dem stark barbarisierten Heer dominierten Germanen, längst bevor sie die Herrschaft selbst übernahmen. 476 endete das weströmische Teilkaisertum, als der Skire Odoaker Kaiser Romulus Augustulus absetzte. Trotzdem erwies sich auch in späterer Zeit (besonders im Hochmittelalter, in der Renaissance und wieder zur Zeit des Risorgimento) die römische Reichs- und Kulturtradition als wirkungsmächtig.
 
Odoaker wurde durch den Ostgoten Theoderich der Große (in der Sage: Dietrich von Bern) in byzantinischem Auftrag 493 besiegt und ermordet; eine kurze Friedenszeit begann, aber trotz wirkungsvoller Maßnahmen für wirtschaftliche Besserung und traditionsbewusster Kulturpflege (Boethius, Cassiodor) scheiterten die Ostgoten v. a. am Gegensatz zwischen ihrem arianischen Bekenntnis und dem Katholizismus der Masse der Bevölkerung. Nach Theoderichs Tod (526) und dem schwachen Regiment seiner Tochter Amalasuntha erneuerten die Feldherren Kaiser Justinians I., Belisar und Narses, durch einen Vernichtungskrieg 535-553 die oströmische Herrschaft über Italien, das wegen der Kriegsfolgelasten und überhöhter Besteuerung einen wirtschaftlichen und kulturellen Tiefstand erreichte. 568 brach der germanische Stamm der Langobarden in Oberitalien ein. Sie besetzten die Poebene mitsamt der Toskana, gründeten ein Königreich mit der Hauptstadt Pavia und drangen bis 650 nach Mittelitalien vor (Gründung der Herzogtümer Spoleto und Benevent). In Unteritalien, den Gebieten um Rom und Ravenna sowie einigen Küstenstrichen (Genua, Venedig) dauerte die byzantinische Herrschaft zunächst noch an. Gegen die langobardische Bedrohung riefen die Päpste (Gregor III., Stephan II.) die Franken zu Hilfe, da sie wegen des Bilderstreites keinen Rückhalt mehr in Byzanz fanden. Die Pippinsche Schenkung (754) sicherte dem Papsttum den Besitz von Rom, Ravenna u. a. zu; sie wurde zur Grundlage des Kirchenstaates. Karl der Große eroberte 774 das langobardische Königreich und machte das Herzogtum Spoleto zur fränkischen Mark. Die Herzöge von Benevent blieben selbstständig. Unter Karls Sohn Ludwig dem Frommen begann man, das oberitalienische Königreich als »Reichsitalien« zu bezeichnen.
 
Die islamische Ausbreitung, die während des 8. Jahrhunderts die Einheit des Mittelmeerraumes sprengte, bedrohte im 9. Jahrhundert verstärkt auch Italien. Die Sarazenen eroberten 810 Sardinien und Korsika, 827-902 Sizilien. Der letzte König von Italien und Kaiser aus karolingischem Haus, Ludwig II. (855-875; in zeitgenössischen Quellen »Imperator Italiae« genannt, da seine Regierungstätigkeit auf die Apenninenhalbinsel beschränkt blieb), und Papst Johannes VIII. (872-882) hatten mit ihnen zu kämpfen.
 
Seit dem Tod Ludwigs II. wurden die Kaiserwürde und die Krone Reichsitaliens zum Spielball meist nur kurzzeitig regierender in- und ausländischen Fürsten, dabei vollendete sich die Feudalisierung Ober- und Mittelitaliens. Die Sarazenengefahr ließ nicht nach; seit 889 begannen zudem die Ungarn, ihre Raubzüge bis nach Oberitalien auszudehnen. Auch die süddeutschen Herzöge griffen in die unablässigen Auseinandersetzungen ein, was Otto I. 951 dazu bewog, selbst aktive Italienpolitik zu betreiben. Er vermählte sich mit Adelheid, der Witwe des kurzzeitigen italienischen Königs Lothar von Niederburgund.
 
 Italien unter den deutschen Herrschern (951-1254)
 
Anfänglich versuchte Otto, über den 951 besiegten, aber in Gnaden mit Italien belehnten Berengar II. als Unterkönig Reichsitalien zu regieren. Als Papst Johannes XII. sich jedoch durch Berengar bedroht fühlte, rief er Otto zu Hilfe und bot ihm die Kaiserkrone an. Am 2. 2. 962 wurde Otto als Nachfolger Karls des Großen in Rom gekrönt und gesalbt. Als Folge der schwachen kaiserlichen Machtbasis in Ober- und Mittelitalien mussten sich die deutschen Herrscher auf einheimische Fürsten und Mächtige stützen; v. a. übernahmen die Bischöfe auch politisch-militärische Rechte und Pflichten. Zahlreiche von ihnen wurden von der Krone eingesetzt.
 
Mit Beginn der Kreuzzüge setzte eine stürmische Aufwärtsbewegung der Städte ein. Schon seit der Antike lag der Grad der Urbanisierung in Italien erheblich höher als nördlich der Alpen. Nun drängten die Bürger vermehrt nach Autonomie. Während der Auseinandersetzungen des Investiturstreites verlieh Kaiser Heinrich IV. Lucca und Pisa weit reichende Rechte, andernorts eignete sich die Bürgerschaft das Regiment gewaltsam an. Als mit dem Wormser Konkordat (1122) der Investiturstreit endete und die Krone nicht länger auf die Bestellung der Bischöfe Einfluss nehmen konnte, waren die autonomen Stadtgemeinden bereits politisch weitgehend an deren Stelle getreten. Die kommunale Bewegung ergriff selbst Rom; die Predigten des Arnold von Brescia verstärkten die stadtrepublikanischen Intentionen und die Kritik an der verweltlichten Kirche.
 
In Unteritalien hatten sich seit Beginn des 11. Jahrhunderts einzelne Gruppen von Normannen festgesetzt. Sie weiteten ihre Macht auf Kosten der langobardischen Herzöge, der Byzantiner und schließlich auch der Sarazenen immer weiter aus. Herzog Robert Guiscard trieb bereits eine den gesamten Mittelmeerraum einbeziehende Politik, die v. a. gegen Byzanz gerichtet war. Übergriffe gegenüber dem Kirchenstaat führten wiederholt zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Päpsten, die bei den Kaisern Rückhalt suchten; mehrfach drangen deutsche Heere weit in den Süden der Apenninenhalbinsel vor. Dazwischen lagen Zeiten, in welchen die Normannen die Päpste unterstützten, wenn diese in Spannungen mit den Kaisern gerieten. Robert Guiscard wurde 1059 päpstlicher Vasall; er rettete 1085 Papst Gregor VII. vor dem Heer Heinrichs IV. Vor allem erwies sich Roger II. als geschickter, wenn auch skrupelloser Politiker und wirkungsvoller Regent. Unter ihm wurde Sizilien - d. h. ganz Unteritalien unter Einschluss der Insel - Königreich, die Belohnung des Gegenpapstes Anaklet II. für seinen einzigen Bundesgenossen. Nach siegreicher Schlacht erpresste Roger im Vertrag von Mignano (1139) seine Anerkennung von dem rechtmäßigen Papst Innozenz II. Eine kraftvolle, für jene Zeit höchst ungewöhnliche Monarchie war entstanden, die durch ihre eklektische Kultur und die gegenüber Sarazenen, Juden und Griechen gewahrte Toleranz, aber auch durch die Konzentration der Machtmittel in der Hand der Krone einzigartig war.
 
Friedrich I. Barbarossa hatte dem Papsttum versprochen, nach der Kaiserkrönung (1155) gegen die Normannen vorzugehen, doch verweigerten ihm die deutschen Fürsten ihre Unterstützung. In sechs Italienzügen bemühte sich der Kaiser seit 1154, die Herrschaft in Ober- und Mittelitalien neu zu konsolidieren. Trotz spektakulärer Erfolge (u. a. Kapitulation und Schleifung Mailands 1162) scheiterte er letztlich an der Macht des mit dem Papsttum verbündeten Lombardenbundes. Dennoch erzielte er beträchtliche Gewinne. 1183 wurde in Piacenza und Konstanz Frieden geschlossen. Die Stauferherrschaft über Italien schien durch die Heirat des Thronfolgers Heinrich VI. mit Konstanze, der Erbtochter Rogers II., entscheidend gefestigt. Aber das Papsttum konnte sich nicht damit abfinden, dass der Kirchenstaat von der Kaisermacht im Norden und Süden umklammert wurde. Nach Heinrichs frühem Tod (1197) versuchte Innozenz III., die staufische Einkreisung zu sprengen und die weltliche Herrschaft des Apostolischen Stuhles zu festigen. Die Interessenkonflikte zwischen päpstlicher und weltlicher Macht brachen unter Friedrich II. offen aus. Das Programm des Kaisers zur Wiederherstellung des Imperiums scheiterte mit seinem Tod 1250. Sein einziger legitimer Sohn Konrad IV. erlag schon 1254 einer Infektionskrankheit, die Herrschaft in Sizilien kam an seinen Halbbruder Manfred, der keine Erbansprüche auf Deutschland und Reichsitalien erheben konnte.
 
 Mittel- und Kleinstaaten in Spätmittelalter und Renaissance (1254-1494)
 
Der Tod Friedrichs II. und Konrads IV. bedeutete den Zusammenbruch der Kaisermacht in Ober- und Mittelitalien. Auch in Unteritalien konnten sich die Staufer nicht halten. Manfred fiel 1266 in der Schlacht bei Benevent gegen Karl von Anjou, den Thronkandidaten der Päpste. Auch der Versuch von Konrads IV. Sohn Konradin, das unteritalische Erbe zu gewinnen, scheiterte; der letzte legitime Staufer wurde 1268 in Neapel öffentlich enthauptet. Mit dem Wegfall der Reichsgewalt zersplitterten in Oberitalien und der Toskana die politischen Herrschaften, zumal auch die Städte in Parteikämpfe verstrickt waren (Guelfen und Ghibellinen). Die Zersplitterung machte es vielerorts notwendig, durch die Übertragung außerordentlicher, diktatorischer Befugnisse auf Partei- oder Söldnerführer inneren Frieden zu erzwingen; in zahlreichen Stadtstaaten führte dies zum zeitweiligen oder dauernden Verlust der Autonomie. Das Amt des Stadtherrn (»Signore«) bildete somit eine Übergangserscheinung bei der Verfassungsentwicklung von der Stadtrepublik zum erblichen Fürstenstaat.
 
Anfänglich wurde dieser Prozess durch die Macht der Anjoukönige Unteritaliens gebremst, denn König Karl I. versuchte auch außerhalb seines unmittelbaren Herrschaftsbereiches, die Verhältnisse in seinem Sinn zu gestalten. Aber auf Sizilien erregten sein hartes Regiment und die Übergriffe der französischen Besatzungssoldateska den Volkszorn, der sich in der Sizilianischen Vesper (30. 3. 1282 entlud. Kurz darauf landete König Peter III. von Aragonien, der aufgrund der staufischen Abstammung seiner Gemahlin Erbansprüche erhob, in Trapani. Nach langen Kämpfen kam es 1302 und erneut 1372 zum Friedensschluss: Fortan bildete Sizilien eine aragonesische Sekundogenitur, während das festländische Königreich Neapel den Anjou verblieb. Als diese französische Dynastie 1435 ausstarb, traten die Aragonesen das Erbe an, ganz Süditalien war nun spanischem Kultureinfluss ausgesetzt.
 
Erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts sahen sich die deutschen Könige in der Lage, die Italienpolitik wieder aufzunehmen. Aber Heinrichs VII. Aktivität, die Dante Alighieri mit begeisterten Worten gefordert und begrüßt hat, wurde durch den frühen Tod des Luxemburgers (1313) zunichte gemacht; der Romzug Ludwigs des Bayern, gegen den Willen des Papstes 1327-30 durchgeführt, zwar denkwürdig wegen der Kaiserkrönung durch S. Colonna als Vertreter des römischen Volkes, blieb politisch weithin folgenlos, und die späteren Romzüge Karls IV., Siegmunds und Friedrichs III. gemahnten die Zeitgenossen mehr an Repräsentationsreisen denn an politisch-militärischen Unternehmungen. Das Kaisertum war endgültig aus dem politischen Kräftespiel der Apenninenhalbinsel ausgeschieden.
 
Auch in Mittelitalien hatte die Krise der Universalgewalten zeitweilig erhebliche Folgen. Das Papsttum unter dem machtbewussten Bonifatius VIII. war in einen scharfen Konflikt mit Frankreich geraten; 1305 übersiedelten die Päpste auf französischem Druck für 70 Jahre nach Avignon. Trotz weit reichenden militärischen und finanziellen Engagements der Kurie löste sich der Kirchenstaat faktisch in eine Vielzahl unabhängiger Stadtrepubliken und kleinerer Herrschaften auf. Der Konsolidierungsversuch des spanischen Kardinals G. Albornoz endete nach dessen Tod 1367, brachte aber dem Kirchenstaat eine Anzahl wirkungsvoller Gesetze, die bis ins 19. Jahrhundert in Kraft blieben. Das Abendländische Schisma (1378-1417) war mit weiteren Rückschlägen verbunden. Erst das Renaissancepapsttum von Martin V. bis zu Julius II. nahm die Förderung der staatlichen Organisation des Gebiets wieder auf; doch blieb der Kirchenstaat bis zum Risorgimento ein rückständiges, im Ganzen schlecht verwaltetes Gebilde.
 
In der Poebene und der Toskana verringerte sich im Laufe des 14. Jahrhunderts die Überzahl faktisch unabhängiger Stadtstaaten und Herrschaften. Einige alte Fürstenhäuser wie das Haus Savoyen in Piemont erweiterten erfolgreich ihren Machtbereich; v. a. gelangten mehrere Signorien zu weit gespannter Territorialherrschaft und schließlich zu landesfürstlicher Würde. Namentlich die Visconti von Mailand, die Este von Ferrara, Modena und Reggio, die Gonzaga von Mantua und - wenigstens zeitweilig - die Scaliger von Verona und die Carrara von Padua errichteten echte Flächenstaaten. Von epochaler Bedeutung wurde, dass der aristokratisch geleitete Inselstaat Venedig bald nach 1400 erfolgreich daran ging, auf dem Festland, der Terraferma, ein umfängliches Territorium zu erwerben. Während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts konzentrierte sich die politisch-militärische Macht auf der Halbinsel in den folgenden Staaten: im Herzogtum Mailand der Visconti, in der Republik Venedig, im florentinischen Stadtstaat der Medici, der äußeren Form nach noch ein republikanisches Gebilde, im Kirchenstaat und den beiden unteritalischen Königreichen Neapel und Sizilien, die 1435 zusammengefasst wurden. Im Gleichgewicht dieser Mächte sahen scharfsinnige Zeitgenossen den Frieden Italiens verbürgt; v. a. die geschickte Politik Cosimos de' Medici war auf dieses Ziel gerichtet. Es fehlte zwar nicht an erbitterten Gegensätzen, welche die Staatswesen durch Söldner auszukämpfen suchten, deren Führer (»Condottieri«) wiederholt selbst eigene Fürstentümer erwarben. Alle inneren Gegensätze wurden im Frieden von Lodi (1454) beigelegt, nachdem durch die osmanische Eroberung von Konstantinopel (1453) ein gemeinsamer äußerer Feind Italien bedrohte (Landung osmanischer Truppen in Otranto 1480). Die Abschließung des östlichen Mittelmeerraums durch die osmanische Ausbreitung und die Verlagerung des Welthandels an die atlantischen Küsten führten zwar zu wirtschaftlichen Rückschlägen, denn Italien hatte v. a. am Orienthandel verdient. Doch brachte die Friedensperiode in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Entfaltung von Kunst und Kultur der Renaissance, Gelehrsamkeit und Literatur des Humanismus, wodurch Italien zum Lehrmeister für ganz Europa wurde.
 
 Kampf europäischer Mächte um die Vorherrschaft (1494-1796)
 
Mit dem - an der Heiligen Liga von Papst, Kaiser, Mailand, Venedig und Spanien gescheiterten - Zug Karls VIII. von Frankreich nach Neapel (1494/95), das er als Erbe der Anjou in Besitz nehmen wollte, und den Interventionen seines Nachfolgers Ludwig XIItalien in Mailand und Neapel 1499/1501 begann das Ringen zwischen Frankreich, Spanien und dem Reich um die Vorherrschaft auf der italienischen Halbinsel. Das zwang die italienischen Staaten zunächst zu wechselnden Bündnissen mit Frankreich oder dem (seit 1496 Spanien dynastisch verbundenen) Haus Habsburg oder ließ sie versuchen, gegeneinander ihren Territorialbesitz auszudehnen. Die Krise, reflektiert im politischen Denken N. Machiavellis, erschütterte die meisten Herrschaftsverhältnisse (u. a. C. Borgia, G. Savonarola). Mailand blieb vorläufig französisch, doch gewann Ferdinand II., der Katholische, 1504 Neapel zurück und unterstellte es als Vizekönigreich der spanischen Krone. 1508 verbündeten sich Kaiser Maximilian I., Ludwig XII., Ferdinand II., einige kleinere italienische Staaten und später auch Papst Julius II. in der Liga von Cambrai gegen Venedig und nahmen diesem 1509 (Schlacht bei Agnadello, Provinz Cremona) vorübergehend die Terraferma; es musste auf weitere Expansion verzichten, während seine wirtschaftliche Bedeutung infolge der neu entdeckten Seehandelswege und der levantinischen Verluste an die Osmanen zurückging. 1510 aber einigte sich Julius II. mit Venedig und erneuerte die antifranzösische Heilige Liga, der trotz der Hilfe der Eidgenossen (Sieg der Schweizer bei Novara, 1513) der Erfolg versagt blieb (Sieg der Franzosen bei Marignano, 1515). Das Ringen um die Vorherrschaft in Italien führte zu vier langwierigen und blutigen Kriegen zwischen Franz I. von Frankreich und Kaiser Karl V. Mit der Schlacht von Pavia (1525), bei der Franz I. gefangen genommen wurde, war der Kampf um Mailand gegen Frankreich entschieden. Das bestätigte der zweite Krieg (1527-29) gegen die Liga von Cognac, in dem 1527 eigenmächtige habsburgische Söldner den Papst zur Kapitulation zwangen (Sacco di Roma) und Andrea Doria mit der genuesischen Flotte auf die Seite Karls V. trat. Im Damenfrieden von Cambrai 1529 verzichtete Frankreich zugunsten der Habsburger auf Neapel und Mailand, das 1535 nach dem Tod Francesco Sforzas an Spanien fiel. Nach der endgültigen Verdrängung Frankreichs und der Teilung des habsburgischen Besitzes (nach der Abdankung Karls V.) ordnete der Friede von Cateau-Cambrésis 1559 Italiens Staatenwelt neu im Zeichen der Vorherrschaft Spaniens. Dessen Besitz von Neapel, Sizilien, Sardinien und Mailand sowie des Stato dei Presidi wurde anerkannt, zudem wurden vielfach Dynastien, die den Habsburgern genehm waren, wieder eingesetzt. Die Medici, 1494 mit französischer Hilfe aus Florenz vertrieben und nach Rückkehr (1512) und abermaliger Vertreibung (1527-30) 1531 zu Herzögen erhoben, wurden seit Cosimo I. (1569) erbliche Großherzöge der seit 1555/57 auch Siena einschließenden Toskana; Parma und Piacenza, 1545 als erbliches Herzogtum der Farnese gegründet, verblieb wie Genua zunächst im habsburgischen Einflussbereich; unter Emanuel Philibert erhielt das Herzogtum Savoyen 1559 seine seit 1536 französisch besetzten Länder zurück, das piemontesische Turin wurde zum Zentrum ihres frühabsolutistischen Staates. Die Machtstellung der Renaissancepäpste hatte durch ihre schwankende Allianzpolitik, den übersteigerten Nepotismus, den Siegeszug der Reformation und die Konfessionalisierung der Kirche schwerste Einbußen erlitten. Zur Neukonsolidierung des Papsttums trugen v. a. das Tridentinum, die Erfolge von Gegenreformation und katholischer Reform, die Ausgleichsbemühungen der päpstlichen Diplomatie zwischen den katholischen Mächten sowie die Eingliederung der Herzogtümer Ferrara (1598) und Urbino (1631) in den inzwischen absolutistisch organisierten Kirchenstaat bei.
 
Die außerordentliche Wirtschaftsblüte Italiens bis ins 16. Jahrhundert geriet durch die Verlagerung der Welthandelswege, das Aufkommen der großen Wirtschaftszentren in Westeuropa und seit Beginn des 17. Jahrhunderts auch durch englische und niederländische Konkurrenz im Levantehandel (Aufstieg von Livorno) in eine Krise. Agrarkrisen, feudalherrschaftliche und fiskalische Ausbeutung der spanisch-italienischen Staaten lösten regionale Volksaufstände aus (1647/48 in Palermo und Neapel, 1674 und 1678 in Messina). Die gesamthabsburgisch-französische Frontstellung während des Dreißigjährigen Krieges wirkte sich auch in Italien aus. Vor dem und im Mantuanischen Erbfolgekrieg (1628-31) gelang es Richelieu erstmals wieder, französischen Einflusszonen in Oberitalien (Veltlin, dann Pinerolo in Piemont) zu schaffen, in die nach dem Pyrenäenfrieden (1659) auch Parma und Modena einbezogen wurden. Die wachsende Bedrohung durch die Osmanen veranlasste die engere Zusammenarbeit zwischen dem Papsttum und Venedig, das in seinen Türkenkriegen (1645-71, 1684-99) 1669 Kreta verlor, im Frieden von Karlowitz (1699) aber Morea (bis 1718), die Ionischen Inseln und Teile Dalmatiens behaupten konnte. Neue Konkurrenz erwuchs ihm im habsburgischen Anspruch auf eigenen Adriahandel (Triest 1719 Freihafen).
 
Das bourbonisch-habsburgische Ringen um das spanische Erbe in Italien nach dem Aussterben der spanischen Habsburger (1700) leitete zugleich mit dem Aussterben der meisten (außer Savoyen) einheimischen Dynastien einen tief greifenden territorialen Herrschaftswechsel ein. Nach dem Spanischen Erbfolgekrieg, der Österreich zunächst im Frieden von Rastatt 1714 mit Neapel, Sardinien, Mailand und Mantua im Besitz seines spanischen Erbes bestätigte, demgegenüber sich nur Savoyen mit dem Gewinn des Königreichs Sizilien (1720 gegen das österreichische Sardinien getauscht) behauptete, wurde Italien als Objekt der Politik des Gleichgewichts der europäischen Mächte Kampfplatz der spanisch-bourbonischen, von der Gemahlin König Philipps V., Elisabeth Farnese, verfolgten Italienpolitik, des Polnischen Thronfolgekriegs und des Österreichen Erbfolgekriegs. Nach mehrfachem Ländertausch wurden 1748 im Aachener Frieden abschließend die Territorialverhältnisse bestätigt. Die agrarwirtschaftlich führende Lombardei war nun österreichisch; die Toskana war 1737 nach dem Aussterben der Medici an Franz Stephan von Lothringen gekommen, den Gemahl Maria Theresias. Über die beiden Königreiche Neapel und Sizilien herrschte seit 1738 eine Sekundogenitur der spanischen Bourbonen; bourbonisch war seit dem Aussterben der Farnese (1731) auch Parma-Piacenza. Das Haus Savoyen war in seinem dynastischen Machtstreben nach dem Aufstieg zur Königswürde (Sardinien) und Erwerb der westlichen Lombardei zu europäischem Rang aufgerückt. Die Republiken Venedig (in der Adria in immer erfolgloserem Kampf gegen türkische Seeräuber), Genua (Verkauf des aufständischen Korsika an Frankreich 1768) und Lucca und der außenpolitisch unbedeutend gewordene Kirchenstaat konnten sich noch behaupten. Die habsburgischen und bourbonischen Staaten, nicht aber Sardinien-Piemont erlebten in der Friedenszeit 1748-92 eine Reihe von Rechts-, Wirtschafts-, Schul- und Verwaltungsreformen (Zentren v. a. Mailand, Florenz und Neapel) im Geiste des aufgeklärten Absolutismus.
 
 Französische Herrschaft und Wiener Kongress (1796-1815)
 
Die Französische Republik annektierte 1792, sofort nach ihrer Proklamation, Savoyen und Nizza. 1796 eroberte General Napoléon Bonaparte die Lombardei von Österreich, überließ ihm aber 1797 im Frieden von Campoformio die Republik Venedig östlich der Etsch. Im übrigen Italien gründete er die Zisalpinische (1796/97: u. a. die Lombardei, westliches Venetien, päpstliche Romagna), die Ligurische (1797: Republik Genua), die Römische (1798: restliche Kirchenstaat) und die Parthenopeische Republik (1799: Königreich Neapel). Diese Staatsgebilde scheiterten 1799 am patriotisch-bäuerlichen, antirevolutionären und kirchentreuen Widerstand und gingen in der neuen »Italienischen Republik« auf, für die die italienischen Notabeln 1802 in Lyon den Ersten Konsul Bonaparte zum Präsidenten wählten. Seit 1804 Kaiser der Franzosen, krönte Napoleon I. sich 1805 mit der Eisernen Krone der Lombardei zum König des um Venetien vergrößerten »Königreichs Italien«. Er annektierte als französische Départements 1802 Piemont, 1805 Genua/Ligurien, 1808 Parma und kurz die Toskana, die seit 1801 bourbonisches »Königreich Etrurien« war, und schließlich 1809 Rom als »zweite Stadt« des Reichs, zu dessen König er 1811 seinen eben geborenen Sohn machte. An Familienangehörige gab Napoleon u. a. das Königreich Neapel, zuerst 1806 an seinen Bruder Joseph Bonaparte, dann 1808 an seinen Schwager J. Murat. Nur auf den Inseln hielten sich, geschützt von der britischen Flotte, die Savoyer auf Sardinien und die neapolitanischen Bourbonen auf Sizilien. Vor allem im Norden wirkten langfristig die Zentralisierung der Bürokratie und Modernisierung des Bildungswesens nach französischem Muster, die Einführung des »Code Napoléon« und Infrastrukturverbesserungen nach.
 
Trotz des Zusammenbruchs der französischen Herrschaft 1814 in Ober- und Mittelitalien konnte Murat das Königreich Neapel zunächst halten; sein Versuch, bei der Rückkehr Napoleons aus Elba 1815 ganz Italien zu erobern, scheiterte aber am Bündnis Österreichs mit seinem bourbonischen Thronrivalen Ferdinand IV., der ihn verhaften und erschießen ließ. Der Wiener Kongress 1814/15 stellte nach dem Legitimitätsprinzip den Kirchenstaat und die größeren Monarchien Italiens wieder her: Das Königreich Sardinien erhielt Nizza zurück und wurde um das Gebiet der alten Republik Genua vergrößert; die Lombardei wurde mit dem alten Venedig zum »Lombardo-Venezianischen Königreich« vereinigt, das an Österreich fiel und von Wien aus regiert wurde; die habsburgisch-lothringische Sekundogenitur in der Toskana wurde wieder errichtet; habsburgisch regiert wurden nun auch Modena, Lucca und Parma-Piacenza, das 1847 nach dem Tod der Witwe Napoleons, der Erzherzogin Marie Louise, an habsburgfreundliche Bourbonen fiel. Im Süden vereinigte der Bourbone Ferdinand IV. Neapel und Sizilien 1816 zum »Königreich beider Sizilien«. Insgesamt befestigte die von Fürst Metternich betriebene monarch. Restauration die österreichische Hegemonie über Italien, wenn auch sein Plan einer »Lega Italica« nach dem Vorbild des Deutschen Bundes an Sardinien-Piemont und am Kirchenstaat scheiterte.
 
 Zeitalter des Risorgimento (1815-70)
 
Beim gebildeten Bürgertum wie bei fortschrittlichen Adligen wuchs durch die weit greifenden Reformen des 18. Jahrhunderts und der napoleonischen Zeit der Wunsch nach politischen Mitwirkungsrechten und nationale Selbstständigkeit (»Risorgimento«, nationales »Wiedererstehen«, Titel einer Ende 1847 in Turin von C. Benso Graf Cavour mitbegründeten Zeitschrift). Geheimbünde (z. B. die Carboneria) kämpften gegen Restauration und österreichischer Hegemonie. Erster offener Widerstand 1820/21, nach der spanischen Revolution, in Sardinien-Piemont und Neapel sowie 1831, nach der französischen Julirevolution, im Kirchenstaat, in Modena und Parma wurde durch österreichische Intervention niedergeschlagen.
 
Die vielfach in die Emigration gezwungenen Wortführer des Risorgimento vertraten sehr unterschiedliche Konzeptionen: G. Mazzini, Gründer der Gruppe Giovine Italia, erstrebte eine aus sich selbst geeinigte unitarisch-demokratische Republik; Carlo Cattaneo (* 1801, ✝ 1869) bevorzugte eine republikanische Föderation; V. Gioberti, Führer der »Neoguelfen«, sah im Rückblick auf das Mittelalter Kirche und Papsttum (und den nach seiner Wahl 1846 noch liberal scheinenden Papst Pius IX.) als einigende Kräfte einer italienischen Föderation; C. Graf Balbo und M. d'Azeglio erwarteten dagegen vom Haus Savoyen durch Reformen die Führung gegen Österreich.
 
Nach ersten Hungerunruhen 1847 begann das europäische Revolutionsjahr 1848 mit dem sizilianischen Aufstand; Repräsentativverfassungen nach französischem Vorbild wurden nun für beide Sizilien (1849 suspendiert), Toskana (1852 aufgehoben) und Sardinien-Piemont gewährt (»Statuto Albertino« vom 4. 3. 1848, als Verfasser des geeinten Königreichs Italien bis zum Ende der Monarchie 1946 in Kraft). Nach antiösterreichischen Aufständen in Mailand (unter Cattaneo) und in Venedig (Republik bis 24. 8. 1849 unter D. Manin) erklärte König Karl Albert von Sardinien Österreich den Krieg, der zunächst zur Niederlage von Custoza (25. 7. 1848gegen Feldmarschall J. W. Graf Radetzky), dann zur Niederlage von Novara (23. 3. 1849 und zu seinem Rücktritt zugunsten seines Sohnes Viktor Emanuel II. führte. Trotz des Erstarkens der Gegenrevolution wurde Ende 1848 Pius IX. aus dem Kirchenstaat vertrieben (im Exil in Gaeta wandte er sich endgültig dem Antiliberalismus zu) und in Rom die Republik (unter Mazzini und G. Garibaldi) ausgerufen, die sich bis Juli 1849 gegen die französischen Truppen unter Louis Napoléon (dem späteren Napoleon III.) verteidigen konnte, der mit Rücksicht auf seine katholische Wähler zugunsten des Papstes intervenierte wie vorher schon Österreich gegen die toskanische Republik (Januar 1849, zugunsten des Habsburgers Leopold II.).
 
Die anschließende Stagnation und Reaktion (Belagerungszustand im österreichischen Oberitalien bis nach dem Krimkrieg 1856, absolutistische Willkürherrschaft im bourbonischen Neapel-Sizilien) verschob das Zentrum des Risorgimento in das savoyische Sardinien-Piemont, das Verfassung und Parlament beibehalten hatte. Hier setzte unter d'Azeglio (Ministerpräsident 1849) und dem vom englischen Liberalismus geprägten Cavour (Ministerpräsident 1852) eine wirtschaftliche Modernisierung mit Freihandel, Eisenbahnbau und Agrar- sowie Bankenförderung ein. Cavour stützte sich auf ein breites Bündnis seiner gemäßigt-liberalen »Destra storica« (»Historische Rechte«) mit der gemäßigten »Linken« (Klostersäkularisation 1855), wodurch das Land de facto parlamentarisch regiert war. Außenpolitisch sicherte er Sardinien-Piemont durch die Beteiligung (Januar 1855) am Krimkrieg die Unterstützung Napoleons III. gegen Österreich; der französische Kaiser suchte Hoffnungen auf eine erneuerte französische Vormacht in Europa mit Sympathien für nationale Bewegungen - trotz starker Bindung an Papst und Kirchenstaat - zu verbinden. Inneritalischen Rückhalt fand der Kurs Cavours bei der von Manin 1857 gegründeten »Società Nazionale«, gegen ihn standen die Republikaner um Mazzini, von denen sich aber Garibaldi zu begrenzter Kooperation mit der Monarchie löste.
 
1858 stellte Napoleon III. - gegen Abtretung von Nizza und Savoyen - eine Erweiterung von Sardinien-Piemont um das noch österreichische Norditalien (Befreiung »bis zur Adria«) in Aussicht; die italienische Einheit sollte aber nur in loser Föderation unter päpstlichem Primat bestehen. Ein österreichisches Ultimatum provozierte 1859 den Krieg mit Sardinien und Frankreich, der unter Beteiligung der »Società Nazionale« auch in der Toskana und der päpstlichen Emilia-Romagna zu nationalen Erhebungen mit dem Ziel des Anschlusses an Sardinien-Piemont führte. Napoleon III. brach den Krieg deshalb nach dem Sieg von Solferino (24. 6. 1859 im Vorfrieden von Villafranca (11. 7. 1859, bestätigt im Frieden von Zürich) ab, der Sardinien-Piemont nur die Lombardei zusprach, während Venetien bei Österreich blieb. Frankreich erwarb Nizza und Savoyen schließlich, nachdem es 1860 dem Anschluss (nach Plebisziten) von Modena, Parma, der Emilia-Romagna und Toskana an Sardinien-Piemont zugestimmt hatte. Im Mai 1860 landete Garibaldi mit einem Freiwilligenkorps (»Zug der Tausend«) auf Sizilien und eroberte es, gestützt auf die unzufriedene Landbevölkerung; nach seinem - auf Rom zielenden - Übergang auf das unteritalische Festland stürzte die bourbonische Monarchie auch in Neapel. Im September 1860 besetzten sardinische Truppen unter dem Vorwand, den Papst vor einem Angriff Garibaldis zu schützen, die Marken und Umbrien. Auch hier und in Süditalien bestätigten Plebiszite den Anschluss, von dem unter dem Druck des vatikanfreundlichen Frankreich nur der Restkirchenstaat (Latium) ausgespart blieb. Nach ersten Parlamentswahlen im Januar 1861 wurde am 17. 3. 1861 das »Königreich Italien« unter Viktor Emanuel II. proklamiert. Entgegen den Hoffnungen der für eine verfassunggebende Versammlung plädierenden Linken vollzog sich diese Einigung letztlich doch als »königliche Eroberung«, d. h. als schrittweise Übertragung der sardinischen Verfassung (von 1848) und der nach französischem Vorbild zentralisierten, in Provinzen gegliederten, von Präfekten geleiteten Verwaltungsordnung auf das übrige Italien. Ein hohes Zensuswahlrecht (1861: wahlberechtigt 1,9 % der Bevölkerung, durchschnittlich 540 Stimmen für ein Abgeordnetenmandat) beschränkte die politische Repräsentation auf eine schmale liberal-konservative Oberschicht. Besonders schwer lastete die Neuordnung auf Süditalien, wo die Treue zur vertriebenen, vom Vatikan unterstützten Bourbonendynastie, die - neue - Wehrpflicht und eine dem Übergang zum Freihandel nicht gewachsene Wirtschaftsstruktur ein politisch motiviertes Brigantenwesen hervorriefen, dessen blutige Unterdrückung bis zu 100 000 Mann regulärer Truppen beschäftigte. Hier sowie in der ausbleibenden Landreform, die die zurückgebliebenen Wirtschafts- und Sozialstrukturen verfestigte, liegen u. a. die Ursachen für die bis heute bestehenden Probleme des Mezzogiorno.
 
Durch die Leistung Cavours, dessen plötzlicher Tod im Juni 1861 für das Land einen schweren Verlust bedeutete, wurde Italien - anders als Deutschland - so zu einem parlamentarischen Staat mit begrenzten Rechten des Monarchen und Verantwortlichkeit der Minister vor dem Zweikammerparlament. Erst spät aber kam es, wegen persönlicher Patronage für lokale Klientelgruppen, zur Bildung moderner Parteien.
 
Die Einigung 1859/60 umfasste noch nicht die ganze Nation. Der Erwerb Venetiens von Österreich gelang durch die Teilnahme am Deutschen Krieg 1866 an der Seite Preußens, obwohl die Landschlacht bei Custoza und die Seeschlacht bei Lissa von Österreich gewonnen wurden. Schwieriger war die Lösung der Römischen Frage. Zwei Misserfolge Garibaldis (Aspromonte 1862, Mentana 1867) zeigten, dass dieses mit der großen europäischen Politik verknüpfte Problem nicht im Handstreich zu lösen war. Die in der Septemberkonvention 1864 mit Frankreich vereinbarte, 1865 realisierte Verlegung der Hauptstadt von Turin in das zentraler gelegene Florenz deutete auf eine längere Übergangszeit. Der Abzug der französischen Truppen aus Rom nach Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 erlaubte die Einnahme der Stadt (20. 9. 1870. Der Restkirchenstaat wurde annektiert und Rom 1871 zur Hauptstadt erklärt. Den Erlass des Garantiegesetzes 1871 lehnte Pius IX. ab. Er und seine Nachfolger erklärten sich zu »Gefangenen im Vatikan«, und die Enzyklika »Non expedit« (1874) verbot den Katholiken Italiens die Teilnahme an überregionalen Wahlen.
 
 Der liberale Einheitsstaat (1870-1914)
 
Der zunächst unlösbare Konflikt mit der Kirche belastete den jungen Einheitsstaat im Innern durch die Entfremdung breiter katholischer Schichten, nach außen durch die Bestrebungen des Vatikans zur Wiederherstellung des Kirchenstaats. Wirtschaftlich stagnierten 1860-80 die Durchschnittseinkommen, im Süden begann die Massenemigration der Landlosen. Mit unpopulärem Steuerdruck gelang es der noch von Cavour geprägten gemäßigten »Rechten« (profranzösisch, stark im Norden) zwar dennoch, die Staatsfinanzen zu konsolidieren, doch wurde sie 1876 auf Initiative der Kammer durch die gemäßigt liberal-antiklerikale »Linke« (stark bei den Honoratioren des Südens) abgelöst. Sie schaffte unter Ministerpräsident A. Depretis die (das Brot verteuernde) Mahlsteuer ab, führte die kostenfreie Schulpflicht ein und erhöhte in einer ersten Wahlreform 1882 den Anteil der Wahlberechtigten von 2,2 % auf 6,9 % (im Süden weniger). Depretis' Taktik, durch Erfüllung von Anliegen lokaler Klientel unabhängig von politischen Lagern zu regieren, verzögerte erheblich die Bildung und straffe Organisation von Parteien. Im Bündnis von nördlicher, stark mit dem Staat verbundener Industrie und südlichen Großagrariern ging Italien 1887 zu protektionistischer Außenhandelspolitik über und leitete einen zehnjährigen Handelskrieg mit Frankreich ein.
 
Auch der Zusammenschluss mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich im Dreibund 1882 war gegen Frankreich gerichtet (französische Besetzung von Tunis 1881); für seine Ansprüche auf Trient und Triest erreichte es 1887 einen unpräzisen Kompensationsanspruch im Falle österreichischer Erwerbungen auf der Balkanhalbinsel; die noch frankophil-republikanische Irredenta wurde zeitweise verboten. Nun begann auch mit der Besetzung von Häfen in Eritrea und der Bildung des Protektorats Italienisch-Somaliland eine italienische Kolonialpolitik; seit 1887 betrieb der neue Ministerpräsident F. Crispi die Eroberung ganz Äthiopiens; sie scheiterte 1896 mit der verheerenden Niederlage von Adua, die ihn zum Rücktritt zwang. Im Innern unterdrückte er nach sozialen Unruhen (z. B. 1892/93 in Sizilien durch die Fasci dei lavoratori) auch die Opposition der entstehenden sozialistisch-marxistischen (Gründung des »Partito Socialista Italiano«, Abkürzung PSI, 1892) und katholischen (Selbsthilfebewegung seit der Sozialenzyklika »Rerum Novarum« Papst Leos XIII. von 1891) Arbeiterbewegung.
 
Dieser autoritäre Kurs stieß auf wachsenden Widerstand (1898 Generalstreik in Mailand) und führte nach der Ermordung (1900) König Umbertos I. unter dem neuen König Viktor Emanuel III. (1900-46) und dem linksliberalen G. Giolitti (Innenminister 1901-03, Ministerpräsident 1903-05, 1906-09 und 1911-14) zu einer Politik innerer Reformen, beginnend mit einer trotz Steuersenkungen gelungenen Haushaltssanierung, die vom Wirtschaftswachstum und dem Beginn der Hochindustrialisierung in Norditalien begünstigt war. Giolitti suchte die gleichzeitige Integration von reformistischer Arbeiterbewegung (durch Zugeständnisse wie Streikrecht, Arbeiterschutz, Sozialversicherung) und sich formierender - 1904 mit päpstlicher Billigung Wahl erster katholischer Abgeordneter - antisozialistisch-katholische Bewegung (durch Abbau des Antiklerikalismus) in die Monarchie. Abkommen mit Frankreich (1900/02) und Russland (1909) gaben Italien außenpolitische Bewegungsfreiheit, die im begrenzten Italienisch-Türkischen Krieg 1911/12 den Erwerb der libyschen Gegenküste (Cyrenaika und Tripolis) und des Dodekanes brachte. Seit 1910 bildete sich eine gut organisierte nationalistische Rechte (E. Corradini), die irredentistische Ziele expansiv (E. Tolomei als Propagator der Brennergrenze) übernahm. Nach der Wahlreform (1912), die mit einem fast allgemeinen Männerwahlrecht den Anteil der Wahlberechtigten von 8,3 % auf 23,2 % steigen ließ, siegte Giolitti trotz Gewinnen rechter und linker Extremisten zwar noch einmal in den Wahlen von 1913 durch ein Wahlbündnis mit den Katholiken, verlor so aber den Rückhalt bei den Antiklerikalen und trat im März 1914 zurück.
 
 Erster Weltkrieg und Nachkriegszeit (1914-22)
 
Die neue rechtsliberale Regierung unter A. Salandra (1914-16) beendete 1914 den Integrationskurs (Niederschlagung der Streikbewegung der Settimana rossa in Oberitalien) und blieb bei Kriegsausbruch neutral. Die Agitation einer das Land tief spaltenden heterogenen Koalition aus Radikaldemokraten, revolutionären Sozialisten, Rechtsliberalen und Nationalisten führte nach dem Scheitern von Kompensationsverhandlungen mit Wien und nach dem Abschluss des mit den Alliierten ausgehandelten Londoner Vertrags (26. 4. 1915 Aussicht außer auf Trient und Triest auch auf Südtirol und Dalmatien, nicht aber auf Fiume) gegen den Willen Giolittis und der eingeschüchterten, eigentlich neutralistischen Parlamentsmehrheit zum Kriegseintritt gegen Österreich-Ungarn (23. 5. 1915, dem unter dem Druck der Alliierten am 28. 8. 1916 die Kriegserklärung an das Deutsche Reich folgte. Die Erwartungen Salandras, durch einen kurzen, siegreichen Krieg die Vorherrschaft der Konservativen zu festigen, wurden durch den jahrelangen, in zwölf Isonzoschlachten vergeblichen Ansturm auf die österreichische Alpenfront widerlegt. Der deutsch-österreichische Durchbruch von Karfreit (Caporetto) im Oktober 1917 brachte Italien an den Rand der Niederlage. Erst die Schlussoffensive vom Oktober 1918 traf die sich auflösende Donaumonarchie entscheidend (Waffenstillstand von Villa Giusti, 3. 11. 1918).
 
1919-20 nahm Italien an den Pariser Friedenskonferenzen teil, konnte jedoch nur einen Teil seiner Kriegsziele durchsetzen. Im Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye mit Österreich (10. 9. 1919 gewann es Trient, Südtirol (bis zum Brenner), Görz, Triest und Istrien, ferner Zara (Zadar); zugunsten des neu geschaffenen »Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen« (später »Jugoslawien«) musste es seine Ansprüche auf Dalmatien und Fiume (Rijeka) zurückstellen. Der Friedensvertrag von Sèvres mit dem Osmanischen Reich (10. 8. 1920 sprach Italien Rhodos und die Inselgruppe des Dodekanes zu (bestätigt durch den Frieden von Lausanne, 24. 7. 1923). Als Anführer einer Freischar verhinderte G. D'Annunzio 1919/20 die Internationalisierung Fiumes. Durch den Vertrag von Rapallo (12. 11. 1920) erhielt dieses jedoch den Status eines Freistaates. Die politische Enttäuschung über den »verlorenen Sieg« und die wirtschaftliche Krise (infolge des Krieges) führte zu starken inneren Gegensätzen, die Italien an den Rand des Bürgerkriegs brachten. Die Sozialisten (PSI) konnten sich weder zu einer konsequent revolutionären Politik noch zu einer gemeinsamen Regierungsverantwortung mit den liberalen Kräften des Bürgertums entschließen. Die von L. Sturzo geführte katholische Volkspartei (»Partito Popolare Italiano«, PPI, gegründet 1919) lehnte sowohl eine Zusammenarbeit mit den Liberalen als auch mit den Sozialisten ab; infolgedessen lähmten sich die stärksten politischen Kräfte des Landes im Parlament gegenseitig. Sozial motivierte Unruhen (Fabrik- und Landarbeiterstreiks, Besetzung von Fabriken in Oberitalien) förderten den von dem früheren Sozialisten B. Mussolini geführten Faschismus, der sich seit seiner scharfen Wendung nach rechts, gestützt auf die Aktivistengruppen (Squadre d'azione) zu einer gewalttätigen Massenbewegung entwickelte. Als vermeintliche Ordnungskraft wurde der Faschismus von Unternehmern, Großgrundbesitzern und Behörden unterstützt. Ministerpräsident Giolitti (1920/21) versuchte, die faschistische Bewegung in das bestehende politische System einzubinden. Die Regierung unter Ministerpräsident Luigi Facta (1922) konnte die bürgerkriegsähnlichen Kämpfe zwischen den Faschisten (seit 1921 als Partei im »Partito Nazionale Fascista«, PNF, organisiert) einerseits sowie Sozialisten und Kommunisten (seit 1921 als »Partito Comunista Italiano«, PCI, abgespalten) andererseits nicht beenden. Durch Verhandlungen nach allen Seiten und mithilfe einer vom PNF organisierten militanten Demonstrationsbewegung erreichte Mussolini, dass König Viktor Emanuel III. ihn am 29. 10. 1922 an die Spitze einer Koalitionsregierung berief.
 
 Die Zeit des Faschismus (1922-43/45)
 
Nach seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten baute Mussolini zunächst seine persönliche Machtstellung aus (u. a. In-Kraft-Treten eines »Ermächtigungsgesetzes« am 3. 12. 1922). Während die Sozialisten und Kommunisten (A. Gramsci) von Anfang an in scharfer Opposition zu Mussolini standen, beteiligten sich die bürgerlichen Kräfte (einschließlich des PPI) zunächst an seiner Regierung, da sie in der faschistischen Bewegung eine für die Beruhigung der innenpolitischen Situation nützliche Kraft sahen. Mit der Gründung der »Milizia volontaria per la sicurezza nazionale« (»Freiwillige Miliz für die nationale Sicherheit«) im Januar 1923 suchte Mussolini seine Gegner innerhalb und außerhalb seiner Bewegung zu kontrollieren und abzuschrecken. Ein neues Wahlgesetz (»Legge Acerbo«, November 1923), nach dem die stärkste Partei mit mindestens einem Viertel der Stimmen zwei Drittel aller Parlamentssitze erhalten sollte, sicherte bei den Wahlen vom April 1924 den Faschisten eine starke Mehrheit in der Abgeordnetenkammer. Nach der Ermordung des sozialistischen Abgeordneten G. Matteotti (10. 6. 1924 sah sich die faschistische Bewegung innerhalb des Parteienfeldes isoliert. Mit dem Auszug der sozialistischen, PPI- und eines Teils der liberalen Abgeordneten aus dem Parlament (27. 6. 1924 Aventinianer) bildete sich eine aus allen nichtfaschistischen politischen Kräften des Landes zusammengesetzte Opposition (Antifaschismus). Der mit dem Parlamentsauszug unternommene Versuch, Mussolini zu stürzen und die Rechtssicherheit wiederherzustellen, scheiterte an der zögernden Haltung der Krone. Mithilfe faschistischer Sondergesetze (besonders das »Gesetz über die Befugnisse des Regierungschefs«, Dezember 1925, und das »Gesetz über die Befugnisse der Regierung«, Januar 1926) beschritt Mussolini endgültig den Weg der Diktatur. Die Verantwortlichkeit des Regierungschefs (Capo del governo) gegenüber dem Parlament war aufgehoben. Im Auftrag des Königs verkörperte er die staatliche Souveränität; seine Befugnisse erstreckten sich auch auf die Gesetzgebung. Die Freiheitsrechte des Individuums, besonders das Versammlungs- und Vereinigungsrecht sowie die Pressefreiheit, wurden aufgehoben. Im Rahmen des »Gesetzes zur Verteidigung des Staates« (November 1926) wurde ein »Sondergerichtshof« für »politisches Verbrechen« errichtet. Mit der Gründung einer politischen Geheimpolizei, der OVRA, schuf sich Mussolini 1927 ein weiteres Instrument zur Sicherung seiner diktatorischen Herrschaft. Die Parteien - mit Ausnahme des PNF - wurden 1926 verboten, oppositionellen Parlamentsabgeordneten wurden die Mandate aberkannt; zahlreiche politische Persönlichkeiten wurden verbannt (z. B. C. Levi), flohen ins Ausland oder starben durch faschistische Gewaltakte (G. Amendola, Piero Gobetti u. a.). Entsprechend dem Blockwahlgesetz von 1928 trat nach den Wahlen von 1929 ein rein faschistisches Parlament zusammen. Mit der Erhebung des »Faschist. Großrates« (»Gran consiglio del fascismo«), ursprünglich Führungsorgan des PNF, in den Rang eines Staatsorgans und seines Generalsekretärs in den Ministerrang (Mai 1928) vollzog Mussolini die enge Verzahnung von Partei und Staat, entmachtete die Partei jedoch zugleich als eigenständig handelnde politische Organisation zugunsten seiner persönlichen Machtstellung als »Duce del fascismo«. In der Aufbauphase des faschistischen Staates leitete Mussolini zielbewusst eine Annäherung an die katholische Kirche ein. Mit den Lateranverträgen (11. 2. 1929) suchte er unter erheblichen Zugeständnissen seinerseits die Römische Frage zu lösen: Die Vatikanstadt wurde als selbstständiger, neutraler Staat unter der Souveränität des Papstes anerkannt, gleichzeitig wurde ein Konkordat über die Beziehungen von Staat und Kirche abgeschlossen. Gegen Ende der 20er-Jahre hatte sich die faschistische Herrschaft im Zeichen des Führerprinzips zu einer persönlichen Diktatur Mussolinis entwickelt. In seiner 1932 veröffentlichten »Lehre des Faschismus« fasste er seine - stark schwankenden - ideologischen Vorstellungen vom korporativ gegliederten Gesellschaftssystem und vom totalitären Staat zusammen. Mit der Arbeitsverfassung vom 3. 4. 1926 (»Carta del lavoro«, in Kraft getreten am 21. 4. 1927) legte die Regierung Mussolini unter Verbot von Streik und Aussperrung die Grundlagen staatlich gelenkter kollektiver Arbeitsbeziehungen; an die Stelle der Gewerkschaften traten Syndikate, in denen die Vorherrschaft der Faschisten personell gesichert wurde. In der Industrie wurden Staatsholdinggesellschaften (AGIP, IRI) gegründet und Kartelle gefördert. 1934 wurden die Syndikate der Unternehmer und der Arbeiter nach Wirtschaftsgruppen in 22 übergreifenden Korporationen zusammengefasst. 1937 wurde die staatlich gelenkte Jugendorganisation, die »Gioventù Italiana del Litorio« (GIL), geschaffen. Die Schulverfassung von 1939 sollte das Schul- und Bildungswesen im faschistischen Sinne lenken. Mit der Ersetzung des Abgeordnetenhauses durch die Camera dei fasci e delle corporazioni (Gesetz vom Oktober 1938) wurde der Korporativismus Staatsprinzip. Dieser »Stato totalitario« konnte nicht alle Mächte der Gesellschaft erfassen, gerade die katholische Kirche hatte noch Reste ihres Einflusses behaupten können (z. B. in den Jugendorganisationen). Die Krone war jedoch infolge ihrer Zusammenarbeit mit dem Faschismus bei vielen diskreditiert. Oppositionelle Ideen kamen durch Kontakte zur Emigration (z. B. Giustizia e Libertà) ins Land. In seiner Außenpolitik beteiligte sich das faschistische Italien in der Phase seines inneren Ausbaus an friedlichen Aktivitäten der europäischen Diplomatie (u. a. Mitarbeit im Völkerbund; Mitunterzeichnung der Locarnoverträge, 1925); die Besetzung Korfus (1923) zeigte jedoch schon früh Mussolinis expansionistischen Ziele. Auch der Ausgleich mit Jugoslawien (Vertrag von Rom, 1924), durch den Fiume nunmehr an Italien kam, war ein früher Versuch, die durch die Pariser Vorortverträge geschaffene Ordnung im Mittelmeerraum zu revidieren. Der italienisch-jugoslawische Gegensatz entzündete sich in der Folgezeit wieder an Albanien, das beide Staaten zu ihrem Einflussbereich zählten. Nach dem Regierungsantritt Hitlers in Deutschland (1933) löste die aggressive deutsche Politik gegenüber Österreich einen scharfen machtpolitischen Konflikt zwischen Deutschland und Italien aus. In den Römischen Protokollen (17. 3. 1934 vereinbarte Italien eine engere Zusammenarbeit mit Österreich und Ungarn. Nach der Ermordung des österreichischen Bundeskanzlers E. Dollfuss durch österreichische Nationalsozialisten (Juli 1934) näherte es sich Frankreich und Großbritannien und traf im April 1935 mit ihnen Abmachungen gegen einseitige deutsche Aktionen (Stresafront). Im Januar 1935 schloss Italien ein Kolonialabkommen mit Frankreich. Mit dem Angriff auf Äthiopien (Oktober 1935) ging Italien zu einer Politik offener Expansion über. 1936 wurden die ostafrikanischen Kolonialterritorien Eritrea, Italienisch-Somaliland und Äthiopien unter der Bezeichnung Italienisch-Ostafrika zusammengefasst; sie bildeten mit Libyen das italienische Kolonialreich. Viktor Emanuel III. nahm 1936 den Titel eines »Kaisers von Äthiopien« an. Nachdem Italien durch seine Kolonialpolitik in Gegensatz zu den Westmächten geraten war, näherte es sich im Zuge der beiderseitigen Intervention im Spanischen Bürgerkrieg (1936-39) dem nationalsozialistischen Deutschland 1936 begründeten beide die Achse Berlin-Rom und schlossen den Antikominternpakt. 1938 nahm Mussolini den »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich hin und vermittelte die Verhandlungen zum Münchener Abkommen. Unter deutschem Einfluss verloren die meisten Juden (mit Ausnahme der Kriegsveteranen) die staatsbürgerlichen Rechte. Nach der Besetzung Albaniens durch italienische Truppen (April 1939) schloss Mussolini ein Militärbündnis mit Deutschland, den Stahlpakt (22. 5. 1939, in dem Hitler die Brennergrenze akzeptierte. Am 21. 10. 1939 folgte ein deutsch-italienisches Umsiedlungsabkommen über Südtirol. Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs (1. 9. 1939 blieb Italien zunächst »nichtkriegführende« Macht, griff aber an der Seite Deutschlands am 10. 6. 1940 in den Krieg gegen Frankreich ein, um seine territorialen Forderungen in Bezug auf Korsika, Tunesien und Französisch-Somaliland (Djibouti) geltend zu machen. Nach der Niederlage Frankreichs schlossen Deutschland, Italien und Japan den Dreimächtepakt (September 1940). Auf den Kriegsschauplätzen in Griechenland und Nordafrika blieben italienische Offensiven ohne Erfolg; die militärische und politische Führung geriet dabei ganz in Abhängigkeit von Deutschland. Darüber hinaus beteiligte Italien sich an der Besetzung Griechenlands und Jugoslawiens.
 
Angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Not und der großen Verluste an allen Fronten gewannen antifaschistische Kräfte an Boden (Streiks im März 1943). Nachdem sich der Faschist. Großrat unter dem Eindruck der alliierten Invasion auf Sizilien auf Betreiben D. Graf Grandis gegen Mussolini gewandt hatte (24./25. 7. 1943), ließ der König diesen verhaften (25. 7.) und ernannte Marschall P. Badoglio zum Ministerpräsidenten; der PNF wurde aufgelöst. Nach Abschluss eines Waffenstillstands (3. 9. 1943 mit den Alliierten trat Italien auf deren Seite in den Krieg gegen Deutschland ein. Deutsche Streitkräfte konnten zunächst den größten Teil Italiens besetzen; in ihrem Schutz gründete der von deutschen Fallschirmjägern befreite Mussolini die »Republik von Salò« (offiziell: »Repubblica Sociale Italiana«). Während freiwillige faschistische Truppen auf deutsche, reguläre Streitkräfte der Regierung Badoglio auf alliierter Seite in den Kampf eingriffen, unterstützten in Mittel- und Oberitalien Partisanenformationen die westlichen Alliierten hinter der Front. Im Untergrund formierten sich alte Parteien neu (u. a. PCI, PSI), neue Parteien konstituierten sich (u. a. die Democrazia Cristiana, DC, und der Partito d'Azione). Als Träger des Widerstandes schlossen sie sich zum »Comitato di Liberazione Nazionale« (CLN) zusammen (Resistenza). Nach der Eroberung Roms durch die Alliierten (4. 6. 1944 trat Umberto, der Sohn Viktor Emanuels III., am 5. 6. als Generalstatthalter an die Spitze des Königreichs; der frühere sozialistische Ministerpräsident Italien Bonomi bildete, gestützt auf die Kräfte des CLN, am 18. 6. die Regierung. Nach der Kapitulation der deutschen Streitkräfte in Italien (29. 4./2. 5. 1945) löste sich die Republik von Salò auf; Mussolini wurde am 28. 4. 1945 auf der Flucht ermordet.
 
 Die Republik Italien (seit 1946)
 
Mit 12,7 Mio. gegen 10,7 Mio. Stimmen entschied sich die Bevölkerung am 2. 6. 1946 für die Errichtung der Republik. Umberto II., seit der Abdankung seines Vaters (9. 5. 1946) König, verließ Italien am 13. 6. 1946. Ministerpräsident A. De Gasperi (DC, seit Dezember 1945) übernahm die Geschäfte des Regenten, bis der Oberste Gerichtshof am 18. 6. 1946 die Republik proklamierte. Die am 2. 6. 1946 gewählte verfassunggebende Nationalversammlung wählte Enrico De Nicola (* 1877, ✝ 1959) zum provisorischen Staatspräsidenten. Nach der Verabschiedung einer parlamentarisch-demokratischen Verfassung (in Kraft seit dem 1. 1. 1948) standen als Staatspräsident L. Einaudi (1948-55), G. Gronchi (1955-62), A. Segni (1962-64), G. Saragat (1964-71), G. Leone (1971-78), A. Pertini (1978-85), F. Cossiga (1985-92) und O. Scalfaro (seit 1992) an der Spitze des Staates. Stärkste politische Kraft bis zu Beginn der 90er-Jahre war die DC, sie herrschte 1948-53 mit absoluter Mehrheit und stellte bis 1981 ununterbrochen den Ministerpräsidenten. Weitere einflussreiche Parteien waren die Sozialisten (PSI) unter P. Nenni, die Kommunisten (PCI) unter P. Togliatti, die allerdings im Zeichen des Ost-West-Konfliktes seit 1948 von der Regierungsverantwortung ausgeschlossen blieben, sowie die Republikaner (PRI). Koalitionspolitisch spielten auch die Liberalen (PLI) eine Rolle.
 
Mithilfe des Marshallplans leitete die Regierung De Gasperi (1945-53) den Wiederaufbau der Wirtschaft ein. Eine Sozial- und Agrarreform wurde zwar begonnen, aber nicht mit der notwendigen Konsequenz durchgeführt, sodass die Probleme, besonders in Süditalien, bis in die Gegenwart fortbestehen. Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit (1953) bildete die DC zunächst Koalitionsregierungen der »rechten Mitte« (Centro destra) v. a. mit den Liberalen, und zwar unter den Ministerpräsidenten G. Pella (1953/54), M. Scelba (1954/55) und A. Segni (1955-57, 1959/60). Ab 1960 begann, auch unter dem Einfluss der Neuorientierung der katholischen Kirche durch das 2. Vatikanische Konzil, in der DC die »Öffnung nach links« (Apertura a sinistra): A. Fanfani leitete erstmals eine Koalitionsregierung, der nichtkommunistischen Linksparteien angehörten. Die Mitte-links-Regierung unter A. Moro (1963-68) und M. Rumor (1968-70) bemühten sich um innenpolitische Stabilität. Anfang der 70er-Jahre führten jedoch Inflation, Stagnation und Arbeitslosigkeit zu politischer Polarisierung und schnell wechselnden Regierungen. Unter Ministerpräsident G. Andreotti (1976-79) sollte ein breites Regierungsbündnis, unter parlamentarischer Duldung der von E. Berlinguer geführten Kommunisten (historischer Kompromiss), das Land beruhigen, dessen innere Sicherheit von rechts- und linksterroristischen Anschlägen bedroht wurde (u. a. 1978 Ermordung Moros durch die Roten Brigaden; 1980 Sprengstoffanschlag auf den Bahnhof von Bologna von rechtsextremer Seite). Nach dem Bruch des Bündnisses brachten Neuwahlen keine wesentlichen Kräfteverschiebungen (Koalitionsregierung unter Cossiga und A. Forlani).
 
Mit Beginn der 80er-Jahre verstärkte sich die politische und institutionelle Krise. Vor allem die Verwicklung führender Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Skandale und kriminelle Delikte (so um die Freimaurerloge »P 2«, in deren Mittelpunkt der Bankrott des vom Vatikan kontrollierten Banco Ambrosiano stand) erschütterten das Ansehen des Staates. 1981 verlor die DC zum ersten Mal das Amt des Regierungschefs (G. Spadolini, PRI, 1981/82; B. Craxi, PSI, 1983-87). 1984 wurden die Lateranverträge durch ein neues Konkordat ersetzt (vergleiche Abschnitt Religion).
 
Bei den Wahlen 1987 konnten sich die traditionellen Parteien noch einmal behaupten, die DC wurde wieder stärkste Kraft, doch wechselten in der Koalitionsregierung mehrmals die Ministerpräsidenten mit ihren Kabinetten: April bis Juni 1987: Fanfani; Juli 1987 bis März 1988: Giovanni Goria (* 1943); April 1988 bis Mai 1989: C. De Mita; Juli 1989 bis Juni 1992: Andreotti. Die Sparprogramme der Regierungen angesichts der wachsenden Staatsverschuldung führten zu politischen Konflikten zwischen Regierung und Opposition, aber auch zwischen den Regierungs-Partnern. Es kam zu Streiks und Massendemonstrationen. Die innere Sicherheit des Landes wurde zunehmend bedroht von der wachsenden Durchdringung der Gesellschaft durch das organisierte Verbrechen, besonders durch die Mafia. Die hohe Staatsverschuldung, die Ermordung von Justizbeamten, die mit der Bekämpfung der Mafia beauftragt waren (so der Richter Giovanni Falcone, * 1939, ermordet 1992), die undurchsichtige Verflechtung von Parteiwesen und Staatsinstitutionen sowie Staatsbetrieben, die Verstrickung der Parteien (besonders der DC und des PSI) in Korruptionsvorgänge sowie der Vorwurf der Zusammenarbeit mit dem organisierten Verbrechen lösten 1992 eine schwere Staatskrise aus. Diese führte zu einem Umbruch im Parteiensystem. Neue politische Kräfte meldeten sich zu Wort, so die antizentralistische Lega Nord unter U. Bossi; am rechten Rand etablierten sich die Neofaschisten unter G. Fini. Der PCI hatte bereits im Februar 1991 Namen und Programm gewechselt (Partito Democratico della Sinistra; PDS). Nach dem vorzeitigen Rücktritt Cossigas als Staatspräsident (28. 4. 1992) wählten beide Häuser des Parlaments Scalfaro am 25. 5. 1992 in das Amt. Als ersten Schritt zu einer Erneuerung des politischen Lebens setzte Ministerpräsident G. Amato (PSI; Juni 1992 bis April 1993) eine Wahlrechtsreform durch, die stabile Mehrheiten sichern soll; sie wurde in einem Referendum im April 1993 mit 83 % der Stimmen von der Bevölkerung angenommen (in Kraft gesetzt am 18. 12. 1993). Amato scheiterte an einem umstrittenen Amnestiegesetz; an der Spitze eines Notstandskabinetts übernahm im April 1993 C. A. Ciampi (parteilos) die Regierung. Neben der Verminderung der Staatsverschuldung und der Verfassungsreform stand die Bekämpfung der Mafia im Vordergrund. Das Vertrauen in das politische System und seine Repräsentanten wurde weiter erschüttert durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Spitzenmanager der Staatskonzerne sowie gegen führende Politiker (u. a. gegen Andreotti und Craxi). Nach dem Rücktritt von Ciampi im Januar 1994 löste Staatspräsident Scalfaro das Parlament auf. Bei den Neuwahlen im März 1994 bildete sich ein stark verändertes politisches Kräftefeld heraus. Bereits im Januar 1994 war die DC in mehrere Parteien auseinander gefallen (u. a. Partito Popolare Italiano, PPI; Centro Cristiano Democratico, CCD). Wahlsieger wurde das stark rechtsgerichtete Parteienbündnis »Polo per la Libertà« (»Pol der Freiheit«) aus der neu gegründeten Forza Italia (FI), der Lega Nord und der Alleanza Nazionale (hervorgegangen aus dem neofaschistischen MSI-DN). Ministerpräsident wurde S. Berlusconi, der Gründer und Vorsitzender der FI und einflussreicher Unternehmer v. a. im Bereich der Medien. Er scheiterte bereits Ende 1994, nachdem auch er in den Verdacht der Bestechung geraten war und die Lega Nord deshalb das Regierungsbündnis verließ. Der bisherige Schatzminister L. Dini bildete im Januar 1995 eine Übergangsregierung von Fachleuten. Seine Aufgabe war es v. a., Finanzreformen einzuleiten und mit der Privatisierung der Staatsunternehmen zu beginnen. Im Januar 1996 trat er zurück, als er keine Unterstützung mehr im Parlament hatte. Aus den Neuwahlen im April 1996 ging das Bündnis der Linksparteien »L'Ulivo« (»Der Ölbaum«) als Sieger hervor. Zum ersten Mal übernahm eine Linkskoalition die Regierung, Ministerpräsident wurde der parteilose R. Prodi. Durch Korrektur der Ausgaben- und Steuerpolitik bemühte er sich unter maßgeblicher Mitwirkung Ciampis als Wirtschaftsminister um die Sanierung des Staatshaushalts, erfolgreich v. a. in der Erfüllung der Euro-Kriterien. Im Oktober 1998 scheiterte Prodi am Haushaltgesetz 1999, eine neue Regierung wurde - ebenfalls von der Linkskoalition - unter M. D'Alema gebildet. Sie setzte die Politik ihrer Vorgängerin fort, bis auch ihr, nach einer schweren Niederlage der Koalitionsparteien in Regionalwahlen im April 2000, das parlamentarische Vertrauen entzogen wurde. Das Amt des Ministerpräsidenten übernahm darauf wiederum der parteilose Amato, die Mitte-links-Koalition blieb bis zu den Parlamentswahlen 2001 bestehen. Bei diesen Wahlen (Mai 2001) erhielt das unter dem Namen »Casa delle Libertà« erneuerte Mitte-rechts-Bündnis in beiden Kammern die Mehrheit. Berlusconi, wiederum Führer des Bündnisses, bildete im Juni 2001 als Ministerpräsident die 59. Nachkriegsregierung Italiens. - Staatspräsident ist seit Mai 1999 Ciampi.
 
In seiner Außenpolitik musste Italien nach dem Zweiten Weltkrieg die Folgen der vom Faschismus geführten Großmachtpolitik überwinden. Im Friedensvertrag von Paris (10. 2. 1947 konnte es im Wesentlichen sein nationales Territorium behaupten. Es verlor den Dodekanes an Griechenland, Istrien an Jugoslawien. Das Gebiet von Triest wurde zum Freistaat erklärt und 1954 in einem De-facto-Abkommen zwischen Italien und Jugoslawien geteilt. Italien erkannte die Unabhängigkeit Albaniens und Äthiopiens an, verzichtete auf seine Kolonien, erhielt jedoch (1950) die Treuhandschaft der UN über Italienisch-Somaliland (Somalia).
 
Die Autonomiewünsche der deutsch- und ladinischsprachigen Mehrheit in Südtirol führten zu Spannungen mit Österreich. Die Umsetzung des zwischen dem österreichischen Außenminister K. Gruber und dem italienischen Ministerpräsidenten De Gasperi ausgehandelten Abkommens erstreckte sich über Jahrzehnte, erst 1992/93 waren alle strittigen Punkte auch völkerrechtlich geklärt.
 
Im Zuge des Ost-West-Konflikts schloss sich Italien dem westlichen Verteidigungssystem an; 1949 wurde es Mitglied der NATO, 1955 auch der Westeuropäischen Union. Italien beteiligt sich aktiv an den Bemühungen zur wirtschaftlichen und politischen Integration Europas. 1949 wurde es Mitglied des Europarates, 1952 der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, 1958 (im Rahmen der Römischen Verträge) der EWG und der EURATOM. 1992 stimmten Senat und Abgeordnetenhaus dem Maastrichter Vertrag zu. Italien beteiligt sich an militärischen Einsätzen der UN (so in Bosnien und in Somalia); bei der internationalen Mission in Albanien (1997) übernahm Italien die Führung.
 
 
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I. auf dem Weg zur »zweiten Republik«? Die polit. Entwicklung I.s seit 1992, hg. v. L. V. Ferraris u. a. (1995);
 J. Petersen: Quo vadis, Italia? (1995).
 
Verfassungs-, Rechts-, Verwaltungs- und Parteiengeschichte: A. Marongiù: Il parlamento in Italia nel Medio Evo e nell'età moderna (Mailand 1962);
 K. von Beyme: Das polit. System I.s (1970);
 F. Leoni: Storia dei partiti politici italiani (Neapel 31975);
 D. Schidor: Entwicklung u. Bedeutung des Statuto Albertino in der ital. Verfassungsgesch. (Diss. Mainz 1977);
 C. Ghisalberti: Storia costituzionale d'Italia, 1848-1948 (Rom 31983);
 
L'amministrazione nella storia moderna, 2 Bde. (Mailand 1985);
 G. Arangio-Ruiz: Storia costituzionale del regno d'Italia (Neuausg. Neapel 1985).
 
Wirtschafts- und Sozialgeschichte: E. Corbino: Annali della economia italiana, 4 Bde. (Città di Castello 1931-54);
 A. Fanfani: Le origini dello spirito capitalistico in Italia (Mailand 1933);
 F. Vöchting: Die ital. Südfrage. Entstehung u. Problematik eines wirtschaftl. Notstandsgebietes (1951);
 R. A. Webster: L'imperialismo industriale italiano, 1908-1915. Studio sul prefascismo (Turin 1974);
 V. Hunecke: Arbeiterschaft u. industrielle Revolution in Mailand 1853-1892 (1978);
 
Lo sviluppo economico in Italia, hg. v. G. Fuà, 3 Bde. (Mailand 31978-81);
 
Storia della società italiana, hg. v. G. Cherubini, auf 25 Bde. ber. (ebd. 1980 ff.);
 V. Negri Zamagni: Lo stato italiano e l'economia. Storia dell'intervento pubblico dall'unificazione ai giorni nostri (Florenz 1981);
 A. Benenati: Le développement inégal en Italie (Paris 1982);
 L. De Rosa: La rivoluzione industriale in Italia (Rom 31985);
 A. Dewerpe: L'industrie aux champs. Essai sur la proto-industrie en Italie du Nord, 1800-1880 (ebd. 1985);
 G. Brosio u. C. Marchese: Il potere di spendere. Economia e storia della spesa pubblica dall'unificazione ad oggi (Bologna 1986).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Großreiche: Kolosse auf tönernen Füßen?
 
Europa im Revolutionsjahr 1848/49: Bürger auf den Barrikaden
 
Italien: Zwischen Cavour und Garibaldi
 
Italien: Entstehung des Faschismus
 
Achse Berlin-Rom: Partnerschaft von Hitler und Mussolini
 
Italien: Auf dem Weg zur Republik
 

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Ita|li|en; -s: Staat in Südeuropa.

Universal-Lexikon. 2012.