Walpole
['wɔːlpəʊl],
1) Horace, eigentlich Horatio Walpole, 4. Earl of Orford [-əv 'ɔːfəd], englischer Schriftsteller, * London 24. 9. 1717, ✝ ebenda 2. 3. 1797, Sohn von 3); studierte in Cambridge, war mehrfach Mitglied des Parlaments; betrieb in seinem neugotisch umgebauten (1750-70) Herrenhaus Strawberry Hill in Twickenham (heute zu London) 1757-97 eine angesehene Privatdruckerei. Sein Hauptwerk »The castle of Otranto« (1764; deutsch »Die Burg von Otranto«) wirkte stilbildend für die Gattung der Gothic Novel und nahm Konventionen des Kriminalromans voraus. Zeitgeschichtlich interessant ist sein umfangreiches Briefwerk; er verfasste auch eine Tragödie (»The mysterious mother«, 1768) sowie historische und kunstgeschichtliche Arbeiten (»Anecdotes of painting in England«, 4 Bände, 1762-71). Walpole trug mit seinen Schriften und seinem Haus Strawberry Hill zur Verbreitung des Gothic Revival bei.
Ausgaben: The Yale edition of H. Walpole's correspondence, herausgegeben von W. S. Lewis, 48 Bände (1-31955-83).
Hieroglyph. Geschichten, herausgegeben von Schuldt (1988).
B. Fothergill: The Strawberry Hill set. H. W. and his circle (London 1983);
H. W., hg. v. P. Sabor (London 1987).
2) Sir (seit 1937) Hugh Seymour, englischer Schriftsteller, * Auckland (Neuseeland) 13. 3. 1884, ✝ London 1. 6. 1941; wurde v. a. bekannt durch seine zunächst realistischen, später zum Fantastischen tendierenden Romane, die häufig eigene Lebensphasen spiegeln: Sohn eines Bischofs (»The cathedral«, 1922; deutsch »Die Kathedrale«), Kindheit in Cornwall (»Fortitude«, 1913; deutsch »Der Reiter auf dem Löwen«), Tätigkeit als Lehrer (»Mr. Perrin and Mr. Traill«, 1911; deutsch »Isabell und der Lehrer Perrin«), Erster Weltkrieg mit dem Roten Kreuz in Russland (»The dark forest«, 1916), Wohnsitz in der Grafschaft Cumberland (»The Herries chronicle«, 4 Bände, 1930-33; deutsch »Die Herries-Saga«, ein kulturhistorischer Familienroman). Seine Kindergeschichten der »Jeremy«-Trilogie (»Jeremy«, 1919, deutsch; »Jeremy and Hamlet«, 1923, deutsch »Jeremy und sein Hund«; »Jeremy at Crale«, 1927, deutsch auch unter dem Titel »Jeremy auf der Schule«) über eine Kindheit im viktorianischen England sind ebenfalls zum Teil autobiographisch.
R. Hart-Davies: H. W. (London 1952).
3) Sir (seit 1725) Robert, 1. Earl of Orford [-əv 'ɔːfəd] (seit 1742), britischer Staatsmann, * Houghton (County Norfolk) 26. 8. 1676, ✝ London 18. 3. 1745, Vater von 1); als Anhänger der Whigs ab 1708 Kriegsminister, 1710 Schatzmeister der Flotte. Nach dem Machtantritt der Tories wurde er 1712 der Korruption beschuldigt, aus dem Unterhaus ausgeschlossen (bis 1713) und vorübergehend im Tower eingekerkert. 1715-17 und 1721-42 stand er als Erster Schatzlord (First Lord of the Treasury) und Schatzkanzler (Chancellor of the Exchequer) an der Spitze der Regierung. Die Stützen seiner Macht waren das Vertrauen der ersten beiden Könige aus dem Haus Hannover (Georg I. und Georg II.) und sein Einfluss im Unterhaus, das er vermittels Ämterpatronage beherrschte wie kein leitender Minister vor ihm; er war der erste eigentliche »Premierminister« Großbritanniens. Es gelang ihm, die hannoversche Thronfolge und die verfassungspolitischen Ergebnisse der Glorreichen Revolution von 1688 zu sichern. Den Jakobitenaufständen entzog er für die Zeit seiner Regierung den Boden. Durch seine Friedenspolitik und eine Neuordnung der Staatsfinanzen sicherte er den Aufschwung der Wirtschaft, der Industrie und des britischen Überseehandels. Nachdem Großbritannien gegen Walpoles Willen 1739 in den Krieg mit Spanien, dann mit Frankreich eingetreten war, trat Walpole 1742 zurück.
Universal-Lexikon. 2012.