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Orléans
Ọr|le|ans […leã ], Or|lé|ans [ɔrle'ã: ]:
französische Stadt an der Loire.

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I
Orléans
 
[ɔrle'ã], Stadt am nördlichsten Punkt des Loirebogens, Frankreich, Verwaltungssitz der Region Centre und des Départements Loiret; 116 m über dem Meeresspiegel, 105 000 Einwohner; katholischer Bischofssitz; Universität (gegründet 1962 als Universität Orléans-Tours, seit 1971 getrennt) in der Satellitenstadt La Source, biologische Forschungsanstalt u. a. staatliche und Industrieforschungsanstalten, archäologisches und historisches Museum, Kunstmuseum; Nahrungsmittelindustrie, Werkzeugherstellung, Landmaschinenbau, Renault-Werk, Reifenfabrik (Michelin), Textil-, chemische und pharmazeutische Industrie, Motorenbau, Herstellung von Heizungsgeräten; Baumschulen. Flughafen Orléans-Saran.
 
Stadtbild:
 
Zahlreiche Kirchen wurden schon in frühchristlicher Zeit gegründet und später verändert (u. a. Sainte-Euverte, 391 gegründet, frühgotischer Bau des 13. Jahrhunderts mit Umbauten des 15./16. Jahrhunderts). Die Kathedrale Sainte-Croix, über Vorgängerbauten seit 1287 errichtet, wurde nach Zerstörung in den Religionskriegen (1568) vom 17. bis 19. Jahrhundert in gotischen Formen erneuert (reicher Kirchenschatz mit byzantinischen Emailarbeiten des 11. Jahrhunderts), Saint-Pierre-le-Puellier (zum Teil noch 10. Jahrhundert), Notre-Dame de-Recouvrance (1513-19), St.-Aignan (15. Jahrhundert; Hallenkrypta, 11. Jahrhundert). Hôtel de Ville (Mitte 16. Jahrhundert), Hôtel Toutin (1540), Hôtel des Créneaux (1500-13), Hôtel Cabu (um 1550); Maison de Jeanne d'Arc (Museum). Zahlreiche Bauten wurden im Zweiten Weltkrieg beschädigt oder zerstört. Zu den bemerkenswerten Neubauten gehört die Mediathek (1994) von Pierre du Besset und Dominique Lyon.
 
Geschichte:
 
Orléans, das gallische Cenabum oder Genabum, Hauptort der keltischen Karnuten (lateinisch Carnutes), war in der Spätantike als Aurelianum (Civitas Aurelianẹnsis) bekannt; seit dem 4. Jahrhundert Bischofssitz. 848 wurde Karl der Kahle in Orléans gekrönt, im 10. und 11. Jahrhundert war es bevorzugte Residenz der Kapetinger. Als Hauptort des Orléanais wurde Orléans seit 1344 wiederholt an jüngere Söhne oder Brüder der französischen Könige als Apanage vergeben. Die Entsetzung durch die Jungfrau von Orléans (Jeanne d'Arc) brachte 1429 die Wende des Hundertjährigen Krieges zugunsten Frankreichs. Bereits vom 13.-19. Jahrhundert bestand eine Universität.
 
II
Orléans
 
[ɔrle'ã], seit 1344 Herzogstitel verschiedener Seitenzweige des französischen Königshauses, denen das Herzogtum Orléans (Orléanais) als Apanage verliehen wurde. Die Söhne des 2. Herzogs von Orléans, Louis (Ludwig) I., begründeten die Linien Orléans und Angoulême des Hauses Valois. Mit Ludwig XII. gelangten 1498 Erstere, mit Franz I. 1515 Letztere auf den französischen Thron. 1626 verlieh Ludwig XIII. das Herzogtum seinem Bruder Gaston, der keinen Erben hinterließ. Mit der Belehnung durch Ludwig XIV. (1660) wurde dessen Bruder Philippe I. Stammvater des jüngsten Hauses Orléans, der wichtigsten Nebenlinie der Dynastie Bourbon. Von den übrigen Besitzungen, die Philippe noch erhielt (so die Herzogtümer Chartres, Nemours, Montpensier), stammen die Titel der Prinzen des Hauses, von denen der älteste stets »Herzog von Chartres« hieß. Mit Louis Philippe war ein Angehöriger dieses Hauses auf dem Königsthron (1830-43). Die Familie Orléans wurde 1848 und wieder durch das Prinzenverbannungsgesetz 1886 (1950 aufgehoben) aus Frankreich verbannt. Nach dem Tod von H. C. de Bourbon, Graf von Chambord (1883) gingen die dynastischen Ansprüche auf das Haus Orléans (seitdem Haus Frankreich) über.
 
Bedeutende Vertreter:
 
 1) Charles, Herzog von, französischer Dichter, Charles d'Orléans.
 
 2) Gaston, Graf von Eu [ø], Herzog von Orléans (seit 1626), genannt Monsieur (seit 1611), * Fontainebleau 25. 4. 1608, ✝ Blois 2. 2. 1660; Bruder König Ludwigs XIII., Vater der Anne Marie Louise von Orléans, Herzogin von J. Montpensier; kämpfte als Führer des Hochadels gegen Richelieu und mit der Fronde gegen J. Mazarin.
 
 3) Louis I., Graf von Valois [val'wa], seit 1386 Herzog von Touraine [tu'rɛːn], seit 1392 Herzog von Orléans, * 13. 3. 1372, ✝ (ermordet) Paris 23. 11. 1407; jüngerer Bruder König Karls VI., im Kampf um die Lenkung des seit 1392 geisteskranken Königs der schärfste Rivale der Herzöge von Burgund, Philipps des Kühnen und Johanns ohne Furcht; dieser ließ ihn 1407 ermorden.
 
 4) Louis Philippe Joseph, Herzog von Orléans (seit 1785), genannt Philippe Égalité [fi'lip egali'te], * Saint-Cloud 13. 4. 1747, ✝ Paris 6. 11. 1793; wurde 1789 Mitglied der Generalstände, schloss sich dem dritten Stand an (daher der Beiname), stimmte im Nationalkonvent 1793 für den Tod des Königs. Als sein Sohn, der spätere König Louis Philippe, emigrierte, wurde er verhaftet und guillotiniert.
 
 5) Philippe I., Herzog von Orléans (seit 1660), genannt Monsieur (seit 1643), * Saint-Germain-en-Laye 21. 9. 1640, ✝ Saint-Cloud 9. 6. 1701, Vater von 6); einziger Bruder Ludwigs XIV.; Ȋ mit Henriette Anna von England (1661-70) und mit Elisabeth Charlotte (Liselotte) von der Pfalz (seit 1671).
 
 6) Philippe II., Herzog von Orléans (seit 1701), genannt der Regẹnt, * Saint-Cloud 2. 8. 1674, ✝ Versailles 2. 12. 1723, Sohn von 5); nach dem Tod Ludwigs XIV. (1715) Regent für den unmündigen Ludwig XV. Einflussreicher Minister war G. Dubois. Unter der »Régence« lockerte sich das absolutistische Regime zugunsten der Hocharistokratie. Außenpolitisch näherte sich Frankreich Großbritannien, die Wirtschaft erlebte durch das Finanzexperiment des J. Law schwere Turbulenzen. Jedoch begünstigte die freiere geistige Atmosphäre die Entfaltung der Frühaufklärung.
 

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1Ọr|le|ans [...leã], (französische Schreibung:) Or|lé|ans [ɔrle'ã]: französische Stadt an der Loire.
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2Ọr|le|ans [...leã], der; - [...ã(:s)] (Textilind.): halbwollenes Gewebe.

Universal-Lexikon. 2012.