Pa|ki|s|tan; -s:
Staat in Vorderindien.
* * *
Pakistan,
Fläche: 796 095 km2
Einwohner: (2000) 156,0 Mio.
Hauptstadt: Islamabad
Amtssprache: Urdu
Nationalfeiertage: 23. 3. und 14. 8.
Zeitzone: 1600 Islamabad = 1200 MEZ
amtlich Urdu Islami Jumhuriya-e Pakistan [-dʒʊm-], deutsch Islamische Republik Pakistan, Staat in Südasien, grenzt im Westen an Iran, im Nordwesten an Afghanistan, im Norden an China, im Osten an Indien und im Süden an das Arabische Meer; mit 796 095 km2 mehr als doppelt so groß wie Deutschland; (2000) 156,0 Mio. Einwohner, Hauptstadt ist Islamabad. Amtssprache ist Urdu, in der Provinz. Sind seit 1972 auch Sindhi. Währung: 1 Pakistanische Rupie (pR) = 100 Paisa (Ps). Uhrzeit: 1600 Islamabad = 1200 MEZ.
Staat und Recht:
Die am 14. 8. 1973 in Kraft getretene Verfassung gilt in der Fassung vom 30. 12. 1985 (letzte Änderung am 1. 4. 1997). Ungeachtet der im Staatsnamen zum Ausdruck gebrachten Vorzugsstellung des Islam (Staat und Gesellschaft sind auf der Grundlage der islamischen Prinzipien organisiert) bekennt sich die Verfassung zur Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten. Pakistan ist ein Bundesstaat im Commonwealth of Nations mit republikanischer Staatsform. Als Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte fungiert der auf fünf Jahre von beiden Häusern des Bundesparlaments gewählte Präsident; er muss Muslim sein. Seine Befugnisse wurden durch die jüngste Verfassungsänderung eingeschränkt; z. B. verliert er das Recht, die Regierung zu entlassen und das Parlament allein vorzeitig aufzulösen. Darüber hinaus kann er die Kommandeure der Streitkräfte sowie die Gouverneure der Provinz nur noch mit Zustimmung des Premierministers ernennen. Die Legislative liegt beim Zweikammerparlament, bestehend aus Unter- und Oberhaus. Das Unterhaus (Nationalversammlung) mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren hat 227 Abgeordnete; 217 von ihnen gehen aus allgemeinen Wahlen hervor (Wahlrecht ab dem 21. Lebensjahr); zehn Sitze sind für Nichtmuslime reserviert. Das Oberhaus (Senat) mit einer Amtszeit von sechs Jahren umfasst 87 Mitglieder, die größtenteils und mit jeweils gleichem Anteil von den Provinzparlamenten entsandt werden; die Stammesgebiete stellen acht, das Gebiet der Bundeshauptstadt drei Senatoren. Während die eigentliche Gesetzgebungskompetenz beim Unterhaus liegt, besitzt das Oberhaus überwiegend beratenden Einfluss. Der Premierminister wird vom Präsidenten ernannt und ist mit seinem Kabinett dem Unterhaus verantwortlich. - Seit dem Militärputsch vom 12. 10. 1999 ist die Verfassung außer Kraft gesetzt, das Parlament aufgelöst und der Ausnahmezustand (15. 10. 1999) über Pakistan verhängt. Das Amt des Präsidenten blieb (mit veränderten Befugnissen) bestehen. Die Exekutivgewalt liegt in den Händen des durch drei Militärbefehlshaber und vier Experten der Bereiche Finanz-, Innen- und Außenpolitik gebildeten Nationalem Sicherheitsrats; ihnen unterstellt als Beratungs- und Vollzugsorgane sind ein Expertengremium, das Ministerkabinett sowie die Provinzregierungen unter Vorsitz eines Gouverneurs.
Parteien:
Nach dem Parteiengesetz vom 17. 2. 1985 ist neben der ordnungsgemäßen Besetzung der Parteiämter durch Wahl v. a. ein islamisches Staatsverständnis unabdingbar. Mitglieder, die gegen islamische Wertvorstellungen verstoßen, müssen ausgeschlossen werden. Die Sperrklausel liegt in den Provinzen bei 2 % und landesweit bei 5 %. Einflussreichste Parteien sind die Pakistan Muslim League (PML, gegründet 1947), die Pakistan People's Party (PPP, gegründet 1967), die Mohajir Qaumi Movement (MQM, gegründet 1984; seit 1992 in zwei Fraktionen gespalten), die Awami National Party (ANP, gegründet 1986; vertritt besonders die Volksgruppen der Pathanen und Belutschen). Betont religiös orientiert sind die Jamiatul-Ulema-e-Islam (JUI, gegründet 1948) und die Jamiatul-Ulema-e-Pakistan (JUP, gegründet 1968).
Wichtigster Dachverband ist die Pakistan National Federation of Trade Unions (gegründet 1962), dem 270 Einzelgewerkschaften mit insgesamt rd. 1 Mio. Mitglieder angeschlossen sind.
Das Wappen (seit 1955) zeigt im gevierten Schild in je einem Feld Baumwollpflanzen, einen Teezweig, eine Weizengarbe sowie Jutepflanzen; über dem von einem Narzissenkranz umzogenen Schild der Halbmond mit Stern; unter dem Kranz ein Schriftband mit der Devise »Iman, Itehad, Nazm« (»Glaube, Einheit, Zucht«).
Nationalfeiertage:
Nationalfeiertage sind der 23. 3. (zur Erinnerung an die Pakistan-Resolution der Muslimliga in Lahore 1940) sowie der 14. 8. (Unabhängigkeitstag; 1947).
Pakistan besteht aus vier Provinzen, jeweils mit einem vom Präsidenten ernannten Gouverneur, der wiederum den Chefminister als Spitze der Exekutive ernennt; ferner aus dem Bundesterritorium der Hauptstadt Islamabad und den von der Regierung der North-West Frontier Province (NWFP) im Auftrag der Bundesregierung verwalteten Stammesgebieten (FATA). Als beratendes Gremium zwischen dem Bund und den Provinzen fungiert ein paritätisch zusammengesetzter »Rat der gemeinsamen Interessen«.
Das mehrfach gestufte Gerichtssystem umfasst den Obersten Gerichtshof (zugleich Appellationsgericht), den Scharia-Gerichtshof des Bundes, die Hochgerichtshöfe der vier Provinzen sowie zahlreiche Verwaltungsgerichte. 1988 wurde die Scharia zum obersten Recht erklärt, 1995 die Todesstrafe für Rauschgifthandel eingeführt.
Die Gesamtstärke der Freiwilligenarmee beträgt rd. 590 000, die der paramilitärischen Kräfte etwa 250 000 Mann (Nationalgarde, Grenzkorps, Rangers, Küstenwacht). Das Heer (rd. 520 000 Soldaten) ist gegliedert in zwei Panzer- und 19 Infanteriedivisionen, sieben selbstständige Panzer- und neun selbstständige Infanteriebrigaden sowie drei Panzeraufklärungsregimenter. Hinzu kommen mehrere Artillerie- und Flugabwehrverbände sowie eine Sondereinsatztruppe. Die Luftwaffe umfasst etwa 45 000, die Marine rd. 22 000 Mann. Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus etwa 2 000 Kampfpanzern, etwa 420 Kampfflugzeugen, vier Zerstörern, acht Fregatten, sechs U-Booten sowie 18 Kleinen Kampfschiffen.
Landesnatur und Bevölkerung:
Mehr als ein Drittel der Staatsfläche nimmt die im Tertiär angelegte Senkungszone des Industieflandes ein. Die Stromaufschüttungsebene des Indus und die Stromfächer seiner großen Nebenflüsse im zu Pakistan gehörenden Teil des Pandschab bilden den eigentlichen Lebensraum des Landes; die Flüsse liefern das Wasser für den Bewässerungsfeldbau. In der Trockenzeit verdunstet der Indus im Unterlauf weitgehend; er mündet in einem 7 800 km2 großen Delta ins Arabische Meer. Begrenzt wird das Industiefland im Westen von den Gebirgen Belutschistans (Sulaimangebirge bis 3 452 m über dem Meeresspiegel), im Norden von Salt Range und Potwar Plateau, im Osten von der Wüste Thar. Im Norden hat Pakistan Anteil am Hindukusch, der im Tirich Mir 7 690 m über dem Meeresspiegel erreicht, und am Himalaja. Im von Pakistan besetzten Teil Kaschmirs befinden sich im Himalaja der Nanga Parbat (8 126 m über dem Meeresspiegel), im Karakorum der K 2 (8 607 m über dem Meeresspiegel).
Pakistan gehört zum subtropisch-kontinentalen Klimabereich mit Monsuneinfluss. Die durchschnittlichen Julitemperaturen betragen in Peshawar 33 ºC (Januar 10,9 ºC), im Industiefland 37,4 ºC (14,6 ºC), in Karatschi 30,2 ºC (19,1 ºC). Jahresniederschläge sind gering, sie nehmen von Norden nach Süden ab (Lahore 504 mm, Multan 179 mm, Sukkur 93 mm, Hyderabad 180 mm). Die sommerlichen Monsunregen erreichen nicht alle Landesteile. Regenfeldbau ist nur am Himalajarand möglich.
Mit Ausnahme der Gebirgswälder (oberhalb von 1 000 m über dem Meeresspiegel hauptsächlich Nadelwälder) und der Kulturlandschaft des Industales herrschen Steppen (v. a. mit Dornsträuchern und Akaziengestrüpp) und Wüsten vor.
Seit der Unabhängigkeit hat sich die Bevölkerung mehr als vervierfacht; 1981 wurden 84 Mio.Ew. gezählt; der Zensus 1991 musste wegen massiver Manipulationsversuche abgebrochen werden;1998wurden bereits 130,58 Mio. Ew. gezählt; alle neueren Angaben sind Hochrechnungen. Das Bevölkerungswachstum ist rückläufig auf hohem Niveau: im Zeitraum 1990-99 durchschnittlich jährlich 2,5 %. Mehr als 50 % der Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre. Vier Fünftel der Bevölkerung leben in den Bewässerungsgebieten des Industieflands und des Peshawarbeckens. Die vier Hauptbevölkerungsgruppen sind die Panjabi, Sindhi, Pathanen (Paschtunen) und Belutschen, denen die einzelnen Untergruppen und Stämme nicht immer leicht zuzuordnen sind; dies gilt auch für die vielen Sprachen und Dialekte; so z. B. für das im Süden von Punjab und im Norden von Sind gesprochene Siraiki, das in Belutschistan gesprochene, den dravidischen Sprachen zugerechnete Brahui und das in der östlichen NWFP gesprochene Hindko. Aus den Einwohnerzahlen der Provinzen (Punjab 1998: 55,6 %, Sind: 23,0 %; NWFP: 13,4 %, Belutschistan: 5,0 %) sowie des Bundesterritoriums (Islamabad: 0,6 %) und der Stammesgebiete (FATA: 2,4 %) lassen sich deshalb nicht die Größen der Volksgruppen ableiten. Durch die Teilung Indiens war es zu Flucht und Vertreibung von wenigstens 7 Mio. Muslimen aus Indien und etwa ebenso viel Hindus und Sikhs in der Gegenrichtung (aus dem ehemaligen Westpakistan) gekommen. Die Flüchtlinge aus Ost-Punjab blieben meist in ihrer Provinz, die Urdu sprechenden Flüchtlinge aus der Gangesebene, Zentralindien und Bombay gingen dagegen nach Karatschi, das zur fast reinen Mohajir (arabisch Muhadjirum »Einwanderer«)-Stadt wurde. Nach dem Zustrom weiterer Gruppen, neben Panjabi, Pathanen (Paschtunen) und Belutschen auch Flüchtlinge aus Afghanistan, kam es v. a. in Karatschi seit Mitte der 80er-Jahre zu wirtschaftlich, sozial, politisch und religiös motivierten Auseinandersetzungen, die in den 90er-Jahren zeitweise bürgerkriegsähnliche Züge annahmen. Damit ist das Urdu, das von vielen verstanden, aber nur von der Minderheit der Flüchtlinge als Muttersprache gesprochen wird, als Nationalsprache nur schwer durchzusetzen; Englisch hat dadurch als Verwaltungs-, Geschäfts- und Unterrichtssprache an Bedeutung gewonnen.
Die dominierende Religion ist der Islam; Religionsfreiheit ist durch die Verfassung (Art. 20) garantiert; »blasphemische Äußerungen über den Islam« können allerdings auf Grundlage eines 1985 eingeführten Gesetzes und der Scharia strafrechtlich verfolgt werden. Nicht als islamische Gemeinschaft anerkannt und starkem politischem Druck ausgesetzt ist die Glaubensgemeinschaft der Ahmadija. Fast 97 % der Bevölkerung - die Ahmadija-Bewegung eingeschlossen - sind Muslime, mehrheitlich Sunniten der hanefitischen Rechtsschule; zur schiitischen Minderheit (v. a. Imamiten; kleinere Gruppen Ismailiten) gehören etwa 15 %. Eine große Rolle spielt der Volksislam, dessen Frömmigkeit v. a. durch den Sufismus geprägt ist. - Die größten religiösen Minderheiten sind die Hindus (1,5 %) und die Christen (1,5 %; etwa zur Hälfte Katholiken); sehr kleine Gemeinschaften sind die Parsen und die Bahais. Die katholische Kirche umfasst zwei Erzbistümer (Karatschi, Lahore) mit vier Suffraganbistümern. Die größte protestantische Kirche ist die 1970 aus dem Zusammenschluss von Anglikanern, Methodisten, Presbyterianern und Lutheranern entstandene »Church of Pakistan« (rd. 700 000 Mitglieder).
Eine allgemeine Schulpflicht besteht nicht. Die fünfjährige kostenfreie Primarschule erfasst etwa knapp 50 % der sechs- bis elfjährigen Kinder. Unterrichtssprache ist Urdu. Außer den Primarschulen stehen dreijährige Hauptschulen und höhere Schulen zur Verfügung. Starke Zunahme verzeichnen die englischsprachigen Privatschulen nach britischem Muster. Die Analphabetenquote beträgt 59,1 %. In Pakistan gibt es 21 Universitäten, darunter je drei in Islamabad, Karatschi und Peshawar sowie zwei in Lahore.
In Karatschi erscheinen u. a. »The Daily Jang«, mit 750 000 Exemplaren die auflagenstärkste Zeitung Pakistans, ferner »Dawn«, »Jasarat«, »Huriyat« und »Daily News«; in Lahore: »Nawa-e Waqt« (400 000 Exemplare), »Mashriq«, »Imroze«, »The Pakistan Times«; in Islamabad: »The Muslim«, »Pakistan Observer«; in Peshawar: »The Frontier Post«, »Jehad«; in Quetta: »The Baluchistan Times«, »Zamana«. Mehr als 50 % der Gesamtauflage der pakistanischen Presse werden von dem regierungsnahen National Press Trust kontrolliert. - Nachrichtenagenturen: die halbamtliche »Associated Press of Pakistan, APP« (gegründet 1948), »Independent News of Pakistan« (gegründet 1991), »National News Agency, NNA«, »News Network International«, »Pakistan Press International, PPI« (gegründet 1956 als »Pakistan Press Association, PPA«) und »United Press of Pakistan Limited, UPP«. - Rundfunk: Die staatliche »Pakistan Broadcasting Corporation«, Sitz: Islamabad, verbreitet über 20 Sender Hörfunkprogramme für das ganze Land. Fernsehprogramme senden »People's Television Network« und (mit begrenzter Sendezeit) »Pakistan Television Corp. Limited«.
Wirtschaft und Verkehr:
Pakistan zählt zu den Ländern mit niedrigem Einkommen und rangiert in Südasien, gemessen am Bruttosozialprodukt (BSP) je Einwohner von (1995) 460 US-$, vor Indien, Bangladesh und Nepal.
Die Landwirtschaft ist nach wie vor der wichtigste Wirtschaftsbereich; sie beschäftigt mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen und erwirtschaftet ein Viertel des Bruttoinlandsproduktes (BIP); schließt man die Verarbeitungsprodukte mit ein, stellt sie das Gros der Ausfuhren. Ein Viertel des Territoriums (21 Mio. ha) werden ackerbaulich genutzt, davon liegen 5 Mio. ha brach. Wiesen und Weiden nehmen eine Fläche von 5 Mio. ha ein. Die Landwirtschaft erfolgt auf 16 Mio. ha Erntefläche unter Bewässerung, v. a. durch Ableitung des Wassers des Indus und seiner Nebenflüsse über ein weit verzweigtes Kanalsystem, ergänzt durch die Kombination von Tiefbrunnen und Motorpumpen. Auf diesem größten Bewässerungssystem der Erde basiert v. a. der Anbau von Weizen (1993: 16,2 Mio. t; 2,9 % der Weltproduktion), Reis (ungeschält, 5,9 Mio. t; 1,1 %), Baumwolle (1,4 Mio. t; 8,1 %), Zuckerrohr (38,7 Mio. t; 3,7 %). Pakistan teilt sich seit dem Indus-Wasser-Vertrag (Indus Water Treaty) von 1960 die großen Ströme mit dem am Oberlauf gelegenen Indien. Pakistan hat die alleinigen Nutzungsrechte am Indus, Jhelum und Chenab, Indien am Ravi, Sutlej und Beas. Dem regionalen und zeitlichen Ausgleich dienen Verbindungskanäle zwischen den Strömen und Hochdämme bei Tarbela und Mangla, die zu den größten der Welt gehören. Die wichtigsten Grundnahrungsmittel sind Weizen, Reis, Hülsen- und Ölfrüchte. Die Viehwirtschaft (Bestand 1993: 17,8 Mio. Rinder, 18,7 Mio. Büffel, 27,7 Mio. Schafe, 40,2 Mio. Ziegen) wird extensiv, in den Bergen und Steppengebieten nomadisch, betrieben; den stärksten Zuwachs hat die Geflügelhaltung (92 Mio. Hühner).
Als Wald werden (1993) offiziell 3,5 Mio. ha ausgewiesen; wegen des intensiven Einschlags (1993: 27,8 Mio. m3), v. a. zur Gewinnung von Brennholz (25,0 Mio. m3), ist diese Zahl aber unsicher; in den Bergen gibt es einige Primärwälder, Nationalparks und Wildreservate.
Der Fang (1992-93: 0,55 Mio. t) geht v. a. in den Export; bei 2 kg Verzehr pro Kopf und Jahr ist der Beitrag zur Ernährung (Eiweiß) gering.
Pakistan verfügt über beträchtliches Vorkommen an Erdgas (v. a. am mittleren Indus), Steinsalz (Salt Range) und Steinen und Erden (Kalkstein, Speckstein, Marmor). Ausmaß und Abbauwürdigkeit der Lager von Erdöl, Kohle und Erzen (Eisen, Chrom, Kupfer, Uran, Phosphat) sind ungewiss; bei Lakhra im Sind ist ein Kraftwerk im Bau, das mit einheimischer Kohle befeuert werden soll. Pakistan ist vorerst auf Importe von Erdöl, Kohle und Eisen (für das Stahlwerk Karatschi) angewiesen; die Wasserkraft wird zum Teil genutzt (Tarbela 3 478 MW); ihr Anteil an der Elektrizitätserzeugung von knapp der Hälfte ist rückläufig; neue Wasserkraftwerke sind am Indus und Jhelum geplant.
Im industriellen Sektor (mit Bergbau, Energie und Bauwirtschaft) erwirtschafteten 1995 16,6 % der Beschäftigten 24,0 % des BIP. Rund ein Drittel aller Unternehmen sind in Karatschi, dem Wirtschaftszentrum Pakistans, angesiedelt (u. a. zwei Raffinerien und ein Stahlwerk). Kleine Betriebe dominieren. Großbetriebe finden sich v. a. im Bereich der Textil-, chemische und Metallindustrie. Die industrielle Wertschöpfung wird v. a. in der chemischen und Pharmaindustrie, im Textilbereich und im Bereich Eisen und Stahl, Maschinen- und Fahrzeugbau und Elektroindustrie erbracht.
Die Handelsbilanz ist chronisch defizitär (Einfuhren 1994-95: 10,1 Mrd. US-$, Ausfuhren 7,9 Mrd. US-$). Produkte der so genannten Baumwollgruppe stellen etwa die Hälfte aller Ausfuhren bei steigender Wertschöpfung in der Verarbeitung. Neben Rohbaumwolle, Garnen und Stoffen spielt Bekleidung eine steigende Rolle; weitere wichtige Exportprodukte sind Reis, Fischereierzeugnisse und Lederwaren. Wichtigste Handelspartner sind die EU (v. a. Deutschland und Großbritannien), Japan und die USA. Der Schuldendienst für die (1995-96) 23,1 Mrd. US-$ Auslandsschuld beansprucht zunehmende Anteile an den Exporterlösen (23 %), zu denen die Arbeiter im Ausland mit ihren Überweisungen nach Hause (1,1 Mrd. US-$) einen wichtigen (1994-95: 15 %), aber sinkenden Beitrag leisten. Mit 36 % Anteil am BIP hält sich die Verschuldung im Ausland in noch erträglichen Grenzen.
Verkehr:
Die Hauptverkehrslinien von Eisenbahn und Straße verlaufen in einem Bogen vom Seehafen Karatschi dem Indus und Ravi folgend nach Lahore und weiter am Südrand des Himalaja über die Hauptstadt Islamabad nach Peshawar. Zu den Nachbarländern gibt es aus natürlichen (Gebirge, Wüsten: China, Afghanistan, Iran) und politischen (Indien) Gründen nur wenige Verbindungen; der offizielle Überlandverkehr ist minimal; de facto ist die Grenze zu Afghanistan durchlässig. Der (offizielle) Außenhandel erfolgt fast nur per Schiff und der Personenverkehr per Luft. Im Binnenverkehr hat die Eisenbahn (8 775 km Streckenlänge) den größten Teil an die Straße verloren; rd. 40 % des 108 530 km langen Straßennetzes sind befestigt. Angestrebt werden bessere Verbindungen zu den zentralasiatischen Republiken (Erdgas, Erdöl), deren Transithandel - wie bereits der Afghanistans - über Pakistan laufen könnte, über den Bolan- und den Khyberpass über Afghanistan und über die Karakorumstraße (seit 1978; Gilgit 1) über China (Sinkiang). Für eine durchgehende Eisenbahnlinie von Europa und Südwestasien nach Indien fehlt nur noch eine Strecke im Ostiran. Ein neuer Hafen (Port Muhammad Bin Quasim) wurde östlich von Karatschi in Betrieb genommen. Internationaler Flughäfen: Karatschi, Islamabad und Lahore. Neben der nationalen Fluggesellschaft Pakistan International Airlines gibt es seit 1993 auch private Gesellschaften.
Vor dem Hintergrund der Unabhängigkeitsbewegung in Britisch-Indien (Indien, Geschichte) entwickelte zum ersten Mal M. Iqbal als Präsident der Jahrestagung der Muslimliga (1930) die Idee eines selbstständigen Staates der indischen Muslime. Rahmat Ali (* 1893, ✝ 1951) schlug 1933 für einen solchen Staat den Namen »Pakistan« vor (P für Punjab, a für Afghan Province, k für Kaschmir, i für Indus, s für Sind und tan für Belutschistan) und baute die territorialen Vorstellungen aus. In der »Pakistan-Resolution« (1940) griff die Muslimliga, geführt von M. A. Jinnah, die »Zweinationentheorie« auf, nach der Hindus und indische Muslime zwei Nationen seien. Gegen den Widerstand des Indischen Nationalkongresses setzte Jinnah in den folgenden Jahren die Teilung Britisch-Indiens in die Indische Union (Indien) und Pakistan durch.
Von der Staatsgründung bis zur Abspaltung Ostpakistans (1947-71):
Am 14. 8. 1947 wurde Pakistan, einen Tag später die Indische Union im Rahmen des (britischen) Commonwealth unabhängig (beide als Dominions). Im Zuge der Teilung Britisch-Indiens erhielt Pakistan die mehrheitlich muslimischen Gebiete; dabei entstanden die beiden (durch das Territorium der Indischen Union) weit voneinander getrennten Landesteile Westpakistan (v. a. die früheren britisch-indischen Provinzen Sind, North-West Frontier Province, Belutschistan und West Punjab) und Ostpakistan (Ostbengalen und Teile Assams). Das bis zu diesem Zeitpunkt unter britischem Protektorat stehende Fürstentum Bahawalpur schloss sich Pakistan an. Der Streit mit Indien um Kaschmir führte im Dezember 1947 zum Ausbruch eines ersten militärischen Konfliktes. Nach Vermittlung eines Waffenstillstandes durch die UNO (31. 12. 1948) entwickelte sich die Waffenstillstandslinie (gültig seit dem 1. 1. 1949) zur pakistanisch-indischen Demarkationslinie im Bereich von Kaschmir. Im Zuge einer Umsiedlungsaktion zogen etwa sieben Mio. Muslime unter oft blutigen Begleitumständen von Indien in das westliche Pakistan; dieses erfasste jedoch bei seiner Gründung nur etwa zwei Drittel der indischen Muslime; die Übrigen blieben als Minderheit in Indien. Im April 1950 schlossen Indien und Pakistan ein Abkommen über die Behandlung ihrer muslimischen beziehungsweise hinduistischen Minderheit.
Unter den Generalgouverneuren Jinnah (1947-48), K. Nazim ud-Din (1948-51) und Ghulam Mohammed (1951-55; * 1895, ✝ 1956) bemühten sich die Premierminister Liakat Ali Khan (1947-51), Nazim ud-Din (1951-53) und Mohammed Ali (1953-55; * 1909, ✝ 1963), gestützt auf die Muslimliga (Pakistan Muslim League; PML), um die Entwicklung Pakistans. Mit Wirtschaftshilfe v. a. aus den USA (seit 1951) sollte die Wirtschaftsstruktur des Landes modernisiert und die soziale Situation der Menschen verbessert werden, v. a. um die große Zahl der Flüchtlinge aus Indien in die Gesellschaft einzugliedern. Spannungen zwischen verschiedenen Gruppen über die Rolle des Islam im Staatsverständnis sowie Gegensätze zwischen den weit auseinander liegenden Teilen Pakistans beherrschten die Innenpolitik. Der Versuch, das westpakistanische Urdu auch in Ostpakistan einzuführen, löste dort Unruhen aus. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung siegte in Ostpakistan 1954 bei Regionalwahlen die oppositionelle Awami-Liga über die PML. Mit der Ausrufung des Staatsnotstandes (1954) trieben die innenpolitischen Spannungen auf einen Höhepunkt. In dieser Situation entwickelte sich General Iskander Mirza (* 1899, ✝ 1969) zur beherrschenden Figur Pakistans. Als Gouverneur von Ostpakistan (1954) unterdrückte er die separatistischen Tendenzen. Politisch trat er für eine stärkere Zentralgewalt in Pakistan und eine schärfere Trennung von Politik und Religion ein. Als Generalgouverneur von Pakistan (1955-56) hatte er maßgeblichen Anteil an der Ausrufung der »Islamischen Republik Pakistan« am 23. 3. 1956, deren erster Präsident er wurde.
Unter dem Eindruck der sich ständig steigernden innenpolitischen Krise setzte Präsident Mirza im Oktober 1958 die Verfassung außer Kraft (Auflösung des Parlaments und der Parteien) und ernannte General M. Ayub Khan zum »Obersten Kriegsrechtsadministrator«; wenig später verdrängte ihn dieser als Staatspräsident Ayub Khan, der auch das Amt des Premierministers übernahm, suchte auf der Basis von Fünfjahresplänen die Wirtschaftslage zu verbessern und leitete eine Landreform ein. Mit der Verfassung vom 1. 3. 1962 führte er das System einer »gelenkten Demokratie« ein: Etwa 80 000 »basic democracies« (kleine, politisch überschaubare Wahlkreise) wählten Vertrauensleute in die höheren parlamentarischen Gremien auf regionaler und parlamentarischer Ebene. Die wachsende Unterdrückung der Opposition löste um die Jahreswende 1968/69 Demonstrationen von Studenten und einen Generalstreik aus. Unter diesem Druck sah sich Ayub Khan im März 1969 zum Rücktritt gezwungen.
General Aga Mohammed Jahja Khan (* 1917, ✝ 1980), der Nachfolger Ayub Khans, setzte zunächst die Verfassung außer Kraft und verhängte das Kriegsrecht. Mit der Wiederzulassung von Parteien und der Ansetzung von Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung suchte er die Einheit seines Landes zu retten, scheiterte aber an der Polarisierung der politischen Kräfte: Während bei den Wahlen vom 7. 12. 1970 in Westpakistan die für die Einheit Pakistans eintretende, von Z. A. Bhutto geführte »Pakistan People's Party« (PPP) siegte, setzte sich in Ostpakistan die für dessen Autonomie eintretende, von Mujibur Rahman geleitete Awami-Liga mit großer Mehrheit durch. Der Zusammentritt der verfassunggebenden Nationalversammlung unterblieb; statt dessen proklamierten die führenden Politiker Ostpakistans dieses im März 1971 zur unabhängigen Republik Bangladesh. Mit der blutigen Unterdrückung dieser Bestrebungen durch die v. a. von Westpakistan gestellten Truppen der Zentralregierung ergoss sich ein großer Flüchtlingsstrom nach Indien. Mit militärischer Unterstützung Indiens gelang es jedoch der ostpakistanischen Nationalbewegung im Dezember 1971, die Loslösung Ostpakistans als Bangladesh von Pakistan durchzusetzen; Westpakistan ist seitdem identisch mit Pakistan. Am 20. 12. 1971 wurde Bhutto Staatspräsident.
Die Außenpolitik 1947-71:
Die außenpolitische Linie Pakistans war seit seiner Entstehung durch sein gespanntes Verhältnis zu Indien bestimmt, das durch den Streit um Kaschmir zusätzlich belastet wurde. Im Gegensatz zur Politik der Blockfreiheit Indiens kam Pakistan den im Zuge des Ost-West-Konfliktes um ein weltweites Bündnissystem bemühten USA entgegen und trat 1954 der SEATO, 1955 der CENTO (ursprünglich »Bagdadpakt« genannt) bei. Pakistan, das in starkem Maß Militärhilfe aus den USA erhielt, war v. a. an einer militärischen Stärkung gegenüber Indien interessiert. Darüber hinaus knüpfte Pakistan engere Beziehungen zur Volksrepublik China an und schloss mit ihr 1963 ein Grenzabkommen. Mit dem Angriff seiner Truppen auf den indischen Teil von Kaschmir (September 1965) versuchte Pakistan erfolglos, den Kaschmirkonflikt militärisch zu lösen. Nach Abschluss eines Waffenstillstandes vermittelte die UdSSR auf der Konferenz von Taschkent (4.-10. 1. 1966) eine pakistanisch-indische Vereinbarung, im Streit um Kaschmir keine militärischen Lösungen mehr zu suchen.
Von der Regierung unter Z. A. Bhutto zur Militärdiktatur M. Zia ul-Haqs (1971/73-88):
Nach über einem Jahrzehnt der Militärherrschaft baute Bhutto mit der Verfassung von 1973 ein ziviles, nach parlamentarischem Muster strukturiertes Regierungssystem auf, in dem er selbst (1973) das Amt des Premierministers übernahm. Staatspräsident war Fazal Elahi Chaudry (1973-78). Bhutto führte eine Bodenreform durch und verstaatlichte u. a. Industriebetriebe und Banken. Gestützt auf die PPP, entwickelte er jedoch unter immer schärferer Unterdrückung jeder Opposition einen persönlich-autoritären Regierungsstil. 1974/75 kam es zu Unruhen in Belutschistan und der North-West Frontier Province. Der Vorwurf massiver Wahlmanipulationen zugunsten der PPP löste 1977 schwere Unruhen (über 300 Tote; fast 30 000 Verhaftungen) aus. Am 5. 7. 1977 übernahm General M. Zia ul-Haq die Macht und verkündete unter Suspendierung der Verfassung, dem Verbot der Parteien und der Gewerkschaften das Kriegsrecht. 1978 ließ er sich auch als Staatspräsident vereidigen. Gestützt auf die Armee, baute Zia ul-Haq ein diktatorisches Regierungssystem auf, das sich v. a. gegen Parteien (besonders die PPP) und Gruppierungen wandte, die »islamischen Grundsätzen« zuwiderliefen. 1978 wurde Bhutto unter dem Vorwurf, die Ermordung eines Oppositionspolitikers angeordnet zu haben, zum Tode verurteilt und 1979 hingerichtet. Zia ul-Haq führte bis 1988 stufenweise die Scharia als oberstes Rechtsinstitut ein. In einem Referendum billigte die Bevölkerung 1984 seine Islamisierungspolitik und verlängerte seine Amtszeit um fünf Jahre.
Seit 1979 brachen in Pakistan aus politischen, gesellschaftlichen und ethnischen Gründen immer wieder Unruhen aus. Unter Führung der PPP gründeten 1981 neun politische Parteien eine »Bewegung zur Wiederherstellung der Demokratie«. Nach den Wahlen von 1985, bei denen nur Einzelkandidaten, d. h. Kandidaten ohne Parteibindung, zugelassen waren, hob die Regierung das Parteienverbot und das Kriegsrecht auf. 1986 kehrte Benazir Bhutto, die Tochter Bhuttos und seit Beginn der 80er-Jahre der führende politische Kopf der PPP, aus dem Exil nach Pakistan zurück. Im August 1988 kam Zia ul-Haq bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Sein Nachfolger (bis Dezember 1988 interimistisch) wurde Ghulam Ishaq Khan.
Außenpolitik Pakistans von 1971 bis in die 1990er-Jahre:
Außenpolitisch hatte Pakistan nach seiner militärischen Niederlage gegen Indien (1971) mit seinem Austritt aus dem Commonwealth und der SEATO (1972) seine politische Linie in Richtung auf eine größere Distanz zu den westlichen Mächten modifiziert (1989 Rückkehr ins Commonwealth). Im Rahmen der CENTO arbeitete die pakistanische Regierung weiterhin v. a. mit Iran und der Türkei zusammen. Auf der islamischen Gipfelkonferenz (1974) erkannte Pakistan Bangladesh als unabhängigen Staat an. 1979 trat es auch aus der CENTO aus.
Den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan 1979 verurteilte Pakistan scharf. An der Grenze zu Afghanistan kam es aufgrund des dortigen Bürgerkrieges wiederholt zu Übergriffen des afghanischen wie auch des pakistanischen Militärs. Am 14. 4. 1988 unterzeichnete Pakistan schließlich das Genfer Afghanistan-Abkommen, das afghanisch-pakistanische Vereinbarungen über die Nichteinmischung und Rückführung der Flüchtlinge enthielt. Auch danach setzte es aber seine Hilfe für die afghanischen Mudjahedin fort, die 1989 in Peshawar eine Exilregierung bildeten; als sich die Mudjahedin aber nach der Eroberung der afghanischen Hauptstadt Kabul (1992) in blutigen Machtkämpfen aufrieben und Afghanistan in einzelne, von »Warlords« beherrschte Territorien zerfiel, ging Pakistan zur Ausbildung und massiven Unterstützung der Taliban über, die ab Herbst 1994 allmählich den größten Teil Afghanistans erobern konnten. Im Mai 1997 erkannte Pakistan als erster Staat das Taliban-Regime in Afghanistan an.
Pakistan unter den Premiers Benazir Bhutto und M. Nawaz Sharif (1988-99):
Nach dem Wahlsieg der PPP im November 1988 wurde Benazir Bhutto im Dezember erster weiblicher Premierminister in einem muslimischen Land, aber im August 1990 unter der Beschuldigung des Amtsmissbrauchs und der Korruption vom Staatspräsidenten abgesetzt. Die Wahlen im Oktober 1990 gewann die »Islamische Demokratische Allianz«; Premierminister wurde Mohammed Mian Nawaz Sharif. Seine Regierung leitete u. a. eine Reprivatisierung großer Industrieunternehmen ein. Ein zwischen Staatspräsident Ishaq Khan und Premierminister Nawaz Sharif ausgetragener Machtkampf endete nach Vermittlung durch die Armee mit dem Rücktritt beider im Juli 1993. Die Parlamentswahlen im Oktober 1993 gewann die PPP; Benazir Bhutto wurde erneut Premierminister Von der Opposition unter Nawaz Sharif bekämpft, konnte sie weder die Staatsverschuldung noch die politisch-religiöse Unruhen (besonders in Karatschi) dämpfen. Unter dem Vorwurf der Korruption und der Misswirtschaft wurde sie im November 1996 von Staatspräsident F. A. Leghari (seit November 1993 im Amt) erneut vorzeitig abgesetzt. Nach dem Wahlsieg der PML im Februar 1997 trat Nawaz Sharif zum zweiten Mal das Amt des Regierungschefs an. Im politischen Machtkampf mit Leghari erreichte er dessen Rücktritt (Dezember 1997). Neuer Staatspräsident wurde am 1. 1. 1998 der ehemalige Richter Mohammed Rafiq Tarar. Auch in der zweiten Amtszeit Nawaz Sharifs spitzte sich die innenpolitische Situation schnell wieder zu: die wirtschaftliche Misere brachte das Land fast an den Rand eines Staatsbankrotts, die von zahlreichen Gewaltakten begleiteten politisch-religiösen Unruhen in Karatschi, aber auch in Punjab u. a. Provinzen, konnten nicht eingedämmt werden; die Opposition, die Nawaz Sharif Korruption, Amtsmissbrauch, Missachtung der Verfassung und Nepotismus vorwarf, forderte auf zahlreiche Demonstrationen seinen Rücktritt. Mit dem Ziel einer weiteren Islamisierung Pakistans brachte Nawaz Sharif am 28. 8. 1998 im Parlament den heftig umstrittenen Entwurf einer Verfassungsänderung ein, mit der das Grundgesetz dem Koran und der Sunna unterstellt werden sollte. Am 3. 1. 1999 entging Nawaz Sharif bei Lahore nur knapp einem Attentatsversuch. Im April 1999 wurden die ins Ausland geflüchtete Benazir Bhutto und ihr bereits inhaftierter Ehemann der Korruption für schuldig befunden und zu einer jeweils fünfjährigen Gefängnisstrafe verurteilt; zudem entzog man Benazir Bhutto das Parlamentsmandat und untersagte ihr für fünf Jahre die Ausübung öffentlicher Ämter.
Neben Rüstungsanstrengungen auf konventionellem Gebiet entwickelte Pakistan als nukleares Schwellenland sein atomares Rüstungsprogramm weiter, was zu Spannungen mit den USA und Indien führte, mit Letzterem erneut 1998, als Pakistan mit eigenen Kernwaffentests am 28. 5. und 30. 5. auf die zuvor von Indien durchgeführten Atomversuche reagierte; nach internationalen Protesten, von den USA verhängten Sanktionen und einer Verurteilung der indisch-pakistanischen Atomtests durch den UN-Sicherheitsrat verkündete Pakistan aber am 11. 6. 1998 ein Atomtestmoratorium.
Pakistan seit der Machtergreifung durch General P. Musharraf (seit 1999):
Der Streit um Kaschmir, den ein Treffen der Premierminister Indiens und Pakistans, A. B. Vajpayee und Nawaz Sharif, in Lahore im Februar 2000 kurzzeitig entspannen sollte, eskalierte erneut zu einem schweren Konflikt, als im Mai 1999 - vom pakistanischen Militär unterstützte - muslimische Rebellen über die Waffenstillstandslinie vordrangen und indische Truppen in schwere Kämpfe verwickelten. Als Nawaz Sharif auf Drängen der USA im Juli 1999 einen pakistanischen Rückzug anordnete, brachte er insbesondere die Armee gegen sich auf. Die daraus resultierenden Spannungen mündeten am 12. 10. 1999 in einen unblutigen Militärputsch, in dessen Verlauf der kurz zuvor aus dem Amt entlassene Generalstabschef Pervez Musharraf Premierminister Nawaz Sharif stürzte und selbst die Macht übernahm (seit 15. 10. 1999 offiziell Chief Executive). Noch im selben Monat berief Musharraf einen Nationalen Sicherheitsrat, dem neben drei Militärs auch vier Zivilisten angehörten; Staatspräsident Tarar beließ er im Amt. Innenpolitisch traf der Putsch auf keinen nennenswerten Widerstand, jedoch richtete sich internationale Kritik gegen ihn. So suspendierte am 18. 10. 1999 das Commonwealth die Mitgliedschaft Pakistans. Im Dezember 1999 erhob ein Antiterrorgericht in Karatschi gegen Nawaz Sharif Anklage; am 6. 4. 2000 wurde er zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt (im Juli 2000 zu weiteren 14 Jahren Gefängnis, im Oktober 2000 Abmilderung der Strafe durch ein Berufungsgericht). Nach seiner Begnadigung im Dezember 2000 verließ Nawaz Sharif das Land. 2001 wurde auch das Urteil gegen Benazir Bhutto aufgehoben.
Im Januar 2000 unterstellte sich der Militärmachthaber Musharraf die pakistanische Justiz; die obersten Richter wurden verpflichtet, einen Amtseid auf seine Übergangsverfassung zu leisten (mehrere, darunter der höchste Richter, wurden wegen Verweigerung entlassen). Am 12. 5. 2000 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des Militärputsches vom Oktober 1999 und räumte Musharraf ein, drei Jahre ohne parlamentarische Kontrolle regieren zu können.
Um seine Macht zu stabilisieren, ersetzte Musharraf islamistisch gesinnte Militärs in der Armee- und Geheimdienstführung durch moderatere Kräfte (u. a. Wechsel im Amt des Generalstabschefs im September 2000), leitete eine nationale Antikorruptionskampagne ein (zahlreiche Prozesse gegen Politiker und Beamte), ließ am 31. 12. 2000 und am 21. 3. 2001 Kommunalwahlen durchführen, an denen politische Parteien nicht teilnehmen durften, und erklärte sich nach Auflösung des (bereits seit dem Oktoberputsch von 1999 suspendierten) Parlaments am 20. 6. 2001 zum Staatspräsidenten (Vereidigung durch den Obersten Richter am 21. 6.). Durch ein am 30. 4. 2002 durchgeführtes Referendum ließ sich Musharraf (mit 98 % der Stimmen) seine Amtszeit um weitere fünf Jahre verlängern.
Außen- und Sicherheitspolitik im Zeichen des eskalierten Kaschmirkonflikts und der Antiterrorallianz (seit 2001):
Ein Gipfeltreffen mit dem indischen Premierminister Atal Behari Vajpayee in Agra im Juli 2001 führte trotz vorangegangener Versöhnungsgesten zu keiner entscheidenden Annäherung im Kaschmirkonflikt. Nach den Terroranschlägen in den USA vom September 2001 schloss sich Pakistan auf amerikanisches Drängen rasch der internationalen Antiterrorkoalition an (daraufhin Aufhebung der US-Sanktionen von 1998) und wurde - als Nachbarland zu Afghanistan und v. a. jahrelang entscheidende Stütze des dortigen Talibanregimes - zu einem der wichtigsten Faktoren in der am 7. 10. 2001 eingeleiteten amerikanischen Militäraktion. Gegen die Unterstützung der USA durch Musharraf richteten sich heftige inländische Proteste; tausende radikale Islamisten aus Pakistan kämpften aufseiten der Taliban in Afghanistan, deren diplomatische Vertretung in Islamabad erst im November 2001 geschlossen wurde. Zu einer neuen militärischen Eskalation des Kaschmirkonflikts kam es im Dezember 2001, als die indische Regierung nach einem terroristischen Attentat auf das Bundesparlament von Neu-Delhi in Pakistan wirkende islamistische Organisationen dafür verantwortlich machte; nach einem massiven Truppenaufmarsch und dem Ausbruch von Gefechten an der indisch-pakistanischen Grenze suchte Musharraf der Gefahr eines neuen Krieges mit Indien durch Bitte um Konfliktvermittlung seitens Großbritanniens und der USA sowie durch das Verbot (12. 1. 2002) radikaler islamistischer Organisationen und die Verhaftung religiöser Extremisten zu begegnen. Ein neuer blutiger Rebellenangriff auf einen indischen Militärstützpunkt in Kaschmir Mitte Mai 2002 und der indische Vorwurf an Pakistan, die bewaffneten islamistischen Gruppierungen im Krisengebiet weiter zu unterstützen, verschärfte die Situation zwischen den beiden Atommächten an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir, wo Indien und Pakistan etwa eine Million Soldaten zusammenzogen. Auf internationale Kritik stießen neue pakistanische Raketentests im selben Monat. Angesichts der wachsenden militärischen Spannungen mit Indien, das ultimativ die Unterbindung grenzüberschreitender Aktionen islamistischer Extremisten nach Kaschmir durch Pakistan forderte, betonte Musharraf Ende Mai 2002 das Interesse seines Landes an einer vom Ausland vermittelten Deeskaltion (u. a. US-amerikanische Mission im Juni 2002) und an indisch-pakistanischen Verhandlungen; innenpolitisch sprach er sich (unter Zusicherung einer weiteren Unterstützung des »Freiheitskampfes« in Kaschmir) für einen »nationalen Konsens« mit der Opposition aus und stellte für Oktober 2002 Parlamentswahlen in Aussicht.
F. Scholz: P. - Modell eines Entwicklungslandes, in: Geoökodynamik, Jg. 2 (1982); F. Scholz: Bewässerung in P., in: Erdkunde, Jg. 38 (1984); P., hg. v. R. F. Nyrop (Neudr. Washington, D. C., 1984);
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Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Indien: Die Teilung des indischen Subkontinents nach dem Zweiten Weltkrieg
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Pa|kis|tan, -s: Staat in Vorderindien.
Universal-Lexikon. 2012.