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Kurfürsten
I
Kurfürsten
 
Während im Hochmittelalter noch Fürsten, Adel und Volk gemeinsam den König wählten, wurde der Wählerkreis mit der Ausbildung des Reichsfürstenstandes in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts auf die Reichsfürsten eingegrenzt. Im Zuge der Doppelwahl vom Jahre 1198 (siehe auch Thronstreit: Philipp von Schwaben, Otto IV. und Friedrich II.) erhoben dann erstmals einige Fürsten den Anspruch, dass ihnen vor anderen die Wahl des Königs zukomme und dass daher ihre Mitwirkung für die Gültigkeit der Wahl erforderlich sei. Der Sachsenspiegel ging zwar grundsätzlich noch von der gemeinsamen Wahl aller Fürsten aus, wies aber den drei rheinischen Erzbischöfen (Mainz, Köln, Trier) sowie den weltlichen Fürsten, die bestimmte Erzämter innehatten, nämlich dem Pfalzgrafen bei Rhein (Truchsessenamt), dem Herzog von Sachsen (Marschallamt) und dem Markgrafen von Brandenburg (Kämmereramt) eine bevorrechtigte Rolle im Wahlverfahren zu. Der König von Böhmen - obwohl auch Inhaber eines Erzamtes (Schenkenamt) - sollte aus dem Kreis der bevorzugten Wähler ausgeschlossen sein, da er kein Deutscher sei.
 
In der Folgezeit - erstmals nachweisbar in der Doppelwahl von 1257 - konnten die genannten Fürsten ihre Vorrangstellung zu einem Alleinwahlrecht ausbauen, wodurch die übrigen Fürsten von der Wahl ausgeschlossen wurden. Während im 13. Jahrhundert die siebte Kurstimme zunächst noch zwischen Böhmen und Bayern strittig war, setzte sich gegen Ende des 13. Jahrhunderts das böhmische Stimmrecht durch. Die Goldene Bulle regelte dann endgültig die Berechtigung zur Königswahl und legte im einzelnen die Rechtsstellung der Kurfürsten sowie das Verfahren bei der Königswahl fest. Wenn die Kurfürsten von den Empfängern königlicher Privilegien auch oft um die formelle Zustimmung in der Form »Willebriefe« gebeten wurden und wenn sie mitunter auch durch spektakuläre Aktionen in die Reichspolitik eingegriffen haben (z. B. durch die Absetzung König Wenzels im Jahre 1400), so führte dies alles nicht zu einer institutionalisierten Mitwirkung an der Reichsherrschaft, etwa in der Form eines ständigen Reichsrates. Erst im Jahre 1489 schlossen sich die Kurfürsten auf den Reichstagen zu einer eigenen Kurie - unter Ausschluss der anderen Fürsten - zusammen. Im Jahre 1623 fiel die pfälzische Kurstimme an Bayern; zum Ausgleich wurde im Westfälischen Frieden von 1648 für die Pfalz eine neue achte Kur geschaffen. Bis zum Ende des Alten Reiches kamen noch folgende Kurstimmen hinzu: Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover), Regensburg, Toskana, Salzburg (1805 an Würzburg übertragen), Württemberg, Baden und Hessen-Kassel.
II
Kurfürsten
 
[zu althochdeutsch kuri »Wahl«], lateinisch Electores, im Heiligen Römischen Reich die seit dem Ende des 12. Jahrhunderts bis 1806 zur Wahl des Römischen Königs berechtigten Reichsfürsten. Konnten zunächst alle anwesenden Freien, dann alle anwesenden Reichsfürsten an der Königswahl teilnehmen, so setzte sich nach 1198 die im welfisch-staufischen Thronstreit von Papst Innozenz III. vertretene Auffassung durch, dass an einer gültigen Königswahl die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier sowie der Pfalzgraf bei Rhein beteiligt sein müssten (König). Seit der Wahl von 1257 galten sieben Kurfürsten als alleinige Königswähler: die vier genannten Fürsten, der Herzog von Sachsen (endgültig seit 1356 von Sachsen-Wittenberg), der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen, den der Sachsenspiegel 1230 noch als »nicht deutsch« ausgeschlossen hatte. Bei der Wahl Rudolfs I. von Habsburg (1273) trat das Kurfürstenkollegium (Kurkolleg) erstmals als geschlossener Wahlkörper auf. Ludwig IV., der Bayer (1314/28-47), verfocht den Grundsatz, dass die Mehrheit der sieben Kurfürsten zur rechtsgültigen Königswahl genüge. Dies wurde 1338 vom Kurverein von Rhense anerkannt und 1356 Reichsgrundgesetz durch die Goldene Bulle, die auch die Stimmabgabe regelte, die Unteilbarkeit der Kurlande und die Primogenitur bei den weltlichen Fürsten festsetzte sowie den Kurfürsten für ihre Territorien die unbeschränkte Gerichtsbarkeit gab. Das Recht, sich zu Beratungen in Reichsangelegenheiten zu versammeln, wurde in Kurvereinen (u. a. Binger Kurverein, 1424; Regensburger Kurfürstentag, 1630) wahrgenommen.
 
Der Sachsenspiegel erklärte Entstehung und Zusammensetzung des Kurkollegs aus der Tatsache, dass die (hier: sechs) Kurfürsten - als »Vorwähler« - Inhaber der Erzämter waren. Am wahrscheinlichsten ist jedoch, das Zusammenwirken mehrerer zeitbedingter Umstände v. a. während des Interregnums (1256-73) anzunehmen, wodurch es den Königswählern gelang, die erbliche Thronfolge einer Dynastie zu verhindern und gleichzeitig sich selbst wichtige Reichsrechte sowie Reichsgüter zu verschaffen.
 
Seit den Hussitenkriegen (15. Jahrhundert) ruhte die böhmische Kurwürde bis 1708. Im Dreißigjährigen Krieg wurde 1623 die pfälzische Kur auf Bayern übertragen, 1648 eine achte Kur für die Pfalz geschaffen (1777 wieder mit der bayerischen vereinigt). Der Herzog von Braunschweig-Lüneburg (Hannover) hatte seit 1692 eine neunte (1708 bestätigt; seit 1778 die achte) Kurwürde inne. Der Reichsdeputationshauptschluss (1803) hob die Kurstimmen von Trier und Köln auf und übertrug die Mainzer Kur auf Regensburg-Aschaffenburg. Neu geschaffen wurden die Kurfürstentümer Salzburg (1805 auf Würzburg übertragen), Württemberg, Baden und Hessen-Kassel (insgesamt zehn Kurfürsten). Nach 1806 behielt nur der Kurfürst von Hessen-Kassel den Titel (bis 1866 [Kurhessen]).
 
Die Tracht der Kurfürsten (Kurfürstenornat) bildete sich seit dem 13. Jahrhundert heraus und bestand 1519-1806 aus einem breiten, mantelartigen, mit Hermelin ausgeschlagenen Rock mit weiten Ärmeln oder Armschlitzen, dazu ein breiter Hermelinkragen, violette Handschuhe und eine Mütze mit Hermelinumrandung (Kurfürstenhut, Kurhut). Die vier weltlichen Fürsten trugen Ärmelrock und runde Mütze aus dunkelkarmesinrotem Samt, die drei geistliche Armschlitzrock und viereckige Mütze aus dunkelscharlachfarbenem Tuch.
 
Literatur:
 
H. Mitteis: Die dt. Königswahl (21944, Nachdr. 1977);
 B. Castorph: Die Ausbildung des röm. Königswahlrechts (1978).

Universal-Lexikon. 2012.