Ọst|eu|ro|pa; -s:
östlicher Teil Europas.
Dazu:
Ọst|eu|ro|pä|er, der;
Ọst|eu|ro|pä|e|rin, die;
ọst|eu|ro|pä|isch <Adj.>.
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Ọst|europa,
im allgemeinen geographischen Sprachgebrauch Bezeichnung für die Länder im Osten Europas, also Litauen, Lettland, Estland, Weißrussland, Moldawien, die Ukraine und der europäische Teil Russlands, im politischen Sprachgebrauch auch für die ehemaligen Ostblockstaaten verwendet. Weite Gebiete Osteuropas werden von der Osteuropäischen (Russischen) Ebene (Europa, Abschnitt Oberflächengestalt) eingenommen.
Im amerikanischen Sprachgebrauch wird häufig unterschieden zwischen »Eastern Europe«, das dem deutschen »Ostmitteleuropa« entspricht, und Russland. Der deutsche Osteuropabegriff ist umfassender; er schließt das historische Russland mit ein und wird in der Regel als Gesamtbezeichnung für die Gebiete östlich der deutschen Sprachgrenze ohne regionale oder ethnische Differenzierung verwendet. In dieser Form löste er den auf antiken Vorstellungen basierenden Begriff des »Nordens«, der »nordischen Völker« ab, der noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts gebräuchlich war.
Kulturen der frühen Altsteinzeit (Acheuléen) sind in Osteuropa nur schwach vertreten. Sichere Funde sind auf das östliche Schwarzmeergebiet beschränkt. Funde aus dem Mittelpaläolithikum (Micoquien und Moustérien) stammen v. a. aus Höhlen und Freilandstationen, darunter auf der Krim die Höhle Kiik-Koba und der Abri Starosselje (bei Bachtschissaraj) mit Bestattungen von Neandertalern. Für das Jungpaläolithikum bedeutend sind u. a. die am oberen Don und Dnjepr gelegenen Freilandstationen von Kostjonki, Gagarino (100 km nördlich von Woronesch), Mesin (etwa 25 km südlich von Nowgorod-Sewerski) sowie Meschiritsch (etwa 100 km südöstlich von Kiew), wo Reste von eingetieften Behausungen (zum Teil unter Verwendung von Mammutknochen errichtet), Bestattungen innerhalb der Lagerplätze und Zeugnisse der ältesten Kunst (weibliche Statuetten, Tierskulpturen und Geräte mit Gravierungen) gefunden wurden. Eindrucksvolle Felsbilder enthält die Kapowahöhle, Schmuck fand man im Grab von Sungir. In der Mittelsteinzeit war das Tardenoisien im Baltikum, in Westrussland und der nordwestlichen Ukraine auf Sanddünen und in Flusstälern verbreitet; nördlich davon die Kundakultur.
Einflüsse der Jungsteinzeit haben Osteuropa im 5. Jahrtausend v. Chr. vom Balkan her und später über Kaukasien erreicht. Die Belege der mit der südosteuropäischen Starčevo-Körös-Kultur verwandten Bug-Dnjestr-Kultur bilden die Hinterlassenschaft von Bevölkerungsgruppen, die überwiegend von Jagd und Fischfang lebten. Kleine Siedlungen mit Rechteckhäusern auf Steinfundamenten bilden die eigentlichen Dörfer, während Ansiedlungen auf Inseln und Flussauen nur in Zeiten mit Niedrigwasser aufgesucht werden konnten. Als Haustiere sind außer dem Hund in geringer Anzahl Schweine und Rinder nachgewiesen. Die weit verbreitete Dnjepr-Donez-Gruppe ist durch spitzbodige Keramik mit der Frühphase der Bug-Dnjestr-Kultur verbunden, andererseits bestehen Entsprechungen zum Formengut der von der Memel bis zum Aralsee reichenden Kulturgruppen mit Kamm- und Grübchenkeramik. Die für die Ausbreitung der Agrarwirtschaft in Mitteleuropa maßgebende Bandkeramik hat sich in Osteuropa bis zum Dnjestr ausgedehnt. Sie traf hier mit der Bug-Dnjestr-Kultur zusammen, die in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet schließlich von der Cucuteni-Tripolje-Kultur abgelöst wurde, die die markanteste jungsteinzeitliche Kultur Osteuropas bildet.
Ende des 3./Anfang des 2. Jahrtausends v. Chr. wurde das südliche Osteuropa von Steppenkulturen, besonders der Hockergrabkultur, beherrscht. Für die Wirtschaftsform der Steppenkulturen ist das Auftreten von Pferd und Wagen und die Zunahme der Haltung von Schaf und Ziege neben der des Rindes bedeutsam. Diese ökonomischen Veränderungen sind mit einer größeren Mobilität der einzelnen Siedlungsgruppen verbunden. Die Einförmigkeit der Steppenkulturen und ihre rasche Expansion hat in der Archäologie zu vielen Thesen über ihre Herkunft geführt. Besonders in der Frage nach dem Ursprung der Indogermanen hat das Phänomen zu zahlreichen Deutungen Anlass gegeben. Maßgebend dafür ist die morphologische Verwandtschaft mit den mittel- und nordeuropäischen Streitaxtkulturen.
Das nördliche und mittlere Osteuropa ist in der Jungsteinzeit besonders von den Trägern der kamm- und grübchenkeramischen Kulturen besiedelt worden, die den finnougrischen Stammesgruppen zugeschrieben werden. Die das Uralgebiet mit Skandinavien verbindenden Jägerkulturen werden in fünf Zonen gegliedert. Durch das Vorkommen von Felsbildern sind die Zonen der subarktischen Gruppen und die der Kama-Ural-Gruppe in kultur- und religionsgeschichtlicher Hinsicht besonders wichtig. Während die südlichen Gruppen der neolithischen Jägerkulturen zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. von Viehzüchtergruppen abgelöst wurden (Fatjanowokultur), haben die nördlichen Gruppen mit geringen wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen bis in das 1. Jahrtausend v. Chr. fortbestanden.
Die kulturellen Impulse Transkaukasiens haben in der Bronzezeit am Kuban in der 2. Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. zur Maikop- und Nowoswobodnajakultur und im 2. Jahrtausend zur Nordkaukasischen Kultur geführt, die zu den metallurgischen Zentren Osteuropas wurden. Im westlichen Osteuropa, das auf die Kupfervorkommen der Karpaten angewiesen war, bezeugt der Hortfund von Borodino vielseitige Wirtschaftsverbindungen der mittleren Bronzezeit. In diesem Zeitraum bilden die Balkengrabkultur, die Abaschewokultur und die westliche Andronowokultur markante Regionalgruppen. Zentren des Kupferbergbaus lagen im Ural. Die Metallverarbeitung der Stämme an der mittleren Wolga und im Kamagebiet führte zu Handelsverbindungen, die vom Ural bis zur Ostsee reichten. Sichere Anhaltspunkte für ein vorskythisches Reitervolk bietet der »thrakokimmerische Horizont«, eine Fundgruppe mit Metallteilen vom Pferdegeschirr. Mehrere bronzezeitliche Kulturgruppen Osteuropas werden auch als protoskythisch angesehen, besonders die Balkengrabkultur.
Mit Sicherheit lässt sich das Erscheinen der Skythen in Osteuropa erst mit dem Auftreten von Fürstengräbern der frühen Eisenzeit mit Beigaben in skythisch-iranischem Stil im 7. Jahrhundert v. Chr. erfassen. Die skythische Kultur gab dem Steppenraum in der Zeit von 700 bis 300 v. Chr. weit über Osteuropa hinaus ihr Gepräge (Sibirien, Vorgeschichte). Einwirkungen auf die Stämme des nördlichen und östlichen Osteuropa zeigen sich in Bewaffnung und Kunst und in der Zunahme von Befestigungen (Ananinokultur). Besondere Formengruppen bildeten in skythischer Zeit die Kultur der Thraker und die Kobankultur. Im oberen Dnjeprgebiet liegen die Kulturen von Milograd und Juchnowo in der Grenzzone zwischen ostslawischen und finnischen Stämmen der frühen Eisenzeit. Die Kulturen der Waldzone bilden die Hinterlassenschaften kleiner Siedlungsgruppen, die sich vor Nachbarstämmen und den Steppenvölkern durch Befestigungen schützten.
Im 3. Jahrhundert v. Chr. wurde die Ananino- durch die Pyanyj-Bor-Kultur abgelöst, die Sarmaten drangen von der Wolga aus in den skythischen Siedlungsraum ein. Ihr Verhältnis zu den griechisch-pontischen Städten war nicht so gut wie das der Skythen. Handelsstädte wie Olbia wurden um 200 v. Chr. sowohl von Sarmaten wie von Germanen (Bastarnen und Skiren) bestürmt.
Zur Geographie und Geschichte Europa.
O. Halecki: Europa, Grenzen u. Gliederung seiner Gesch. (a. d. Engl., Neuausg. 1964);
T. Sulimirski: Prehistoric Russia (London 1970);
R. Tringham: Hunters, fishers and farmers of Eastern Europe, 6 000-3 000 B. C. (ebd. 1971);
J. Hahn: Aurignacien, das ältere Jungpaläolithikum in Mittel- u. O. (1977);
K. Zernack: O. Eine Einf. in seine Gesch. (1977);
H. Lemberg: Zur Entstehung des O.-Begriffs im 19. Jh. Vom »Norden« zum »Osten« Europas, in: Jb. für Gesch. O.s, N. F. Jg. 33 (1985);
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
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Ọst|eu|ro|pa; -s: östlicher Teil Europas.
Universal-Lexikon. 2012.