Wịrt|schafts|sys|tem, das (Wirtsch.):
wirtschaftliches System, Form des Wirtschaftslebens in einer Epoche, Kultur.
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Wirtschafts|system,
Begriff zur Systematisierung und Analyse realer oder fiktiver Volkswirtschaften nach bestimmten Kriterien. Auf W. Eucken und die neoliberale Ordnungstheorie geht die Unterscheidung zurück, das Ordnungsgefüge gedanklich konstruierter Volkswirtschaften als Wirtschaftssysteme (Idealtypen) und die jeweils verwirklichten Ordnungsgefüge als Wirtschaftsordnungen (Realtypen) zu bezeichnen. Ein solcher Versuch der Trennung führt jedoch zu Schwierigkeiten und Überschneidungen. Deshalb werden Wirtschaftssystem und Wirtschaftsordnung auch gleichbedeutend verwendet als Oberbegriff für die Struktur (»Ordnung«, »Aufbau«) und die wirtschaftlichen Vorgänge (»Prozess«, »Ablauf«) einer Volkswirtschaft einschließlich des wirtschaftlichen Verhaltens und Handelns der Wirtschaftssubjekte sowie der quantitativen und qualitativen Ausstattung einer Volkswirtschaft mit Produktionsfaktoren (Produktionspotenzial).
Um die Vielfalt der realen Wirtschaftssysteme zu erfassen, müssen Wirtschaftssysteme durch verschiedene Merkmale gekennzeichnet werden. Gleichzeitig ist zu beachten, dass das Wirtschaftssystem lediglich Teil eines Gesellschaftssystems ist und deshalb die gegenseitigen Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen dem Wirtschaftssystem einerseits sowie dem politischen und dem kulturellen System andererseits nicht übersehen werden dürfen. Bei der Ermittlung und Abgrenzung relevanter Merkmale von Wirtschaftssystemen sind v. a. der eher morphologische Ansatz der neoliberalen Ordnungstheorie und der entscheidungstheoretische Ansatz im Rahmen der Systemtheorie zu unterscheiden. Der morphologische Ansatz charakterisiert Wirtschaftssysteme in erster Linie danach, wie die Entscheidungen der Wirtschaftseinheiten koordiniert werden (durch Markt oder Plan). Nach dem entscheidungstheoretischen Ansatz werden Wirtschaftssysteme v. a. durch drei Kriterien systematisiert, durch die Struktur der Entscheidungsträger, die Art der Koordination ihrer Entscheidungen und ihre Motivation. Trotz unterschiedlicher Begrifflichkeit können als Hauptmerkmale von Wirtschaftssystemen die Eigentumsordnung, die Art der Koordination von Entscheidungen, die Motivationsstruktur und die Rolle des Staates angesehen werden.
Die Eigentumsordnung
Bei der Eigentumsordnung geht es v. a. um die Frage, ob sich die Produktionsmittel (das Sachkapital) überwiegend in privatem oder in gesellschaftlichem beziehungsweise staatlichem Eigentum befinden. Aus dieser Gegenüberstellung resultiert auch der Gegensatz zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Für K. Marx war dies das entscheidende Kriterium zur Definition von Wirtschaftssystemen: Er betrachtete das Eigentum an Produktionsmitteln als juristischer Ausdruck der für das jeweilige Wirtschaftssystem (von ihm als Produktionsweise bezeichnet) charakteristische Produktionsverhältnisse. Die Verteilung des Eigentums an Produktionsmitteln bestimme, wer Entscheidungen über die Produktion treffen kann, ob diese Entscheidungen dezentral von vielen oder zentral von wenigen getroffen und wie dementsprechend der Austausch und die Verteilung von Gütern geregelt werden. Bei modernen Interpretationen der Eigentumsordnung steht weniger das juristische Eigentum im Vordergrund als vielmehr die Verteilung der Handlungs- und Verfügungsrechte über das Eigentum, weil die juristischen Eigentümer häufig die ökonomisch relevanten Verfügungen nicht selbst treffen. So haben z. B. bei Aktiengesellschaften die Aktionäre als juristische Eigentümer ihre Verfügungsrechte freiwillig oder durch Gesetzesvorschrift an den Vorstand und an Mitbestimmungsgremien delegiert. Auch bei gesellschaftlichem Eigentum, insbesondere in Form des Volkseigentums, haben die juristischen Eigentümer direkt wenig Einfluss. Vielmehr sind ihre Verfügungsrechte an Betriebsdirektoren oder an Wirtschaftsverwaltungen delegiert. Durch diese Trennung des juristischen Eigentums von den Handlungs- und Verfügungsrechten wird das Merkmal »Eigentumsordnung« relativiert.
Koordination: Markt oder Plan
Beim zweiten Merkmal wird danach gefragt, in welcher Weise Entscheidungen und Handlungen der Wirtschaftssubjekte aufeinander abgestimmt werden. Dabei ist besonders zwischen Markt- und hierarch. Koordination zu unterscheiden. Letztere arbeitet mithilfe von Anordnungen und Weisungen und setzt voraus, dass es weisungsbefugte und -gebundene Personen gibt. Diese Form der Koordination dominiert innerhalb von privaten Organisationen (z. B. Unternehmen) ebenso wie innerhalb des öffentlichen Sektors (z. B. Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen). Den Weisungen innerhalb hierarchisch koordinierter Organisationen liegen Pläne zugrunde. Um solche Pläne aufstellen zu können, müssen die weisungsbefugten Entscheidungsgremien über Informationen verfügen, v. a. darüber, welche Leistungspotenziale auf den untergeordneten Hierarchieebenen vorhanden sind. Andernfalls lassen sich die Weisungen entweder nicht realisieren, oder deren Realisierung nutzt die vorhandenen Leistungspotenziale nicht aus.
Bei marktwirtschaftlicher Koordination gibt es keine derartigen Über- oder Unterordnungsverhältnisse. Vielmehr muss sich jeder Marktteilnehmer über die Marktsituation informieren, wenn er einen möglichst großen Nutzen aus der Teilnahme am Marktgeschehen ziehen will. So muss der einzelne Produzent von Gütern herausfinden, in welchen Mengen und zu welchem Preis er seine Produkte absetzen kann. Selbst bei am Markt bereits eingeführten Produkten gibt ihm dieser darüber nur unvollständige Informationen; denn sein Markterfolg hängt nicht nur von seinem Angebot, sondern auch vom Angebot der Konkurrenten sowie von der Entwicklung der Nachfrage ab. Bei neuen Produkten muss er versuchen, durch Marktforschung Anhaltspunkte zu gewinnen. In allen Fällen sind jedoch die künftigen Mengen und Preise unbekannt, und der Anbieter muss für seine Entscheidungen Erwartungen bilden, die auch falsch sein können. Die Nachfrager auf den Gütermärkten müssen sich ihrerseits über Qualität und Preise der angebotenen Produkte bei unterschiedlichen Anbietern informieren. Die Koordination über den Markt geschieht stets nachträglich und schrittweise, indem Anbieter und Nachfrager ihre Entscheidungen verändern, wenn sich ihre Erwartungen über die Marktbedingungen nicht erfüllt haben.
Für die Kennzeichnung von Wirtschaftssystemen kommt es nun darauf an, wie die Koordination zwischen den einzelnen, in sich hierarchisch koordinierten Organisationen geregelt ist. Findet auch hier eine hierarch. Koordination statt, so spricht man von Planwirtschaft: Eine für die Gesamtwirtschaft zuständige Behörde stellt einen Wirtschaftsplan auf, aufgrund dessen sie den einzelnen Organisationen Weisungen darüber erteilt, welche Mengen sie zu produzieren und zu welchen Preisen sie diese mit anderen Organisationen auszutauschen haben. In einer Planwirtschaft ist der Informationsbedarf besonders hoch, weil der Plan die Kenntnis der Leistungspotenziale der zu koordinierenden Organisationen voraussetzt. Ihm wird durch ein mehrstufiges Planungsverfahren Rechnung zu tragen versucht. Wenn alle Ebenen bereit wären, ihre Leistungspotenziale offen und korrekt anzugeben, könnte ein solches mehrstufiges Verfahren durchaus zu optimaler Ausschöpfung führen. Dem steht jedoch das Interesse der von einem solchen Plan betroffenen Organisation entgegen, sich durch Verschleierung ihrer Leistungspotenziale gegen Überforderung abzusichern.
Auch die Koordination über den Markt garantiert keineswegs die Ausschöpfung der in einer Volkswirtschaft vorhandenen Leistungspotenziale. In der ökonomischen Theorie sind zwar Modelle entwickelt worden, in denen die Marktkoordination zu einem optimalen Ergebnis führt, bei dem alle vorhandenen Sachkapazitäten ausgelastet und alle Erwerbspersonen beschäftigt sind; aber diesen Modellen liegen Annahmen zugrunde, die in der Realität nicht annähernd erfüllt sind. So müssen z. B. alle Unternehmen so klein sein, dass sie auf die Marktpreise selbst keinen Einfluss haben, sondern diese als gegebene Größen akzeptieren. Sie dürfen auch nicht versuchen, dieser Situation durch Wettbewerbsbeschränkungen zu entgehen. Damit sind in diesen Modellen die Vorteile der Massenproduktion, die nur von großen Unternehmen genutzt werden können, ebenso ausgeklammert wie Versuche, durch Produktdifferenzierung die Märkte aufzuteilen und dort die Preise zu bestimmen. Selbst in einer solchen Modellwirtschaft muss es schließlich einen zentralen Koordinator geben, analog zum Auktionator an der Börse, der sämtlichen Nachfrage- und Angebotskurven aller Wirtschaftssubjekte kennt und daraus die optimalen Marktpreise errechnet. Der entscheidende Vorteil marktwirtschaftlicher Koordination liegt also nicht in der Ausnutzung vorhandener Leistungspotenziale, sondern darin, dass diese ständig erweitert und optimiert werden. Die wirtschaftliche Dynamik einer Marktwirtschaft (Wachstum) hängt eng mit dem Wettbewerb zusammen, der die einzelnen Produzenten zwingt, ständig neue Produkte und Produktionsverfahren (Innovation) einzuführen, um ihre Marktposition zu festigen und zu verteidigen.
Aspekte der Motivationsstruktur
Als drittes Merkmal wird die Motivationsstruktur, also die Ziele und die Verhaltensweisen bei deren Durchsetzung, diskutiert. Dabei spielt das Begriffspaar »individualistisch« und »solidarisch« eine zentrale Rolle. Individualistische Ziele und Verhaltensweisen orientieren sich am Eigeninteresse des Individuums, während sich bei solidarischen Zielen und entsprechendem Verhalten der Einzelne als Glied einer größeren Gemeinschaft fühlt. Sein Handeln ist nicht ausschließlich durch sein persönliches Interesse bestimmt, sondern auch durch Rücksichtnahme auf das Interesse der anderen Gruppenmitglieder. Dieses Handeln ist nicht altruistisch: Der Einzelne fühlt sich für die anderen mitverantwortlich, erwartet aber gegebenenfalls auch das Eintreten der anderen für seine Belange. Je mehr das individualistische Verhalten dominiert, desto wichtiger ist es, durch implizite Verhaltensnormen oder explizite Gesetzesvorschriften einen Rahmen zu schaffen, durch den auch das Verfolgen individualistischer Ziele das Gemeinwohl erhöht. Diese Normen und Vorschriften müssen z. B. verhindern, dass die Anbieter zu unlauteren Wettbewerbsmitteln greifen, oder ermöglichen, dass die Leistungsbereitschaft des Einzelnen erhalten beziehungsweise gefördert wird. Auch solidarisches Verhalten führt keineswegs automatisch zur Erhöhung des Gemeinwohls. Vielmehr kann es sich auf eine Gruppensolidarität reduzieren, bei der die Gruppe Vorteile auf Kosten der Gesamtheit erlangt.
Die Rolle des Staates
In den realen Wirtschaftssystemen wird dem Staat eine sehr unterschiedliche Rolle zugebilligt. In der Frühzeit der Industrialisierung Europas bildete sich z. B. in Großbritannien ein Wirtschaftssystem heraus, das durch Privateigentum an Produktionsmitteln sowie marktwirtschaftliche Koordination gekennzeichnet war und als »frühkapitalistische Marktwirtschaft« bezeichnet werden kann. Seine Verfechter vertrauten so sehr auf die positiven Wirkungen des von staatlichen Regelungen befreiten Wettbewerbs zwischen privaten Unternehmen, dass sie dem Staat nur die Rolle zubilligten, für Recht, Ordnung und Ruhe zu sorgen (»Nachtwächterstaat«).
Eine gewichtigere Rolle kommt dem Staat in der sozialen Marktwirtschaft zu. Dieses Wirtschaftssystem ist ebenfalls mit Privateigentum an Produktionsmitteln und Marktkoordination verbunden, dem Staat fällt aber die Aufgabe zu, sozial nicht vertretbare Folgen der Marktwirtschaft abzumildern und die vom Wettbewerb negativ Betroffenen durch soziale Sicherungsmaßnahmen zu unterstützen. Außerdem muss er den Wettbewerb garantieren und unerwünschte Wettbewerbsbeschränkungen verhindern. Umstritten ist, ob zu diesem Konzept auch die gesamtwirtschaftliche Steuerung des Wirtschaftsprozesses gehört (Globalsteuerung).
Eine dritte Ausprägung besteht in der Kombination von sozialer Marktwirtschaft mit einer Global- und Struktursteuerung der Wirtschaft, wie sie in Frankreich besonders in den 1950er-Jahren verwirklicht war (Planification). Dort sollte mithilfe eines gesamtwirtschaftlichen, nach Branchen aufgegliederten Plans die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur koordiniert und gesteuert werden, allerdings nicht durch Zwang, sondern durch Anreize und Überzeugung. Noch größer wäre der Einfluss des Staates, wenn er z. B. durch direkte Investitionslenkung wirtschaftlicher Entscheidungen bis auf die Unternehmensebene steuern würde.
Eine starke Position hatte der Staat auch in Systemen der sozialistischen Marktwirtschaft, in der Betriebe im staatlichen oder gesellschaftlichen Eigentum sowohl den Zwängen der Konkurrenz als auch der staatlichen Steuerung unterworfen wurden. Dabei hatte der Staat seine direkten betrieblichen Verfügungsrechte an Betriebsdirektoren oder an Mitbestimmungsgremien abgetreten. Die Vorteile der Wettbewerbsordnung sollten verwirklicht werden, ohne die Nachteile des Privateigentums an Produktionsmitteln (Ballung wirtschaftlicher Macht in privaten Händen, ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung) in Kauf nehmen zu müssen. Die erhoffte Dynamik konnte allerdings nicht erreicht werden, wobei die Hauptursache in der Motivationsstruktur lag: Für die Betriebsleitungen war es einfacher, durch gute Beziehungen zu den jeweilig Zuständigen günstige Bedingungen für die weitere Existenz des Betriebes auszuhandeln, als gegen die Beharrungstendenzen in der eigenen Belegschaft die für neue Produkte oder Produktionsverfahren erforderlichen Umstellungen durchzusetzen.
Die größte Bedeutung hat der Staat in den sozialistischen Planwirtschaften, in denen alle Wirtschaftsprozesse (Produktion, Investitionen, Allokation und Konsumtion) von einer zentralen Instanz entsprechend allgemeinen Zielvorgaben der staatlichen Führung mithilfe gesamtwirtschaftlicher Pläne gesteuert und überwacht werden. Da in einem solchen System jeder existenzgefährdende Wettbewerb fehlt, haben die Betriebe keinen (oder nur geringen) Anreiz, ihre Produktionskapazitäten beziehungsweise Leistungspotenziale zu offenbaren, Innovationen vorzunehmen und Strukturen zu verändern. Zusätzliche Fehlentwicklungen ergeben sich dann, wenn sich die staatliche Planung ungeeigneter Kennziffern bedient. In den realsozialistischen Planwirtschaften wurden die Informationslücken über die Leistungspotenziale durch die dominierende Motivationsstruktur verschärft. Marx hatte die idealistische Vorstellung, dass in der kommunistischen Gesellschaft jeder nach seinen Fähigkeiten für die Gesellschaft arbeitet und gleichzeitig zufrieden ist, wenn er nach seinen Bedürfnissen mit Gütern versorgt wird. Diese Einstellung konnte allerdings in der Praxis nicht realisiert werden.
Systemvergleiche und Systemkonvergenz
Vor dem Zusammenbruch der sozialistischen Wirtschaftssysteme in Mittel- und Osteuropa wurden Fragen des Systemvergleichs oder des besten Wirtschaftssystems vielfach diskutiert, wobei die vergleichende Analyse von Wirtschaftssystemen vor einer Reihe wissenschaftstheoretische, methodische und empirische Probleme steht. Auf der Ebene der Modelltheorie lassen sich zwar eine Markt- und eine Planwirtschaft konstruieren, die jeweils hervorragend funktionieren, allerdings unter unrealistischen Bedingungen. Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Vergleichskriterien sowie bei deren Bewertung und Messung ergeben sich sowohl beim Vergleich realisierter Wirtschaftssysteme mit dem zugrunde gelegten Idealtyp als auch beim Vergleich verschiedener realisierter Wirtschaftssysteme. Verbreitet sind vergleichende Analysen, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei der Lösung grundsätzlicher gesamtwirtschaftlicher Aufgaben (z. B. Planung und Lenkung, Ausschöpfung der Leistungspotenziale) sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verschiedener Wirtschaftssysteme (z. B. wirtschaftliche Effizienz, Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit) herausarbeiten. Allerdings werden bei der Beurteilung von Stärken und Schwächen zum Teil verschiedene Elemente von Lebensqualität zugrunde gelegt und historisch unterschiedliche Ausgangsbedingungen vernachlässigt. Dies trifft auch auf den Vergleich der Wirtschaftssysteme der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zu.
Bezüglich der weiteren Entwicklung existierender Wirtschaftssysteme wurde von Vertretern der Konvergenztheorie erwartet, dass sich die sozialistische Planwirtschaft marktwirtschaftlichen Systemen annähert (W. W. Rostow) und in Marktwirtschaften die Bedeutung staatlicher Planung und Lenkung zunimmt, z. B. im Sinne eines »Marsches in den Sozialismus« (J. A. Schumpeter). Letztlich könne sich ein optimales Wirtschaftssystem herausbilden, das die positiven Elemente beider idealtypischen Wirtschaftssysteme verbindet (J. Tinbergen, J. K. Galbraith), zumindest aber bei Dominanz des einen Systems positive Elemente des anderen Systems einbezieht (»gemischtes Wirtschaftssystem«).
Probleme der Systemtransformation
Mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Wirtschaftssysteme Mittel- und Osteuropas stellt sich die Frage nach einer langsamen Annäherung der Wirtschaftssysteme nicht mehr. Alle betroffenen Länder sind den Weg einer Transformation ihrer Wirtschaftssysteme in eine marktwirtschaftliche Ordnung gegangen, ohne sich auf eine ausgereifte Theorie der Systemtransformation stützen zu können (Transformationsgesellschaften). Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass der Umgestaltungsprozess überall mit erheblichen Schwierigkeiten sowie hohen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Belastungen (z. B. Rückgang der Industrieproduktion, Auslandsverschuldung, hohe, in der Regel unzulänglich abgesicherte Arbeitslosigkeit, steigende Konsumgüterpreise und Inflationsraten, Verarmung breiter Bevölkerungsschichten) verbunden ist, die sich zum Teil daraus erklären, dass gleichzeitig Eigentums- und Rechtsordnung, Koordinationsverfahren und Anreizsystem verändert werden mussten. Da alle vier Dimensionen einen wechselseitigen Einfluss aufeinander ausüben, ergibt sich eine hochgradige Komplexität der Transformationsprobleme. Hürden für die Änderung der Eigentumsordnung (Überführung des Volks- beziehungsweise Staatseigentums in Privateigentum), die in den einzelnen Ländern auf unterschiedlicher Weise und zu verschiedenen Zeitpunkten in Angriff genommen wurde, waren u. a.: 1) das Fehlen funktionsfähiger Kapitalmärkte und eines differenzierten Bankensystems; 2) Unklarheiten über die tatsächlichen Verfügungsrechte an den Staatsbetrieben; 3) der Mangel an inländischen Ersparnissen, sodass vielfach auf ausländisches Kapital zurückgegriffen werden musste beziehungsweise die Staatsbetriebe an ausländische Erwerber veräußert wurden; 4) ein Defizit an qualifizierten Managern. Die Privatisierung in der ehemaligen DDR über die Treuhandanstalt und die dabei gewährten zum Teil erheblichen Kapitalhilfen für Umstrukturierungsmaßnahmen und Erneuerung des Kapitalstocks waren ein deutscher Sonderweg, der in den anderen Reformstaaten so nicht realisierbar war.
Im Hinblick auf die marktwirtschaftliche Koordination zeigt sich, dass der Transformationsprozess in allen Reformstaaten von einer mehr oder minder ausgeprägten Inflation begleitet wurde. Ursache hierfür war v. a. die für die sozialistischen Wirtschaftssysteme symptomatische zurückgestaute Inflation, die sich aus den hohen Geldbeständen ergab, denen keine ausreichenden Güter gegenüberstanden. Mit der Freigabe der Preise, die für eine marktwirtschaftliche Koordination über den Preismechanismus unerlässlich ist, wurde aus der zurückgestauten eine offene Inflation. Die erforderliche Politik einer Preisniveaustabilisierung verschärfte das Problem hoher Arbeitslosigkeit weiter, die sich aufgrund des massiven Strukturwandels ergeben hatte. Insgesamt muss konstatiert werden, dass sich die Systemtransformation als außerordentlich langwieriger und schwieriger Prozess erweist, und zwar in einem Ausmaß, wie es von den meisten Wissenschaftlern und Politikern nicht vorhergesehen wurde.
Anforderungen an ein Wirtschaftssystem der Zukunft
Das Ende der sozialistischen Wirtschaftssysteme darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die auf Privateigentum beruhenden Marktwirtschaften massiven Problemen gegenüberstehen. Kontrovers wird weiterhin diskutiert werden, wie intensiv staatliche Wirtschaftspolitik den marktwirtschaftlichen Selbststeuerungsprozess beeinflussen soll. Sowohl Vertreter des Neoliberalismus und einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik als auch Vertreter verschiedener Varianten des Keynesianismus und der Nachfragepolitik (Globalsteuerung) stehen vor denselben Herausforderungen, zu denen u. a. zählen: 1) Bekämpfung von Massenarbeitslosigkeit und relativer Armut bestimmter Bevölkerungsgruppen; 2) Sicherung eines funktionsfähigen Wettbewerbs; 3) Verringerung des Verbrauchs natürlicher Ressourcen und der Zerstörung der Umwelt (nachhaltige Entwicklung); 4) Umgang mit den Folgen der Globalisierung der Finanz- und Gütermärkte; 5) Verbesserung der sozioökonomischen Lage der Entwicklungsländer sowie der Reformstaaten Mittel- und Osteuropas und ihre Integration als gleichberechtigte Partner in die Weltwirtschaft.
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Universal-Lexikon. 2012.