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Selbstverwaltung
Mündigkeit; Selbständigkeit; Selbstständigkeit; Selbstbestimmung; Eigenständigkeit; Selbstgesetzgebung; Autonomie; Ich-Stärke (fachsprachlich)

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Sẹlbst|ver|wal|tung 〈f. 20; unz.〉 Erfüllung von Staatsaufgaben durch eigene, vom Staat anerkannte Körperschaften, Verbände usw. ● Gemeinde, Hochschule mit \Selbstverwaltung

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Sẹlbst|ver|wal|tung, die [nach engl. self-government]:
unabhängige, eigenverantwortliche Verwaltung von etw.:
kommunale S.;
die S. der Universitäten.

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Selbstverwaltung,
 
allgemein die meist ehrenamtliche Mitwirkung der Bürger bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Sinne einer Selbstverantwortung oder Selbstbestimmung (auch politische oder staatsbürgerliche Selbstverwaltung genannt, deren Gegenpol die Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten durch beamtete Fachleute bildet).
 
Selbstverwaltung im Rechtssinn (juristische Selbstverwaltung) ist dagegen die selbstständige Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch Träger der mittelbaren Staatsverwaltung im Gegensatz zur unmittelbaren Staatsverwaltung durch bundes- oder landeseigene Behörden. Träger der Selbstverwaltung sind besonders die Körperschaften des öffentlichen Rechts (Selbstverwaltungskörperschaften), in geringerem Maß zum Teil auch Anstalten. Zu den Grundgedanken der Selbstverwaltung im Bereich der öffentlichen Verwaltung gehören die Dezentralisierung, die Sachnähe und die zusätzliche demokratische Legitimation (Wahrnehmung der eigenen Aufgaben durch eine dazu in enger Beziehung stehende Personengruppe). Zugleich steht die Selbstverwaltung, v. a. die wirtschaftliche und die berufsständische, in einer Spannung zur Freiheit des Einzelnen und zur allgemeinen demokratischen Legitimation des Staates.
 
Verfassungsrechtlich ist den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht der Selbstverwaltung in Art. 28 Absatz 2 GG gewährleistet. Sie regeln alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung. Der Kreis der »Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft« wird überwiegend historisch bestimmt, unterliegt aber Veränderungen. Hauptsächlich werden hierzu die Gebiets-, Organisations-, Personal-, Finanz- und Planungshoheit gerechnet. Allerdings vermischen sich auf diesen Gebieten im modernen Staat die örtlichen und die überörtlichen Angelegenheiten, was gesetzliche Beschränkungen der Selbstverwaltung zur Folge hat. Ein Kernbereich muss den Gemeinden erhalten bleiben. Die gemeindlichen Aufgaben werden unterschieden in solche, die der Träger freiwillig übernimmt (freiwillige Selbstverwaltungsangelegenheiten), und solche, zu deren Übernahme er gesetzlich verpflichtet ist (Pflichtaufgaben), wobei teilweise den Aufsichtsbehörden ein Weisungsrecht eingeräumt ist. Darüber hinaus kann ein gesetzlich »übertragener Wirkungskreis« bestehen, in dem der Selbstverwaltungsträger Angelegenheiten im Auftrag des Staates unter Weisung seiner Fachbehörden erfüllt. Zur Selbstverwaltung gehört auch die Befugnis, im eigenen Zuständigkeitsbereich Rechtsnormen (Satzungen) zu erlassen (Autonomie). Die Träger der Selbstverwaltung unterliegen immer der Rechtsaufsicht einer unmittelbar staatlichen Behörde.
 
Nach dem Sachgebiet sind zu unterscheiden: die kommunale Selbstverwaltung der Gemeinden, die insofern eine Sonderstellung einnimmt, als sie alle Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft umfasst; die wirtschaftliche Selbstverwaltung besonders in der Tätigkeit der Wirtschaftskammern, der Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern und Innungen, der Landwirtschaftskammern, der öffentlich-rechtlichen Kredit- und Siedlungskörperschaften; die berufsständische Selbstverwaltung in den Kammern der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, Architekten usw.; die soziale Selbstverwaltung besonders in der Tätigkeit der genossenschaftlich organisierten Sozialversicherungsträger; die kulturelle Selbstverwaltung in der Form meist körperschaftlich organisierter Kulturinstitutionen, besonders der Universitäten. - In der DDR war jegliche Selbstverwaltung als dem Prinzip des »demokratischen Zentralismus« widersprechend beseitigt.
 
In Österreich versteht man unter Selbstverwaltung die Tätigkeit von juristischen Personen (meist Körperschaften) des öffentlichen Rechts mit (zumeist) obligatorischer Mitgliedschaft, deren Organe (unmittelbar oder mittelbar) von den Mitgliedern bestellt werden, mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet sind und in relativer Unabhängigkeit von den staatlichen Organen (weisungsfrei, aber aufsichtsunterworfen) öffentliche Aufgaben besorgen. Unterschieden wird traditionell zwischen territorialer Selbstverwaltung (durch Gemeinden und Gemeindeverbände), wirtschaftlicher und beruflicher Selbstverwaltung (durch Kammern), sozialer Selbstverwaltung (durch Sozialversicherungsträger) und studentische Selbstverwaltung (durch die Österreichische Hochschülerschaft). Zur Selbstverwaltung zählen aber z. B. auch die zur Besorgung wasserwirtschaftlicher Aufgaben eingerichteten Wasserverbände und -genossenschaften.
 
Im Verwaltungsrecht der Schweiz kommt die Selbstverwaltung in der Dezentralisation der Verwaltung zum Ausdruck, wobei Staatsaufgaben auf autonome, jedoch unter der Aufsicht der Zentralverwaltung stehende Institutionen übertragen werden können, die sowohl dem öffentlichen als auch dem Privatrecht unterstehen können. Daneben ist die wichtigste Ausprägung der Selbstverwaltung die Gemeindeautonomie.
 
Geschichte:
 
Schon in germanischer Zeit vereinigten sich Glieder eines gemeinsamen Lebensbereichs zur Wahrnehmung der eigenen Angelegenheiten in Verbänden (Genossenschaften). Zur Blüte kam die Selbstverwaltung im Mittelalter in den Zünften, Gilden, Deichverbänden usw., v. a. aber in den Städten. Im Zeitalter des Absolutismus erfuhr die Selbstverwaltung eine erhebliche Einschränkung; nur in England blieb die Idee des Selfgovernment lebendig. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewann der Gedanke der Selbstverwaltung in den stein-hardenbergschen Reformen für Preußen wieder große Bedeutung. In der Folgezeit fand der Gedanke der Selbstverwaltung nicht nur Eingang in die Neuordnung der Landgemeinden, Kreise und Provinzen, sondern auch in den Bereich des Kammerwesens und der Sozialversicherungsträger. Unter der NS-Herrschaft (1933-45) wurde die Selbstverwaltung in Deutschland abgeschafft oder durch Einführung des Führerprinzips ihres Sinns beraubt; die Verkammerung zahlreicher Berufe diente der Disziplinierung. In der Nachkriegszeit wurde insbesondere die gemeindliche Selbstverwaltung als Element der freiheitlichen Demokratie erneut gefördert. Im kommunistischen Jugoslawien erlangte das Prinzip der Arbeiterselbstverwaltung von 1952 bis Ende der 1980er-Jahre (Titoismus) partielle politische Bedeutung.
 
Literatur:
 
R. Hendler: S. als Ordnungsprinzip (1984);
 K. Vogelgesang u. a.: Kommunale S. Rechtsgrundlagen - Organisation - Aufgaben (21997).

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Sẹlbst|ver|wal|tung, die [nach engl. self-government]: unabhängige, eigenverantwortliche Verwaltung von etw.: kommunale S.; die S. der Universitäten; Eltern und Lehrer verwalten die Schule in S.

Universal-Lexikon. 2012.