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Sizilien
Si|zi|li|en; -s:
süditalienische Insel.

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Sizili|en,
 
italienisch Sicilia [si'tʃiːlia], die größte Insel Italiens und des Mittelmeeres, 25 426 km2, mit Nebeninseln als autonome Region 25 710 km2, 5,10 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Palermo.
 
 Landesnatur
 
Sizilien ist durch die Straße von Messina vom italienischen Festland getrennt. Westlich der Meeresstraße setzt sich der Apenninbogen in den kristallinen Monti Peloritani (1 279 m über dem Meeresspiegel), der Flyschkette der Monti Nebrodi (1 847 m) und den Kalkstöcken der Madonie (1 979 m) fort bis zu den Kalkbergen von Palermo. Südlich anschließend erheben sich Schichtkämme und Tafeln aus Mergeln und Tonen, die Gips, Salz und Schwefel enthalten. Im Westen überragen Kalkberge ein erdbebenreiches Flyschhügelland, im Südosten ist eine Kalksandsteintafel zum Teil von Basalt überdeckt (Hybläisches Bergland). Der mächtige Vulkanbau des aktiven Ätna (3 340 m über dem Meeresspiegel) beherrscht die Ostseite. Sizilien hat heiße, trockene Sommer und milde Winter; die durchschnittlichen Temperaturen betragen in Palermo im Januar 11,4 ºC, im August 25,4 ºC. Reste von Eichen- und Buchenwäldern sowie Macchienvegetation finden sich auf Gebirgshöhen und Steilhängen.
 
 Bevölkerung, Wirtschaft
 
Im dünn besiedelten Binnenraum, der von der Natur benachteiligt ist, lebt die Bevölkerung in Agrostädten (meist in Höhenlagen) mit Großgemarkungen. In diesem Gebiet herrscht extensiver Anbau von Weizen im Wechsel mit Bohnen und Klee vor. Die intensiv genutzten Tafeln im Süden, die Küsten- und Schwemmlandebenen sind dicht bewohnt. Auf bewässerbaren Terrassen wie am Ätna und an der Nordostküste überwiegen Baum- (v. a. Zitrusfrüchte u. a. Obst; Sizilien ist der Hauptproduzent Italiens für Orangen, Mandarinen, Zitronen) und Mischkulturen; ohne Bewässerung Oliven, Reben, Walnüsse. Die Zitrusfruchthaine von Palermo werden von der Stadt verdrängt. Im Westen der Insel intensiver Weinbau (Marsala), im Süden Mandel-, Tafeltrauben- und Frühgemüseanbau.
 
Von den ehemaligen großen Salinen bei Trapani ist nur eine (San Pantaleo) aktiv. Nachfolger des Schwefelbergbaus sind Stein- und Kalisalzförderung, daneben Erdgas-, bei Ragusa und Gela Erdölgewinnung. Großbetriebe der Petrochemie in Milazzo, Gela und Augusta, außerdem in Syrakus, Ragusa; weitere Industrie v. a. bei Palermo und Catania. Außer der Küstenfischerei (Sardellen, Thun-, Schwertfisch, Makrelen, Krebstiere) wird Hochseefischerei betrieben (Mazara del Vallo im Südwesten). Anziehungspunkte für den Fremdenverkehr sind besonders archäologische Stätten, Ätna, Liparische Inseln, Palermo, Taormina, Catania, Messina, daneben auch die Küsten (Wassersport). Da Industrie und Fremdenverkehr nicht alle aus Landwirtschaft und Handwerk freigesetzten Arbeitskräfte beschäftigen können, erfolgt weiterhin Abwanderung zum festländischen Italien und in andere europäische Länder.
 
Sizilien ist durch Bahnlinien und Straßen (auch Autobahnen) erschlossen, mit dem Festland durch Fähren verbunden und hat Flughäfen bei Catania, Palermo und Trapani; eine Brücke (für Eisenbahn und Autos) über die Straße von Messina nach Kalabrien ist geplant. Eine Erdgaspipeline von Algerien über Tunesien nach Sizilien endet bei Mazara del Vallo.
 
 Geschichte
 
Die ältesten Bewohner Siziliens (griechisch Sikelịa) waren der Überlieferung nach die wohl vorindogermanischen Sikaner, die durch die vom Festland eingewanderten (namengebenden) Sikuler nach Westen gedrängt wurden, und - um Segesta und Eryx - die Elymer. Eine mykenische Präsenz ist heute archäologisch gesichert (Thapsos). Seit Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. wanderten Phöniker, seit Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. Griechen ein. Griechische Gründungen sind u. a. Naxos, Zankle (heute Messina), Katane (heute Catania), Syrakus im Osten, Gela, Akragas (heute Agrigent) im Süden, Himera im Norden. Der Westen mit Panormos (heute Palermo) war im Besitz der Karthager. Sizilien wurde zum westlichen Mittelpunkt der griechischen Kultur. Verfassungskämpfe und der Gegensatz ionischer und dorischer Städte beeinträchtigten, wie die ständige Bedrohung durch Karthago, die friedliche Entwicklung. Der Sieg des Gelon über die Karthager bei Himera (480 v. Chr.) sicherte den Griechen eine Zeit der Ruhe, doch nach dem Scheitern der Sizilischen Expedition Athens (413 v. Chr.) griffen die Karthager wieder an. In der Abwehr übernahm Syrakus (Dionysios I. und II., Agathokles) die Führung. Im 1. Punischen Krieg (264-241 v. Chr.) war Sizilien Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen Karthago und Rom; 241 v. Chr. wurde Sizilien römische Provinz, mit Ausnahme des Territoriums von Syrakus (erst 212 v. Chr. römisch). Sizilien wurde zur Kornkammer Italiens, durch Sklavenkriege (136-132 und 104-101 v. Chr.) jedoch schwer erschüttert. In der Kaiserzeit erholte sich Sizilien, konnte aber die frühere Bedeutung als Getreideproduzent nicht wieder erreichen. Nach der Herrschaft der Wandalen (seit 440), Ostgoten (seit 493), von Byzanz (seit 535) und Arabern (Sarazenen, seit 827) eroberten die Normannen unter Roger I. zwischen 1060 und 1091 die Insel.
 
Die Normannen und ihre staufischen Erben (1194) schufen auf arabischer Grundlage einen modernen Verwaltungsstaat. Papst Urban II. übertrug den normannischen Grafen 1098 die Legatengewalt. Seit 1130 führte Roger II., der Sizilien mit seinen süditalienischen Besitzungen vereinigt hatte, den Königstitel (»Monarchia sicula«). Unter Kaiser Friedrich II. (als Friedrich I. König von Sizilien) wurde die Insel eines der kulturellen Zentren Europas. Die Staufer unterlagen 1268 Karl I. von Anjou, der 1282 (Sizilianische Vesper) Sizilien an Peter III. von Aragonien verlor. 1442 stellte Alfons V. von Aragonien die Vereinigung Siziliens mit dem Königreich Neapel wieder her, dessen Schicksal es teilte, bis Sizilien 1713 an Savoyen und 1720 an die österreichischen Habsburger kam. 1735 wurde es mit Neapel Sekundogenitur der spanischen Bourbonen. Als Unteritalien 1806-15 französisch war, blieb Sizilien mit britischer Hilfe bourbonisch. 1815 wurde es wieder mit Neapel vereinigt, seit 1816 unter dem Namen »Königreich beider Sizilien«. Mit den Revolutionen 1820/21 und 1848/49 erstrebten die Sizilianer vergeblich eine Sonderstellung. 1860 stürzte G. Garibaldi die Bourbonenherrschaft; 1861 wurde Sizilien ein Teil des Königreichs Italien. Seitdem bemühte sich die Zentralregierung (so v. a. die aus Sizilien stammenden führenden Staatsmänner wie F. Crispi und V. E. Orlando), die kulturelle, wirtschaftliche und politische Rückständigkeit der Insel gegenüber dem Norden Italiens auszugleichen. Die schweren Landarbeiterunruhen (Fasci dei lavoratori) 1893/94 konnten nur mit Mühe unterdrückt werden. Das faschistische Regime B. Mussolinis suchte die Mafia mit polizeistaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Nach der Landung alliierter Streitkräfte (1943) kam es in Sizilien zu heftigen Kämpfen. Um separatistische Strömungen aufzufangen, gab die Verfassung der Republik Italien (1946) Sizilien die Stellung einer Region mit Sonderstatut (Autonomierechte auf wirtschaftlichem und kulturellem Sektor).
 
Die Insel, Teil des wirtschaftsschwächeren Mezzogiorno, wird in ihrer Entwicklung durch die Verquickung von Mafia, Bürokratie und Korruption beeinträchtigt.
 
Literatur:
 
J. J. Norwich: Die Normannen in S. (a. d. Engl., 21973);
 R. King u. A. Strachan: Sicilian agro-towns, in: Erdkunde, Bd. 32 (1978);
 G. Gerold: Agrarwirtschaftl. Inwertsetzung Südost-S.s (1982);
 H. Pichler: Italien. Vulkangebiete, Bd. 4: Ätna, S. (1984);
 H. u. H. Reimann: S. Studien zur Gesellschaft u. Kultur einer Entwicklungsregion (1985);
 W. Graubner: Kleine Gesch. S.s (1988);
 R. Monheim: Fremdenverkehr in S., in: Geograph. Rundschau, Jg. 40 (1988); R. R. Holloway: The archaeology of ancient Sicily (London 1991);
 F. Kurowski: S. Die große Gesch. einer Insel (Neuausg. 1991);
 
S. - Insel zw. Orient u. Okzident, Beitrr. v. B. Carnabuci u. a. (1992);
 G. Baaken: Ius imperii ad regnum. Königreich S., Imperium Romanum u. röm. Papsttum vom Tode Kaiser Heinrichs VI. bis zu den Verzichtserklärungen Rudolfs von Habsburg (1993);
 M. I. Finley: Das antike S. (a. d. Engl., Neuausg. 1993);
 M. I. Finley: u. a.: Gesch. S.s u. der Sizilianer (a. d. Engl., 21998);
 B. Rill: S. im MA. (1995);
 
Die Staufer im Süden. S. u. das Reich, hg. v. T. Kölzer (1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Wikinger: Im Drachenboot zu fernen Ufern
 

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Si|zi|li|en; -s: süditalienische Insel.

Universal-Lexikon. 2012.