Al|ba|ni|en; -s:
Staat in Südosteuropa.
* * *
Albani|en,
Fläche: 28 748 km2
Einwohner: (1994) 3,41 Mio.
Hauptstadt: Tirana
Amtssprache: Albanisch
Nationalfeiertag: 28. 11.
Währung: 1 Lek = 100 Quindarka
Zeitzone: MEZ
albanisch Shqipëri [-ʃkjipə'ri], amtlich Republịka e Shqipërisë [-ʃkjipə'risə], deutsch Republik Albanien, Staat in Südosteuropa, an der Westküste der Balkanhalbinsel, grenzt im Norden und Nordosten an Jugoslawien (Republik Montenegro, serbische Provinz Kosovo), im Osten an die Republik Makedonien, im Süden an Griechenland, im Westen an das Adriatische Meer; mit 28 748 km2 flächenmäßig kleiner als Nordrhein-Westfalen; (2000) 3,49 Mio. Einwohner, Hauptstadt ist Tirana. Die Amtssprache Albanisch basiert auf dem toskanischen Dialekt. Währung: 1 Lek = 100 Quindarka. Zeitzone: MEZ.
Staat und Recht:
Die 1999 in Kraft getretene Verfassung (gebilligt durch Referendum vom 22. 11. 1998) bestimmt Albanien als Republik mit Mehrparteiensystem, garantiert die Gewaltenteilung und die Grundrechte. Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der vom Parlament in geheimer Wahl mit Dreifünftelmehrheit auf fünf Jahre gewählte Präsident (einmalige Wiederwahl möglich). Die Legislative liegt bei der Volksversammlung (Kuvendi Popullor), deren 155 Abgeordneten für eine Legislaturperiode von vier Jahre gewählt werden. Die Regierung unter Vorsitz des Ministerpräsidents wird vom Präsidenten berufen und muss vom Parlament bestätigt werden. Zuständig für die Normenkontrolle ist das 1992 gebildete Verfassungsgericht, von dessen neun Richtern fünf vom Parlament gewählt und vier vom Präsidenten ernannt werden.
Parteien:
Die einflussreichste Parteien sind die Sozialistische Partei (PS, Nachfolgeorganisation der kommunistischen Partei der Arbeit), die Demokratische Partei (PD) und die Sozialdemokratische Partei (PSD). Unter den übrigen Parteien sind besonders die im griechischen Bevölkerungsteil verwurzelte Union für die Menschenrechte (PBDNj), die Nationale Front (BK, rechtsgerichtet-nationalistisch), die Demokratische Allianz (PAD, Abspaltung von der PD) und die Republikanische Partei (PR, mitte-links) von Bedeutung.
Neben den in Albanische Gewerkschaftskonföderation (KSSH) umbenannten ehemaligen Staatsgewerkschaften existiert seit 1992 der Unabhängige Albanische Gewerkschaftsbund (BSPSH).
Der schwarze Doppeladler ist das seit der Unabhängigkeitserklärung von Albanien (1946) unumstrittene Hauptbild, das Wappentier des Nationalhelden Gjergj Kastriota, genannt Skanderbeg (erster Beleg: Siegel vom 7. 6. 1450). Er wird von einem Ährenkranz umgeben.
Nationalfeiertage:
28. 11. (Unabhängigkeitstag).
Die Zahl der Bezirke ist von 26 auf 36 (Stand 1993) erhöht worden, die in Gemeinden untergliedert sind. Auf der untersten Ebene der kommunalen Selbstverwaltung werden die Stadt- und Gemeinderäte sowie die Bürgermeister unmittelbar vom Volk gewählt. Auf Kreisebene wird nur der Kreisrat als Beschlussorgan direkt gewählt, die Verwaltungsorgane (Kreisvorstand und -vorsitzende) werden vom Kreisrat bestellt. Die seit Ende 1992 bestehenden Präfekturen dienen als Organe der Kommunalaufsicht und als Bindeglied zwischen Ministerien und Kommunalverwaltungen.
Im Jahre 1992 ist eine umfassende Justizreform in Angriff genommen worden, in deren Ergebnis neben der dreistufigen ordentlichen Gerichtsbarkeit nur eine besondere Militärstrafgerichtsbarkeit existiert. Die ordentliche Gerichtsbarkeit, die auch für arbeits- und in Einzelfällen für verwaltungsrechtliche Streitigkeiten zuständig ist, gliedert sich in Kreis- und Appellationsgerichte sowie das Kassationsgericht. Zum Kassationsgericht führt auch der Instanzenzug von den Militär- und Militärappellationsgerichten. Die für Wirtschaftssachen zuständige Staatsarbitrage ist Ende 1993 in die ordentliche Gerichtsbarkeit eingegliedert worden. Die Richter sind unabhängig. Die zentralistisch aufgebaute Staatsanwaltschaft, bei der eine besondere Militärstaatsanwaltschaft besteht, ist in erster Linie für die Strafverfolgung zuständig, sie kann aber im öffentlichen Interesse auch in andere Gerichtsverfahren eingreifen. Die Richter des Kassationsgerichts sowie der Generalstaatsanwalt und sein Stellvertreter werden vom Parlament für 7 Jahre gewählt, eine Wiederwahl ist zulässig. Die übrigen Richter und Staatsanwälte werden vom Obersten Justizrat auf Lebenszeit bestellt.
Die Gesamtstärke umfasst 41 000 Mann mit dreijähriger (beim Heer zweijähriger) Dienstzeit. Das Heer verfügt über 5 Brigaden und 3 Artillerieregimenter mit insgesamt 31 500 Mann. Die Luftwaffe hat 7 200, die Marine 2 500 Soldaten. Paramilitärische Kräfte (Grenzschutz u. a.): 12 000 Mann.
Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus 100 Kampfpanzern, 105 Kampfflugzeugen sowie 2 U-Booten und 47 kleineren Überwassereinheiten sowjetischer und chinesischer Herkunft. Ein Teil der veralteten Ausrüstung ist wegen Ersatzteilmangels und fehlender finanzieller Mittel nicht einsatzbereit.
Landesnatur und Bevölkerung:
Dem gebirgigen Landesinneren (Inneralbanien, Hochalbanien) ist ein relativ breites, von Hügelketten durchzogenes Küstentiefland (Niederalbanien) vorgelagert. Früher stark versumpft, wurde dieses nach 1945 weitgehend melioriert und in fruchtbares Ackerland umgewandelt. Die annähernd in Nord-Süd-Richtung streichenden Gebirgszüge (Albaniden), Fortsetzung der Dinariden, gliedern sich in die aus vielfach metamorphen Gesteinen (Serpentiniten) aufgebauten Inneren Albaniden (Lagerstätten von Chrom-, Kupfer- und Eisennickelerzen) und die aus Serien von Karbonatgesteinen aufgebauten Äußeren Albaniden (Lagerstätten von Kohle, Erdgas und Erdöl). Die Gebirge erreichen ihre größten Höhen im Korabit (2 751 m über dem Meeresspiegel ) an der Grenze zur Republik Makedonien und in den Albanischen Alpen (2 694 m über dem Meeresspiegel). Tektonische Störungen bedingen immer wieder Erdbeben. Intramontane Becken wie die von Korçë, Peshkopi oder Kukës bilden bevorzugte Lebensräume im Gebirge. In Nord- und Mittelalbanien begleitet eine hafenfeindliche Flachküste (Ausgleichsküste) das Tiefland; im albanischen Epirus reicht das Gebirge bis an das Meer (albanische Riviera).
Nach Oberflächengestaltung und natürliche Ausstattung werden fünf Großlandschaften unterschieden: 1. die aus mesozoischen Kalken und Dolomiten aufgebauten Albanischen Alpen im Norden, 2. das stark zergliederte Kettengebirgsland des nördlichen und mittleren Inneralbaniens, 3. die südöstlich anschließende Seen- und Beckenlandschaft (Ohrid-, Prespasee, beide nur zum Teil zu Albanien gehörend, Becken von Korçë), 4. das dicht besiedelte niederalbanische Flach- und Hügelland mit Skutarisee und Ausgleichsküste und 5. das von Flysch- und Kalkgebirgsketten mit eingelagerten Becken bestimmte Gebiet des albanischen Epirus, Siedlungsgebiet der griechischen Minderheit.
Das Klima ist insgesamt mediterran mit warmen, trockenen Sommern und regenreichen Wintern. Von Süden nach Norden und mit zunehmender Entfernung von der Küste und größerer Höhe bekommt es kontinentalere Züge mit größeren Temperaturgegensätzen und häufigeren sommerlichen Niederschlägen, die im Winter teilweise als Schnee fallen. Trotz reichlicher Niederschläge (Vlorë 1 048 mm, Shkodër 1 707 mm/Jahr), die nur in den intramontanen Becken niedriger sind, in den höheren Gebirgen aber 3 000 mm/Jahr zum Teil überschreiten, hat Niederalbanien eine hohe Sonnenscheindauer. Die Flüsse besitzen starkes Gefälle (Eignung für Wasserkraftgewinnung), sind wasserreich, außer dem Drin aber noch kaum reguliert.
Vegetation und Tierwelt:
Aufgrund der morphologischen Vielgestaltigkeit des Raumes und des Vorkommens von Floren- und Faunenelementen aus verschiedenen biogeographischen Regionen (Mitteleuropa, pontisch-kleinasiatisches Steppengebiet, mediterraner Raum) sind Vegetation und Tierwelt vielgestaltig. Eine immergrüne mediterrane Hartlaubzone zieht sich nur in schmalem Streifen entlang der Küste. Landeinwärts und mit zunehmender Höhe folgen Trockenwaldstufe, Stufe des Wolkenwaldes und im Südteil die Stufe des mediterranen Nadelwaldes, darüber die Mattenstufe.
Die Bevölkerung besteht zu rd. 97 % aus Albanern. Der Rest gehört Minderheiten an: Griechen (bei weitem größte Minderheit), Slawen (Makedonier, serbischsprachige Montenegriner), Aromunen und Roma. Das natürliche Bevölkerungswachstum (1985/90: 1,8 %), höchstes aller europäischen Länder, zeigt abnehmende Tendenz (1980/85: 2,1 %, 1965/70: 2,7 %). 1990 waren rd. 33 % der Bevölkerung unter 15 Jahre, 62 % zwischen 15 und 65 Jahre, 5 % über 65 Jahre; Durchschnittsalter 37 Jahre; Lebenserwartung bei Geburt 1985/90: Männer 69,2 Jahre, Frauen 74,2 Jahre. In der Bruttoreproduktionsrate gibt es ein deutliches Gefälle zwischen dem ländlich geprägten, sehr rückständigen Nordosten des Landes und dem stärker urbanisierten Süden sowie zwischen Stadt und Land. Nach der Wende nicht mehr behinderte Wanderungen innerhalb des Landes und über die Grenzen (v. a. nach Griechenland, spektakuläre Massenflucht nach Italien) veränderten vermutlich die bis dahin im Vergleich z. B. mit Griechenland relativ ausgeglichene Bevölkerungsverteilung sowie die demographischen Strukturen nachhaltig. Höchste Dichten innerhalb des Landes mit steigender Tendenz weisen die Distrikte im mittleren Küstentiefland auf.
1993 lebten 37 % der Bevölkerung in Städten (d. h. Siedlungen mit mindestens 80 % der Erwerbstätigen im produzierenden Sektor, unabhängig von der Größe). Nur Tirana ist mit 243 000 Einwohner (1990) Großstadt.
Die meisten alten Städte liegen am Austritt der größeren Flüsse und der aus dem Landesinneren kommenden Straßen in das Küstentiefland (Shkodër, Tirana, Elbasan, Berat). Auch die großen intramontanen Becken haben städtische Mittelpunkte (Korçë, Gjirokastër, Kukës). Die Altstädte bewahrten zum Teil noch das traditionelle Bild balkanischer Städte muslimischer Prägung. Innere Struktur und Stadtbild wurden stark durch die sozialistische Vergangenheit geprägt: Aufgrund fehlenden Bodenpreisgefälles kam es nirgends zur Citybildung. Öffentliche Gebäude (Museum, Kulturhaus), (Inter-)Hotel und Parteigebäude bestimmen den zentralen Bereich, in dem auch heute noch Wohnnutzung dominiert. Der Stadtrand ist scharf begrenzt (keine Zersiedlung durch private Bautätigkeit). Jede Stadt besitzt in meist hervorragender Lage ihren Partisanenfriedhof. Nach 1945 wurden an den Gewinnungsstätten von Bodenschätzen zahlreiche Städte neu gegründet. Der Baubestand ist generell in höchst desolatem Zustand. Traditionelle Formen der ländlichen Siedlungen sind in Nord- und Mittelalbanien Einzelhof und kleiner Weiler, im Gebirgsland als befestigter Großfamilienhof (Kula) ausgeprägt, im Süden das Dorf. Mit der Kollektivierung entstanden viele gesichtslose, oft mehrstöckige Wohnbauten und Bauten für Betriebsführung und Gemeinschaftsaufgaben in den Zentren der Staatsfarmen und Produktionsgenossenschaften.
Die in der Verfassung von 1946 garantierte Meinungs- und Glaubensfreiheit wurde 1949 stark eingeschränkt. 1967 wurde im Rahmen einer »allumfassenden Kulturrevolution« die Tätigkeit der Geistlichen und die öffentliche Religionsausübung untersagt und Albanien zum »ersten atheistischen Staat der Welt« erklärt. Alle Kirchen und Moscheen wurden geschlossen, abgerissen oder einer fremden Bestimmung zugeführt. In Shkodër entstand ein Museum des Atheismus. Die Verfassung von 1976 verbot unter ausdrücklichem Einschluss des privaten Bereichs jegliche religiöse Betätigung; das Strafgesetzbuch von 1977 stellte sie als »Agitation und Propaganda gegen den Staat« unter Strafe und sah in »besonders schweren Fällen« (Vornahme geistlicher Amtshandlungen) die Todesstrafe vor. Im Mai 1990 wurde das Religionsverbot aufgehoben. Seither bekennt sich die Bevölkerung wieder öffentlich zu den geschichtlich in Albanien verwurzelten Religionen (Islam, Christentum katholische und orthodoxe Konfession). Seitens des Staates wurden die noch bestehenden Moschee-, Kirchen- und Klostergebäude an die Religionsgemeinschaften zurückgegeben. Diese begannen mit dem Wiederaufbau ihrer Organisationsstrukturen. 1991 konstituierte sich der »Rat der albanischen Muslime« neu; 1992 wurden erstmals seit 50 Jahren wieder katholische Bischöfe ernannt und, durch den Ökumenischen Patriarchen, ein griechischstämmiger orthodoxer Erzbischof als Verwalter der wieder erstandenen albanisch-orthodoxen Kirche eingesetzt. Die Religionsfreiheit ist durch die 1999 in Kraft getretene Verfassung garantiert. Grundlage der Beziehungen zwischen dem Staat und der katholischen Kirche bildet seit 2002 ein zwischen der Regierung und dem Heiligen Stuhl geschlossenes konkordatsähnliches Abkommen. Die Angaben zur Religionszugehörigkeit der Bevölkerung sind nach wie vor weitgehend Schätzungen (hochgerechnet zum Teil auf der Zahlenbasis Ende der 1940er-Jahre) und gehen von 65-70 % sunnitischen Muslimen, etwa 100 000 Mitgliedern des Derwischordens der Bektaschi (mit schiitischer Tradition und Zentrum in Tirana), rd. 18 % katholischen (Zentrum: Shkodër mit wieder eröffnetem Priesterseminar) und etwa 10 % orthodoxen Christen unter der Gesamtbevölkerung aus.
Es besteht achtjährige allgemeine Schulpflicht. Darüber hinaus gibt es vierjährige höhere allgemein bildende Schulen und Fachschulen verschiedener Richtungen. Die Analphabetenquote beträgt 28 %. Die Universität in Tirana (gegründet 1957) besitzt acht Fakultäten. Weitere höhere Bildungseinrichtungen sind u. a. drei pädagogische Hochschulen, zwei landwirtschaftliche Hochschulen, eine Kunst- und eine Sporthochschule. Wichtigste Forschungseinrichtung ist die Akademie der Wissenschaften mit elf Forschungsinstituten.
Presse: Die Einführung der Pressefreiheit 1991 führte zu einer inhaltlichen und strukturellen Wandlung des Pressemarktes. Unabhängige Tageszeitungen konnten entstehen, unter denen die auflagenstärksten und meinungsführenden »Koha Jonë« (Auflage rd. 400 000) und die 1997 neu gegründete »Shekulli« sind, ferner »Gazeta Shqiptare« sowie die Organe der großen Parteien, »Rilindja Demokratike« (Demokratische Partei), »Zëri i Popullit« (Sozialistische Partei) und »Republika« (Republikanische Partei). - Die staatliche Nachrichtenagentur Albanian Telegraphic Agency (ATA), Tirana, wurde 1945 gegründet. - Der Rundfunk wurde 1991 der staatlichen Kontrolle entzogen; er untersteht nun einer parlamentarischen Medienkommission. Die nationale Rundfunkanstalt Radiotelevisioni Shqiptar» (RTSH) wurde in eine öffentlich-rechtliche Anstalt umgewandelt; Meinungspluralität und Ausgewogenheit sind jedoch noch nicht erreicht. Verbreitet werden mehrere Hörfunkprogramme aus Tirana und von verschiedenen Lokalstationen aus sowie ein Fernsehprogramm.Nach den bürgerkriegsähnlichen Unruhen 1997 konnten private Hörfunk- und Fernsehstationen legal entstehen, darunter »Radio Koha«, »Radio plus 2« und das Jugendprogramm »Top Albanian Radio« sowie die Fernsehsender »TV Shijak«, »TVA«, »TV Kukes« und »Koha TV«.
Wirtschaft und Verkehr:
Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von (1994) 360 US-$ ist Albanien der ärmste Staat Europas. Seit 1991 wird die von 1945 an herrschende sozialistische Planwirtschaft (Kommandowirtschaft asiatischer Prägung) durch eine Marktwirtschaft nach westlichem Modell abgelöst. Kennzeichen der albanischen Wirtschaftspolitik, die sich bis 1961 nach sowjetischem, danach bis in die Mitte der 70er-Jahre nach chinesischem Vorbild (endgültiger Bruch mit China 1978) richtete, seitdem einen eigenen Weg ging, waren rigorose Verstaatlichung, absolute Kontrolle der Produktion durch die Partei, maximale Lohndifferenzen von 1:2 (allerdings mit nichtmonetären Privilegien für Funktionäre), die Doktrin der Selbsthilfe (Kampagnen zu Bodenmeliorierung und Eisenbahnbau), Verbot staatlicher Kreditaufnahme, ausschließlich staatlicher Handel (Schließung aller privaten Märkte) und irrational hohe Aufwendungen für die Selbstverteidigung (Bau von Tausenden von Bunkern). Mit dem Zerfall des Sozialismus ging ein totaler Zusammenbruch der Wirtschaft einher; seitdem langsamer Neuaufbau mit ausländischer Hilfe. Ausdruck der derzeitigen Wirtschaftskrise sind eine hohe Arbeitslosigkeit und versteckte Unterbeschäftigung, Massenflucht und - großenteils illegale - vorübergehende Auswanderung v. a. nach Griechenland.
Nach wie vor bestimmend für die Wirtschaftsstruktur des Landes ist die Landwirtschaft. In diesem Sektor waren noch 1991 47 % der erwerbstätigen Bevölkerung beschäftigt. Bis dahin erfolgte die Agrarproduktion in etwa 600 landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften stalinistischen Typs und 120 Staatsfarmen. Seit 1976 war jegliche private Landwirtschaft verboten; die Verstaatlichung noch privat gehaltenen Viehs führte zu großen Versorgungsmängeln. Die Ideologie der Brotgetreideautonomie bedingte Ackerbau auch in höheren Gebirgslagen. Nach dem politischen Umbruch erfolgte die Privatisierung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften relativ zügig, ein veralteter Maschinenbestand und der noch mäßige Verbrauch von Handelsdünger zeigen jedoch den niedrigen technischen Entwicklungsstand und eine geringe Flächenintensität in der Landwirtschaft an; tierische Zugkraft spielt noch immer eine große Rolle. Von der Gesamtfläche von 2,9 Mio. ha wurden (1993) rd. 24 % als Ackerland (davon 82 % Feldfrüchte, 9 % Obstkulturen, 6 % Olivenhaine, 3 % Weinkulturen), 36 % als Forsten, 15 % als Weide, der Rest anderweitig (Ödland, Siedlungsfläche usw. ) genutzt. Von den 702 000 ha Ackerland waren 76 % in privater Hand, 24 % staatlich. Wichtigste agrarische Produkte sind Weizen, Futterfrüchte, Mais, Gemüse, Trockenbohnen, Tabak, Kartoffeln, Reis und Sonnenblumen; Obst, Wein, Oliven, Zitrusfrüchte. Der Viehbestand ist insgesamt noch gering. 1993 waren 58 % der der Forstwirtschaft zur Verfügung stehenden Waldfläche Laubwald, 17 % Nadelwald und fast 25 % Buschwald. Der Fischfang ist noch unbedeutend.
Der Anteil des Bergbaus (einschließlich Veredelung) an der seit dem politischen Umbruch rapide zurückgegangenen industriellen Produktion betrug 1990 9 %. Wichtigste nichtenergetische Bergbauprodukte sind Kupfer, Eisen-Nickel und Chrom (3. Rang in der Weltproduktion). An Energierohstoffen wurden 1990 (in t SKE) produziert: Kohle (Braunkohle und Lignite) 1,035 Mio., Öl 1,494 Mio., Gas 0,316 Mio.
Die Stromproduktion (insgesamt 1990 installierte Leistung 1 554 MW, davon 1 441 MW Wasserkraft) wird überwiegend durch die Wasserkraftwerke am Drin (installierte Leistung 1 350 MW) und Mat (49 MW) getragen, die zugleich der Bewässerung von Ackerland dienen. Erzeugt wurden 1990 3 190 Mio. kWh. Vor einigen Jahren konnte noch Elektroenergie exportiert werden.
Die Industrie, im sozialistischen Albanien in den Vordergrund der volkswirtschaftlichen Gesamtproduktion gestellt, hatte 1988 einen Anteil von 46 % am produzierten Nationaleinkommen, wobei der Schwerindustrie (Stahlwerk in Elbasan) besonderes Gewicht eingeräumt war. Mit dem Umbruch erlitt sie aufgrund total veralteter Produktionsmethoden und Mangel an kompetenter Betriebsleitung (die Entscheidungsbefugnisse lagen ganz bei Partei und Regierung) einen beispiellosen Niedergang. 1991 soll sich die Produktion gegenüber 1990 um 60 % vermindert haben, die Kohle- und Erdölförderung sogar um zwei Drittel. Seitdem erfolgt eine langsame Erholung, v. a. durch die Schaffung von Arbeitsplätzen in Leichtindustriebereichen (besonders Auftragsproduktion zu Niedriglöhnen im Bekleidungssektor).
Der in sozialistischen Zeit staatlich organisierte Tourismus (Albturist, 10 000-15 000 Touristen/Jahr, nur Gruppentourismus) besitzt in der Natur (Klima, Küste) und dem Reichtum des Landes an antiken Stätten günstige Voraussetzungen; 100 000 Übernachtungen 1990.
Das Außenhandelsvolumen ist insgesamt noch sehr gering. Es belief sich 1990 auf 730 Mio. US-$; 1991 verzeichnete es einen Rückgang von 25 %. Maschinen und Ausrüstungsgegenstände bildeten die wichtigsten Importgüter, Erze (v. a. Chrom), Brennstoffe, Minerale und Metalle sowie Nahrungsgüter die wichtigsten Ausfuhrwaren. Die EU-Staaten (an erster Stelle Italien, danach Deutschland) sind heute wichtigste Handelspartner. Statistisch nicht erfasst, für das Überleben in der Zeit nach dem Umbruch und für die wirtschaftliche Entwicklung jedoch äußerst bedeutsam sind die vielfach illegal von Hunderttausenden von albanischen »Gastarbeitern« in Griechenland nach Albanien gebrachten Waren und Devisen.
Verkehr:
Das erst nach 1945 gebaute fiederförmige, eingleisige Eisenbahnnetz (Streckenlänge 720 km) erschließt nur Teile des Landes. Das Straßennetz - von 7 450 km Hauptstraße sind nur 38 % asphaltiert - befindet sich in desolatem Zustand. Der seit der Wende erlaubte private Pkw-Besitz führte zu rascher Zunahme des - insgesamt immer noch geringen - Pkw-Verkehrs mit oft schrottreifen Autos. Der Gütertransport erfolgt überwiegend per Lkw. Wichtigster Hafen ist Durrës, einziger internationaler Flughafen ist Rinas, 25 km nördlich von Tirana. Die Zentren der Erdgas- und Erdölgewinnung und -verarbeitung sind mit dem Hafen Vlorë durch Rohrleitungen verbunden.
Albanien, das als Tor zur Adria in der politischen Geschichte Südosteuropas eine strategisch wichtige Rolle spielte, wurde in der Bronzezeit (3. Jahrtausend v. Chr.) besiedelt und um 1000 von den Illyrern besetzt. Das illyrische Reich von Skodra wurde nach Zugehörigkeit zum nordwestgriechischen Reich Epirus 168 v. Chr. römisch und gehörte seit der Reichsteilung (395) zum Oströmischen (Byzantinischen) Reich.
Seit Ende des 6. Jahrhunderts drangen slawische Stämme auf die Balkanhalbinsel vor; die christlichen Illyrer zogen sich im 7. Jahrhundert in das Nordalbanische Bergland zurück. 883 wurde Albanien von den Bulgaren erobert und gelangte 1018 als Thema Dyrrhachion wieder unter byzantinische Oberherrschaft. Nach 1204 gehörte Albanien zum Despotat Epirus, seit 1230 zum bulgarischen Staat Iwan Assens II., seit 1252 zum Reich Nikaia, während die Küstenstädte meist unter venezianischer oder sizilianische Herrschaft standen. 1272 kontrollierte das Königreich Neapel zeitweise ganz Albanien; die seit dem 11. Jahrhundert unter dem Namen »Albaner« bekannten Illyrer verdingten sich häufig in den umliegenden Reichen als Söldner.
Nach dem Zerfall des serbischen Reiches von Stephan Dušan, der 1343 Albanien erobert hatte, bildeten sich im Norden (Zeta) und Süden (Epirus) serbische Teilfürstentümer, die jedoch bald von albanischen Stammesfürstentümern abgelöst wurden. Gegen das Vordringen des Osmanischen Reiches organisierte der nordalbanische Fürst Gjergj Kastriota, genannt Skanderbeg (* 1405, ✝ 1468), seit 1443 einen heldenhaften, insgesamt aber vergebliche Widerstand; nach seinem Tod wurde Albanien türkisch. Teile der Bevölkerung flohen nach Süditalien und Sizilien, die Zurückgebliebenen traten in der Mehrzahl zum Islam über. Die häufigen Aufstände gegen die Türkenherrschaft wurden im Süden von der orthodoxen Kirche und im Norden von der römisch-katholischen Kirche unterstützt.
Die 1878 entstandene Nationalbewegung (Liga von Prizren) konnte die konfessionellen Gegensätze und die patriarchalische Sozialstruktur nur schwer ausgleichen. Die Aufstände (1909-12) gegen die Politik der Türkisierung und den Ersten Balkankrieg nutzte Ismail Kemal Bei (Ismail Qemali; * 1844, ✝ 1916) am 28. 11. 1912 in Valona (Vlorë) zur Ausrufung der albanischen Unabhängigkeit, die nach langwierigen Verhandlungen in London von den Großmächten unter Zurückweisung der serbischen Gebietsansprüche am 29. 7. 1913 anerkannt wurde (allerdings Abtrennung des Kosovo vom albanischen Staatsverband). Der von der Londoner Botschafterkonferenz eingesetzte Fürst Wilhelm zu Wied (* 1876, ✝ 1945) konnte sich jedoch im Land nicht durchsetzen und musste Albanien im September 1914 verlassen. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war Nordalbanien von den Mittelmächten, der Süden von Italien besetzt, das im Vertrag von Tirana (2. 8. 1919) die staatliche Selbstständigkeit von Albanien zwar anerkannte, das Land aber erst 1920 räumte.
Mit seiner Aufnahme in den Völkerbund (Dezember 1920) erreichte Albanien die internationale Anerkennung als unabhängiger Staat. Unter Anlehnung an die albanischen Grenzen von 1913 legte der Völkerbund 1921 den Gebietsumfang des neuen Staates fest; 1923 erfolgte noch einmal eine Grenzkorrektur gegenüber Griechenland. Trotz dieser internationalen Grenzvereinbarungen sah sich Albanien in der Folgezeit immer wieder territorialen Ansprüchen Griechenlands und des neuen südslawischen Staates (des späteren Jugoslawien) gegenübergestellt.
Aus den zahlreichen Regierungswechseln und Aufständen (z. B. 1921 Aufstand des albanischen Stammes der Mirditen), die den Aufbau des jungen Staates begleiteten, ging seit 1920 Albanien Zogu als beherrschende politische Figur des Landes hervor. Als Ministerpräsident (Dezember 1922 bis 1924) stellte er ein Reformprogramm auf, musste aber nach einem Aufstand (Mai/Juni 1924) ins Exil gehen. Sein Gegner und Chef der parlamentarisch nicht gestützten revolutionären Regierung (Juni bis Dezember 1924), F. Noli, verkündete v. a. eine Bodenreform. Mit jugoslawischer Hilfe kehrte Zogu im Dezember 1924 nach Albanien zurück und übernahm als Ministerpräsident (1925-28) erneut die Regierung. Am 21. 1. 1925 rief das Parlament die Republik aus; am 31. 1. 1925 wählte es Zogu zum Staatspräsidenten.
In den Jahren zwischen 1925 und 1939 entwickelte sich das Regierungssystem Zogus zu einer Diktatur, die jede Opposition unterdrückte, dabei jedoch besonders um eine Modernisierung der Staatsverwaltung bemüht war. Im Kraftfeld jugoslawischer, griechischer und italienischer Interessen lehnte sich Albanien vor allem mit dem 1. und 2. Pakt von Tirana (27. 11. 1926; 22. 11. 1927) immer enger an das faschistische Italien unter B. Mussolini an. Am 1. 9. 1928 ließ sich Zogu als Zogu I. zum »König der Albaner« ausrufen. Versuche Albaniens in den 30er-Jahren, seine Abhängigkeit von Italien zu lockern, führten zu Spannungen zwischen beiden Ländern. Mit dem Einmarsch italienischer Truppen in Albanien (April 1939) erzwang Mussolini die Vereinigung Albaniens mit Italien; Zogu floh außer Landes, und König Viktor Emanuel III. von Italien übernahm in Personalunion auch die Krone Albaniens (im Oktober 1943 aufgehoben).
Von Albanien aus griff Italien im Zweiten Weltkrieg 1940 Griechenland an. Gegen die italienische und die sie im September 1943 ablösende deutsche Besatzungsmacht formierten sich Widerstandsorganisationen, unter denen die Kräfte der (am 8. 11. 1941 gegründeten) KP bis 1944 eine dominierende Rolle erlangten. Daneben existierten die nationalistisch orientierte Organisation »Balli Kombëtar« (»Nationale Front«, gegründet 1942), die die Errichtung eines »Großalbanien« anstrebte und sich nach dem Einmarsch der Deutschen auf deren Seite stellte, und die royalistische »Legaliteti« (gegründet 1943); beide kämpften gegen die albanischen Kommunisten, die unter dem Einfluss der von J. B. Tito geführten jugoslawischen Partisanenbewegung standen. Gestützt auf die »Albanische Nationale Volksbefreiungsarmee« (gegründet 1943), die auch von Großbritannien militärische Hilfe erhielt, und den »Antifaschistischen Rat der Nationalen Befreiung« (gegründet 1944), konnte sich die albanische KP als beherrschende politische Kraft in Albanien durchsetzen. Nach dem Abzug der deutschen Besatzungstruppen (abgeschlossen am 29. 11. 1944; am 17. 11. 1944 Befreiung von Tirana) wandelte E. Hoxha, der als Generalsekretär beziehungsweise Erster Sekretär der KP (1943-85) und Ministerpräsident (1944-54) die Landespolitik in autokratischer Weise bestimmte und dabei die Opposition brutal ausschaltete, Albanien in einen Staat nach marxistisch-leninistischen Zielvorstellungen um (u. a. Bodenreform, weit reichendes Verstaatlichungsprogramm). 1946 schaffte die Nationalversammlung die Monarchie ab und proklamierte die »Volksrepublik Albanien« (11. 1. 1946, am 14. 3. 1946 Billigung einer Verfassung). 1948 wurde die KP Albaniens in Partei der Arbeit Albaniens (PAA) umbenannt.
Nachdem Albanien zunächst enge Beziehungen zu Jugoslawien unterhalten hatte, ergriff es im jugoslawisch-sowjetischen Konflikt 1948 Partei für die Sowjetunion und lehnte sich eng an diese an; 1949 trat es dem RGW, 1955 dem Warschauer Pakt bei. Im Dezember 1955 wurde Albanien in die UNO aufgenommen. Entsprechend der nach Stalins Tod (1953) in der Sowjetunion propagierten kollektiven Führung von Partei und Staat überließ Hoxha 1954 M. Shehu (* 1913, ✝ 1981) das Amt des Ministerpräsidenten.
Im Zuge der von der UdSSR 1953-56 ausgehenden Entstalinisierung kühlten sich die albanisch-sowjetischen Beziehungen ab. Im Konflikt zwischen der sowjetischen und chinesischen Führung, der seit 1960 offen zutage trat, stellte sich Albanien auf die Seite der Volksrepublik China (im Dezember 1961 deshalb Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch die Sowjetunion u. a. Staaten des Ostblocks); seitdem nahm Albanien seine Mitgliedschaft im RGW nicht mehr wahr. Unter dem Einfluss der chinesischen Kulturrevolution schloss die albanische Regierung 1967 alle Kirchen und Moscheen (1976 verfassungsmäßiges Religionsverbot). Aus Protest gegen den Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei (1968) trat Albanien 1968 aus diesem aus und verschärfte seine Kritik an der UdSSR. Der stärker pragmatische Kurs der chinesischen Partei- und Staatsführung nach dem Tod Mao Zedongs (1976) bewirkte auch eine albanisch-chinesische Entfremdung (1978 Bruch mit China, das seine Wirtschafts- und Militärhilfe an Albanien einstellte).
Mit dem In-Kraft-Treten der Verfassung vom 28. 12. 1976 wurde der Staatsname in »Sozialistische Volksrepublik Albanien« geändert. Die Partei der Arbeit Albaniens betonte nunmehr das »vollständige Stützen auf die eigenen Kräfte« als entwicklungspolitischer Grundsatz und betrieb nach der Lösung vom Einfluss Chinas einen auf strikte Eigenständigkeit orientierten Kurs, der das Land zunehmend politisch und wirtschaftlich isolierte und nach außen hin abriegelte. Nach dem Tod Shehus (1981, unter ungeklärten Umständen) übernahm Albanien Çarçani (* 1922) das Amt des Ministerpräsidents (1982-91). Im November 1982 wurde R. Alia Staatsoberhaupt Albaniens (Vorsitzender des Präsidiums der Volksversammlung); nach dem Tod des von einem Personenkult umgebenen Hoxha (1985) trat er auch dessen Nachfolge als Erster Sekretär der PAA an und leitete eine vorsichtige außenpolitische Öffnung des Landes ein (u. a. 1987 Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland). Erst 1987 konnte mit dem Verzicht Griechenlands auf Nordepirus (albanische Region, in der die griechische Minderheit lebt) offiziell der griechisch-albanische Kriegszustand aus dem Zweiten Weltkrieg aufgehoben werden.
Unter dem Eindruck des politischen Umbruchs in Mittel- und Osteuropa kam es auch in Albanien seit Dezember 1989 (regierungsfeindlichen Demonstrationen in Shkodër) zu Unruhen und Protestaktionen; diese veranlassten die kommunistische Partei- und Staatsführung unter Alia 1990 zur Inangriffnahme von vorsichtigen inneren Reformen und zur Beendigung der außenpolitischen Abschottung. Es wurden erste Schritte zu einer Demokratisierung von Recht und Justiz unternommen (u. a. im Mai 1990 Wiederzulassung von Rechtsanwälten, Beschluss zur Wiedereinführung eines Justizministeriums und Reduzierung der mit der Todesstrafe bedrohten Handlungen von 34 auf 11 und Aufhebung des Religionsverbots). Trotz der eingeleiteten Veränderungen flüchteten im Juli 1990 rd. 5 000 Albaner in ausländischen Botschaften und erzwangen ihre Ausreise. Unter dem Druck der gegen die Alleinherrschaft der PAA gerichteten Demonstrationen, die im Dezember 1990 von der Universität in Tirana ausgingen, musste die Bildung von Oppositionsparteien zugelassen werden; als Erste entstand Ende 1990 die aus der Studentenbewegung hervorgegangene Demokratische Partei (DP). Nach erneuten schweren Unruhen (besonders in Tirana am 20. 2. 1991, Sturz der Denkmäler Hoxhas in verschiedenen Städten) trat im Februar 1991 die Regierung Çarçani zurück, die von einem Interimskabinett unter F. Nano (* 1952) abgelöst wurde. Aus den freien Parlamentswahlen vom 31. 3. 1991 ging die PAA als stärkste Kraft hervor, die inklusive der Ergebnisse der Stichwahlen vom 7. 4. 1991 eine Zweidrittelmehrheit erreichte; Nano bildete erneut die Regierung. Im April 1991 wurde der Staatsname in »Republik Albanien« geändert und eine Übergangsverfassung verabschiedet. Am 30. 4. 1991 wählte das Parlament Alia zum Präsident der Republik; kurz darauf gab er den Vorsitz der PAA ab.
Im Juni 1991 sagte sich die PAA von ihrer stalinistischen Tradition los (ohne sich von Hoxha vollständig zu distanzieren) und nahm den Namen Sozialistische Partei Albaniens an. Aufgelöst wurde der v. a. wegen seiner repressiven Rolle gegen die Opposition berüchtigte Staatssicherheitsdienst »Sigurimi«.
Nachdem schon zur Jahreswende 1990/91 Tausende Angehörige der griechischen Minderheit Albanien in Richtung Griechenland verlassen hatten, kam es 1991 zu einer Massenflucht von Albanern auf dem Seeweg nach Italien (insbesondere in die Hafenstädte Otranto, Brindisi und Bari), von wo sie jedoch wieder nach Albanien abgeschoben wurden. Die anhaltende Fluchtbewegung, wiederholte Unruhen und ein mehrwöchiger Generalstreik (Mai-Juni 1991) führten am 12. 6. 1991 zur Bildung einer die Opposition einschließenden Mehrparteienregierung unter Ministerpräsident Y. Bufi, die im Dezember 1991 zerbrach und an deren Stelle eine Übergangsregierung unter Ministerpräsident V. Ahmeti trat (bis April 1992). Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 22. 3. und 29. 3. 1992 siegte die DP, deren Vorsitzender S. Berisha am 9. 4. 1992 Staatspräsident wurde. Die ab April 1992 amtierende Regierung von Ministerpräsident Albanien Meksi (* 1939) forcierte den marktwirtschaftlichen Kurs (u. a. weit reichende Privatisierungsvorhaben), sah sich aber einer desolaten Wirtschaft und gravierenden sozialen Problemen gegenüber. 1993-94 kam es zur Verhaftung und Verurteilung ranghoher belasteter KP-Funktionäre (u. a. Verhängung einer Haftstrafe über Alia, der aber bereits 1995 vorfristig entlassen wurde). Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der innenpolitischen Situation äußerte sich in der Ablehnung eines von der DP ausgearbeiteten Entwurfs einer neuen Verfassung durch ein Referendum am 6. 11. 1994. Daraufhin verließen die Republikanische Partei (gegründet im Januar 1991) und die Sozialdemokratische Partei (gegründet im April 1991) die bis dahin mit der DP getragene Koalitionsregierung; im Dezember 1994 nahm Berisha eine umfangreiche Regierungsumbildung vor. Angesichts der wirtschaftlichen Not verließen bis September 1995 rd. 400 000 Albaner (etwa 12% der Bevölkerung) das Land v. a. in Richtung Griechenland (circa 250 000 Wirtschaftsflüchtlinge) und Italien.
Konfliktstoff entwickelte sich aus der nationalen Frage, da in jedem an Albanien grenzenden Staat Albaner leben (meist Siedlungsräume im grenznahen Raum) und das Eintreten für alle albanische Volksgruppen in dieser Region (bis hin zu Forderungen einzelner politischen Gruppen nach Vereinigung der gesamten albanischen Bevölkerung auf der Balkanhalbinsel) teilweise Spannungen nach sich zog (so v. a. mit Serbien wegen der Unterstützung der Albaner im Kosovo durch Albanien). Griechisch-albanische Differenzen entstanden durch die albanische Minderheitenpolitik gegenüber den in Südalbanien lebenden Griechen; die bis weit in die Geschichte zurückreichende griechische Besiedlung dieses Gebiets (starke Zuwanderung durch den griechischen Bürgerkrieg 1944-49) nahmen griechische Nationalisten zum Anlass, um den Anschluss des von ihnen als »Nordepirus« bezeichneten Territoriums an Griechenland zu fordern. Da ein Gesetz von 1991 das Wirken von Parteien auf ethnischer Grundlage untersagte, gründete der griechische Nationalitätenverband »OMONIA« die Union für die Menschenrechte als Vertretung der griechischen Minderheit in Albanien. Im Streit um die Rechte der Griechen in Albanien kam es z. B. 1993 zu Massenabschiebungen illegal eingereister Albaner aus Griechenland. 1995 leiteten Albanien und Griechenland eine Normalisierung ihres Verhältnisses ein.
Außenpolitisch bemühte sich Albanien seit Beginn des politischen Umbruchs um eine rasche Ausweitung seiner internationalen Kontakte (u. a. Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu den USA im März 1991) und eine Einbindung in die europäischen Organisationsstrukturen (am 19. 6. 1991 als letzter europäischer Staat in die KSZE aufgenommen). Das durch die Verfassung von 1976 verfügte Verbot einer Annahme von Auslandskrediten wurde 1990 aufgehoben. Das nach einer baldigen Einbeziehung in die EU und die NATO strebende Albanien wurde im Juli 1995 Mitglied des Europarates. In den (von internationalen Beobachtern wegen schwerer Unregelmäßigkeiten kritisierten) Parlamentswahlen vom 26. 5. 1996 setzte sich die DP erneut durch; die Oppositionsparteien, die daraufhin mehrere von der Polizei unterdrückte Protestdemonstrationen (u. a. am 28. 5. 1996 in Tirana) durchführten, boykottierten den zweiten Wahlgang am 2. 6. 1996.
Kriminelle Anlagengeschäfte, bei denen viele Albaner ihre ganzen Ersparnisse verloren, führten Anfang 1997 zu schweren, bürgerkriegsähnlichen Unruhen und zum zeitweiligen Zusammenbruch der staatlichen Ordnung. Auf Ersuchen der Regierung entsandten UN und OSZE von März bis Mitte August 1997 eine multinationale Friedenstruppe zur Sicherung v. a. der Hilfsgüter. Bei den Parlamentswahlen am 29. 6./6. 7. 1997 siegte die Sozialistische Partei (PSSh) und stellte mit Fatos Nano den Ministerpräsidenten; nach dem Rücktritt von Berisha (23. 7.) wurde mit R. Mejdani gleichfalls ein Sozialist Staatspräsident (24. 7. 1997). Nach erneuten Auseinandersetzungen in Nordalbanien (Shkodër, 22./23. 2. 1998) sowie zweiwöchigen Unruhen im ganzen Land ab 12. 9. (Ermordung eines führenden Politikers der Demokratischen Partei) trat Nano am 29. 9. 1998 zurück, sein Nachfolger wurde Pandeli Majko, am 26. 10. 1999 Ilir Meta. Am 10. 10. 1999 war Majko von Nano als Vorsitzender der PSSh abgelöst worden. Mit der Ausweitung der Kosovokrise (ab März 1998, verstärkt seit den NATO-Luftangriffen Frühjahr 1999) kam es zur vorübergehenden Aufnahme von mehr als 500 000 vertriebenen Kosovo-Albanern (Kosovaren). Albanien wurde NATO-Aufmarschgebiet (zeitweise 8 300 Mann) und erhielt enorme internationale Unterstützung (180 Mio. US-$ Soforthilfe sowie ein internationales Schuldenmoratorium). Außenpolitisch vermochte Albanien die Kosovokrise zum engeren Anschluss an die internationale Gemeinschaft (EU, NATO) sowie zur Verbesserung seiner Beziehungen in der Region zu nutzen (v. a. zu Makedonien und Griechenland). Im Februar 2000 war Albanien als Mitglied des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses (englische Abkürzung SEECP) mit fünf Balkanländern und der Türkei in Bukarest an der Unterzeichnung einer Charta für Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft beteiligt. Auf dem ersten Balkangipfel der EU Ende November 2000 hatte Albanien gemeinsam mit anderen Balkanstaaten den Status eines potenziellen Kandidaten für einen Beitritt zur EU zuerkannt bekommen (ohne Zeitplan). Im Januar 2001 nahm Jugoslawien die während des Kosovokrieges im April 1999 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen mit Albanien wieder auf. Die großen Probleme in der Innenpolitik behindern aber weiterhin die Entwicklung des Landes. Dazu zählen u. a. der ruinöse Zustand der Wirtschaft, die instabile politische Ordnung sowie die fortdauernde innenpolitische Zerrissenheit und Konfrontation. Bewaffnete Aktionen extremistischer albanischer Freischärler in Makedonien (so genannte »Nationale Befreiungsarmee«, UÇK) und Serbien (so genannte »Befreiungsarmee von Preševo, Medvedja und Bujanovać« (UÇMB) provozierten ab Frühjahr 2000 eine neue Balkankrise, die ab Januar 2001 eskalierte und erst im Sommer mit dem Vertrag von Ohrid/Skopje entschärft wurde.
Bei den Wahlen vom 25. 6. und 9. 7. 2001 siegte die PSSh deutlich; Meta wurde im August als Ministerpräsident erneut mit der Regierungsbildung beauftragt, trat aber am 29. 1. 2002 - vermutlich wegen Differenzen mit Nano - zurück. Am 22. 2. wurde Majko zu seinem Nachfolger gewählt, am 20. 6. 2002 Alfrad Moisiu als Kandidat von Regierung und Opposition zum neuen Staatspräsidenten (vereidigt am 24. 7.); am 26. 7. übernahm Nano wieder das Amt des Ministerpräsidenten, nachdem Majko am 25. 7. seinen Rücktritt erklärt hatte.
Landesnatur, Bevölkerung:
Albanien Hetzer u. V. S. Roman: A. Ein bibliogr. Forschungsbericht (1983);
C. Lienau: Einige Grundzüge der Raumstruktur u. Raumentwicklung A.s, in: Jüngere Fortschritte der regionalgeograph. Kenntnis über A., hg. v. H. Becker (1991);
K.-D. Grothusen: A. (1993).
G. Stadtmüller: Forschungen zur alban. Frühgesch. (21966);
R. Marmullaku: Albania and the Albanians (London 1975);
T. Schreiber: L'Albanie (Paris 1978);
B. Tönnes: Sonderfall A. Enver Hoxhas »eigener Weg« u. die histor. Ursprünge seiner Ideologie (1980);
W. Russ: Der Entwicklungsweg A.s (1979);
H.-D. Topp: Der Konflikt zw. A. u. der VR China. .. (1979);
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P. Danylow: Die außenpolit. Beziehungen A.s zu Jugoslawien u. zur UdSSR 1944-1961, (1982);
M. Schmidt-Neke: Entstehung und Ausbau der Königsdiktatur in A. 1912-1939 (1987);
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S. Lipsius: Die zerfallende Festung: Der Demokratisierungsprozeß in A. 1990-1991 (1993).
K.-D. Grothusen: A. (1993);
P. Schubert: Zündstoff im Konfliktfeld des Balkan. Die alban. Frage (1997);
C. von Kohl: A. (1998);
F. Gamillscheg: So entstand A. Dokumentiert in seinen Briefmarken (Wien 2001).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Nationalitätenfrage: Pulverfass Balkan - Nationalitätenkonflikte im 19. Jahrhundert
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Al|ba|ni|en; -s: Balkanstaat.
Universal-Lexikon. 2012.