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Ostgoten
Ọstgoten,
 
Ostrogothen, Greutungen, einer der beiden großen Stämme der Goten, der um die Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. unter Ermanarich ein Reich im Norden des Schwarzen Meeres gründete, aber 375/376 von den Alanen und Hunnen unterworfen wurde. Nach dem Zerfall des Hunnenreiches (bald nach Attilas Tod 453) ließen sich die Ostgoten unter römischer Oberhoheit in Pannonien nieder; viele von ihnen traten in das kaiserliche Heer ein. Die Stammesfürsten der Ostgoten gehörten zum Geschlecht der Amaler.
 
474 wurde Theoderich (der Große) zum König erhoben. Er zog 488 als Feldherr des oströmischen Kaisers Zenon nach Italien gegen Odoaker, den er 493 besiegte. Das von Theoderich gegründete Reich bestand bis 552 und blieb Bestandteil des römischen Imperiums; es umfasste Italien mit Sizilien, Dalmatien, Slawonien, das Alpengebiet und seit 510 auch die Provence; das Westgotenreich in Spanien stand seit 511 unter Theoderichs Vormundschaft. Die Ostgoten hatten sich im Reich Theoderichs des Großen besonders in Nord- und Mittelitalien niedergelassen; sie bildeten den Kriegerstand und waren von den Römern rechtlich und - als Anhänger des Arianismus - konfessionell geschieden. Rechtsgrundlage war das »Edictum Theoderici« von Theoderich. Nach Theoderichs Tod (526) verfiel unter Amalasuntha und Theodahad das Reich; es erlag schließlich trotz des Widerstandes der Könige Witigis (536-540), Totila (541-552) und Teja (552) den byzantinischen Feldherren Belisar und Narses. Erst 555 wurden die letzten Ostgoten unterworfen; sie gingen später in der italischen Bevölkerung auf. Auf der Krim und zu beiden Seiten der Straße von Kertsch waren Ostgoten zurückgeblieben, die Krimgoten und die Trapeziten (fälschlich Tetraxiten).
 
Die Kultur der Ostgoten spielte seit dem 5. Jahrhundert durch die unmittelbare Auseinandersetzung mit der römischen Welt eine wichtige Vermittlerrolle zu den übrigen Germanen. Römischer Einfluss fehlte nur in den germanischen Heldenliedern und im Gebrauch der Runen. Seit dem 4. Jahrhundert wurden die Ostgoten und mit ihnen andere Ostgermanen zum Christentum arianischer Prägung bekehrt (Bibelübersetzung des Wulfila). Das qualitätvolle Kunsthandwerk der Ostgoten lässt in Ziertechnik und Wahl der Formen spätantiken und hunnischen Einfluss erkennen (Kerbschnitt, Granateinlage, Adlersymbolik). Typisch waren besonders die großen Schnallen und Fibeln mit Adlerköpfen. Im 5./6. Jahrhundert wirkten diese Goldschmiedearbeiten auch auf die Zierkunst anderer Germanenstämme. Keinen Einlass bei den Ostgoten fand dagegen die sonst allgemein verbreitete germanische Tierornamentik. In Italien setzte schon bald bei der Oberschicht der Ostgoten eine starke Romanisierung der Lebensgewohnheiten, der Tracht und des Totenkultes ein. In der Kunst ersetzte zunehmend das mediterrane Flechtband ältere Zierelemente.
 
Literatur:
 
Ludwig Schmidt: Die letzten O., in: Zur german. Stammeskunde, hg. v. E. Schwarz (1972);
 V. Bierbrauer: Die ostgot. Grab- u. Schatzfunde in Italien (Spoleto 1975);
 T. S. Burns: The Ostrogoths. Kingship and society (Wiesbaden 1980);
 T. S. Burns: A history of the Ostrogoths (Neuausg. Bloomington, Ind., 1991);
 
Die Goten. Gesch. u. Kunst in Westeuropa, bearb. v. P. de Palol u. a. (a. d. Span., 1990);
 H. Wolfram: Die Goten (31990);
 
Schätze der O., hg. v. C. Leiber, Ausst.-Kat. Universität Lublin(1995).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Völkerwanderung: Die Germanen dringen ins römische Imperium
 

Universal-Lexikon. 2012.