Wal|dẹn|ser 〈m. 3〉 Angehöriger einer von Petrus Waldus im 12. Jh. gegründeten Sekte, die ein Gemeinschaftsleben nach urchristl. Vorbild erstrebte, von der Inquisition nahezu vernichtet wurde, seit dem 16. Jh. aber wieder auflebte
* * *
Wal|dẹn|ser, der; -s, - [mlat. Waldenses, nach dem Begründer, dem Lyoner Kaufmann Petrus Waldes (12./13. Jh.)]:
Angehöriger einer Laienbewegung, die das Evangelium verkündet u. ein urchristliches Gemeinschaftsleben in Armut anstrebt.
* * *
Waldẹnser,
ursprünglich auch die Armen von Lyon genannt; die Anhänger der von P. Waldes um 1175 in Lyon begründeten religiösen Bewegung, deren Ziel die Verkündigung des Evangeliums und ein Leben in Armut nach Jesu Vorbild war. Sie wurden wegen ihrer Praxis der Laienpredigt schon bald vom Bischof von Lyon verboten und 1184 von Papst Lucius III., der auch Kaiser Friedrich I. Barbarossa für ein gemeinsames Vorgehen gegen die Waldenser und andere »Ketzer« gewann, exkommuniziert. Die dadurch einsetzende Vertreibung und Emigration der Waldenser aus Lyon führte zu einer Verbindung mit anderen Strömungen der religiösen Laienbewegung (Katharer, Humiliaten), aber auch zu inneren Gegensätzen, die 1205 und 1218 die Trennung in französische und lombardische Waldenser zur Folge hatte. Während die französischen Waldenser, die jede Arbeit zum Lebensunterhalt ablehnten, zum Teil durch die päpstliche Inquisition unter Innozenz III. gewaltsam in die Kirche zurückgeführt wurden und im 14. Jahrhundert verschwanden, fanden die den Armutsbegriff weiter vertretenden lombardischen Waldenser mit ihrem Anspruch, die wahre Kirche zu sein, rasche Verbreitung in Frankreich, Nordspanien, Italien, Deutschland, der Schweiz, Österreich, Böhmen, Ungarn und Polen. Vom 13. bis 16. Jahrhundert ständig Verfolgungen ausgesetzt, schlossen sie sich der schweizerischen Reformation an, wurden aber in Norditalien, Apulien und Kalabrien durch die Gegenreformation im 17. Jahrhundert schwer getroffen. Der Einfluss der reformiert-kalvinistischen Genfer Erweckungsbewegung brachte den Waldensern ab 1815 eine geistig-kirchliche Erneuerung (»Chiesa Evangelica Valdese«) und eine ausgedehnte Diaspora (v. a. in Uruguay und Argentinien). Die Bibel wird als die alleinige Grundlage des Glaubens und der christlichen Ethik angesehen. Heute gibt es weltweit etwa 50 000 Waldenser (davon rd. 30 000 in Italien). Die Waldenserkirche ist Mitglied des »Ökumenischen Rates der Kirchen« und des »Bundes der Evangelischen Kirchen in Italien«. In Rom besteht seit 1922 eine waldensische theologische Fakultät (die einzige evangelische Fakultät Italiens).
H. Grundmann: Religiöse Bewegungen im MA. (1935, Nachdr. 1977);
K.-V. Selge: Die ersten W., 2 Bde. (1967);
Quellen zur Gesch. der W., hg. v. A. Patschovsky u. a. (1973);
T. Kiefner: Die W. auf ihrem Weg aus dem Val Cluson durch die Schweiz nach Dtl. 1532-1755, 2 Bde. (1980-85);
A. Molnár: Die W. (1980);
G. Tourn: Gesch. der W.-Kirche (a. d. Ital., 21983);
G. Audisio: Die W. Die Gesch. einer religiösen Bewegung (a. d. Frz., 1996).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Ketzer im Mittelalter: Der eine Glaube?
* * *
Wal|dẹn|ser, der; -s, - [mlat. Waldenses, nach dem Begründer, dem Lyoner Kaufmann Petrus Waldes (12./13. Jh.)]: Angehöriger einer Laienbewegung, die das Evangelium verkündet u. ein urchristliches Gemeinschaftsleben in Armut anstrebt.
Universal-Lexikon. 2012.