Re|li|gi|ons|un|ter|richt 〈m. 1; Pl. selten〉 Schulunterricht im Fach Religion
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Re|li|gi|ons|un|ter|richt, der:
Unterricht im Schulfach Religion.
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Religions|unterricht,
im weiteren Sinn jede Art von Mitteilung und Belehrung über die Inhalte einer Religion; im engeren Sinn ein entsprechendes Unterrichtsfach an öffentlichen Schulen. Das Fach Religionsunterricht gibt es in fast allen Ländern Europas, in Frankreich jedoch nur im Elsass und in Lothringen; keinen Religionsunterricht gibt es in den USA. Die juristische, organisatorische, konzeptionelle und didaktische Ausgestaltung des Religionsunterrichts ist unterschiedlich. Er wird als Pflichtfach, Wahlpflichtfach oder freiwilliges Wahlfach erteilt. Hinsichtlich der inhaltlichen Konzeptionen gibt es den Religionsunterricht in der Form der wertneutralen informierenden Religionskunde für alle Schüler (Schweden; mit christlicher Schwerpunktsetzung in England und Wales) und den in Bindung an eine bestimmte Religionsgemeinschaft erteilten konfessionellen Religionsunterricht (z. B. in Deutschland, Österreich, einigen Kantonen der Schweiz, Italien, Spanien). In den meisten ehemaligen kommunistischen Staaten Europas, wo der Religionsunterricht seit 1990 eingeführt worden ist, ist er freiwilliges Wahlfach, dessen Konzeption und Durchführung in Verantwortung der Kirchen erfolgt.
In Deutschland ist Religionsunterricht »gemeinsame Angelegenheit« von Staat und Kirche und nach den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Staatskirchenrechts geordnet: Gemäß Art. 7 Absatz 3 GG ist Religionsunterricht »in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach«, das »in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften« erteilt wird. Religionsunterricht nimmt damit eine Sonderstellung innerhalb der Schulfächer ein: Einerseits vom weltanschaulich-religiös neutralen Staat veranstaltetes Unterrichtsfach mit entsprechenden Folgen (Pflichtfach, Versetzungserheblichkeit, wissenschaftlicher Charakter u. a.), wird es andererseits hinsichtlich seiner Inhalte von einer Religionsgemeinschaft verantwortet, was deren Mitwirkung bei der Erstellung von Lehrplänen, Genehmigung von Lehrmaterial sowie bei der Auswahl des Lehrpersonals bedeutet. In Konkretisierung des Grundrechts der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) besteht für Schüler und Erziehungsberechtigte das Recht auf Abmeldung (religiöse Erziehung). Nicht am Religionsunterricht teilnehmende Schüler sind nach landesrechtlichen Bestimmungen zur Teilnahme an einem Ersatzunterricht verpflichtet (Philosophieunterricht; in den neuen Bundesländern dem Unterrichtsfach Ethik). Sonderregelungen bestehen in Bremen (bekenntnismäßig nicht gebundener Unterricht in biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage), in Berlin (Religionsunterricht nur auf freiwilliger Grundlage in voller Verantwortung der Kirchen, aber vom Staat vergütet) sowie - vorbehaltlich der Entscheidung der seitens der evangelischen und der katholischen Kirche eingereichten Verfassungsbeschwerde - in Brandenburg (Lebensgestaltung - Ethik - Religionskunde). In den vier anderen neuen Ländern wurden trotz praktischer Schwierigkeiten (gebietsweise gehören insgesamt nur 10 % der Schüler evangelischer Landeskirchen und der katholischen Kirche an) landesrechtliche Regelungen nach dem Muster der alten Länder geschaffen. Ein Anspruch auf Religionsunterricht besteht für alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, unabhängig von ihrem Status als Körperschaften des öffentlichen Rechts. Dieser wird gegenwärtig (2000) von der katholischen Kirche, den evangelischen Landeskirchen, der griechisch-orthodoxen Kirche und der jüdischen Religionsgemeinschaft wahrgenommen. Nach Modellversuchen zu einem islamischen Religionsunterricht beantragte der »Zentralrat der Muslime in Deutschland« 1994 die Einführung eines Unterrichtsfachs islamischer Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen. Dem 1995 in Nordrhein-Westfalen eingeführten Modell der im muttersprachlichen Ergänzungsunterricht stattfindenden »Religiösen Unterweisung für Schüler und Schülerinnen islamischen Glaubens« haben sich Hamburg, Hessen und Niedersachsen angeschlossen. 1999 führte Nordrhein-Westfalen das Fach Islamkunde als reguläres, in deutscher Sprache erteiltes und die bisherige Islam-Unterweisung ablösendes Unterrichtsfach ein. In Bayern gibt es seit 1986 »Islam-Unterricht«, der für die Schüler der Klassen eins bis fünf außerhalb der und in den weiterführenden Schulen im muttersprachlichen Ergänzungsunterricht erteilt wird. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein wird die religiöse Unterweisung von den türkischen Konsulaten durchgeführt. Bremen startete im April 2000 einen Modellversuch »Islam-Unterricht« an zwei Schulen. Niedersachsen hat im Hinblick auf einen als ordentliches Lehrfach künftig landesweit einzuführenden islamischen Religionsunterricht 2003 einen Modellversuch vorgesehen. Keine islamische religiöse Unterweisung gibt es im Saarland und in den neuen Ländern. Eine grundsätzliche Diskussion um einen islamischen Religionsunterricht als bundesweit angebotenes und in deutscher Sprache erteiltes ordentliches Lehrfach ist 1998 in Gang gekommen, nachdem eine in der Öffentlichkeit (auch unter Muslimen) umstrittene Entscheidung des Berliner Oberverwaltungsgerichts (bestätigt vom Bundesverwaltungsgericht am 23. 2. 2000) dem Verein »Islamische Föderation Berlin« das Recht zur Erteilung islamischen Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen Berlins (bis dahin dort keine islamische religiöse Unterweisung) zugesprochen hatte. - In Österreich ist der Religionsunterricht kirchliche Veranstaltung (Art. 17 Absatz 4 Staatsgrundgesetz), aber dennoch an öffentlichen Schulen benoteter und versetzungserheblicher Pflichtgegenstand. Seit 1983 besteht ein dem christlichen Religionsunterricht rechtlich gleichgestellter islamischer Religionsunterricht. - In der Schweiz gibt die Bundesverfassung (Art. 72) lediglich einen weiten Rahmen vor, der von den Kantonen konkretisiert wird.
Ziele und Inhalte:
Die Fachdidaktik des Religionsunterrichts stimmt weitgehend darin überein, dass Begründung, Inhalte, Methoden und Zielsetzungen des Religionsunterrichts sowohl (schul)pädagogischen wie theologischen Kriterien genügen müssen: Gegenstand des Religionsunterrichts ist zum einen die christliche Religion in ihrer kirchlichen, öffentlichen und privaten Gestalt, zum anderen die Sinn- und Orientierungsproblematik der Schüler in ihrer Lebenswelt. Inhaltliche Schwerpunkte sind: Bibel, Glaubenslehre, Individual- und Sozialethik, Kirchengeschichte, Liturgie sowie weitere, sich aus der heutigen Situation des Christentums ergebende Themen wie Ökumene, nichtchristliche Religionen, religiöse Sprache und Symbole. Der Bibel als dem Ursprung christlicher Tradition kommt besondere Bedeutung zu; Religionsunterricht soll biblischer Unterricht sein in dem Sinn, dass sowohl in einem eigenständigen Bibelunterricht zum Verständnis der Bibel als Buch hingeführt wird als auch biblische Aussagen zu gegenwärtigen Erfahrungen in Korrelation gebracht werden. Allgemein umfasst die Zielsetzung des Religionsunterrichts kulturgeschichtlicher, anthropologischer und gesellschaftlicher Aspekte und reicht von der Reflexion der Sinnfrage menschlicher Existenz bis zur Motivation zu religiösem Leben und verantwortlichem Handeln.
Als Vorläufer des Religionsunterrichts können verschiedene Formen außerschulischer christlicher Unterweisung (Katechese) gelten. In den Schulen des Mittelalters und der Neuzeit war (christliche) Religion Prinzip allen Unterrichts und zunächst kein eigenes Schulfach. Ein solches bildete sich erst mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht aus. Zunächst ganz katechetischen Zielen der Hinführung zu Glaube und Kirchlichkeit verpflichtet, wurde der Religionsunterricht in Deutschland bis Ende der 1960er-Jahre kirchlicherseits vorrangig als Verkündigungsunterricht verstanden. Grundlegende kirchliche Dokumente des heutigen Verständnisses sind der Beschluss der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (1974) und die EKD-Denkschrift »Identität und Verständigung - Standort und Perspektiven des Religionsunterrichts in der Pluralität« (1994).
E. C. Helmreich: R. in Dtl. Von den Klosterschulen bis heute (a. d. Engl., 1966);
A. Läpple: Der R. 1945-1975. Dokumentation eines Weges (1975);
K. E. Nipkow: Grundfragen der Religionspädagogik, 3 Bde. (2-31984-88);
Bildung u. Erziehung, hg. v. der Kirchenkanzlei der Ev. Kirche in Dtl., Bd. 1 (1987);
Religion u. Bildung in Europa. Herausforderungen - Chancen - Erfahrungen, hg. v. J. Ohlemacher (1991);
R. an den öffentl. Schulen in Europa, hg. vom Sekretariat der Dt. Bischofskonferenz (1991);
Identitätsbildung im pluralen Europa. Perspektiven für Schule u. R., hg. v. P. Schreiner u. H. Spinder (1997);
R. Schlüter: Konfessioneller R.Hintergründe - Kontroversen - Perspektiven (2000);
A. Bucher: R. zw. Lernfach u. Lebenshilfe. Eine empir. Unters. zum kath. R. in der Bundesrep. Dtl. (32001).
Weitere Literatur: Religionspädagogik.
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Re|li|gi|ons|un|ter|richt, der: Unterricht im Schulfach Religion.
Universal-Lexikon. 2012.