Akademik

Erdbeben
Beben; Erdstoß

* * *

Erd|be|ben ['e:ɐ̯tbe:bn̩], das; -s, -:
starkes Beben der Erde:
durch das Erdbeben sind mehrere Häuser eingestürzt; ein Erdbeben der Stärke 6 auf der Richterskala.

* * *

Erd|be|ben 〈n. 14durch natürliche Vorgänge in der Erdkruste verursachte Erschütterung

* * *

Erd|be|ben , das:
natürliche Erschütterung der Erdkruste in mehreren Stößen:
ein E. der Stärke 5;
Ü ein politisches E.

* * *

Erdbeben,
 
großräumige Erschütterungen der Erde, die sich von einem Ursprungsort, dem Erdbebenherd oder Hypozentrum, in der tektonisch aktiven äußeren Hülle der Erde allseitig durch das Erdinnere ausbreiten.
 
Die eigentlichen Erdbeben (rund 90 %) sind tektonische Beben oder Dislokationsbeben. Ihre Ursachen sind von Erschütterungen begleitete plötzliche Auslösungen von Spannungen innerhalb der aus zahlreichen großen und kleineren »Platten« bestehenden Lithosphäre der Erde, besonders an den Plattenrändern. Dort können sich die Platten auseinander bewegen (Mittelozeanische Rücken beziehungsweise Riftzonen), aufeinander zubewegen und unter- oder überschieben (Subduktions- beziehungsweise Obduktionszonen) oder aneinander vorbeigleiten (Transformstörungen). Dabei werden die Plattenbewegungen vielfach durch Verhakungen behindert, die dann zeitweilig unter mehr oder minder heftiger Energiefreisetzung die Erdbebenerschütterungen bewirken (Plattentektonik). Auf große Beben folgen oft zahlreiche leichtere Nachbeben. Mitunter erfolgt der Ausgleich nicht auf einmal, sondern durch zahlreiche schwache Stöße (Schwarmbeben). Vulkanische Erdbeben (7 %), die ebenfalls in den Prozess der Plattentektonik einzuordnen sind, sind weniger energiereich, noch geringere Auswirkungen haben Erdbeben als Folge von Einbrüchen unterirdischer Hohlräume (Einsturzbeben). Auch durch menschliche können Erdbeben ausgelöst werden. Sie erlangen jedoch nur begrenzte Reichweite.
 
Der Ort stärkster Bewegung an der Erdoberfläche ist das vertikal über dem Hypozentrum des Erdbebens gelegene Epizentrum. Im Epizentralgebiet oder Schüttergebiet sind die Bewegungen makroseismisch, d. h., sie können je nach Art der Energiefreisetzung schwach fühlbaren bis katastrophal zerstörerischen Charakter erlangen. In größerer Entfernung sind sie dagegen nur noch instrumentell registrierbar. Je nach der Entfernung vom Beobachtungsort spricht man von Ortsbeben, Nahbeben und Fernbeben, nach der Herdtiefe von Flachbeben (in Tiefen bis 70 km), mitteltiefen Beben (70-300 km) und Tiefbeben (300-720 km). Aus größeren Tiefen sind, vermutlich wegen des dortigen physikalischen Zustandes der Erdmaterie, keine Erdbebenherde geortet.
 
Die bei einem Erdbeben freigesetzte Energie breitet sich in Form elastischer Wellen (Erdbebenwellen) durch das Erdinnere hindurch und an der Erdoberfläche aus. Je nach Bewegungsrichtung der dabei in Schwingung gesetzten Materieteilchen unterscheidet man Longitudinalwellen, die sich oberflächennah mit einer Laufzeit von etwa 5,5 km/s, in größerer Tiefe bis 13 km/s fortpflanzen, und die langsameren Transversal- beziehungsweise Scherwellen (oberflächennah etwa 3,1 km/s, in größerer Tiefe bis 8,0 km/s). Da die Longitudinalwellen an einem entfernten Ort dementsprechend früher als die Transversalwellen eintreffen, bezeichnet man sie auch als P-Wellen (von primär) und die Transversalwellen als S-Wellen (von sekundär). An Grenzzonen innerhalb des Erdkörpers, wo sich dessen physikalische Materieeigenschaften ändern (z. B. Erdkruste-Erdmantel-Grenze), können die Erdbebenwellen abgelenkt oder reflektiert werden. Die Transversalwellen werden in quasi-flüssigen Zonen (Asthenosphäre und äußerer Erdkern) abgeschwächt oder setzen aus. Bei Reflexionen an der Erdoberfläche können Longitudinalwellen in Transversalwellen übergehen. Diese Oberflächenwellen oder L-Wellen sind die langsamsten (3,5-3,8 km/s), aber auch die energiereichsten. Sie bewirken die heftigsten und zerstörerischsten Bodenbewegungen bei Erdbeben.
 
Die Registrierung von Erdbeben erfolgt mithilfe hoch empfindlicher Messinstrumente (Seismograph) in Erdbebenwarten. Sie messen die Laufzeiten und Amplituden der Erdbebenwellen und zeichnen ihren Verlauf in einem Seismogramm auf. Aus dem Einsetzen der Ausschläge sowie aus ihrer Form und Größe können Richtung, Entfernung und Energie des Erdbebenherdes und wichtige Hinweise über die Struktur des Erdinnern abgeleitet werden. Durch die 1897 begründete zwölfteilige Mercalli-Skala wurde versucht, die Erdbeben nach ihren sichtbaren und fühlbaren zerstörerischen Auswirkungen energiemäßig einzuschätzen und einzuordnen. Seit 1964 ist sie in der verbesserten Form als Medwedew-Sponheuer-Karnik- oder MSK-Skala international in Gebrauch gewesen, jedoch wird die Energie heute allgemein durch eine messbare, aus dem Seismogramm errechenbare Größe, die Magnitude M, ausgedrückt (Richter-Skala). Von den instrumentell jährlich über 1 Mio. nachweisbaren Erdbeben sind etwa 150 000 im Epizentralgebiet zumindest schwach fühlbar. Deutlich fühlbare und zuweilen merkliche Schäden verursachende Erdbeben der Magnituden 5 und 6 treten etwa 700 auf, mit Magnituden zwischen 6 und 7 sind es etwa 120, mit Magnituden zwischen 7 und 8 etwa 15 und mit den höchsten gemessenen Magnituden zwischen 8 und 9 etwa zwei, die dann zu den schwersten Erdbebenkatastrophen gehören und mit hohen Opfern und Sachschäden verbunden sind.
 
Der weitaus größte Teil der Erdbeben sind Flachbeben (etwa 85 %). Sie werden an allen Rändern der Lithosphäreplatten und auch in tektonisch aktiven Gebieten in derem Inneren registriert. Mitteltiefe Beben (rd. 12 %) und die seltenen Tiefbeben (etwa 3 %) treten fast nur in Subduktionszonen auf, wo sich ein ozeanischer Plattenrand schräg unter Kontinenten vorgelagerte Inselbögen (z. B. Japan, Philippinen, Sundainseln) oder kontinentale Plattenränder (z. B. Westseite Südamerikas) hinabschiebt. Im Anfangsbereich des durch Tiefseegräben markierten Hinabschiebens treten dementsprechend Flachbeben auf, während mitteltiefe Beben und Tiefbeben in Richtung nach dem Kontinentinneren zu registriert werden (Benioff-Zonen). Erdbeben im Inneren von Lithosphäreplatten sind an bruchtektonisch aktive Gebiete gebunden. Wiederholt betroffene Schüttergebiete in Mitteleuropa sind z. B. der Oberrheintalgraben mit dem angrenzenden Baden-Württemberg und Elsass, das Niederrheingebiet und das sächsische Vogtland.
 
Dem ungleichmäßigen Auftreten von Erdbeben entsprechend wechselt das Ausmaß der Erdbebenschäden, wobei nicht nur die Energiefreisetzung, sondern auch die Siedlungsdichte und die Gebäudebeschaffenheit eine Rolle spielen. Als besonders katastrophengefährdete Gebiete gelten die mit den Großstädten Tokio, San Francisco und Los Angeles. Im langjährigen Durchschnitt sind jährlich durch Erdbeben etwa 10 000 Opfer zu beklagen. Die größte bekannte Zahl von Toten (830 000) soll durch ein Erdbeben in China 1556 verursacht worden sein. Eine besondere indirekte Gefahr bei Seebeben besteht in der Auslösung von Flutwellen mit einer Höhe von 10 m und mehr beim Aufbranden auf mitunter weit entfernten Küsten (Tsunamis).
 
Sichere Erdbebenvorhersagen sind noch nicht möglich. Vorboten können instrumentell messbare Erschütterungen beim Aufbauen von Spannungen in der Erdkruste sein, eventuell verbunden mit Hebungen, Senkungen oder Horizontalverschiebungen, Änderungen des geomagnetischen oder geoelektrischen Feldes, Anstieg des Radongehaltes im Grundwasser oder auch das abnorme Verhalten von Tieren.
 
Kulturgeschichte:
 
Erdbeben galten als von Göttern oder dämonischen Wesen verursacht. Bis in die Neuzeit wurden sie als Vorzeichen von Weltuntergang, Strafgerichten oder Ähnliches verstanden. Die Auswirkungen von Erdbeben haben zu literarischen Schilderungen angeregt, z. B. den römischen Schriftsteller Plinius des Älteren, Goethe (Beschreibung des Erdbebens von Lissabon in »Dichtung und Wahrheit«) und Kleist (»Das Erdbeben von Chili«) u. a.
 
Literatur:
 
H. D. Heck u. R. Schick: E.-Gebiet Dtl. (1980);
 W. Neumann u. a.: E. (Leipzig 21989);
 G. Schneider: E.-Gefährdung (1992);
 A. Robinson: Erdgewalten (a. d. Engl., 1994);
 T. Lay u. T. C. Wallace: Modern global seismology (San Diego, Calif., 1995);
 B. A. Bolt: E. Schlüssel zur Geodynamik (a. d. Engl., 1995).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Plattentektonik und Kontinentaldrift
 
Naturkatastrophen: Bedrohung und Medienereignis
 
Naturkatastrophen: Erdbeben, Vulkanausbrüche, Erdrutsche
 

* * *

Erd|be|ben, das: natürliche Erschütterung der Erdkruste in mehreren Stößen: in Gebieten mit Wirbelstürmen und Erdbeben; Ü der Staatsrechtler Jacques Georgel hält inzwischen auch in Frankreich „ein politisches E.“ für möglich (Zeit 12. 3. 98, 31).

Universal-Lexikon. 2012.