Vọ̈l|ker|bund 〈m. 1u; unz.; 1919-1946; Abk.: SDN〉 (Société des Nations) Vereinigung von Staaten mit dem Verwaltungssitz in Genf zur Erhaltung des Weltfriedens u. Förderung der Zusammenarbeit
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Vọ̈l|ker|bund, der <o. Pl.>:
(1920–1946) internationale Organisation zur Sicherung des Weltfriedens.
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I Völkerbund,
französisch Société des Nations [sɔsje'teː dɛ na'sjɔ̃], englisch League of Nations [liːg əv 'neɪʃnz], 1920-46 eine Vereinigung von Staaten zur Sicherung des Weltfriedens; Sitz war Genf.
Oberstes Organ war die Bundesversammlung (BV), in der jedes Mitglied eine Stimme hatte. Diese wählte den Völkerbundsrat (Volksrat), der aus ständigen und (jährlich von der BV gewählten) nichtständigen Mitgliedern bestand. Bei Aufnahme seiner Arbeit hatte der Volksrat vier ständige Mitglieder (Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan) und vier nichtständige; Veränderungen der Zahl der Mitglieder ergaben sich aus der politischen Geschichte des Völkerbunds; die BV tagte einmal, der Volksrat mehrmals im Jahr. Das von einem Generalsekretär (1919-33 J. E. Drummond, Earl of Perth; 1933-46 Joseph Avenol, * 1879, ✝ 1952) geleitete, seit 1936 im Völkerbundpalast residierende Ständige Sekretariat unterstützte die Arbeit von BV und Völkerbundsrat. Den Aufgaben des Völkerbunds dienten mehrere Kommissionen. Der Ständige Internationale Gerichtshof und die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) hatten einen engen Bezug zum Völkerbund, waren jedoch keine direkten Organe des Völkerbunds.
Ziele:
Hauptanliegen des Völkerbunds war die Förderung der Zusammenarbeit unter den Nationen und die Gewährleistung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit (Friedenssicherung, kollektive Sicherheit). Die Mitglieder waren verpflichtet, ihre Streitigkeiten friedlich zu lösen und bei Nichteinigung den Volksrat anzurufen, der ohne die Stimmen der streitenden Parteien eine Lösung vorschlagen konnte, die bei Einstimmigkeit für beide Parteien bindend war. In innerstaatlichen Angelegenheiten der Mitglieder durfte der Völkerbund nicht eingreifen.
1918 regte der amerikanische Präsident T. W. Wilson in seinen Vierzehn Punkten die Bildung einer Weltorganisation an, um politische Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit zu gewähren. Die Bildung des Völkerbunds wurde auf der Pariser Friedenskonferenz am 14. 2. 1919 beschlossen; seine Satzung (Völkerbundakte) vom 28. 4. 1919 trat als Teil des Versailler Vertrages am 10. 1. 1920 in Kraft. Die Siegermächte des Ersten Weltkriegs spielten im Völkerbund eine führende Rolle mit Ausnahme der USA, die ihm fernblieben, nachdem der Senat im März 1920 den Versailler Vertrag abgelehnt hatte. Der Völkerbund war beteiligt an der Durchführung der Pariser Vorortverträge, u. a. bei der Grenzziehung (z. B. Oberschlesien), bei der Aufsicht über die Freie Stadt Danzig und der Verwaltung des Saargebietes (Saarland, Geschichte). Er vergab die früheren deutschen Kolonien und die vorderasiatischen Gebiete des Osmanischen Reiches als Mandatsgebiete, bemühte sich (vielfach erfolgreich) um die friedliche Schlichtung von Konflikten (Ålandinseln, Mosulvertrag) und setzte sich für den Schutz nationaler Minderheiten ein. In der Flüchtlingshilfe entfaltete er eine ausgedehnte Tätigkeit (Nansenpass). Im Sinne der Erhaltung des von den Pariser Vorortverträgen geschaffenen europäischen Staatensystems gewährte der Völkerbund 1922 der Republik Österreich in den Genfer Protokollen unter strikten Auflagen eine Finanzhilfe (Österreich, Geschichte). Die von den Außenministern A. Briand und G. Stresemann betriebene deutsch-französische Entspannungspolitik führte mit den Locarnoverträgen (1925) das Ansehen des Völkerbunds auf einen Höhepunkt; Deutschland trat ihm 1926 bei und erhielt einen Sitz im Volksrat als ständiges Mitglied.
Das Scheitern der 1932 in Genf begonnenen Abrüstungsverhandlungen (Genfer Konferenzen 1) und das Unvermögen des Völkerbunds, der aggressiven Expansionspolitik besonders Japans, Deutschlands und Italiens wirksam entgegenzutreten, minderte in den 1930er-Jahren das internationale Ansehen des Völkerbunds. Der Beitritt neuer Staaten (u. a. 1931 Mexiko, 1932 Türkei, 1934 UdSSR) wog den Verlust an Einfluss nicht auf, den der Völkerbund durch den Austritt entspannungspolitisch bedeutsamer Staaten erlitt: Japan trat 1933 aus, da der Völkerbund die Besetzung der Mandschurei (1931) durch japanische Truppen missbilligt hatte. Im selben Jahr verließ Deutschland die Genfer Abrüstungskonferenz und den Völkerbund; 1935 verurteilte der Völkerbund die einseitige Lossagung Deutschlands von den Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrags als Vertragsbruch. Sanktionen des Völkerbunds (u. a. Waffenembargo, Kredit- und Rohstoffsperre) gegen Italien (Oktober 1935 bis Juli 1936) wegen dessen Angriff auf Äthiopien blieben wirkungslos; 1937 trat Italien aus dem Völkerbund aus. Die Remilitarisierung des Rheinlandes (März 1936), der »Anschluss« Österreichs (März 1938) und die Zerschlagung der Tschechoslowakei (1938/39) durch das Deutsche Reich sowie der deutsche Angriff auf Polen (1. 9. 1939 bewiesen die wachsende Ineffektivität des Völkerbunds. Während des Zweiten Weltkriegs schloss der Völkerbund die UdSSR wegen ihres Angriffs auf Finnland im Dezember 1939 aus. Auf einer Sitzung vom 8. bis 18. 4. 1946 übertrug er seine Aufgaben auf die Vereinten Nationen.
A. Pfeil: Der V. (1976);
The League of Nations in retrospect. Proceedings of the symposium, Geneva 6.-9. November 1980 (Berlin 1983);
II
Völkerbund
Bereits in den Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907 waren Vorstellungen von einer Friedensorganisation entworfen worden, mit der alle künftigen internationalen Streitfragen am Verhandlungstisch geregelt werden sollten. Sie vermochten sich jedoch in der Hochrüstungsphase der Vorkriegszeit nicht weiterzuentwickeln. Im Ersten Weltkrieg griff der amerikanische Präsident Woodrow Wilson diese Gedanken wieder auf und machte sie zu einem Kernpunkt seines Friedensprogramms. Um seine Ideen zu verwirklichen, reiste er persönlich zur Friedenskonferenz nach Paris. Er erreichte sein Ziel, die Errichtung des Völkerbundes, aber seine Absicht, mit dem Völkerbund zugleich eine Ära der Abrüstung einzuleiten, konnte er am Ende eines furchtbaren Krieges nicht realisieren. Auch blieb der Zugang zu diesem Bund der Völker den besiegten Nationen vorerst noch versagt. Im Zuge der Außenpolitik Gustav Stresemanns trat Deutschland schließlich 1926 dem Völkerbund bei.
Für das weltweite Renommee der neuen Institution wurde es verhängnisvoll, dass der amerikanische Senat dem Präsidenten die Unterstützung für sein Vorhaben entzog und die USA nicht einmal Mitglied des Völkerbundes wurden. Die Völkerbundsakte trat mit der Ratifizierung der Pariser Verträge in Kraft. Mitglieder des Völkerbundes wurden zunächst die 32 Siegermächte des Weltkrieges sowie 13 eingeladene neutrale Staaten. Der Aufnahme weiterer Mitglieder musste eine Zweidrittelmehrheit zustimmen. Oberstes Organ war die einmal jährlich in Genf tagende Bundesversammlung, in der jedes Mitglied eine Stimme besaß und bis zu drei Delegierte stellen konnte, sowie der Völkerbundsrat als wichtigstes Beschlussgremium. Ihm gehörten als ständige Mitglieder Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan an sowie im Turnus für je drei Jahre neun weitere Staaten. Das Generalsekretariat hatte ebenfalls in Genf seinen Sitz, der Internationale Gerichtshof in Den Haag. Die Mitgliedstaaten waren zur Erhaltung des Weltfriedens verpflichtet und befugt, gegenüber einem Friedensbrecher Sanktionen zu verhängen. Jedoch erst der Briand-Kellogg-Pakt von 1928 erklärte den Krieg allgemein für rechtswidrig.
Der Völkerbund entwickelte ein Mandats system. Nach diesem Verfahren wurden ehe malige Territorien des Deutschen bzw. des Osmanischen Reiches, z. B. die deutschen Kolonien oder arabische Gebiete des Osmanischen Reiches, die noch nicht in die Selbstständigkeit entlassen werden sollten, unter Mandatsverwaltung gestellt, die ein dazu beauftragtes Mitglied unter Aufsicht des Völkerbundes übernahm.
Der Völkerbund hat besonders auf humanitärem Gebiet Bedeutendes geleistet; er vermochte sich jedoch in Streitfragen, an denen auch Großmächte beteiligt waren, nicht durchzusetzen. Mehrere Austrittserklärungen schwächten seine Position in den Dreißigerjahren zusätzlich (z. B. Deutsches Reich und Japan 1933, Italien 1937). Im Zweiten Weltkrieg wurde die politische Ohnmacht des Völkerbundes überdeutlich; nach Gründung der Vereinten Nationen wurde der Völkerbund aufgelöst.
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Vọ̈l|ker|bund, der <o. Pl.>: (1920-1946) internationale Organisation zur Sicherung des Weltfriedens.
Universal-Lexikon. 2012.