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Ukraine
Uk|ra|i|ne [auch: …'kra̮i… ], die; -:
Staat im Südwesten Osteuropas.

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Ukraine,
 
 
Kurzinformation:
 
Fläche: 603 700 km2
 
Einwohner: (1999) 49,81 Mio.
 
Hauptstadt: Kiew
 
Amtssprache: Ukrainisch
 
Nationalfeiertag: 24. 8.
 
Währung: 1 Hrywnja = 100 Kopijki
 
Zeitzone: 1300 Kiew = 1200 MEZ
 
ukrainisch Ukraïna, amtlich Respublika Ukraïna, deutsch Republik Ukraine, Staat im Südwesten Osteuropas, mit einer Fläche von 603 700 km2, etwa so groß wie Frankreich, Belgien und die Niederlande zusammen, die drittgrößte GUS-Republik und der zweitgrößte Staat Europas, (1999) 49,811 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Kiew. Das Land grenzt im Westen an die Slowakische Republik und Polen, im Nordwesten an Weißrussland, im Nordosten und Osten an Russland, im Süden an das Asowsche und Schwarze Meer und im Südwesten an Rumänien, Moldawien und Ungarn. Amtssprache ist Ukrainisch, in Gebieten mit geschlossenen russischen Siedlungsräumen auch Russisch. Währung: 1 Hrywnja = 100 Kopijki. Zeitzone: OEZ (1300 Kiew = 1200 MEZ).
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Nach der Verfassung vom 28. 6. 1996 (2000 revidiert) ist die Ukraine eine Republik mit präsidial-parlamentarischem Regierungssystem. Staatsoberhaupt ist der auf fünf Jahre direkt gewählte Präsident. Für die Wahl ist die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von mindestens 50 % erforderlich. Wird diese Mehrheit im ersten Wahlgang nicht erreicht, findet eine Stichwahl zwischen den beiden erfolgreichsten Bewerbern statt. Wählbarkeitsvoraussetzungen sind ein ständiger Aufenthalt im Land von zehn Jahren und die Beherrschung der ukrainischen Sprache. Der Präsident verfügt - namentlich in der Sicherheits- und Außenpolitik - über beträchtliche Befugnisse. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Vorsitzender des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates und Inhaber wesentlicher Notstandsbefugnisse. Er verfügt über das Recht zur Gesetzesinitiative und kann gegen Gesetzesbeschlüsse sein Veto einlegen, das nur mit einer Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten zu überwinden ist. Die Akte des Präsidenten (z. B. seine Durchführungsverordnungen) bedürfen nur in besonderen Fällen einer Gegenzeichnung. Der Präsident kann im Ergebnis eines parlamentarischen Anklageverfahrens wegen schwerer Straftaten seines Amtes enthoben werden. Nach Einholung von Gutachten des Verfassungs- und des Obersten Gerichts entscheidet hierüber das Parlament mit Dreiviertelmehrheit. Die Regierung unter Vorsitz des Premierministers ist zugleich dem Präsidenten und dem Parlament verantwortlich. Der Regierungschef und die Minister werden vom Präsidenten ernannt, doch bedarf dies - wie auch das Regierungsprogramm - der Zustimmung des Parlaments. Während der Präsident das Kabinett jederzeit entlassen kann, hat ein mit absoluter Mehrheit zu beschließendes parlamentarisches Misstrauensvotum zwar das Rücktrittsgesuch der Regierung zur Folge, doch muss der Präsident den Rücktritt nicht annehmen. Die Legislative liegt beim Obersten Rat (Werchowna Rada; Legislaturperiode von vier Jahren). Gemäß Wahlgesetz vom 24. 9. 1997 werden die 450 Abgeordneten je zur Hälfte in relativer Mehrheitswahl in Einzelwahlkreisen beziehungsweise in Verhältniswahl nach landesweiten Listen (Sperrklausel von 4 %) gewählt (Wahlrecht ab dem 18. Lebensjahr). Die Verfassungsänderung sieht die Verringerung der Abgeordnetenzahl und die Schaffung eines Zweikammerparlaments vor. - Hauptaufgabe des seit Anfang 1997 bestehenden Verfassungsgerichts (18 Richter, je zu einem Drittel vom Präsidenten, dem Parlament und dem Richterkongress für neun Jahre bestellt) ist die Normenkontrolle; eine Verfassungsbeschwerde ist unbekannt.
 
Parteien:
 
Zum vielschichtigen, instabilen Parteiensystem gehören u. a. die Kommunisten der Ukraine für soziale Gerechtigkeit und Volksmacht (gegründet 1993 als Nachfolgeorganisation der KP der Ukraine), die Sozialistische Partei der Ukraine (SPU; eine der Nachfolgeorganisationen der KP, gegründet 1991), die Bauernpartei der Ukraine (gegründet 1990), die Volks-Ruch der Ukraine (NRU; gegründet 1989 als Volksbewegung), die Ukrainische Volks-Ruch (UNR; gegründet 1999), die Demokratische Volkspartei (VDP; gegründet 1996), die Demokratische Union (gegründet 1999), die Vereinigte Sozialdemokrat. Partei der U. (VSDPU; gegr. 1995), die Grüne Partei (gegründet 1990) und die Bewegungen »Hromada« (»Gemeinschaft«) und »Batkiwschina« (»Vaterland«). Eine wichtige Rolle spielen die Wahlblöcke »Unsere Ukraine« und »Für eine geeinte Ukraine«.
 
Gewerkschaften:
 
Seit 1990/91 entwickelt sich eine pluralistische Gewerkschaftsbewegung. Größter Dachverband ist die Ukrainische Gewerkschaftsföderation (entstanden 1990 als Nachfolgeorganisation Ukraine der früheren staatlichen Gewerkschaften in der Ukraine), der 42 Einzelgewerkschaften und 26 regionale Gewerkschaftsverbände angehören. Daneben existieren die Nationale Gewerkschaftskonföderation sowie berufsorientierte Verbände wie die gut organisierte Unabhängige Gewerkschaft der Bergarbeiter.
 
Wappen:
 
In Blau ein goldener Dreizack. Es ist abgeleitet von dem Emblem der Großfürsten von Kiew, besonders Wladimirs des Heiligen (978-1015), und wurde erstmals 1918 verwendet.
 
Nationalfeiertage:
 
24. 8., zur Erinnerung an die Erklärung der Unabhängigkeit 1991.
 
Verwaltung:
 
Auf regionaler Ebene gliedert sich die Ukraine in die autonome Republik Krim, 24 Gebiete (Oblast) sowie die republiksunmittelbaren Städte Kiew und Sewastopol. Die lokale Verwaltungsebene besteht aus 479 Landkreisen (Rayon) mit rd. 10 200 Gemeinden (Städte, Siedlungen, Dörfer), 143 kreisfreien Städten sowie den Bezirken der beiden republiksunmittelbaren Städte. Seit den Verwaltungsreformen von 1990 und 1992 wird zwischen örtlicher Selbst- und Staatsverwaltung unterschieden. Die endgültigen Rechtsgrundlagen der örtlichen Selbstverwaltung wurden mit dem Gesetz vom 21. 5. 1997 geschaffen und mit den Kommunalwahlen 1998 in die Tat umgesetzt. Beschlussorgan in den Gemeinden ist der auf vier Jahre direkt gewählte Rat; er bestellt den Vollzugsausschuss. Die Gebiete und Landkreise sind primär staatliche Verwaltungseinheiten, deren Chefs vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Regierung ernannt und entlassen werden. Allerdings bestehen auch hier Selbstverwaltungsorgane in Gestalt von volksgewählten Räten mit Beschlusskompetenzen. Eine Sonderstellung genießt die mehrheitlich von Russen bewohnte Krim, die Anfang 1991 den Status einer autonomen Republik erhalten hat. Der Umfang ihrer Territorialautonomie und ihre Staatsorganisation waren allerdings bis zum Krimgesetz vom 17. 3. 1995 umstritten. Nach der neuen ukrainischen Verfassung (Art. 134-139) verfügt die Krim über eine eigene Legislative (Oberster Rat) und Exekutive (Ministerrat), während die Judikative bei der Ukraine liegt. Der Vorsitzende des Ministerrats wird nach Abstimmung mit dem ukrainischen Präsidenten vom Regionalparlament bestellt und entlassen.
 
Recht:
 
Die ordentliche Gerichtsbarkeit ist für Zivil-, Straf- und Verwaltungsrechtssachen zuständig und dreistufig gegliedert in Gerichte der lokalen und der regionalen Gebietseinheiten sowie das Oberste Gericht. Auf der kommunalen Ebene soll das Amt des Friedensrichters für Bagatellsachen neu eingerichtet werden. Daneben besteht für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten zwischen Unternehmen aller Eigentumsformen eine zweistufige Arbitragegerichtsbarkeit; sie soll umgestaltet und in regionale Wirtschaftsgerichte und das Wirtschaftsobergericht gegliedert werden. Die Staatsanwaltschaft ist nicht nur für die Strafverfolgung zuständig, sondern übt eine umfassende Rechtsaufsicht über alle Verwaltungs- und Wirtschaftsbereiche aus.
 
Streitkräfte:
 
Die Wehrpflichtarmee hat eine Gesamtstärke von rd. 300 000 Mann. Die Dienstzeit beträgt bei Heer und Luftwaffe 18, bei der Marine 24 Monate; Wehrpflichtige mit höherem Bildungsabschluss dienen nur 12, bei der Marine 18 Monate. An paramilitärischen Einheiten verfügt die Ukraine über rd. 100 000 Mann (Innere Truppen, Grenztruppen, Nationalgarde). Das Heer (etwa 200 000 Mann) ist in zwei operative Kommandobereiche mit insgesamt sieben Armeekorps gegliedert. Die Luftwaffe hat etwa 60 000 Mann. Die Marine (rd. 40 000 Mann) befindet sich im Umbruch, nachdem sich Russland und die Ukraine 1997 nach jahrelangen Verhandlungen über die Aufteilung der Schwarzmeerflotte geeinigt hatten. Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus etwa 4 000 Kampfpanzern, 900 Kampfflugzeugen, zwei U-Booten und acht Fregatten. - 1994 unterzeichneten die Ukraine, Russland und die USA ein Abkommen über den Abbau und die Vernichtung der ukrainischen Atomwaffen, das bis Juni 1996 erfüllt wurde. Der »Partnerschaft für den Frieden« der NATO trat die Ukraine 1994 bei; 1997 unterzeichneten NATO und Ukraine die »Charta über eine ausgeprägte Partnerschaft« und vereinbarten die Zusammenarbeit zur Konfliktverhütung, Abrüstung und der Kontrolle von Waffenexporten.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
Die Ukraine liegt überwiegend im Südwesten der glazial überformten Osteuropäischen Ebene, die von zahlreichen Flüssen, besonders vom Dnjepr mit seinen Nebenflüssen Pripjet und Desna, vom Südlichen Bug und Dnjestr, im Westen von San und Westlichem Bug und im äußersten Südwesten an der Grenze zu Rumänien von der Donau durchzogen wird; dieser Bereich ist mit Ausnahme eines Gebietsstreifens im Norden weithin von Löss bedeckt, der Untergrund wird im Allgemeinen vom Ukrainischen Massiv gebildet. Ausgedehnte Niederungen befinden sich im Norden (Polesien), im zentralen Landesteil (Dnjeprniederung) und im Süden entlang der Schwarzmeerküste; die Schwarzmeerniederung greift auf den Norden der Halbinsel Krim über. Charakteristisch sind durchschnittlich 200-400 m über dem Meeresspiegel aufsteigende Platten, so im Westen die Wolhynisch-Podolische Platte, an die sich südlich des Dnjestr die waldreiche Nordbukowina und der kleine ukrainische Teil Bessarabiens sowie östlich zwischen Südlichem Bug und Dnjepr die Dnjeprplatte anschließen. Von Ausläufern der Mittelrussischen Platte wird der Nordosten des Landes eingenommen. Östlich des großen Dnjeprbogens erstreckt sich der Donezrücken, der im Südwesten in die Asowsche Platte übergeht. Die Osthänge der Platten fallen steil zu den Flussniederungen ab und sind besonders am Dnjepr durch Balki und Owragi (Owrag) stark zerschnitten. Im äußersten Westen der Ukraine liegen die Waldkarpaten (Gowerla, ukrainisch Howerla; 2 061 m über dem Meeresspiegel ), deren Südabdachung bis zur Theiß die Karpato-Ukraine bildet; nördlich davon reicht Galizien in die Ukraine. Die Waldkarpaten sind wie das Krimgebirge (bis 1 545 m über dem Meeresspiegel) Teil der alpidischen Faltengebirgszone.
 
Klima:
 
Die Ukraine liegt in der warmgemäßigten, die Südküste der Krim in der feuchtsubtropischen Klimazone. Charakteristisch ist eine zunehmende Kontinentalität von Nordwesten nach Südosten, wobei entsprechend die Sommer heißer, die Winter kälter und die jährlichen Niederschlagsmengen geringer werden. Allgemein sind die Winter (mittlere Januartemperatur zwischen —7 ºC und —8 ºC im Nordosten und 2-4 ºC an der Südküste der Krim) relativ kurz und schneearm, die Sommer (mittlere Julitemperatur zwischen 18 ºC und 19 ºC im Nordwesten und 23-24 ºC im Südosten und an der Südküste der Krim) warm, in der südlichen Steppenzone heiß und trocken, wobei Trockenperioden von drei Monaten und mehr, gelegentlich mit heißen Staubstürmen (Suchowej) verbunden, keine Seltenheit sind. Das Jahresniederschlagsmittel erreicht in den Ebenen 700 mm im Nordwesten und 300 mm im Süden, im Krimgebirge 1 000-1 200 mm, in den Waldkarpaten 1 200-1 600 mm. Die Hauptmenge des Niederschlags fällt im Frühjahr und Sommer.
 
Vegetation:
 
Der Nordteil liegt in der Mischwald-, der mittlere und südliche Teil in der Waldsteppen- und dürregefährdeten Steppenzone, die jedoch wegen der fruchtbaren Schwarzerdeböden weitgehend in Ackerland umgewandelt wurden. Die ursprünglich reichhaltige Steppenflora und -fauna ist nur noch in den Naturschutzgebieten (Askanija-Nowa) anzutreffen. Waldbedeckte Flächen, besonders in den Gebirgen und im sumpf- und seenreichen Polesien, umfassen etwa ein Achtel der Landesfläche.
 
In den industriellen Ballungsgebieten bestehen große ökologische Probleme, v. a. durch die hohen Schwefeloxid-Emissionen. Eine erhebliche Gefahr für die Menschen sind weiterhin die Folgen des Reaktorunfalls von Tschernobyl. Mehr als 4 % der Landesfläche sind, v. a. durch das Radionuklid Cäsium 137, langfristig kontaminiert.
 
Bevölkerung:
 
Von der Bevölkerung waren 1989 72,7 % Ukrainer und 22,1 % Russen, die im 19. Jahrhundert, verstärkt aber unter der Sowjetherrschaft zuwanderten und heute besonders auf der Krim, im stark industrialisierten östlichen Landesteil und in den zentralukrainischen Städten wohnen. Daneben gibt es mehrere kleinere Nationalitäten, davon je 0,9 % Juden und Weißrussen, 0,6 % Moldawier, 0,5 % Bulgaren, 0,4 % Polen (besonders in den ehemals zu Polen gehörenden Gebieten der Westukraine), je 0,3 % Ungarn sowie Tataren beziehungsweise Krimtataren, 0,2 % Griechen, 0,1 % Deutsche (1941: 350 000, geschätzt 1998: 40 000 bis 100 000) sowie 1,0 % Angehörige anderer Nationalitäten. Das Bevölkerungswachstum ist seit Beginn der 1990er-Jahre rückläufig; das natürliche Bevölkerungswachstum lag 1990-98 bei —0,4 % pro Jahr (1997: —0,7 %). 1997 waren von der Bevölkerung 19 % bis 14 Jahre, 67 % 15-64 Jahre und 14 % 65 Jahre alt und älter. 1940-98 erhöhte sich der Anteil der Stadtbevölkerung von 34 % auf 72 %. Mit 83 Einwohnern je km2 gehört die Ukraine zu den stärker besiedelten Staaten Europas. Am dichtesten bevölkert (über 300 Einwohner je km2) sind das Donez-Steinkohlenbecken, gefolgt vom Karpatenvorland, der Dnjepr-Industrieregion und dem Kiewer Umland; dünn besiedelt (um 20 Einwohner je km2) sind Polesien, das östliche Schwarzmeertiefland, die Nordkrim und die Waldkarpaten. Von den (1996) etwa 23 Mio. Arbeitskräften waren 33 % in der Industrie und im Bauwesen, 21 % in der Land- und Forstwirtschaft, 16 % im Gesundheits-, Erziehungswesen und im kulturellen Sektor, je 7 % im Handels- sowie Verkehrs- und Kommunikationsbereich und 16 % in anderen Sektoren tätig.
 
Religion:
 
Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit. Grundlage der Religionspolitik ist das »Gesetz über die Gewissensfreiheit und religiösen Organisationen« (1991 in Kraft gesetzt). Es verpflichtet den Staat zu religiöser Neutralität und Parität, bestimmt die Trennung von Staat und Kirche und verfügt gegenüber den Religionsgemeinschaften die Registrierungspflicht. Verantwortlich für die Regelung der Beziehungen zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften ist der der Regierung beigeordnete »Rat für religiöse Angelegenheiten«. - Nach kirchlichen Angaben sowie nach Schätzungen gehören etwa 65 % der Bevölkerung christlichen Kirchen an beziehungsweise fühlen sich diesen verbunden: über 50 % den drei (infolge von Kirchenspaltungen entstandenen) ukrainischen orthodoxen Kirchen, rd. 11 % (v. a. in der Westukraine) der katholischen Kirche, über 3 % protestantischen Kirchen (neben Baptisten und Pfingstlern v. a. Reformierte, Adventisten und Lutheraner), rd. 0,8 % der Kirche der priesterlichen Altgläubigen (Popowzy), eine geringe Zahl der armenischen Kirche. Von den katholischen Christen gehören rd. 82 % der ukrainisch-katholischen Kirche und rd. 5 % der ruthenischen Kirche an; rd. 13 % (v. a. Polen) folgen dem lateinischen Ritus. Die Mehrheit der ungarischen Bevölkerungsgruppe gehört der »Reformierten Kirche in der Karpato-Ukraine« (Sitz der Kirchenleitung in Mukatschewo; rd. 120 000 Mitglieder) an. Die ukrainische Regionalkirche der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland und anderen Staaten umfasst über 40 Gemeinden. - Die jüdische Gemeinschaft zählte 1995 rd. 446 000 Mitglieder (Anfang des 20. Jahrhunderts über 1,9 Mio.), hat jedoch seither infolge Auswanderung stark abgenommen. - Die kleine islamische Gemeinschaft wird überwiegend von den Krimtataren gebildet und untersteht geistlich einem Mufti mit Sitz in Kiew. - In der südlichen Ukraine lebt eine geringe Anzahl Karäer. (ukrainische Kirchen)
 
Bildungswesen:
 
Es besteht eine elfjährige Schulpflicht vom 6. bis 17. Lebensjahr. Die Anfangsschule umfasst die Klassen 1-3. Die allgemein bildende Mittelschule umfasst die Klassen 4-9 (unvollendete Mittelschule) und die Klassen 10-11 (vollendete Mittelschule), die zur Hochschulreife führt (allerdings veranstalten Hochschulen und Universitäten ihrerseits Aufnahmeprüfungen), ebenso das seit jüngster Zeit wieder eröffnete Gymnasium (»Lizej«, Lyzeum) und die zwei- bis dreijährige Fachschule, die geeignete Schüler (Aufnahmeprüfung nach der neunten Klasse der Mittelschule) aufnimmt. Sie bietet neben der Hochschulreife berufliche Abschlüsse. Nach der neunten Klasse ist auch der Übergang in beruflich-technische Schulen möglich (1-3 Jahre); wer an ihnen eine Berufsausbildung absolviert, leistet seine restliche Schulpflicht (von zwei Jahren) in der Abendschule ab. Die bis zur Unabhängigkeit überwiegend russischen Schulen, an denen Russisch Unterrichtssprache war (und Ukrainisch als eine von zwei Fremdsprachen gelehrt wurde), wurden zunehmend von ukrainischen Schulen abgelöst (sie bieten Russisch als eine von zwei Fremdsprachen an). Russisch ist auf Hochschulebene nach wie vor unentbehrlich (besonders in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern). Universitäten befinden sich in Lemberg (gegründet 1661), Charkow (gegründet 1805), Kiew (gegründet 1834), Odessa (gegründet 1865), Tschernowzy (gegründet 1875 als östlichste deutschsprachige Universität), Simferopol (gegründet 1918), Dnjepropetrowsk (gegründet 1918), Uschgorod (gegründet 1945), Donezk (gegründet 1965) und Saporoschje (gegründet 1985).
 
Publizistik:
 
Presse: Die Pressefreiheit in der Ukraine ist stark beeinträchtigt; Behinderungen, Sendeverbote, (vorübergehende) Schließungen kritischer Medien sowie Bedrohungen und Übergriffe auf regierungskritische Journalisten sind an der Tagesordnung. Internationales Aufsehen erregte besonders die vermutlich politisch motivierte Ermordung des Chefredakteurs der oppositionellen Onlinezeitung »Ukrainska Prawda«, Georgij Gongadse, im September 2000. Nach einer kurzen Periode einer unabhängigen Presse zu Beginn der 1990er-Jahre existierten zehn Jahre später keine wirklich unabhängigen Massenmedien mehr, zumal sie wegen der anhaltenden Wirtschafts- und Finanzkrise des Landes zunehmend in finanzielle Abhängigkeit vom Staat, von Parteien, Verbänden oder Unternehmen geraten sind. Die wichtigsten Tageszeitungen sind: »Silskie Wisti«, »Djen«, »Holos Ukrainy« (Organ des Parlaments), »Urjadowyj Kurjer« (Regierungsorgan), »Fakty i Kommentarii«, »Kiewskie Wedomosti« und die Wochenzeitung »Serkalo Nedeli«. - Nachrichtenagenturen: »Respublika«, »Ruch Press« und »Ukrainian Press Agency«. - Rundfunk: Hörfunk und Fernsehen unterstehen der Aufsicht des »Staatskomitees für Informationspolitik, Fernsehen und Rundfunk«. Neben dem staatlichen Hörfunk »Radio Kiew« gibt es die staatlichen Fernsehkanäle »UT-1« und »UT-2« sowie eine eigenständige Hörfunk- und Fernsehanstalt auf der Krim, ferner sechs private Fernsehsender, darunter »STB«, »Inter«, »Studio 1 + 1« und »TV Simon« sowie verschiedene private Hörfunksender, die jedoch wie die übrigen Medien staatlichem Druck ausgesetzt sind (z. B. Ende 2001 Lizenzentzug für »Radio Kontinent«, das u. a. das Auslandsprogramm der Deutschen Welle und der BBC übertrug).
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Dank umfangreicher Industrie und Landwirtschaft ist die Ukraine nach Russland die zweitwichtigste Republik innerhalb der GUS-Staaten. Der nach Erlangung der Unabhängigkeit 1991 eingeleitete Transformationsprozess in Richtung Marktwirtschaft bereitet erhebliche Schwierigkeiten und wird durch innenpolitische Auseinandersetzungen belastet. Durch das Auseinanderbrechen des sowjetischen Wirtschaftsraumes, verstärkt durch übereiltes Herauslösen des Landes aus den wirtschaftlichen Verbindungen mit den anderen GUS-Republiken, durch die geringe Konkurrenzfähigkeit ukrainischer Wirtschaftsgüter auf dem Weltmarkt und durch die schleppende Verwirklichung von Wirtschaftsreformen (bis 1998 im Wesentlichen nur eine »kleine« Privatisierung, d. h. Entstaatlichung v. a. kleiner Staatsbetriebe) hielt der nach der Unabhängigkeit einsetzende Wirtschaftsabschwung bis 1997 an und setzte sich zum Teil noch bis in das Jahr 1998 fort, obwohl in diesem Jahr Momente der Stabilisierung (Anstieg der Wirtschaftsproduktion, Senkung der Inflationsrate auf 80 % u. a.) erkennbar sind. Die für den Transformationsprozess notwendigen Maßnahmen wie Freigabe der Verbraucherpreise und weitgehender Subventionsabbau für die Landwirtschaft führten zu Einkommensverlusten und zum Teil zur Verarmung großer Teile der Bevölkerung. Auch die Einführung der neuen Währung Hrywnja (1996) trug nicht zur Lösung der anstehenden Wirtschaftsprobleme bei. Eine Besserung der wirtschaftlichen Situation wird besonders durch die starke Abhängigkeit von der teuren Energiezufuhr v. a. aus Russland erschwert. Mit einem Bruttosozialprodukt (BSP) von (1996) etwa 1 625 US-$ je Einwohner gehört die Ukraine zu den Ländern mit geringerem Einkommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 80,127 Mrd. US-$ im Jahr 1995 lag um 14,3 % unter dem Niveau von 1990. Das Haushaltsdefizit machte 1995 7,3 % des BIP aus, die Auslandsverschuldung erreichte 1997 etwa 8,8 Mrd. US-$. Bis Anfang 1997 erhielt die Ukraine von internationalen Finanzorganisationen 3,5 Mrd. US-$ an Krediten, besonders vom Internationalen Währungsfonds. - 1996 wurden nur 40 % des BIP im Privatsektor erzeugt; dieser machte (1995) in der Industrie 41 %, in der Landwirtschaft 18 % und im Dienstleistungsbereich 41 % aus. Inkonstante Gesetzgebung und bürokratische Hindernisse verschrecken ausländische Direktinvestitionen, die 1991-97 kumulativ nur 2 Mrd. US-$ betrugen. Wegen der noch großen Zahl von Staatsbetrieben ist die gegenwärtige Arbeitslosenzahl (1997: 2,8 %, inoffiziell 8,7 %) gering. Etwa 50 % des BIP entstammen der Schatten- und mafiosen Wirtschaft.
 
Landwirtschaft:
 
Sie ist neben der Schwerindustrie eine der wirtschaftlichen Hauptsäulen der Ukraine. Die seit 1990 bestehenden neuen Eigentums- und Nutzungsrechte ließen neben dem vorherrschenden genossenschatlichen (63 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche = LN) und staatliches (21 %) auch individuelles Eigentum (2 %) zusätzlich zu den bereits existierenden, privat genutzten Hofflächen (ohne Besitzerrechte) der Hauswirtschaften und Hausgärten (13 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche) entstehen. Nach dem Gesetz zur Landreform von Anfang 1992 ist der Erwerb kleinerer landwirtschaftlicher Parzellen (bis 100 ha LN, davon 50 ha Ackerland pro Familie) möglich, jedoch brauchen die ehemaligen Kolchosen und Sowchosen nur 7-10 % ihrer ursprünglichen Fläche zu veräußern; Ausländer sind vom Grunderwerb nach wie vor ausgenommen.
 
Ackerland umfasst etwa 58 % und Dauerweideland und -heuschläge 15 % der Landesfläche. Von der Ackerfläche werden etwa 16 % mit Weizen, 13 % mit Gerste, 3 % mit Mais, 4 % mit Kartoffeln, 6 % mit Sonnenblumen und 4 % mit Zuckerrüben bestellt. Außerdem werden Futterpflanzen, Flachs, Gemüse und Tabak angebaut. In den trockenen Steppengebieten ist Ackerbau mit zuverlässigen Erträgen nur bei Bewässerung möglich (Nordkrimkanal). Auf der Krim dominiert der Wein- und Obst-, in Transkarpatien und in der Schwarzmeer-Küstenregion der Weinbau. Seit 1990 gehen die landwirtschaftlichen Erträge, v. a. aus ökologischen Gründen, wegen unzureichender Agrartechnik und fehlender Dünge-, Futtermittel und Wirtschaftsgebäude, aber auch wegen der geringen Kaufkraft der Bevölkerung zurück. Ein großer Teil der geernteten Agrargüter verdirbt auf dem Weg in die Verarbeitungszentren. Die privaten Kleinerzeuger tragen etwa ein Drittel zur landwirtschaftlichen Produktion bei. Die Rinder-, Schweine- und Schafzucht (im Karpatengebiet) sowie Geflügelhaltung sind ebenfalls bedeutend, der Viehbestand nahm jedoch seit 1990 um rd. ein Drittel ab.
 
Forstwirtschaft:
 
Die Waldfläche umfasst einschließlich Buschland 18 % der Oberfläche. Mischwälder sind v. a. im Norden, Laubwälder im Westen vorherrschend. Bei abnehmender Einschlagsmenge (1993: 4,9 Mio. m3) ging der Umfang der Aufforstungen in den letzten zwanzig Jahren um über 25 % zurück.
 
Fischerei:
 
1994 wurden 310 722 t Fisch gefangen, davon 19 % in Binnengewässern, 56 % im Atlantik, 12 % im Mittelmeer und Schwarzen Meer, 12 % im Pazifik und 1 % im Indischen Ozean.
 
Bodenschätze:
 
Die Ukraine besitzt mit 40 Mrd. t Reserven zwar mit die größten Steinkohlelagerstätten der Erde, besonders im Donez-Steinkohlenbecken, komplizierter werdende geologische Abbaubedingungen, veraltete Bergbautechnik und geringe Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt führten aber zum Rückgang der Steinkohlenförderung (1980-97 von 197 Mio. t auf 82 Mio. t). Unter Mithilfe der Weltbank sollen der Steinkohlenbergbau reformiert und dabei unrentable Kohlegruben stillgelegt werden. Umfangreich sind die Vorkommen an Eisen- (besonders Kriwoj Rog, Krementschug, Kertsch), Manganerz (Nikopol) sowie Nichteisenerzen. Die rasante Verminderung der Erzförderung nach 1990 konnte 1997 (53,4 Mio. t Eisen- und etwa 3 Mio. t Manganerz) gestoppt werden. Schwerpunkte der Erdöl- und Erdgasgewinnung sind die Dnjepr-Donez-Region in der Ost-, das Karpatenvorland in der West- und die Region am Schwarzen Meer in der Südukraine. Auch die Gewinnung von Erdöl (1997: 4,2 Mio. t) und Erdgas (1997: 18 Mrd. m3) ist rückläufig. Aus den vorhandenen Erdöl- und Erdgasfeldern kann nur etwa ein Fünftel des Eigenbedarfs gedeckt werden. Das Land wird von (1992) 2 010 km Erdöl-, 1 920 km Erdölprodukten- und 7 800 km Erdgasleitungen durchzogen, großenteils als Transitleitungen aus Russland (z. B. Erdölleitung »Freundschaft«). Daneben gibt es Vorkommen an Uran-, Blei-, Zinkerz, Salz, Graphit und Gips.
 
Energiewirtschaft:
 
Die Energieversorgung der Ukraine ist gekennzeichnet durch die starke Abhängigkeit von Erdgas- und Erdöllieferungen aus Russland, Turkmenistan und seit 1997 auch Usbekistan; diese decken gegenwärtig rd. 65 % des ukrainischen Gas- und rd. 80 % des Ölbedarfs. Das Land leidet unter großer Energieknappheit. Die Elektroenergieerzeugung (1996: 181,6 Mrd. kWh) verringerte sich im Vergleich zu 1990 um 39 %. Außer Wärme- und Wasserkraftwerken (am Dnjepr) arbeiten 14 Kernreaktoren in 5 Kraftwerken (Tschernobyl, Chmelnizkij, Saporoschje, Rowno, Südukraine bei Nikolajew), die 1998 über die Hälfte der erzeugten Elektroenergie lieferten.
 
Industrie:
 
Einem stärker industrialisierten Ostteil mit dem industriereichen Donez-Steinkohlenbecken steht ein industrieärmerer Westteil gegenüber. Im Vergleich zu 1990 ging die Industrieproduktion bis 1995 durchschnittlich um etwa 13 % zurück, wobei die Leichtindustrie stärker betroffen ist. Seit 1995 überwiegt die Zahl der nichtstaatlichen die der staatlichen Betriebe. Aus dem industriellen Zentrum in der Region um die Städte Charkow, Dnjepropetrowsk und Donezk stammen v. a. Dampf- und Elektrolokomotiven, Traktoren, Land- und Werkzeugmaschinen, Kraftfahrzeuge; ferner finden sich dort Kokereien, exportintensive Hüttenwerke der Eisen-, daneben der Nichteisenmetallurgie (Aluminium, Magnesium, Zink, Quecksilber) und große chemische Anlagen (Kohle- und Erdölchemie). In der Region um Kiew sind neben dem Maschinen-, Flugzeug- und Schiffbau auch zahlreiche Betriebe der Leicht- (Konsumgüter, Holz, Glas, Textilien) und Nahrungsmittelindustrie ansässig. An der Schwarzmeerküste finden sich in Nikolajew und Cherson Schiffswerften. In der westlichen Ukraine dominiert die Nahrungsmittelindustrie (besonders Zuckerproduktion), im Bereich der Karpaten und in Polesien Holzverarbeitung. Betriebe des militärisch-industriellen Komplexes hatten einst einen Anteil von 77 % an der Industrieerzeugung, ihre Umstellung auf zivile Produktion bereitet große Schwierigkeiten. Von den ehemaligen mehr als 1 000 Rüstungsbetrieben arbeiten noch etwa 150.
 
Tourismus:
 
Hauptgebiete des Fremdenverkehrs sind die Krim (einst wichtigstes Erholungs- und Kurgebiet der Sowjetunion), die Schwarzmeerküste und die Waldkarpaten; die unzureichende Infrastruktur lässt einen weiteren Ausbau derzeit nicht zu. 1994 besuchten 772 000 ausländische Touristen das Land.
 
Außenwirtschaft:
 
Der Außenhandelsumsatz lag 1996 bei 38 Mrd. US-$ (18,6 Mrd. Export und 19,4 Mrd. Import). Wichtigste Exportgüter (1996 in Prozent des Exportwerts) sind unedle Metalle und daraus gefertigte Erzeugnisse (32,2), Chemieprodukte (11,9), Maschinen, Apparate und Geräte (9,8), Lebensmittel (9,8), mineralische Stoffe, besonders Kohle (9,1), Waren pflanzlichen Ursprungs (6,1) und Transportmittel. Wichtigste Importgüter (1996 in Prozent des Importwertes) sind Brennstoffe, Elektroenergie und andere mineralische Stoffe (52,4), Maschinen, Apparate und Geräte (13,3), Chemieprodukte (5,4), Lebensmittel (4,5), Kunststoffe und Kautschuk (4,2), unedle Metalle und daraus gefertigte Erzeugnisse (4,1) sowie Textilien (2,7). Im Jahr 1996 waren die bedeutendsten Importländer Russland (47 % des Importwertes), Turkmenistan, Deutschland, die USA, Polen und Weißrussland, die wichtigsten Exportländer Russland (47 % des Exportwertes), Weißrussland, China, Türkei und Deutschland. In Entwicklung befindet sich der Ausbau der Handelsbeziehungen mit den Industriestaaten des Westens.
 
Verkehr:
 
Die Ukraine, die eine wichtige Transitfunktion im Verkehr zwischen der Balkanhalbinsel und Russland besitzt, verfügt über eine relativ ausgebaute Verkehrsinfrastruktur mit einem dichten Eisenbahn- und Straßennetz, besonders im Donez-Kohlenbecken und im Einzugsbereich größerer Städte. Das Eisenbahnnetz hat (1996) eine Länge von 22 800 km, davon sind 8 600 km elektrifiziert. Von den (1996) 172 600 km Straßen sind 163 900 km befestigt; 1 875 km sind Schnellstraßen. Die Gesamtlänge der Binnenschifffahrtswege beträgt 4 400 km (davon 1 672 km auf dem Pripjet und Dnjestr). Die Handelsflotte umfasst (1996) 301 Schiffe mit 2 507 463 BRT (3 156 522 dwt). Die wichtigsten Seehäfen sind Odessa, Iljitschowsk (Containerhafen; Eisenbahnfähre nach Warna), Cherson, Ismail, Mariupol und Kertsch. Von den 163 Flugplätzen mit befestigten Rollbahnen ist der internationale Flughafen Borispol bei Kiew am bedeutendsten; daneben gibt es 543 unbefestige Landeplätze. Internationale Fluggesellschaften sind die staatliche Ukraine International Airlines und die Air Ukraine.
 
 
Mit Ukraine (»Grenzland«; von »vkraj«, deutsch »am Rande«) bezeichnete man zunächst die ostslawischen Regionen an der Grenze zur Steppe (Trennlinie zwischen sesshaften und nomadisierenden Völkern). Erstmals taucht dieser Begriff in einer Chronik des 12. Jahrhunderts auf und bezieht sich auf die Grenzgebiete des Kiewer Reichs in der heutigen Ukraine. Seit dem 16. Jahrhundert nannten Ukrainer und Polen den Raum am mittleren Dnjepr verschiedentlich Ukraine; im 17. Jahrhundert, als der Begriff auch im Ausland üblich wurde, verband er sich v. a. mit dem Hetmanat der Dnjeprkosaken und fand seit dem 19. Jahrhundert - gefördert durch die ukrainische Nationalbewegung im Russischen Reich - immer häufiger Anwendung, v. a. für die im 20. Jahrhundert auf ukrainischem Gebiet gebildeten politischen Gremien und territorialen Einheiten.
 
Für die Ukrainer blieb aber bis ins 17. Jahrhundert der schon für die Bevölkerung des Kiewer Reichs übliche Name »Rus« vorherrschend, für die nicht unter russischer Herrschaft stehenden sogar bis ins 20. Jahrhundert (auch Bezeichnung »Rusyn«, im Reich der Habsburger nach der lateinischen Form »Rutheni« deutsch »Ruthenen« genannt). Im 17. Jahrhundert kam im russischen Zarenreich für die Ukrainer der Name »Kleinrussen« auf beziehungsweise für das von ihnen bewohnte Gebiet »Kleinrussland« (ursprünglich im 13./14. Jahrhundert von der Patriarchatskanzlei in Konstantinopel für die Diözesen im Südwesten geprägt, seit dem 19. Jahrhundert von den Ukrainern als herabsetzend empfunden).
 
Die Zuordnung der Ukraine zur ostslawischen beziehungsweise russischen Geschichte ist weitgehend durch die nationale und politische Einstellung bestimmt: Während die großrussische und kommunistische Geschichtsschreibung die Geschichte der Ukraine nur als Territorialgeschichte innerhalb Russlands (beziehungsweise 1922-91 im Rahmen der Sowjetunion) interpretieren, behandelt die nationalukrainische Geschichtsschreibung seit M. Hruschewskyj das Kiewer Reich als Teil der eigentlich ukrainischen Geschichte und bemüht sich, die Landesgeschichte als kontinuierliche Nationalgeschichte zu sehen. Ein ukrainisches Eigenständigkeitsbewusstsein bildete sich erstmals im Kosakenstaat des 17. Jahrhunderts heraus; von einem eigenen Nationalbewusstsein kann seit dem 19. Jahrhundert gesprochen werden.
 
Zur Vorgeschichte Osteuropa.
 
 Altertum und Mittelalter
 
Im 7. Jahrhundert v. Chr. setzte die skythische und - am Nordufer des Schwarzen Meeres - die griechische Kolonisation, im 3. Jahrhundert v. Chr. die sarmatische Besiedlung ein. Zur Völkerwanderungszeit war das Gebiet von einer Vielzahl von Völkern (Goten, Hunnen, Awaren u. a.) bewohnt, bis sich um die Mitte des 1. Jahrtausends n. Chr. hier die (wohl) slawischen Anten niederließen und etwa seit dem 6. Jahrhundert ostslawische Stämme einwanderten.
 
Seit der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts entstand am mittleren Dnjepr, dem Kerngebiet der ostslawischen Stämme, unter dem Einfluss der Waräger das Kiewer Reich, das seit 988 (Taufe Wladimirs des Heiligen) in den byzantinisch-ostkirchlichen Kulturkreis einbezogen wurde. Bis zur Eroberung durch die Mongolen (1237-40) ist die Geschichte der Ukraine eng verbunden mit der Russlands (Dynastiegeschichte der Rurikiden). Danach verödeten die Steppengebiete am unteren Dnjepr und Donez fast völlig, während die südwestlichen Fürstentümer Galitsch und Wolhynien (ab 1199 zu einem Fürstentum vereint; Galizien) unter Fürst Daniil Romanowitsch zeitweilig eine selbstständige Entwicklung nehmen konnten.
 
 Litauisch-polnische Herrschaft, »Hetmanat« und Eingliederung ins Russische Reich
 
Mit dem Niedergang der Goldenen Horde im 14. Jahrhundert eroberte Litauen Podolien, Kiew (1362) und Teile Wolhyniens; Polen gewann unter Kasimir III., dem Großen, Galizien und einen Teil West-Wolhyniens (»Rotrussland« oder »Rotreußen«). In der Südukraine entstand Mitte des 15. Jahrhunderts das Khanat der Krimtataren, das im 15./16. Jahrhundert die gesamte Südwestukraine durch Raubzüge verheerte. Durch die Lubliner Union (1569, Polen, Geschichte) kam der größte Teil der Ukraine unter unmittelbare polnische Herrschaft. Die Vergabe großer Latifundien an polnische Magnaten römisch-katholischer Konfession und die Beseitigung der bäuerlichen Freizügigkeit im 3. Litauer Statut (1588) führte zu sozialen Spannungen, die verschärft wurden, als die Brester Union 1596 die Katholisierung der orthodoxen Kirche einzuleiten schien. Führend im Widerstand gegen die polnische Herrschaft wurden die seit Ende des 15. Jahrhunderts an der Steppengrenze, am unteren Dnjepr, auftretenden Kosaken. Ihr Aufstand unter B. Chmelnizkij 1648, verbunden mit blutigen Pogromen an den (u. a. als Verwalter, Pächter und Steuereinzieher im Dienste polnischer Magnaten stehenden) Juden, führte zur Bildung eines eigenen ukrainischen Staatswesens (»Hetmanat« beziehungsweise »Hetmanstaat«), das sich aber im Vertrag von Perejaslaw 1654 unter den Schutz des russischen Zaren stellte. Während die Kosaken geglaubt hatten, so ihre Freiheiten bewahren zu können, wurde dies von Russland als Beginn ihrer »ewigen Untertanenschaft« ausgelegt. Der darüber ausbrechende russisch-polnische Krieg endete im Waffenstillstand von Andrussowo (1667), in dem die Ukraine geteilt wurde. Das Gebiet östlich des Dnjepr (»linksufrige Ukraine«) kam an Russland, das Saporoger Kosakengebiet unter ein polnisch-russisches Kondominium. Bereits 1663 war in Moskau ein für die Ukraine zuständiges Zentralamt (»Kleinrussische Kanzlei«) geschaffen worden.
 
Während des Nordischen Krieges (1700-21) versuchte der zunächst mit Zar Peter dem Großen verbündete Hetman I. S. Masepa, unter dem sich ein reges geistiges und künstlerisches Leben entwickelte (»ukrainischer Barock«), im Bündnis mit Karl XII. von Schweden die linksufrige Ukraine vom Russischen Reich zu lösen. Nachdem dies durch die Niederlage von Poltawa (1709) fehlgeschlagen war, wurde deren Autonomie allmählich ausgehöhlt; 1764 wurde der letzte Hetman Kirill Grigorjewitsch Rasumowskij (* 1728, ✝ 1803), ein Günstling der Kaiserin Elisabeth, von Katharina II. zur Abdankung gezwungen, 1775 das befestigte Zentrum der Saporoger Kosaken (Sitsch) von russischen Truppen zerstört und bis 1783 die rechtlich-soziale Sonderstellung der ukrainischen Gebiete beseitigt. Mit den Polnischen Teilungen (1772, 1793 und 1795) fiel der größte Teil des Gebietes an Russland; Galizien sowie Teile Wolhyniens und Podoliens kamen zu Österreich. Unter russischer Herrschaft wurden die bisher menschenleeren Steppengebiete rasch besiedelt, wobei die großen Städte (Kiew, Odessa) oft nichtukrainische Mehrheiten erhielten.
 
Das sich in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelnde Nationalbewusstsein wurde unter Nikolaus I. unterdrückt, noch bestehende rechtliche Besonderheiten wie das Magdeburger Recht der Städte abgeschafft (1835), die ukrainisch-katholische Kirche 1839 aufgelöst, ihre Mitglieder zum Eintritt in die orthodoxe Kirche gezwungen. Die 1846 gegründete geheime Kyrillos-Methodios-Gesellschaft, die sich für nationalukrainische Ziele einsetzte, wurde 1847 gewaltsam aufgelöst. In der Reformära unter Alexander II. (1855-81) konnte sich mit Kiew als Zentrum unter Führung des Historikers M. I. Kostomarow und des Dichters T. H. Schewtschenko ukrainisches Schrifttum mit starken nationalen, jedoch nicht antirussischen Tendenzen entwickeln. Trotzdem sah die russische Regierung Verbindungen zum polnischen Januaraufstand 1863/64 und verbot den Druck ukrainischer Bücher. Die ukrainische Sprache wurde als »kleinrussischer« Dialekt des Russischen bezeichnet; erst die Revolution von 1905 brachte die Druckfreiheit. 1900 entstand mit der »Revolutionären Ukrainischen Partei« die erste politische Partei in der Ostukraine; nach Abspaltung eines linken Flügels, der sich 1908 der russischen Sozialdemokratie anschloss, benannte sie sich 1905 in »Ukrainische Sozial-Demokratische Arbeiterpartei« um.
 
In der ersten und zweiten Reichsduma (1906 und 1907) bestand eine den Trudowiki nahe stehende ukrainische Fraktion von 63 beziehungsweise 47 Abgeordneten, die kulturelle Autonomie - nicht politische Eigenständigkeit - anstrebte. Im habsburgischen Ostgalizien (»Westukraine«) wurden dagegen die ukrainische Sprache und die nationale Bewegung als Gegengewicht zum Polentum gefördert; 1848 wurde in Lemberg ein Lehrstuhl für ukrainische Sprache und Literatur, 1894 ein Lehrstuhl für ukrainische Geschichte (Hruschewskyj) errichtet. Die angestrebte Teilung Galiziens in einen polnischen und einen ukrainischen Landesteil wurde jedoch nicht erreicht.
 
 Der Kampf um eine unabhängige Ukraine
 
Nach der Februarrevolution von 1917 in Russland entstand unter Führung von Hruschewskyj die Zentralrada (»Zentralna Rada«) als ukrainisches Parlament. Ihr Generalsekretariat bildete die Landesregierung, die vorwiegend von Menschewiki und Sozialrevolutionären getragen wurde. Im Juni 1917 rief die Zentralrada die Autonomie und - nachdem sie am 19. 11. 1917 eine »Ukrainische Volksrepublik« proklamiert hatte, der seit Dezember 1917 eine bolschewistische Sowjetregierung in Charkow gegenüberstand - am 22. 1. 1918 die Unabhängigkeit der Ukraine aus. Ihre Vertreter nahmen an den Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk zwischen den Mittelmächten und dem bolschewistischen Russland teil und schlossen am 9. 2. 1918 mit den Mittelmächten einen Sonderfrieden, in dem die staatliche Unabhängigkeit der Ukraine anerkannt wurde. Nach der Eroberung Kiews durch bolschewistische Truppen (8. 2. 1918) musste die Landesregierung vor den Bolschewiki weichen. Im Februar und März 1918 besetzten deutsche und österreichisch-ungarische Truppen die Ukraine und drängten die Bolschewiki wieder zurück. Am 29. 4. 1918 führten nationalkonservative Kräfte mit Unterstützung der deutschen Besatzungsmacht das Hetmanat wieder ein (Hetman). Nach dem Abzug der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen wurde der Hetman P. P. Skoropadskij am 14. 12. 1918 gestürzt und emigrierte. An die Spitze eines Direktoriums der Ukrainischen Volksrepublik trat der nationaldemokratisch orientierte S. Petljura.
 
Am 22. 1. 1919 verkündete das Direktorium die Vereinigung der Ukrainischen Volksrepublik mit der »Westukraine« (Ostgalizien), die sich am 13. 11. 1918 zur »Westukrainischen Volksrepublik« ausgerufen hatte. Am 5. 2. 1919 nahm die Rote Armee erneut Kiew ein, das Direktorium musste weichen. Nachdem die bolschewistischen Truppen im Sommer 1919 noch einmal von Weißgardisten unter A. I. Denikin aus der Ukraine vertrieben worden waren, eroberten sie das Gebiet Ende 1919 zurück (am 6. 12. Kiew). Einen letzten Versuch, die Bolschewiki aus der Ukraine zu verdrängen und einen selbstständigen ukrainischen Staat durchzusetzen, unternahm Petljura durch ein Bündnis mit Polen (21. 4. 1920) unter Verzicht auf die Westukraine. Nach Anfangserfolgen der verbündeten Polen und Ukrainer im Polnisch-Sowjetischen Krieg (am 7. 5. 1920 Einnahme von Kiew) ließ Polen nach militärischen Rückschlägen den ukrainischen Bundesgenossen fallen. Während des Bürgerkriegs spielten in der Ukraine auch bäuerliche Aufstandsbewegungen eine bedeutende Rolle (u. a. die mehrere zehntausend Mann umfassenden Partisaneneinheiten unter N. I. Machno, erst 1921 von der Roten Armee ausgeschaltet). 1919 und 1920 richtete sich eine Welle von Pogromen gegen Juden (über 30 000 Tote). Im Frieden von Riga 1921 teilten Polen und das bolschewistische Russland die Ukraine unter sich auf. Die Karpato-Ukraine war bereits 1919/20 an die Tschechoslowakei gefallen.
 
 Stalinistischer Terror und nationalsozialistische Besetzung
 
1922 wurde die Ukraine als Ukrainische SSR Gliedstaat der Sowjetunion. Die unter Anwendung staatlichen Terrors in der UdSSR von Stalin durchgeführte Zwangskollektivierung der Landwirtschaft (ab 1929) führte besonders in der Ukraine zu hohen Menschenverlusten; allein an Hunger starben 1932-33 zwischen 4 und 6 Mio. Menschen (nach den schlechten Ernten von 1931 und 1932 häufig unter Einsatz von Truppen erzwungene Ablieferung der Getreidevorräte durch die Bauern). 1934 wurde die Hauptstadt der Ukrainischen SSR von Charkow nach Kiew verlegt. Die stalinistischen »Säuberungsaktionen« (Große Tschistka) erreichten hier wie überall in der UdSSR 1937/38 ihren Höhepunkt (Auslöschung eines Großteils der politischen und wissenschaftlich-kulturellen ukrainischen Elite). 1938-49 (mit Unterbrechung) führte der Russe N. S. Chruschtschow die ukrainische KP-Organisation. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (1. 9. 1939) vereinigte die sowjetische Regierung unter Anwendung des Geheimen Zusatzprotokolls des Hitler-Stalin-Paktes (23. 8. 1939) die Westukraine wieder mit der Ukraine. 1940 wurde die Bukowina Teil der Ukrainischen SSR.
 
Nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR (22. 6. 1941) war die Ukraine bis Anfang 1944 eines der Hauptkampfgebiete; sie erfuhr starke Zerstörungen an Kultur- und Wirtschaftsgütern sowie hohe Verluste an Menschen. Insbesondere zu Beginn der Besatzungszeit kollaborierte ein Teil der ukrainischen Bevölkerung - unter dem Eindruck des stalinistischen Terrors der vorangegangenen Jahre und in der Hoffnung, sich mit deutscher Hilfe von der Sowjetunion lösen zu können - mit den deutschen Besatzungsbehörden (u. a. Dienst ukrainischer Freiwilliger in der Wehrmacht und der Waffen-SS, Beteiligung von Ukrainern an der nationalsozialistischen Judenverfolgung). Auch die deutsche Minderheit in der Ukraine, soweit sie nicht bereits 1941 von den sowjetischen Behörden nach Mittelasien deportiert worden war, arbeitete mit der deutschen Besatzungsmacht zusammen. In der Schlucht von Babij Jar ermordete im September 1941 eine Einsatzgruppe der SS über 30 000 Juden. Der größte Teil der ukrainischen Juden fiel in der Folgezeit dem Holocaust zum Opfer.
 
Während der nationalsozialistischen Herrschaft (1941-44) war Galizien dem Generalgouvernement angegliedert, die Bukowina, Bessarabien und die Dnjestr-Region wurden dem mit Deutschland verbündeten Rumänien überlassen; der größte Teil des Landes wurde jedoch zum »Reichskommissariat Ukraine« (unter der Leitung von E. Koch) erklärt. Die brutale deutsche Okkupationspolitik rief auch bald den ukrainischen Widerstand hervor (1942 Gründung der »Ukrainischen Aufstandsarmee«, die aber ebenso gegen kommunistische Partisanen und die Rote Armee sowie die polnische Bevölkerung kämpfte und anschließend bis in die 50er-Jahre einen aussichtslosen Untergrundkrieg gegen die Sowjetmacht führte). 1943-44 eroberte die Rote Armee die Ukraine zurück (am 6. 11. 1943 Einnahme von Kiew).
 
 Die Ukraine nach dem Zweiten Weltkrieg
 
1945 wurde die Ukrainische SSR Gründungsmitglied der Vereinten Nationen. Im selben Jahr trat die Tschechoslowakei die Karpato-Ukraine an die UdSSR ab, die dieses Gebiet 1946 als Transkarpatien mit der Ukrainischen SSR vereinigte. 1954 trat Russland (RSFSR) die Halbinsel Krim an die Ukraine ab.
 
Im Winter 1946/47 war die Ukraine noch einmal von einer schweren Hungersnot betroffen (Zehntausende Opfer). Im Zeichen eines Kampfes gegen den »bürgerlichen ukrainischen Nationalismus« setzten 1946 neue stalinistische Säuberungen ein (später auch gegen den »jüdischen Kosmopolitismus« gerichtet). Im Rahmen einer Sowjetisierung der Westukraine wurde dort 1947-51 die Landwirtschaft zwangskollektiviert.
 
Seit den 1950er-Jahren wechselten in der Ukrainischen SSR Phasen einer liberalen sowjetischen Nationalitätenpolitik und Ukrainisierung mit politischen »Säuberungen« und Russifizierungstendenzen. In den 1960er-Jahren formierte sich eine ukrainische Oppositionsbewegung mit national-kulturellen, aber auch allgemein-politischen Forderungen; ihre Basis (v. a. die städtische Intelligenz) blieb allerdings schmal. Verstärkt wurde sie durch eine religiöse Opposition in der Westukraine (Wirken der verbotenen Griechisch-Katholischen Kirche im Untergrund). Versuche des ab 1964 als ukrainischer KP-Vorsitzender amtierenden Petro Šelest, ukrainische Interessen wieder stärker gegenüber der Zentrale in Moskau zu betonen, führten 1972 zu seiner Absetzung unter dem Vorwurf der Förderung des ukrainischen Nationalismus. 1976 wurde das »Ukrainische Helsinki-Komitee« gegründet, dem sich eine ganze Reihe von Dissidenten anschloss.
 
Der Reaktorunfall im Kernkraftwerk Tschernobyl am 26. 4. 1986, von dem nicht nur die Ukraine schwer betroffen war, sondern auch besonders Weißrussland sowie weitere Teile Ost-und Nordeuropas, v. a. aber die Verharmlosung der Katastrophe und die verantwortungslose Verschleppung notwendiger Gegenmaßnahmen führten in der Ukraine zur Kritik an den sowjetischen Behörden und weckten ein ökologisches Bewusstsein, das u. a. 1987 zur Entstehung der Vereinigung »Grüne Welt« führte (Vorläufer der 1990 gegründeten Grünen Partei).
 
Ukrainische Exilpolitiker setzten sich in der Emigration weiter für die Idee eines ukrainischen Nationalstaates ein. Gut organisierte Emigrantenorganisationen in den USA und Kanada nahmen sich der Pflege der ukrainischen Kultur und Geschichtsschreibung an, besonders seit der Einbeziehung aller ukrainisch besiedelten Gebiete in die Ukrainische SSR und der Auflösung der ukrainisch-katholischen Kirche in der Sowjetunion, die als ein Hort der ukrainischen Kultur galt.
 
 Der Weg in die Unabhängigkeit und die ersten Jahre der Eigenstaatlichkeit
 
Innenpolitische Entwicklung:
 
Mit der Gründung von »Ruch« (1989) als einer Volksbewegung unter dem Vorsitz des Schriftstellers Iwan F. Dratsch (* 1936) schlossen sich verschiedene oppositionelle Gruppen zusammen. Nachdem Anfang 1990 das Ukrainische zur Staatssprache erhoben worden war, erklärte sich die Ukraine am 16. 7. 1990 für souverän innerhalb der UdSSR. Seit 1990 entstanden zahlreiche Parteien sehr unterschiedlicher Richtung. Nach dem Putsch orthodox-kommunistischer Kräfte im August 1991 in der UdSSR löste sich die Ukraine ganz aus dem Staatsverband der UdSSR und erklärte am 24. 8. 1991 ihre Unabhängigkeit. In einer Volksabstimmung am 1. 12. 1991 bestätigte die Bevölkerung diese Entscheidung und wählte L. M. Krawtschuk zum Staatspräsidenten. Bemüht, mit Reformen die wirtschaftliche Krise seines Landes zu beheben, scheiterte Krawtschuk jedoch mit seinen Initiativen oft an der reformfeindlichen Mehrheit des Obersten Rates. In Wechselwirkung mit dieser wirtschaftspolitischen Konstellation führte das Ausbleiben der Modernisierung und der Entstaatlichung der Wirtschaft zu einem Rückgang der gesamten Industrieproduktion. Kennzeichnend für die reformfeindliche Stimmung im Obersten Rat war die Zulassung der Nachfolgeorganisation der (1991 verbotenen) KP der Ukraine 1993. Ein Ausdruck der zunehmenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung war der Bergarbeiterstreik im Juni 1993 (1998 erneut Bergarbeiterproteste). Bei den Wahlen zum Obersten Rat (März/April 1994) behielten die Reformgegner das Übergewicht. Im Juli 1994 wählte die Bevölkerung den wirtschaftsreformerisch orientierten L. D. Kutschma zum Staatspräsidenten, der eine stärkere Zusammenarbeit mit Russland einleitete. 1997 wurde Walerij Pustowojtenko (Demokratische Volkspartei) Regierungschef. Aus den Parlamentswahlen Ende März 1998 gingen die Linksparteien zwar gestärkt hervor, verfehlten jedoch die Mehrheit (KP: 123 Mandate, Block aus Sozialisten und Bauernpartei: 32 Sitze, Progressive Sozialisten: 16 Sitze). Angesichts einer mehrere Monate anhaltenden Parlamentskrise entschloss sich Präsident Kutschma im Juni 1998, per Dekret zu regieren; erst im Juli 1998 einigte sich der Oberste Rat auf O. Tkatschenko als Parlamentsvorsitzenden. Im November 1999 konnte Kutschma schließlich durch Stichwahlen mit 56,3 % der Stimmen die Präsidentschaftswahlen erneut für sich entscheiden. Er berief als Amtsnachfolger von Ministerpräsident Pustowojtenko im Dezember 1999 den reformorientierten Finanzexperten W. Juschtschenko; dieser sah sich insbesondere mit dem Umstand konfrontiert, dass die Ukraine aufgrund der sehr hohen Staatsverschuldung zu diesem Zeitpunkt faktisch zahlungsunfähig war. Im April 2000 suchte Präsident Kutschma durch ein von ihm anberaumtes und mehrheitlich von der Bevölkerung unterstütztes Referendum seine Stellung gegenüber dem Parlament zu stärken (u. a. Abstimmung über eine Verringerung der Zahl der Abgeordneten, über erweiterte Möglichkeiten, das Parlament durch den Staatspräsidenten aufzulösen, und über die Einführung eines Zweikammerparlaments); die von ihm angestrebte Verfassungsänderung scheiterte jedoch an der notwendigen Zustimmung durch das Parlament. Am 15. 12. 2000 wurde mit der Abschaltung des letzten Reaktors das Kernkraftwerk von Tschernobyl stillgelegt.
 
Nach dem ungeklärten Tod des regierungskritischen Journalisten Georgij Gongadse richteten sich ab Ende 2000 heftige Proteste gegen die ukrainische Staatsmacht, besonders gegen Präsident Kutschma. Die Opposition warf den Behörden u. a. Behinderung unabhängiger Medien, Unterdrückung beziehungsweise Einschüchterung kritischer Politiker, Beeinflussung der Justiz und Korruption vor. Auch internationale Menschenrechtsorganisationen und die Parlamentarische Versammlung des Europarates mahnten substanzielle Verbesserungen der Menschenrechtssituation in der Ukraine an (so eine Reform des Straf- und Zivilrechts). Im April 2001 wurde Ministerpräsident Juschtschenko durch ein von den Kommunisten und den Oligarchenparteien unterstütztes Misstrauensvotum im Parlament gestürzt, blieb aber noch bis Ende Mai 2001 geschäftsführend im Amt, als der Oberste Rat den von Präsident Kutschma vorgeschlagenen Kandidaten A. Kinach (Vorsitzender der Vereinigung der ukrainischen Industriellen und Unternehmer) zum Regierungschef wählte. Im Mai 2001 wurde der frühere russische Ministerpräsident W. Tschernomyrdin Botschafter Russlands in der Ukraine und nahm als Vertreter W. Putins für die Entwicklung der russisch-ukrainischen Wirtschaftsbeziehungen eine wichtige Position ein.
 
Bei den Parlamentswahlen am 31. 3. 2002 entfielen zwar auf das von Juschtschenko geführte Bündnis »Unsere Ukraine« die meisten Stimmen (23,6 %), gefolgt von den Kommunisten (20 %); das Präsident Kutschma nahe stehende Wahlbündnis »Für eine geeinte Ukraine« (nur 11 % der Stimmen) konnte aber danach zahlreiche direkt gewählte, parteilose Abgeordnete für ihre Fraktion gewinnen, die mit 176 Mandaten die stärkste wurde. Damit erhöhte sich die Einflussmöglicheit Kutschmas auf die Legislative deutlich. Am 28. 5. 2002 wählte der Oberste Rat den Vorsitzenden der Fraktion »Für eine geeinte Ukraine« und früheren Präsidialamtschef Wladimir Litwin zum Parlamentspräsidenten.
 
 
Mit dem Abkommen von Minsk (8. 12. 1991) hatten Russland, Weißrussland und die Ukraine den Vertrag vom 30. 12. 1922 über die Gründung der Sowjetunion abgelöst und konstituierten an ihrer Stelle die »Gemeinschaft Unabhängiger Staaten« (GUS). Im März 1992 wurde die Ukraine Mitglied der KSZE.
 
Nach dem Zerfall der Sowjetunion führten die Frage der staatlichen Zugehörigkeit der Krim sowie die Aufteilung der sowjetischen Schwarzmeerflotte zu einem jahrelangen Streit zwischen der Ukraine und Russland; erst Ende Mai 1997 schlossen sie einen Grundlagenvertrag (Verzicht Russlands auf Territorialforderungen und Anerkennung der ukrainischen Unabhängigkeit). Auch zu anderen Nachbarländern wurden die Beziehungen auf eine neue Grundlage gestellt (u. a. 1997 polnisch-ukrainische »Gemeinsame Deklaration über Verständigung und Aussöhnung«, Vertrag über die ukrainisch-weißrussische Grenze sowie ein Grundlagenvertrag mit Rumänien). Als erstes Mitglied der GUS vereinbarte die Ukraine mit der EU am 14. 6. 1994 ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen. Am 9. 11. 1995 wurde die Ukraine in den Europarat aufgenommen; zu ihrem längerfristigen Ziel erklärte sie - auch angesichts einer zunehmend ineffektiven Kooperation in der GUS - eine künftige EU-Zugehörigkeit.
 
Ende Mai 2002 verkündete der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine die Absicht des Landes, Mitglied der NATO zu werden; zugleich bat die Ukraine die EU um Prüfung der Möglichkeiten zur Vertiefung der Zusammenarbeit (Streben nach einem Assoziierungsvertrag).
 
 
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Ukra|i|ne [auch: ...'krai...], die; -: Staat im Südwesten Osteuropas.

Universal-Lexikon. 2012.