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Hunnen
I
Hunnen
 
Die Hunnen waren ein innerasiatisches Turkvolk, dessen Angehörige als Reiternomaden lebten. Nach jahrhundertelangen Kämpfen mit den chinesischen Nachbarn begannen Teile dieses Volkes etwa um die Zeitenwende nach Westen zu wandern und stießen in den Steppen Zentralasiens über den Aralsee und das Kaspische Meer bis in den Raum nördlich des Schwarzen Meers vor. Nach ihrem Sieg über die Ostgoten 375 beherrschten sie die bisher unter gotischer Botmäßigkeit stehenden Stämme und zwangen sie, soweit diese nicht ausweichen konnten, sich ihrem Heereszug nach Westen anzuschließen. Sie verlagerten den Schwerpunkt ihrer Herrschaft nach Pannonien, ins heutige Ungarische Tiefland, von wo aus sie mit ihren germanischen und sonstigen Gefolgsleuten Beutezüge unternahmen. Vom oströmischen Kaiser erzwangen sie hohe Tributzahlungen. Der weströmische Oberbefehlshaber Aetius, der in seiner Jugend als Geisel bei den Hunnen gelebt hatte, betrieb hingegen lange eine hunnenfreundliche Politik, vor allem im Interesse seiner Kämpfe gegen die Germanen in Gallien, an denen hunnische Hilfstruppen beteiligt waren.
 
Der Hunnenkönig Attila (in der Nibelungensage Etzel), der 445 seinen Bruder ermordet hatte und seitdem allein regierte, führte sein Reich zum Höhepunkt seiner Geltung. Als er jedoch, nachdem er sich mit Westrom verfeindet hatte, 451 Gallien verwüstete, trat seinem hunnisch-germanischen Heer auf den Katalaunischen Feldern (in der Gegend von Troyes) Aetius ebenfalls mit zahlreichen Germanen, darunter Franken, Burgunder und besonders Westgoten, entgegen und besiegte den Hunnenkönig. 452 fiel Attila in Italien ein, doch einer kaiserlichen Gesandtschaft unter Führung von Papst Leo I., dem Großen, gelang es, ihn zum Rückzug zu bewegen. Nach dem überraschenden Tod Attilas 453 in der Hochzeitsnacht mit einer ostgermanischen Königstochter (Ursprung der Kriemhildsage) zerfiel das Hunnenreich rasch; die seiner Herrschaft unterworfenen Germanen lösten sich wieder aus der Abhängigkeit.
 
II
Hụnnen,
 
eurasisches Nomadenvolk, dessen Geschichte vor seinem Auftauchen in Osteuropa im 4. Jahrhundert n. Chr. unbekannt ist. Die lange Zeit als sicher angenommene Abstammung von den älteren, in den chinesischen Geschichtswerken schon seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. ausführlich bezeugten Xiongnu, auch ostasiatische Hunnen genannt, wird von der neueren Forschung abgelehnt. Wahrscheinlich ist, dass die vom chinesischen Reich Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. nach Norden und Westen abgedrängten Xiongnu benachbarte Völker vertrieben und so eine eurasische Völkerwanderung auslösten, zu deren westlichen Ausläufern die Hunnen zählen. Möglich ist, dass sich abgesprengte Teile der Xiongnu der sich aus unterschiedlichen Völkern zusammengesetzten Hunnenkonföderation anschlossen.
 
Seit 375 drangen die Hunnen in mehreren Wellen aus den Steppen Südrusslands nach Westen vor und unterwarfen verschiedene germanische Stämme in Südosteuropa, was zu panikartigen Fluchtbewegungen (Völkerwanderung) führte. 375/376 besiegten die Hunnen das Vielvölkerreich des Ostgotenkönigs Ermanarich und das westgotische Heer unter Athanarich; 395-410 drangen sie zur unteren Donau vor - was zum Bau der theodosianischen Stadtmauer von Konstantinopel (413) führte - sowie ins Oder-Weichsel-Gebiet; 423/425 verlagerte sich der hunnische Herrschaftsmittelpunkt (»ordu«) unter Großfürst Ruga in die Theißebene. Unter Bleda (434-445) erreichte das Hunnenreich seine größte Ausdehnung: von Mittelasien und dem Kaukasus bis zur Donau und an den Rhein. Zwischen 425/427 und 446 wurden die Hunnen, zusammen mit ihrer germanischen Klientel, römische Bundesgenossen (Foederaten) in den pannonischen Donauprovinzen und erhielten riesige Soldzahlungen. Archäologische Zeugnisse belegen ihre Anwesenheit im Donau-Theiß-Gebiet. Unter Attila unternahmen die Hunnen Kriegszüge nach Gallien, wo sie 451 auf den Katalaunischen Feldern geschlagen wurden, und nach Italien (452). Nach dem Tod Attilas 453 zerfiel das Reich rasch, da seine Söhne 454/455 eine vernichtende Niederlage gegen die Gepiden erlitten, was zum endgültigen Rückzug der Hunnen aus Europa führte. Seit dem 6. Jahrhundert gingen sie in anderen Völkerschaften (Awaren, Chasaren, Wolgabulgaren u. a.) auf. Zu den Weißen Hunnen Hephthaliten.
 
Die nach Europa ins Gebiet der Sarmaten eindringenden Hunnen entwickelten seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. eine eigenständige Kunst, die nicht sarmatischen, sondern v. a. chinesischen Vorbilder weiterführte. Typisch dafür sind zylindrische Bronzekessel mit halbkugeligem Boden und überrandständigen Henkeln, Golddiademe (für die durch Wickelung deformierten Schädel der Herrscher), zweischneidige Langschwerter (mit Parierstange und flacher Griffangel), so genannte Reflexbögen (Kompositbögen) sowie goldene Schuhschnallen mit in Zellen eingelegten Almandinen. Der Goldfund von Nagyszéksós im Museum von Szeged (Totengabe wohl für Ruga, v. a. Rangabzeichen) besteht aus massiven Goldarbeiten (Halsring, Schnallen, Riemenzungen), zwei Elektrumgefäßen sowie Goldblechbeschlägen (mit Kerbdrahtumrandung und Almandineinlagen) für Gürtel, Schwertgriffe und -scheiden sowie für Peitschen und Zaumzeug (der Pferde). Die Muster waren einfach. Die Ansätze zur Polychromie lebten in der Kunst der Franken weiter.
 
Literatur:
 
F. Altheim: Gesch. der H., 5 Bde. (1-21962-75);
 
Germanen, H. u. Awaren. Schätze der Völkerwanderungszeit, hg. v. W. Menghin u. a., Ausst.-Kat. Nürnberg (1987);
 H. Schreiber: Die H. Attila probt den Weltuntergang (Neuausg. Wien 1987);
 I. Bóna: Das H.-Reich (a. d. Ungar., 1991).
 

Universal-Lexikon. 2012.