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Kẹrn|kraft|werk 〈n. 11〉 Kraftwerk, in dem die kontrollierte Kernspaltung zur Energiegewinnung eingesetzt wird; Sy Atomkraftwerk
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Kẹrn|kraft|werk, das:
Atomkraftwerk (Abk.: KKW).
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Kernkraftwerk,
Abkürzung KKW, allgemeinsprachlich Atomkraftwerk, Abkürzung AKW, mit Kernreaktor(en) betriebenes Dampfkraftwerk zur Umwandlung von Kernenergie in elektrische Energie. Zur näheren Kennzeichnung eines Kernkraftwerks wird bisweilen der verwendete Reaktortyp mit angegeben, z. B. Leichtwasserkernkraftwerk. In Deutschland werden, nach der Stilllegung verschiedener Versuchs- und Prototypanlagen, in Kernkraftwerken zurzeit nur noch Druckwasserreaktoren (DWR) und Siedewasserreaktoren (SWR) eingesetzt. In den westlichen Industrieländern sind heute Blockgrößen von 900 bis 1 300 MW elektrische Leistung üblich. Bei diesen Blockgrößen ist die Standortwahl wegen der benötigten Kühlleistung sowohl für Kernkraftwerke als auch für konventionelle Dampfkraftwerke ein besonderes Problem. Die Standorte liegen meist an großen Flüssen. Um den Wärmeeintrag in die Flüsse zu senken, werden Kühltürme erforderlich, die den Wirkungsgrad verschlechtern und die Kosten erhöhen.
Aufbau und Wirkungsweise
Ein Kernkraftwerk mit DWR hat zwei hintereinander geschaltete Kühlkreisläufe. Im Reaktorkühlsystem (Primärkreislauf) fördern Hauptkühlmittelpumpen das unter hohem Druck (15-16 MPa) stehende Reaktorkühlmittel (boriertes leichtes Wasser im unterkühlten Zustand) in den Reaktordruckbehälter, wo es beim Durchtritt durch den Reaktorkern erwärmt und einem Dampferzeuger zugeführt wird; von hier wird es wieder zum Reaktordruckbehälter zurückgeleitet. Im Dampferzeuger übertragen die vom Reaktorkühlmittel durchströmten Heizrohre die Wärme an das Wasser des Speisewasser-Dampf-Kreislaufs (Sekundärkreislauf), das unter geringerem Druck steht und verdampft wird. Abhängig von der Leistung des Reaktors werden mehrere (zwei, drei oder vier) Kühlmittelkreisläufe (englisch loops) parallel an den Reaktordruckbehälter angeschlossen und entsprechend auch mehrere Dampferzeuger betrieben. Der dort erzeugte Dampf wird durch die Frischdampfleitung einer Hochdruckturbine und dann einer Niederdruckturbine zugeführt. Im Gegensatz zu konventionellen Dampfkraftwerken (Dampftemperaturen von 530 ºC und höher, überhitzter Heißdampf) hat der aus dem Dampferzeuger austretende Sattdampf (Dampf) lediglich eine Temperatur von 280 ºC bei einem Druck von ungefähr 6,4 MPa. Die deshalb vergleichsweise geringe spezifische Enthalpie des Dampfes führt zu den für das Kernkraftwerk typischen großen Dampfvolumenströmen und damit zu den hausgroßen Abmessungen der Niederdruckturbinen. Die Turbine treibt einen Generator an, in dem elektrischen Strom mit einer Spannung von 27 kV erzeugt wird. Ein nachgeschalteter Transformator setzt die Spannung auf die 380 kV des Verbundnetzes hoch. Der aus der Niederdruckturbine austretende Dampf kondensiert an den mit Kühlwasser beaufschlagten Rohren im Kondensator und wird mithilfe der Kondensat- und Speisewasserpumpen dem Dampferzeuger wieder zugeführt. Als Kühlwasser wird Flusswasser oder in Kühltürmen rückgekühltes Wasser verwendet.
In einem Kernkraftwerk mit SWR wird das Reaktorkühlmittel (leichtes Wasser) im Reaktordruckbehälter verdampft, in den es von unten eintritt. Der nicht verdampfte Anteil wird, mit dem zugeführten Speisewasser vermischt, erneut durch den Reaktorkern gepumpt. Der austretende Dampf wird durch Wasserabscheider und Dampftrockner von mitgerissenen Wassertröpfchen befreit und als trockener Sattdampf unmittelbar durch die Frischdampfleitungen der Hochdruckturbine zugeleitet, von dort strömt er zur Niederdruckturbine. Die Einrichtungen zur Stromerzeugung und Kühlung sind mit denen eines DWR-Kernkraftwerks vergleichbar. Da der Dampf aus dem Reaktordruckbehälter radioaktive Aktivierungsprodukte (z. B. 16N) enthält und Spuren von aus den Brennelementen ausgetretenen Spaltprodukten mit sich führen kann, gehört in einem SWR-Kernkraftwerk auch das Maschinenhaus zum Kontrollbereich.
Bei Hochtemperaturreaktoren ist ein mit konventionellen Heißdampfkraftwerken vergleichbarer Dampfzustand erreichbar, dergleichen bei schnellen natriumgekühlten Brutreaktoren. Da bei Letzteren das als Kühlmittel verwendete flüssige Natrium beim Durchtritt durch den Reaktorkern in hohem Maße aktiviert wird, werden zwischen Reaktorkühlsystem und Speisewasser-Dampf-Kreislauf mehrere parallele Kühlkreisläufe installiert (ebenfalls mit Natrium als Kühlmittel). Das »primäre Natrium«, das sich im Reaktorkern aufheizt, gibt seine Wärme über Zwischenwärmetauscher an das »sekundäre Natrium« ab, das die Dampferzeuger beheizt. Dadurch wird bei Undichtigkeiten oder Heizrohrbruch in einem Dampferzeuger verhindert, dass radioaktives Natrium in den Speisewasser-Dampf-Kreislauf übertritt und Wasser-Natrium-Reaktionen (exotherme Bildung von Natriumhydroxid NaOH) unmittelbar auf den Reaktorkern zurückwirken. Der Bau eines Kernkraftwerks dieses Typs, der SNR-300 (SNR, Abkürzung für schneller natriumgekühlter Reaktor) mit einer elektrischen Leistung von 300 MW in Kalkar, wurde 1991 nach 18 Jahren Bauzeit aus politischen und wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Die größte Anlage mit einem schnellen natriumgekühlten Brutreaktor, der »Superphénix« mit einer elektrischen Leistung von 1 200 MW, steht in Creys-Malville in Frankreich. Sie wurde nach vierjährigem Stillstand wegen Nachrüstmaßnahmen im August 1994 wieder in Betrieb genommen, soll aber zukünftig nur noch zu Demonstrationszwecken und für die Erforschung der Plutoniumverbrennung und Transmutation von Aktiniden eingesetzt werden. In Japan, das sich intensiv mit der Entwicklung von schnellen Brutreaktoren beschäftigt, wurde 1986 mit dem Bau des mit dem SNR-300 in Kalkar vergleichbaren Versuchskernkraftwerk MONJU (auf der Halbinsel Tsuruga) mit 280 MW elektrischer Leistung begonnen; 1994 wurde die Anlage MONJU erstmals kritisch.
Entwicklungen von Kernkraftwerken mit konventionellen oder nuklearen Dampfüberhitzern zur Steigerung des Wirkungsgrades wurden eingestellt, da sie technisch kompliziert waren und nicht die Schwelle der Wirtschaftlichkeit erreichten. Ebenso sind Kernkraftwerke mit Gasturbinen zur Steigerung des Wirkungsgrades über Entwicklungsprojekte nicht hinausgekommen.
Kernkraftwerke werden in Deutschland für eine Lebensdauer von 40 Jahren ausgelegt. Wegen ihrer niedrigen Brennstoffkosten werden sie vorwiegend in der Grundlast eingesetzt. Abgesehen von einem mehrwöchigen Stillstand jährlich für Revisionsarbeiten und Brennelementwechsel sind sie ständig in Betrieb und erreichen etwa 7 500 Betriebsstunden im Jahr. Bei dem Brennelementwechsel werden die verbrauchten (abgebrannten) Brennelemente (jeweils etwa ein Drittel oder ein Viertel) aus dem Reaktordruckbehälter ausgeladen und durch frische ersetzt. Die ausgeladenen Brennelemente werden mithilfe spezieller Werkzeuge unter Wasser in ein Lagerbecken gebracht und dort für etwa ein Jahr oder nach dem Einbau von Kompaktlagergestellen für 5 bis 7 Jahre gelagert (Entsorgung).
In Niederaichbach (Kreis Landshut) wurde 1987-95 erstmals in Europa ein Kernkraftwerk restlos abgebaut. Nach Abtransport aller radioaktiven Teile und Abriss der 1966-72 errichteten und nur zwei Jahre lang betriebenen Versuchsanlage wurde das Gelände rekultiviert. Das Projekt sollte die Möglichkeit demonstrieren, ein Kernkraftwerk vollständig zu beseitigen und das Kraftwerksgelände in einem unbelasteten Zustand zu hinterlassen.
Die in Kernkraftwerken großer Leistung im Laufe eines Betriebsjahres in einer Menge von mehreren 100 kg entstehenden Spaltprodukte stellen ein hohes Gefährdungspotenzial dar. Um alle Teile der nuklearen Anlage wird deshalb ein Sicherheitsbereich, der so genannte Kontrollbereich, eingerichtet, der nur unter Einhaltung bestimmter Vorsichtsmaßnahmen (spezielle Kleidung, Tragen von Strahlungsmessgeräten) betreten und nur nach Kontrolle auf womöglich anhaftende radioaktive Teilchen (Kontamination) wieder verlassen werden darf. Im Normalbetrieb werden aus einem Kernkraftwerk nur in geringen Mengen radioaktive Stoffe (über Abluft und Abwässer) in die Umwelt abgegeben. Die hieraus resultierende zusätzliche Strahlenbelastung in der Umgebung eines Kernkraftwerks liegt weit unterhalb der natürlichen Strahlenbelastung. Um eine Freisetzung des radioaktiven Inventars eines Kernkraftwerks zu verhindern, werden besondere Anforderungen an dessen Sicherheit gestellt.
Bau und Betrieb von Kernkraftwerken unterliegen in Deutschland strengen gesetzlichen Bestimmungen. Grundlage sind das Atomgesetz sowie die atomrechtliche Verfahrens-VO von 1982, die Strahlenschutz-VO in der Fassung vom 30. 6. 1989 (zuletzt geändert 1994), das Strahlenschutzvorsorgegesetz von 1986 sowie die »Leitlinie zur Beurteilung der Auslegung von Kernkraftwerken mit DWR gegen Störfälle im Sinne des § 28 Absatz 3 der Strahlenschutz-VO« (Störfall-Leitlinie) von 1983 (Kernenergierecht). Die Sicherheitskriterien des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit konkretisieren die Anforderungen an die sicherheitstechnische Auslegung von Kernkraftwerken weiter. Das kerntechnische Regelwerk wird vervollständigt durch die Regeln des Kerntechnischen Ausschusses (KTA), die Leitlinien der Reaktorsicherheitskommission (RSK) sowie die kerntechnischen DIN-Normen. Die Genehmigung zu Bau und Betrieb eines Kernkraftwerks darf nur erteilt werden, wenn die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist (§ 7 Atomgesetz). Das Kernkraftwerk muss aus jedem Betriebszustand sicher abgeschaltet und unterkritisch gehalten, die Nachwärme abgeführt werden können und der sichere Einschluss der radioaktiven Stoffe gewährleistet sein. Diese Forderungen werden durch ein tief gestaffeltes Sicherheitssystem erfüllt.
Das Reaktorschutzsystem überwacht die Anlage, erkennt Abweichungen vom Normalzustand, schaltet die Anlage beim Über- oder Unterschreiten bestimmter Grenzwerte (z. B. Druck oder Temperatur des Reaktorkühlmittels) automatisch ab, bevor gefährliche Zustände erreicht werden, und löst weitere Schutzaktionen aus.
Nachwärmeabfuhr:
Ein besonderes Problem ist die noch nach Abschaltung erzeugte Wärme: Zwar ist die Kettenreaktion erloschen, aber die in den Brennstäben eingeschlossenen Spaltprodukte erzeugen durch radioaktiven Zerfall eine beträchtliche Leistung (die Nachzerfallsleistung), die erst nach längerer Zeit abklingt; sie beträgt z. B. zehn Stunden nach Abschaltung des Reaktors noch 1 % der thermischen Leistung. Die dadurch entstehende Nachwärme muss sicher abgeführt werden, da sich sonst der Kernreaktor bis zum Schmelzen erhitzen würde; ein Kernschmelzen wäre die Folge.
Einschluss der radioaktiven Stoffe:
Der Einschluss erfolgt durch mehrere, hintereinander geschaltete Barrieren (Barrierenkonzept), sodass auch beim Versagen einer Barriere keine radioaktiven Stoffe in die Außenwelt gelangen. Die erste Barriere ist der Kernbrennstoff selbst, in dessen Kristallgitter die Spaltprodukte normalerweise bis auf eine geringe Menge gasförmiger und leichtflüchtiger Nuklide zurückgehalten werden. Zweite Barriere ist die gasdichte Hülle der Brennstoffstäbe, dritte Barriere das Reaktorkühlsystem mit dem Reaktordruckbehälter, den Hauptkühlmittelleitungen, Hauptkühlmittelpumpen und den Dampferzeugern. Die vierte Barriere schließlich ist das Containment als gasdichte Umschließung des gesamten Reaktorkühlsystems, beim DWR deutscher Bauart ein kugelförmiger Sicherheitsbehälter aus Stahl, und die fünfte die äußere Stahlbetonhülle des Reaktorgebäudes. Häufig werden Containment und Reaktorgebäude als Spannbetondruckbehälter zu einer Einheit integriert.
Ein für den Betrieb von Kernkraftwerken typisches mehrstufiges Sicherheitskonzept unterscheidet vier Sicherheitsebenen: 1) Die erste Ebene ist der Normalbetrieb einschließlich aller Maßnahmen zur Vermeidung von anomalen Betriebszuständen. Zu diesen Maßnahmen gehören eine hohe Qualität der Bauteile, die sichere Überwachung des Betriebs, regelmäßige wiederkehrende Prüfungen, eine sorgfältige Wartung der Anlage und Schulung des Betriebspersonals (die heute v. a. auf anlagenspezifischen Kernkraftwerksimulatoren erfolgt) sowie ein umfassendes Qualitätsmanagement bei der Errichtung und während des Betriebs eines Kernkraftwerks. 2) Die zweite Ebene umfasst die Maßnahmen zur Beherrschung von Betriebsstörungen durch ein inhärent sicheres, d. h. ausschließlich auf physikalischen Gesetzen beruhendes Betriebsverhalten (Selbstregelverhalten) und durch automatisch wirkende Begrenzungseinrichtungen; bei Ausfall einer Hauptkühlmittelpumpe wird z. B. die Leistung automatisch reduziert, sodass keine unzulässigen Temperaturen im Primärkreis auftreten. 3) Die dritte Ebene betrifft die Beherrschung von Störfällen durch diverse Sicherheitseinrichtungen. Ein Störfall ist ein Ereignisablauf, bei dessen Eintreten der Betrieb der Anlage nicht fortgeführt werden kann, für den die Anlage aber ausgelegt ist und für dessen Eintreten Schutzvorkehrungen vorgesehen sind. Dabei werden die Auslegungsstörfälle mithilfe von Sicherheitsanalysen definiert. In Betracht gezogen werden hierfür denkbare Ereignisse, wie Kühlmittelverluststörfälle, Speisewasser- und Frischdampfleitungsbrüche, Reaktivitätsstörung im Reaktorkern, sowie Einwirkungen von außen, wie Erdbeben, Flugzeugabsturz und Explosionsdruckwellen. Der Bereich der so genannten auslegungsüberschreitenden Störfälle oder Unfälle bestimmt im Wesentlichen das verbleibende Restrisiko, das von der Allgemeinheit getragen wird. 4) In diesem Bereich dienen als vierte Ebene anlageninterne Notfallschutzmaßnahmen (englisch accident management measures, Abkürzung AMM) der Reduzierung des Restrisikos. Solche Maßnahmen werden von den Betriebsmannschaften eingeleitet und durchgeführt; sie dienen zur Verhütung und zur Eindämmung von Schäden am Reaktorkern und zum Schutz des Sicherheitsbehälters. Die passiven Sicherheitseinrichtungen sind im Wesentlichen durch die Einrichtungen zum Einschluss der radioaktiven Stoffe gegeben. Zu den aktiven Sicherheitssystemen gehören das Schnellabschaltsystem (Steuerelemente fallen beim DWR durch die Schwerkraft in den Reaktorkern, beim SWR werden sie hydraulisch eingeschossen), die Notkühl- und Nachwärmeabfuhrsysteme, das Notspeisewassersystem sowie die Notstromversorgung. Auslegungsprinzipien für alle Systeme sind Redundanz, d. h. Mehrfachanordnung von Systemen, Diversität, d. h. Nutzung verschiedenartiger physikalischer Prinzipien und räumlicher Trennung (z. B. drei parallele Pumpensysteme, durch Elektro- oder Turbinenantrieb unterschiedlich ausgerüstet und in getrennten Räumen oder Gebäuden untergebracht); außerdem sind das Fail-safe-Prinzip (bei Ausfall geht die Einrichtung in die sichere Stellung) sowie ein hoher, den Menschen entlastender Grad der Automatisierung von grundsätzlicher sicherheitstechnischer Bedeutung.
Literatur: Kernreaktor
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Kernkraftwerk: Energieerzeugung durch Kernspaltung
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Kẹrn|kraft|werk, das: Atomkraftwerk (Abk.: KKW).
Universal-Lexikon. 2012.