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Glas
Becherglas; Wasserglas; Fensterglas

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Glas [gla:s], das; -es, Gläser ['glɛ:zɐ]:
1. <ohne Plural> hartes, sprödes, leicht zerbrechliches, meist durchsichtiges Material:
farbiges, gepresstes Glas; Glas blasen, schleifen; die Ausstellungsstücke sind hinter/unter Glas.
Syn.: 2Kristall.
Zus.: Fensterglas, Isolierglas.
2.
a) gläsernes Trinkgefäß:
sein Glas erheben, leeren; (als Maßangabe) fünf Glas Bier.
Zus.: Bierglas, Likörglas, Schnapsglas, Sektglas, Trinkglas, Wasserglas, Weinglas, Zahnputzglas.
b) (unterschiedlichen Zwecken dienendes) Gefäß aus Glas:
Gläser für Honig, Eingemachtes; Bonbons in Gläsern stehen auf der Theke.
Zus.: Einmachglas, Goldfischglas, Gurkenglas, Marmeladenglas, Zierglas.

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Glas1 〈n. 12u
I 〈unz.〉 Stoff verschiedenster Zusammensetzung, der geschmolzen wird u. beim Abkühlen ohne Kristallisation zu einer lichtdurchlässigen, zerbrechlichen Masse erstarrt, die für Gefäße, Scheiben etc. verwendet wird (benötigten Rohstoffe für die Glasherstellung sind Quarzsand, Soda, Pottasche, Kalkstein, Marmor, Kreide) ● Vorsicht \Glas! (Aufschrift auf Kisten für den Transport von Glas u. a. zerbrechl. Gütern)buntes, farbiges, gefärbtes, milchiges, trübes \Glas; dickes, dünnes, feines, gepresstes, geschliffenes, gesponnenes, splitterfreies \Glas ● \Glas ätzen, blasen, brennen, gießen, pressen, schleifen, ziehen ● Teeservice aus \Glas; geh weg, du bist doch nicht aus \Glas 〈fig.; umg.〉 versperr mir die Aussicht nicht!; ein Bild unter \Glas hinter einer schützenden Glasscheibe; die Kunstgegenstände waren unter \Glas ausgestellt in Glasvitrinen
II 〈zählb.〉
1. Gefäß od. Gerät aus Glas (Augen\Glas, Konserven\Glas, Trink\Glas)
2. 〈kurz für〉 Fernglas, Trinkglas, Opernglas
3. Inhalt eines Glases
● ein \Glas Bier, Orangensaft, Wein; 〈als Mengenbez. nur Sg.〉 bitte zwei \Glas Bier!; ein \Glas Kompott aus dem Keller holen; ein \Glas Marmelade kaufen ● ein \Glas austrinken, füllen, leeren; dem Gast ein \Glas Bier, Wein eingießen, einschenken; sein \Glas in einem Zuge leeren ● ein leeres, halb gefülltes, volles \Glas; du trägst scharfe Gläser Brillengläseraus einem \Glas trinken; durchs \Glas sehen durchs Fern- od. Opernglas; er hat ein bisschen zu tief ins \Glas geguckt 〈umg.〉 er ist leicht beschwipst; ein \Glas mit, voll Milch; er hat ein \Glas über den Durst getrunken 〈umg.〉 er ist leicht beschwipst
[<ahd. glas, engl. glass <germ. *glasa- „Bernstein“; zu idg. *ghel-, *ghele-, ghlo „schimmern“; verwandt mit gleißen, glitzern]
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Glas2 〈n. 27; Mar.〉 halbe Stunde ● es schlägt drei \Glasen 9 Uhr 30 (Zählbeginn morgens 8 Uhr); es schlägt acht \Glasen es schlägt das Ende der alten, zum Beginn der neuen (vierstündigen) Wache [zu dem seemännischen Ausdruck Glas = Sanduhr]

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Glas [ahd. glas = Bernstein]: fester, amorpher, spröder, silicatischer Werkstoff auf der Basis von Siliciumdioxid u. Oxiden von Na, K, Ca, B, Al, ggf. auch Fe, Pb, Mg, Ba; die Dichte beträgt je nach Zus. 2,2–3,0 g/mL. Bei Erwärmung erweicht G. allmählich ( Glasübergangstemperatur) bis zum dünnflüssigen Zustand, aus dem es durch Gießen, Walzen, Ziehen, Pressen u. Blasen verarbeitet werden kann. Im übertragenen Sinn nennt man Acrylglas organisches Glas.

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1Glas , das; -es, Gläser, (als Maß- u. Mengenangabe:) - [mhd., ahd. glas, urspr. = Bernstein; eigtl. = Schimmerndes, Glänzendes, verw. mit gelb]:
1. lichtdurchlässiger, meist durchsichtiger, leicht zerbrechlicher Stoff, der aus einem geschmolzenen Gemisch hergestellt wird u. als Werkstoff (z. B. für Scheiben, Gläser) dient:
[Vorsicht,] G.!;
dünnes, feuerfestes, kugelsicheres, farbiges G.;
G. [zer]bricht, zersplittert, springt leicht;
G. pressen, blasen, schleifen, ätzen;
ein Bild unter, hinter G. setzen [lassen];
Briefmarken, Juwelen unter G. legen;
R du bist nicht aus G.! (ugs.; du nimmst mir die Sicht!).
2.
a) Trinkgefäß aus 1Glas (1):
ein leeres, bauchiges, grünes G.;
ein G. [voll] Bier, Wasser;
ein G. guter Wein/(geh.:) guten Weines;
der Genuss eines G. Wein[e]s/eines -es Wein;
(als Maßangabe) zwei G. Wein;
sie nippte am G.;
den Erfolg mit einem G. Wein begießen;
zu tief ins G. geguckt/geschaut haben (scherzh. verhüll.; zu viel von einem alkoholischen Getränk getrunken haben: der hat wieder einmal zu tief ins G. geguckt);
b) [Zier]gefäß od. Behälter aus 1Glas (1):
venezianisches G. schmückt (venezianische Ziergefäße aus 1Glas 1 schmücken) das Regal;
c) Kurzf. von Brillenglas:
das linke G. ist stärker als das rechte;
er trägt dicke, dunkle Gläser;
d) Kurzf. von Opernglas, Fernglas:
er suchte mit dem G. das Gelände ab.
2Glas , das; -es, -en [niederl. glas, eigtl. = Stundenglas] (Seemannsspr.):
Zeitraum einer halben Stunde:
die Wachzeit von vier Stunden ist in acht -en eingeteilt.

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Glas
 
[althochdeutsch, ursprünglich »Bernstein«],
 
 1) Petrologie: Gesteinsglas, Bezeichnung für vulkanische Gesteine mit nichtkristallinem (amorphem) Gefüge und für die in ihnen enthaltene Glasbasis. Gläser sind durch so rasche Abkühlung und Erstarrung entstanden, dass sich keine oder nur sehr wenige Kristalle (Einsprenglinge, Mikrolithen) ausbilden konnten, z. B. Obsidian und der von Gasbläschen durchsetzte Bimsstein. Manche Gläser besitzen durch lagig-schlierige Pigmentierung oder durch Einregelung einzelner Kristalle eine Fließtextur. Glas und Glasanteile können infolge schneller Abkühlung auch in metamorphen Gesteinen entstehen, u. a. durch Mylonitisierung und Schockwellenmetamorphose.
 
 2) Werkstoffkunde: fester, in seiner überwiegenden Masse nichtkristalliner, spröder anorganischer Werkstoff (aus organischen Stoffen hergestellte Gläser organische Gläser), der keinen definierten Schmelzpunkt besitzt, sondern mit steigender Erwärmung ohne sprunghafte Änderung seiner Eigenschaften in einen weichen und schließlich flüssigen Zustand übergeht. Glas gehört zu den amorphen Körpern; es besitzt eine flüssigkeitsähnliche Struktur (unterkühlte Schmelze), jedoch eine so hohe Viskosität, dass es als fester Körper zu bezeichnen ist (Glaszustand).
 
Zusammensetzung:
 
Der technisch wichtigste Glasbildner ist Siliciumdioxid (SiO2), das in der Natur nahezu rein als Quarz, speziell als Quarzsand, vorkommt. Der Schmelzpunkt dieses Glasrohstoffes liegt jedoch so hoch (über 1 700 ºC), dass aus ihm nur Spezialglas hergestellt wird. Normalerweise wird der Glasschmelzsand mit Soda, Pottasche, Glaubersalz u. a. den Schmelzpunkt erniedrigenden Flussmitteln versetzt (Netzwerkwandler). Ein aus Sand und Soda oder Pottasche allein zusammengesetztes Gemenge schmilzt schon unterhalb von 850 ºC. Das entstehende Glas ist jedoch nicht haltbar; es ist in Wasser löslich (Wasserglas). Es werden deshalb Stabilisatoren (v. a. Erdalkalimetalle sowie Blei und Zink) in Form von Kalkstein (einschließlich Marmor und Kreide), Dolomit, Basalt oder Ähnlichem zugesetzt. Da auch die reinsten Glassande Spuren von Eisen- und Titanoxid enthalten, besitzen alle im Alltag verwendeten Gläser einen mehr oder weniger ausgeprägten Grünstich. Mithilfe von Glasmacherseifen, wie Braunstein (physikalische Entfärbung), Ceroxid, Salpeter, Arsenoxid (chemische Entfärbung), die als »Entfärbungsmittel« der Schmelze zugesetzt werden, kann dieser Grünstich überdeckt werden. Die Hauptbestandteile der Gemenge der meisten industriell hergestellten Flach- und Hohlgläser sind Sand, Soda und Kalk (Kalknatronglas); wird statt Soda Pottasche verwendet, erhält man Kaliglas. Weitere Hauptgruppen neben Kalknatronglas sind Borosilikatgläser und Bleiglas; der Anteil dieser drei Arten am insgesamt erschmolzenen Glas liegt bei rd. 95 %. Sonder- oder Spezialgläser für die Chemie, Medizin, Optik, Elektronik, Elektrotechnik und für den Haushalt sind in ihrer Zusammensetzung sehr unterschiedlich. Einige besitzen einen extrem hohen SiO2-Gehalt, anderen ist eine Vielzahl bestimmter Metalloxide (z. B. Aluminiumtrioxid, Bariumoxid oder Zirkoniumoxid) zugesetzt (Farbgläser, Filterglas, optische Gläser, Trübglas, Glaskeramik, phototropes Glas) beziehungsweise diese besitzen andere Glas bildende Systeme (Phosphatgläser, Oxy-Nitrid-Gläser, Chalkogenidgläser).
 
Schmelzöfen:
 
Kleine Glasmengen, z. B. in der Spezialglasherstellung oder in Mundblashütten, werden in Tiegeln (aus Platin, Quarzgut, hochfeuerfester Keramik) und Häfen (hochfeuerfeste Keramik) mit Fassungsvermögen von einigen Hundert Gramm bis zu 2 000 kg erschmolzen. Größere Mengen stellt man in kontinuierlich arbeitenden, aus feuerfesten keramischen Steinen aufgemauerten Schmelzwannen her, die je nach ihrer Größe sowie je nach Zusammensetzung und Qualität des Glases etwa 700 kg bis 800 t Glas pro Tag liefern. Schmelzwannen für optische Gläser sind meist in der Läuterzone mit Platin ausgekleidet.
 
Das Tiegelschmelzen wird meist in elektrisch beheizten Öfen durchgeführt; Platintiegel werden auch durch Mittel- oder Hochfrequenz induktiv erhitzt. Hafenöfen enthalten meist mehrere durch Gas/Luft- oder Öl/Luft-Flammen beheizte Schmelzhäfen. Das Gemenge wird portionsweise in die vorerhitzten Schmelzgefäße eingegeben; nach beendetem Schmelzvorgang wird das Glas aus dem Gefäß gegossen oder mit der Glasmacherpfeife entnommen. - In die Glasschmelzwannen lässt sich das Gemenge an einem Ende (»Doghouse«) einlegen und am anderen Ende das durchgeschmolzene Glas kontinuierlich abziehen. Zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit leitet man in größeren Hafen- und Wannenöfen die heißen Abgase durch ein Gitterwerk feuerfester Steine. In etwa halbstündigem Wechsel werden Gas- und Luftzufuhr umgekehrt, und die Luft wird durch die im Gitterwerk gespeicherte Wärme vorerhitzt (Regenerativverfahren). In speziellen Fällen verwendet man elektrisch beheizte Wannenöfen, wobei über Elektroden aus Molybdän oder halbleitendem Zinnoxid oder durch wassergekühlte Platin- oder Wolframelektroden Wechselstrom durch die Schmelze geschickt wird.
 
Schmelzvorgang:
 
Die gemahlenen, nach genau berechneten Gewichtsanteilen (Gemengesatz) eingewogenen, meist mit Glasscherben versetzten Rohstoffe werden gemischt, und das Gemenge wird in einen Tiegel oder Hafen oder in eine Wanne eingelegt. Die niedrigschmelzenden Gemengebestandteile greifen den höherschmelzenden Sand an, wobei sich Alkali- und Erdalkalisilikate bilden. Zugleich entweichen die aus den Rohstoffen freigesetzten Gase, z. B. Kohlendioxid (CO2) aus den Carbonaten. Am Ende dieser Rauschmelze liegt eine inhomogene, stark schlierige und blasenreiche Schmelze vor. Im Verlauf des anschließenden Läutervorganges, der Blankschmelze, wird die Schmelze von allen sichtbaren Einschlüssen, besonders den Gasblasen, befreit. Dies geschieht z. B. durch Zugabe von Läuterungsmitteln (z. B. Glaubersalz und Salpeter zur chemischen Läuterung); sie führen zur Bildung großer Sauerstoffblasen, die die kleinen Blasen in sich aufnehmen, schnell aufsteigen und aus der Schmelze austragen. Die Gasblasen setzen die Schmelzmasse in Bewegung und dienen der Homogenisierung der Schmelze. Der Blasenauftrieb erfordert eine hinreichend niedrige Viskosität der Glasschmelze, d. h. hohe Temperaturen (1 400 - 1 600 ºC je nach Glasart, physikalische Läuterung); bei etwa 1 250 ºC ist das Glas bereits zu zäh, um noch Blasen entlassen zu können; bis dahin muss die Läuterung vollendet sein. Die Verarbeitung des Glases ist erst bei 900-1 200 ºC möglich; man muss das Glas also noch etwas abkühlen oder abstehen lassen.
 
Schmelzfehler:
 
Es gibt eine Reihe von Schmelzfehlern, die beim fertigen Produkt sichtbar sind und sich auf seine Qualität negativ auswirken. Schlieren entstehen durch ungleichmäßige Glaszusammensetzung; durch die unterschiedlichen Brechzahlen werden sie als durchsichtige Streifen oder Fäden sichtbar. Missfärbungen gehen auf Verunreinigungen der Rohstoffe oder ungenügende Entfärbung der Schmelze zurück. Blasen, d. h. meist gasgefüllte Hohlräume in Glasgegenständen, können durch unvollständige Entfernung von Restgasen des Schmelzprozesses oder Gasabgabe bei Reaktionen der Schmelze mit feuerfestem Material oder Fremdkörpern entstehen sowie beim Wiedererhitzen (englisch reboiling) von Glasgegenständen.
 
Durch lokale chemische oder thermische Störungen können Kristalle im Glas auftreten, die die Durchsichtigkeit beeinträchtigen oder ganz aufheben, oft auch von Rissbildungen begleitet sind. Eine derartige Entglasung zeigt sich in Form von sichtbaren nadel- oder kugelförmigen Gebilden (»Steinchen«) oder aber solchen, die dem bloßen Auge als leichte Trübungen oder Flocken erscheinen und erst unter dem Mikroskop ihre Kristallstruktur offenbaren. Sie bestehen meist aus Silikaten verschiedener Art. Sie können durch in die Schmelze geratene Partikel der Wannen- oder Häfenwände verursacht werden oder entstehen bei zu langem Abstehenlassen oder wiederholtem Erwärmen. Entglasungsgefahr besteht in der Regel bei Temperaturen um 1 000 ºC, wobei Kristallwachstums- und Keimbildungsgeschwindigkeiten für diesen Prozess die bestimmenden Größen sind.
 
Formgebung:
 
Während der Schmelzprozess für alle Glasarten gleich oder ähnlich verläuft, wird Glas auf ganz verschiedene Arten verarbeitet. Glaserzeugnisse lassen sich nach ihrer Form grob in Flach-, Hohl- und Sondergläser unterteilen. Die Formgebung des zähflüssigen Glases kann durch Blasen, Ziehen (z. B. Glasrohre, Tafel- oder Fensterglas), Gießen und Walzen mit gegebenenfalls daran anschließendem Planschleifen und Polieren (z. B. Gussglas, Spiegelglas), Pressen (z. B. Pressglas, Glasbausteine) oder durch Schleudern (z. B. Kolben von Fernsehröhren) erfolgen. - Das älteste Verfahren zur Herstellung von Glas ist das Mundblasverfahren (Glasblasen). Automatische Glasverarbeitungsmaschinen, z. B. in der Flaschenherstellung, arbeiten nach maschinellen Blasverfahren, z. B. Press-Blas-Verfahren und Blas-Blas-Verfahren. Rundläufermaschinen, bei denen der zweistufige Formgebungsprozess in einer Hintereinanderschaltung in den einzelnen Stationen abläuft, wurden durch IS-Maschinen (Abkürzung für Individual section) mit einer Parallelschaltung des Formgebungsprozesses verdrängt. Das Senkrechtziehverfahren (entwickelt von Émile Fourcault, * 1862, ✝ 1919) benutzt eine an der Schmelze befindliche Schamottedüse, durch die das Glasband stetig nach oben in einen senkrechten Schacht gezogen wird. Das Glas wird im Ziehschacht durch mechanisch angetriebene Walzenpaare hochgezogen, dabei spannungsfrei gekühlt und auf der Schneidbühne am oberen Ende des Schachtes auf die gewünschten Längen geschnitten. Beim Waagrechtziehverfahren oder Libbey-Owens-Verfahren (entwickelt von Irvina W. Colburn, * 1861, ✝ 1917) wird das Glas senkrecht aus der freien Oberfläche der Schmelze gezogen. Führungsrollen zu beiden Seiten verhindern, dass sich das noch plastische Glasband infolge der Oberflächenspannung zum Strang zusammenzieht. Das Glasband wird dann über eine gekühlte Stahlwalze umgelenkt und in einen waagerecht angeordneten Ziehkanal gezogen und spannungsfrei gekühlt. Beim Pittsburgh-Verfahren, einer Kombination aus Senkrechtzieh- und Waagrechtziehverfahren, verzichtet man auf die Ziehdüse und lässt das Glasband in vertikaler Richtung weiterlaufen.
 
Bei den Walzverfahren wird die Schmelze zwischen zwei rotierenden Walzen geformt. Ornamentglas wird durch profilierte Walzen, Drahtglas durch gleichzeitiges Einführen von Drahtgeflechten hergestellt. Anschließendes Schleifen und Polieren erzeugt die glatte Oberfläche von Spiegelglas.
 
Beim Floatverfahren (Floatglas) erstarrt die Schmelze auf der Oberfläche einer Zinnschmelze, wobei Oberflächenspannung und Eigengewicht zu einer planparallelen Scheibe mit der Gleichgewichtsdicke von 4-5 mm führen. - Bei der Herstellung von Hohlglas durch Pressen wird in den Unterteilen der Form der Glasposten eingebracht, der dann durch den Stempel seine endgültige Form erhält. Das Schleudern, z. B. von großen und schweren Hohlkörpern, erfolgt nach dem Zentrifugenprinzip und beruht auf dem Effekt, dass sich in einer mit ausreichend hoher Drehzahl rotierenden Flüssigkeit eine Oberfläche in Form eines Rotationsparaboloids mit entsprechendem Hohlraum bildet. An die Formgebung des Glases schließt sich die Kühlung an. Eine gesteuerte, kontrollierte Kühlung hat den Zweck, thermische Spannungen, wie sie durch das unterschiedlich schnelle Erkalten der Glasgegenstände an der Oberfläche und im Inneren entstehen, auszugleichen. Das Glas wird dazu zunächst auf Entspannungstemperatur gebracht, danach erfolgt die Kühlung meist in kontinuierlich arbeitenden Kühlöfen oder -kanälen. Glasfasern werden nicht gekühlt. Glaskeramik, Anlaufgläser und phototrope Gläser werden nach dem Kühlen einer zusätzlichen Wärmebehandlung unterworfen. Bei der Glaskeramik vollzieht sich dadurch eine gesteuerte Entglasung.
 
Gekühlte Glasgegenstände können durch Schneiden, Bohren, Fräsen, Schleifen, Polieren, Kleben, Löten, Verschmelzen, Biegen, Vorspannen, Ätzen, Blasen, Gravieren, Mattieren, Bemalen, Verspiegeln weiterverarbeitet und veredelt werden.
 
Glaseigenschaften:
 
Strukturell gesehen besteht Glas aus einem unregelmäßig räumlich verketteten Netzwerk bestimmter molekularer Bauelemente (z. B. SiO4-Tetraeder), in das große Kationen eingelagert sind. Die Dichte von Glas beträgt zwischen 2,2 g/cm3 (für Kieselglas) bis etwa 7 g/cm3 (für hochbleihaltiges Glas). Die Ritzhärte beträgt 5-7 (nach Mohs), die Druckfestigkeit 600-1 200 Norden/mm2, die Zugfestigkeit 10 bis über 1 000 N/mm2 je nach Oberflächenbeschaffenheit und Vorspannung. Glas besitzt keinen definierten Schmelzpunkt. Bei hoher Temperatur ist es dünnflüssig und wird bei sinkender Temperatur zäher, bis es unterhalb des Transformationsbereichs (400-600 ºC) nicht mehr plastisch verformbar ist. Die Wärmeleitfähigkeit ist gering, sie liegt zwischen 0,8 und 1,3 W/(m · K); der lineare Wärmeausdehnungskoeffizient beträgt (6 · 10-7 bis 150 · 10-7 K-1. Bei rascher einseitiger Erwärmung oder Abkühlung kann es in dickeren und farbigen Gläsern zu hohen Temperaturspannungen kommen.
 
Glas ist meist unempfindlich gegen den Angriff von Chemikalien, mit Ausnahme der Flusssäure (Fluorwasserstoff). Die Glasoberfläche wird außerdem durch längere Einwirkung von Laugen sowie von Kalk- und Zementmörtel angegriffen. Frisches Glas kann auch durch Tauwasser »blind« werden, was v. a. beim Transport und Lagern von Bauglas beachtet werden muss. Die Brechzahl von Glas liegt zwischen 1,46 und 2,5 (Arsensulfid-Glas), die Abbe-Zahl zwischen 15 und 110. Farblose Gläser besitzen für Lichtstrahlen (Wellenlänge 400-760 nm) eine hohe Durchlässigkeit, desgleichen auch für Infrarotstrahlen (Wellenlänge 760-3 000 nm), was zu einer übermäßigen Raumlufterwärmung bei großflächig verglasten Räumen führen kann. Glas ist ein guter elektrischer Isolator (spezifischer elektrischer Widerstand 108-1016 Ωm), zum Teil jedoch ganz schwach ionenleitend; Spezialgläser können aber auch elektronenleitend sein.
 
Wirtschaft:
 
1994 waren in Deutschland 362 Unternehmen in der Glasindustrie tätig, die mit 70 470 Beschäftigten einen Umsatz von 13,8 Mrd. DM erzielten.
 
Die Glasindustrie umfasst folgende Erzeugnisgruppen der Glasbearbeitung und -Veredelung: Behälterglas (21,7 %), Mineralfasern (15,4 %), Gebrauchs- und Spezialglas (9,5 %), Flachglas (8,8 %) sowie Bleikristall- und Wirtschaftsglas (8,5 %). Mengenmäßig wurden 1994 in Deutschland produziert: 1,69 Mio. t Flachglas, davon der überwiegende Anteil Float-Glas für Fenster und Automobilgläser, 4,4 Mio. t Hohlglas, darunter 3,4 Mio. t Getränkeflaschen, 0,7 Mio. t Konservenglas, 0,4 Mio. t Medizin- und Verpackungsglas. Im Außenhandel wurde ein Exportüberschuss von rd. 900 Mio. DM erzielt.
 
Für das Recycling von Altglas sind in Deutschland rd. 70 000 Glascontainer aufgestellt, mit denen flächendeckend rd. 97 % der Bevölkerung erreicht werden. Aus den 1992 gesammelten 2,2 Mio. t Altglas konnten über 50 % der Flaschen- und Konservengläsererzeugung gedeckt werden, wobei im Grünglas 90 % Scherbeneinsatz als normal angesehen wird.
 
 Glaskunst
 
Altertum:
 
Die Entwicklung der Glastechnik hat die Kunstgeschichte des Glases wesentlich geprägt. Aber auch die Ziele beeinflussten die technische Entwicklung, zunächst der Wunsch, opake Edelsteine wie Malachit, Türkis, Lapislazuli oder Opal nachzuahmen. Reine Glasgegenstände (Glasperlen in verschiedenen Formen, Nadelköpfchen) kommen seit dem frühen 3. Jahrtausend v. Chr. in Mesopotamien und Ägypten vor (vorher wurde bereits die Glasur angewendet). Sie wurden, wie später auch die Siegel, aus Glasstäben geschnitten, nachträglich wurden zum Teil Glasfäden aufgelegt. Das Glas des Altertums ist bis über die Mitte des 1. Jahrtausend v. Chr. hinaus Natrium-Calcium-Glas oder Kalium-Calcium-Glas; das Gemenge aus Quarzsand, Kalk, Soda (Natriumcarbonat) oder - in Mesopotamien - Pottasche (Kaliumcarbonat) sowie Mineralen zur Erzeugung der Farbe wurde bei 1 100 ºC geschmolzen und bei 900 ºC verarbeitet. Ausgangspunkt der Glasherstellung war wohl Nordmesopotamien (Ninive und Nusi). Vom 16. Jahrhundert v. Chr. an treten die ersten Gefäße auf, kleine Fläschchen, die in Sandkerntechnik hergestellt wurden: Ein mit Stoff umwickelter tonhaltiger, feuchter Sandkern an einem Metallstab wurde in das flüssige Glas getaucht und unter Drehen wieder herausgezogen. Den erneut erhitzten Glaskörpern wurden verschiedenfarbige Glasfäden aufgelegt und diese durch Rollen auf ebener Fläche eingepresst. Es kamen auch Riefelungen vor, wohl mittels Metallstäben. Henkel, Füße und Lippe wurden angesetzt. Seit Mitte des 2. Jahrtausend v. Chr. traten vereinzelt auch Plaketten und kleine Reliefplatten auf, die in offenen Terrakottaformen gegossen wurden. In Ägypten wurden außerdem kleine Figuren oder Köpfe gegossen (kostbare Amulette oder Uschebtis) sowie Glasblöcke durch Bohrung und Schliff zu Gefäßen verarbeitet. In der minoischen Kultur entstanden unabhängig Ende des 16. Jahrhunderts reich ornamentierte Plättchenperlen, Kleinplastik und auch Gefäße (Schale von Kakovatos in Elis); sie wurden in offenen Steatitformen gegossen. Vereinzelt trat durchsichtiges hellgrünes Glas schon im 2. Jahrtausend v. Chr. auf (Eschnunna, Glasrohling, etwa 2000; Ägypten, Grabschatz des Tut-ench-Amun, 14. Jahrhundert). In Dur-Untasch dienten Glasstäbe zur Dekoration der Tore des Tempelturms (13. Jahrhundert). Während es in Ägypten nach 1100 v. Chr. zum Niedergang der Glasmacherei kam, erlebte die Glaskunst in Assyrien im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. einen Höhepunkt. Technisch wurde nun die Hohlformtechnik angewendet. Für die meist dickwandigen Gefäße wurde hellgrünes oder blau eingefärbtes durchsichtiges Glas bevorzugt. Die Gläser in verlorener Form wurden in der achaimenidischen Kunst in Persien und erneut unter den Sassaniden zu neuer Blüte gebracht. Die Phöniker trieben offenbar Handel mit Glaswaren in ägyptisierendem Stil aus eigener Erzeugung (Fund von Aliseda, Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr.; Madrid, Museo Arqueológico Nacional). In der Hallstattzeit lag im Südostalpenraum (Slowenien) ein bedeutendes Glaszentrum (Perlen, Reife), später gab es in Mitteleuropa verschiedene keltische Zentren (La-Tène-Zeit). Im Mittelmeerraum lieferte Aquileja im 6.-4. Jahrhundert v. Chr. ein gestreiftes Glas für Metalleinlagen. Allgemein wurde seit dem 7./6. Jahrhundert v. Chr. die Glasherstellung im östlichen Mittelmeerraum wieder belebt (Sandkerngefäße). In Alexandria entstand besonders unter den Ptolemäern (4.-1. Jahrhundert v. Chr.) ein wichtiges Zentrum der Glaskunst. Die 60 cm hohe alexandrinische Glasamphora aus Olbia (um 200 v. Chr.; Berlin, Antikenmuseum) wurde in zwei Teilen über Tonkern geformt. Auch die komplizierte Technik des Millefioriglases wurde angewendet (und vermutlich auch hier entwickelt), ebenso gab es Goldgläser, Überfangglas, Hochschnittgläser, Diatretglas, Gläser mit Glasauflage, bemalte, fast durchsichtige Gläser u. a. Das alexandrinische Glas beeinflusste die gesamte hellenistische Welt (Fund von Begram mit rd. 180 Glasgefäßen des 2. und 3. Jahrhunderts, Kabul, Museum). Bleihaltiges und wasserklares Glas ist seit alexandrinischer Zeit häufiger vertreten; erstmals wurde es wohl in Assyrien um 200 v. Chr. hergestellt (es differiert in der Zusammensetzung jedoch zum heutigen Kristallglas). Eine weitere künstlerische Anwendung fand Glas seit hellenistischer Zeit in der Mosaikkunst.
 
Antiken Schriftstellern zufolge entwickelte sich an der syrischen Küste (Sidon) eine effiziente Glasindustrie, weil die Reinheit des Sandes beste Voraussetzungen bot. Hier soll um Christi Geburt das Glasblasen erfunden worden sein, was wohl schon in die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. zu datieren ist. Das Glas wurde zunächst in tönerne Formen geblasen (»formgeblasenes Glas«), später wurde daneben auch frei geblasene Ware oder optisch geblasene (nach Einblasen in eine Form zur Aufnahme eines Musters frei ausgeblasene) Ware hergestellt. Auch das Aufschmelzen von gepressten Glasteilen (Medaillons u. a.) auf geblasenes Glas dürfte hier schon früh entwickelt worden sein. Die in Sidon in Tonformen geblasenen kostbaren reliefierten Gläser wurden signiert. Die Glasmacherpfeife war die sich revolutionär auswirkende Voraussetzung für die Glasproduktion der römischen Zeit, sie ermöglichte die Herstellung von Gebrauchs- wie von Luxusgefäßen aus Glas. Neben den östlichen Zentren Sidon, Tyros und Alexandria entstanden, oft wohl durch Zuwanderung syrischer oder alexandrinischer Glasmacher, viele Manufakturen in Italien (Rom, Puteoli, nördliche Adriaküste), im Rheinland, in Gallien, später auch in England und Spanien. Hauptwerke augusteischer Zeit sind die Kameogläser (z. B. Portlandvase und die Neapler Amphore) und ein 5 cm hoher Augustuskopf (Köln, Römisch-Germanisches Museum). Im 1. Jahrhundert n. Chr. waren im gesamten Römischen Reich die Rippenschalen verbreitet. Millefioriglas wurde anscheinend aus den östlichen Provinzen (Alexandria) importiert, vielleicht aber auch in Italien (Rom) hergestellt. Auch die Mehrzahl formgeblasener Gläser, v. a. Muschel- und Traubengläser sowie anthropomorphe Gläser, die im kaiserzeitlichen Rom eine beliebte satirische Gattung darstellten, kamen aus dem Osten (Syrien), wurden aber u. a. auch im Rheinland hergestellt. Köln ist speziell für seine Diatretgläser berühmt, auch für Schlangenfadengläser mit spiralig aufgelegten Fäden. Die Konchylienbecher aus dem Rheinland und aus Gallien hatten aufgeschmolzenen Meeresgetierdekor (dazu gehören auch die Delphingläser). Fadenauflage und anderer Besatz (Buckel, Knöpfe) waren im 2.-4. Jahrhundert überall verbreitet; zu den charakteristischen Erzeugnissen rheinischer Nuppen- und Fadenauflagegläser gehören auch die Trinkhörner. Die Blütezeit der Goldgläser war das 4. und 5. Jahrhundert, sie wurden v. a. in Rom und Alexandria hergestellt; Köln war auf Goldgläser mit Goldblatteinlage im Gefäßboden spezialisiert (Fondi d'oro). Andere Kostbarkeiten waren Goldbandgläser, bemalte Gläser, das Emailglas, das Fadenglas, gravierte (geschliffene) oder geschnittene Gläser (Hochschnitttechnik), die ebenfalls in Köln zu einem Höhepunkt geführt wurden. In der byzantinischen Kunst wurde die römische Glaskunst tradiert. Werkstätten bestanden in Konstantinopel, in Italien (nördliche Adriaküste), in Syrien, Ägypten, auf dem Balkan (Serbien, Bulgarien), in Griechenland, Südrussland, auf Zypern und in Armenien.
 
Islamische Glaskunst:
 
Glas wurde am Bau gelegentlich nach byzantinischem Vorbild als Mosaik verwendet sowie zur Schließung von durchbrochenen Stuckfenstern. Wichtige Produktionszentren für Glasgefäße waren im 8.-9. Jahrhundert Bagdad, Basra, Samarra, im 12. Jahrhundert Rakka und Tyros, im 13.-14. Jahrhundert Aleppo und Damaskus. Die byzantinischen (Syrien, Ägypten) und sassanidischen (Iran, Irak) Traditionen der Glastechnik wurden weitergeführt. Die Bemalung mit Silber (Lüstertechnik) ist in Ägypten seit dem 8. Jahrhundert nachzuweisen und erlebte im 9.-11. Jahrhundert eine Blüte; begehrt waren die syrischen Goldemailgläser (13.-14. Jahrhundert); chinesische Motive treten ab etwa 1285 auf. Eigene Formen islamischer Glasarbeiten stellen Moscheeampeln (wohl in Syrien bis ins 14. Jahrhundert hergestellt, dann in Murano), Stangengläser, Rosenwasserspritz- und Pilgerflaschen dar, in Ägypten genormte Glasgewichte. Im frühen 17. Jahrhundert nahm die Glaskunst im safawidischen Persien mit dünn geblasenen Gläsern einen neuen Aufschwung (Schirasgläser); zum Teil dienten Fadenauflage, Email- und Kaltmalerei dem Dekor.
 
Europa seit dem Mittelalter:
 
Die merowingisch-fränkische Glasproduktion nahm die römische Tradition auf. Die ergiebigsten Glashütten lagen in waldreichen Gegenden an der Maas. Häufigste Glastypen waren Sturzbecher und Trinkhörner mit einfacher Riefelung oder Fadenauflage und Rüsselbecher aus naturfarbenem Glas. Im hohen Mittelalter war zunächst die Glasmalerei der Kirchenfenster die Hauptaufgabe der Glaskunst. Daneben entstanden in den Waldhütten der Klöster Gebrauchsgläser wie Becher, kleine Schalen und Flaschen (Krautstrunk, Maigelein, Kuttrolf) in grünlichem oder bräunlichem Waldglas. Auch dünnwandige Becher aus farblosem, blau gefasstem Glas sowie Schalen und Flaschen aus gelbem, smaragdgrünem oder rotem Glas sind erhalten. In Venedig begann unter dem Einfluss der islamischen Glaskünstler im 14./15. Jahrhundert die eigentliche Entwicklung des europäischen Kunstglases. Eine verfeinerte Glasmasse (»Cristallo«) sowie Farb- und Achatglas wurden hergestellt, die Millefioritechnik wieder entdeckt. Netzglasherstellung, Emailmalerei (Emailglas) und Diamantriss erreichten im 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Auch in anderen europäischen Glashütten wurde nach venezianischer Art (»Façon de Venise«) gearbeitet. Niederländische Werkstätten kopierten besonders venezianische Flügelgläser; 1575 erhielt der Venezianer Giacomo Verzelini (* 1522, ✝ 1606) in England ein Monopol für die Herstellung von Gläsern in venezianischem Stil. Von Venedig übernahm Deutschland die Technik der Emailmalerei. Im 17. Jahrhundert wurde der Glasschnitt, ausgehend von Prag, sehr beliebt. Er wurde v. a. in Böhmen, Schlesien, Nürnberg und Hessen gepflegt, während in den Niederlanden der Diamantriss eine Blüte erlebte. Ab 1679 stellte die Potsdamer Glasmanufaktur das von J. Kunckel erfundene Rubinglas her. Zu den luxuriösesten Glastypen gehörte im 18. Jahrhundert das in einem aufwendigen Verfahren hergestellte Zwischengoldglas (Goldgläser). In ähnlicher Weise wurden auch Gläser mit Medaillons, Porträts u. Ä. hergestellt (Mildnergläser). Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts wurde in England die Technik des Glasschliffs ausgebildet. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stellte man bemaltes Milchglas als Nachahmung von Porzellan her. Die Biedermeierzeit bevorzugte Glas aus mehreren Schichten (Überfangglas) mit Schnittdekor sowie Farb- und Steinglas (Lythyalin-, Hyalit-Glas), das mit Gold, Email- und Transparentfarben bemalt wurde (Mohngläser). Becher waren die häufigste Glasform, Porträtmedaillons ein beliebter Dekor. Die Glaswerkstätten lagen vorwiegend in Böhmen, Sachsen und im Gebiet des heutigen Österreich. Das 1825 in den USA entwickelte Pressglasverfahren wurde bald auch in Europa eingeführt. Dem Historismus gelang mit seinen Versuchen, antikes, islamisches, indisches und chinesisches Glas zu imitieren, die Wiederentdeckung verloren gegangener Techniken. Maßgebend hierfür waren die Firmen Lobmeyr in Wien und Brocard in Paris. Als ihre Erben können die auf der Grundlage der restituierten Techniken arbeitenden Glaskünstler des Jugendstils und der Art nouveau gelten, besonders É. Gallé in Nancy, an dessen Arbeiten die Manufaktur Daum anknüpfte, sowie L. L. Tiffany in Amerika, der Glas mit irisierendem Lüstereffekt (Favrile-Glas) herstellte, das vielfach nachgeahmt wurde. In Deutschland und Österreich entwarfen Mitglieder der Darmstädter Künstlerkolonie und der Wiener Werkstätten individuell gestaltete Gebrauchsgläser. Nach den noch vorwiegend von rein künstlerischen Aspekten ausgehenden Glasentwürfen der Art déco (u. a. R. Lalique, Maurice Marinot, * 1882, ✝ 1962) suchten Glasdesigner der Folgezeit nach Formen, die der rationellen Serienfertigung angemessen sind: T. Sarpaneva, T. Wirkkala, B. Wiinblad in Skandinavien, W. Wagenfeld, R. Süssmuth in Deutschland. P. Venini in Italien arbeitete mit traditionellen Techniken. In den 60er-Jahren setzte allgemein eine Wiederbelebung der handwerklichen Tradition ein. An dieser von den USA ausgehenden »Studio«-Bewegung nahmen neben westeuropäischen Ländern auch die Tschechoslowakei, Polen, Ungarn und Japan teil. Im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten steht nicht nur das künstlerisch gestaltete Hohlglas, sondern auch das plastische, funktionsfreie Objekt.
 
Ostasien:
 
Über die Seidenstraße gelangte im 7. Jahrhundert die Glasblastechnik nach China, wo Glas seit Mitte des 1. Jahrtausend v. Chr. in Formen gegossen und wie Edelsteine bearbeitet wurde. In der Hanzeit entstanden Glaskugeln, Glasgefäße u. a. Glasnachbildungen von Jadekleinkunst, außerdem Glasplättchen für Metalleinlegearbeiten. Im 6. bis 12. Jahrhundert blühte eine selbstständige japanische Kleinkunst aus Glas. Auch sassanidisches und frühislamisches Glas gelangte in den Fernen Osten, bis nach Japan.
 
Literatur:
 
K. J. Lamm: Mittelalterl. Gläser u. Steinschnittarbeiten aus dem nahen Osten, 2 Bde. (1929-30);
 
Glass and glassmaking in ancient Mesopotamia, hg. v. A. L. Oppenheim u. a. (Corning, N. Y., 1970);
 J. Philippe: Le monde byzantin dans l'histoire de la verrerie (Bologna 1970);
 H. Kühne: G. In: Reallex. der Assyriologie, hg. v. E. Ebeling, Bd. 3 (1971);
 M. A. Bezborodow: Chemie u. Technologie der antiken u. mittelalterl. Gläser (a. d. Russ., 1975);
 H. Scholze: G. Natur, Struktur, Eigenschaften (21977);
 
500 Jahre G.-Kunst, bearb. v. B. Klesse u. a. (a. d. Engl., Zürich 1978);
 C. Schack: Die G.-Kunst (Neuausg. 1979);
 W. Spiegl: G. des Historismus (1980);
 O. Drahotová: Europ. G. (a. d. Tschech., 1982);
 
Gebrauchs-G., bearb. v. T. Dexel (21983);
 F. Mehlman: G. (a. d. Engl., 1983);
 G. E. Pazaurek u. W. Spiegl: G. des 20. Jh. (1983);
 
G. in Schweden 1915-1960, hg. v. H. Ricke (Ausst.-Kat. 1986);
 F. R. Paturi: Die Gesch. vom G. (Aarau 1986);
 S. Persson: G. (a. d. Schwed., 1986);
 V. Arwas: G. Vom Jugendstil zum Art Déco (a. d. Engl. 1987);
 E. Baumgartner u. I. Krueger: Phönix aus Sand u. Asche. G. des MA. (1988);
 
G. der Caesaren, bearb. v. D. B. Harden u. a. (Mailand 1988; Ausst.-Kat. Röm.-German. Museum Köln).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Glas: Der transparente Werkstoff
 

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1Glas, das; -es, Gläser, (als Maß- u. Mengenangabe:) - [mhd., ahd. glas, urspr. = Bernstein; die Germanen benannten das von den Römern zunächst in Form von Perlen u. Schmuck eingeführte Glas mit ihrem heimischen Wort für „Bernstein“, da auch der Bernstein fast ausschließlich in Form von Schmuck gehandelt wurde; eigtl. = Schimmerndes, Glänzendes, verw. mit ↑gelb]: 1. <o. Pl.> lichtdurchlässiger, meist durchsichtiger, leicht zerbrechlicher Stoff, der aus einem geschmolzenen Gemisch hergestellt wird u. als Werkstoff dient (z. B. für Scheiben, Gläser): [Vorsicht,] G.!; dünnes, feuerfestes, kugelsicheres, farbiges G.; G. [zer]bricht, zersplittert, springt leicht; G. pressen, blasen, schleifen, ätzen; ein Bild unter, hinter G. setzen [lassen]; Briefmarken, Juwelen unter G. legen; Da liegen sie also: Gratiszugaben der Firma „Klüsshenners Eigelb-Margarine“, auf rotem Samt unter dickem G. in unserem Heimatmuseum (Böll, Erzählungen 89); R du bist nicht aus G.! (ugs.; du nimmst mir die Sicht!); Ü sie wird G. für mich sein, durch das ich hindurchschaue (Jahnn, Geschichten 141); konnte man meinen, sie sei aus G. (sei zart, zierlich, zerbrechlich; Hausmann, Abel 35). 2. a) Trinkgefäß aus Glas (1): ein leeres, bauchiges, grünes G.; ein G. (voll) Bier, Wasser; ein G. guter Wein/(geh.:) guten Weines; der Genuss eines G. Wein[e]s/eines -es Wein; (als Maßangabe:) zwei G. Wein; Herr Casculade atmete tief und hob sein G. gegen Marinier (Langgässer, Siegel 148); sie nippte am G.; den Erfolg mit einem G. Wein begießen; *zu tief ins G. geguckt/geschaut haben (scherzh. verhüll.; zu viel von einem alkoholischen Getränk getrunken haben): der hat wieder einmal zu tief ins G. geguckt; b) [Zier]gefäß od. Behälter aus Glas (1): bunte Gläser mit Marmelade, Honig und Eingemachtem (Th. Mann, Krull 54); venezianisches G. schmückt (venezianische Ziergefäße aus 1Glas schmücken) das Regal; c) kurz für ↑Brillenglas: das linke G. ist stärker als das rechte; er trägt dicke, dunkle Gläser; seine Gläser (Brille) aufsetzen; er nahm sein G. ab; d) kurz für Fern-, Opernglas: er suchte mit dem G. das Gelände ab; Während des Spiels konnte er sie aus dem Dunkel durch sein G. betrachten, da das Licht von der Bühne auf sie fiel (Th. Mann, Hoheit 141).
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2Glas, das; -es, -en [niederl. glas, eigtl. = Stundenglas] (Seemannsspr.): Zeitraum einer halben Stunde: die Wachzeit von je vier Stunden ist in acht -en eingeteilt.

Universal-Lexikon. 2012.