Belarus
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Weiß|russ|land; -s:
Staat in Osteuropa (amtlich auch: Belarus).
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Weißrussland,
Fläche: 207 595 km2
Einwohner: (2000) 10,4 Mio.
Hauptstadt: Minsk
Amtssprache: Weißrussisch
Nationalfeiertag: 27. 7.
Zeitzone: 1300 Minsk = 1200 MEZ
Bẹlorussland, Bẹlarussland, weißrussisch Bẹlarus, amtlich weißrussisch Respụblika Bẹlarus, deutsch Republik Weißrussland, Binnenstaat in Osteuropa, zum Teil auch zu Ostmitteleuropa gerechnet, mit einer Fläche von 207 595 km2 ist Weißrussland etwa so groß wie die Tschechische Republik, Österreich und die Schweiz zusammen, (2000) 10,402 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Minsk. Das Land grenzt im Norden und Osten an Russland, im Süden an die Ukraine, im Westen an Polen und im Nordwesten an Litauen und Lettland. Weißrussland ist Mitglied der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Amtssprache ist Weißrussisch. Währung: 1 Belarus-Rubel (BYR) = 100 Kopeken. Zeitzone: OEZ (1300 Minsk = 1200 MEZ).
Staat und Recht:
Nach der Verfassung vom 15. 3. 1994 (per Referendum vom 24. 11. 1996 revidiert) ist Weißrussland eine präsidiale Republik. Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der auf fünf Jahre direkt gewählte Präsident (einmalige Wiederwahl möglich). Erhält im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit, ist im zweiten eine Stichwahl zwischen den beiden erfolgreichsten Bewerbern erforderlich. Für beide Wahlgänge ist eine Mindestbeteiligung von 50 % vorgesehen. Ungeachtet dieser Vorschriften hat sich der derzeitige (seit 1994 amtierende) Präsident anlässlich des verfassungsändernden Referendums seine Amtszeit bis 2001 verlängern lassen. Der Präsident, der eine fast uneingeschränkte Alleinherrschaft ausübt, bestimmt die Richtlinien der Politik, ist Inhaber der Notstandsgewalt sowie umfangreicher sachlicher und personeller Entscheidungsbefugnisse, verfügt über ein weit reichendes Verordnungsrecht sowie im Gesetzgebungsverfahren über Initiativ- und Vetorecht. Zur Wahrnehmung der Regierungsgeschäfte steht ihm der Ministerrat unter Vorsitz des Premierministers zur Seite, dessen Mitglieder von ihm ernannt und entlassen werden. Verweigert die Repräsentantenkammer der Ernennung des Premierministers und dessen Regierungs-Programm zweimal die Zustimmung, kann der Präsident einen geschäftsführenden Regierungschef einsetzen und das Parlament auflösen. Der Präsident kann nur wegen Hochverrats oder eines schweren Verbrechens in einem sehr komplizierten parlamentarischen Anklageverfahren des Amtes enthoben werden.
Die Legislative liegt seit 1996 beim Zweikammerparlament (Nationalversammlung; vierjährige Legislaturperiode), bestehend aus Repräsentantenkammer (110 Abgeordnete, nach dem System der absoluten Mehrheitswahl zu bestellen) und Rat der Republik (64 Mitglieder, davon 56 auf Ebene der Gebiete und der Hauptstadt gewählt und 8 vom Präsidenten ernannt). Die derzeitigen Abgeordneten der Repräsentantenkammer wurden allerdings nicht gewählt, sondern vom Präsidenten aus dem Kreis der Mitglieder des 1995 gewählten Obersten Rats bestimmt. Die von der Repräsentantenkammer zu beschließenden Gesetze bedürfen der Zustimmung des Rates der Republik. Ein Veto des Präsidenten kann nur mit Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern überstimmt werden. - Die Zuständigkeit des seit 1994 bestehenden Verfassungsgerichts (zwölf Richter mit einer Amtszeit von elf Jahren, je zur Hälfte vom Rat der Republik gewählt beziehungsweise vom Präsidenten ernannt) beschränkt sich im Wesentlichen auf die abstrakte Normenkontrolle. Eine Verfassungs-Beschwerde ist nicht vorgesehen.
Parteien:
Im Rahmen eines breit gefächerten Parteienspektrums spielen v. a. die Kommunistische Partei Weißrusslands (PKB; 1991 verboten, 1993 wieder legalisiert), die Agrarpartei (AP, gegründet 1994), die Sozialdemokratische Versammlung (BSDH, neu gegründet 1991; 1996 mit der Partei der Volkseintracht [PNS] fusioniert) und die Partei der Volksfront (entstanden 1988 als Bewegung »Adradschennje« [»Wiedergeburt«], seit 1993 als Partei registriert) eine Rolle.
Seit 1990/91 ist in Weißrussland eine national eigenständige, pluralistische Gewerkschaftsbewegung entstanden. Allerdings dominiert bislang die 1990 als Nachfolgeorganisation der ehemaligen sowjetischen Staatsgewerkschaften gegründete Föderation Unabhängiger Gewerkschaften (FPB), der 30 Branchengewerkschaften mit rd. 5,0 Mio. Mitgliedern angehören. Daneben spielen v. a. die aus den Streikkomitees der Jahre 1990/91 hervorgegangene Unabhängige Assoziation der Industriegewerkschaften (rd. 600 000 Mitglieder) und der Kongress Demokratischer Gewerkschaften (gegründet 1993; rd. 25 000 Mitglieder) eine Rolle.
Seit 1996 sind wieder Flagge und Wappen der ehemaligen Weißrussischen SSR ohne die Sowjetsymbole gültig, nachdem 1991-95 eine andere Flagge und ein anderes Wappen verwendet wurden. Das heutige Wappen zeigt zwei umwundene, mit Blumen und Feldfrüchten geschmückte Ährengarben, deren Spitzen oben in einem Stern zusammenlaufen. Sie umgeben einen Ausschnitt der Erdkugel, darüber eine aufgehende Sonne, deren Strahlen vom Landesumriss überlegt sind, unter der Sonne auf einem Schriftband der amtliche Landesname.
Nationalfeiertage:
Auf regionaler Ebene gliedert sich Weißrussland in sechs Gebiete und die Hauptstadt Minsk. Die lokale Ebene besteht aus 118 Rayons (Landkreisen), zu denen Gemeinden (Städte, Siedlungen, Dörfer) gehören, 37 kreisfreien Städten sowie den Bezirken der Hauptstadt.
Die Verwaltungs-Organisation bildet nach dem 1995 grundlegend revidierten Gesetz über die örtliche Verwaltung und Selbstverwaltung vom 20. 2. 1991 eine hierarch., von sowjetischen Traditionen geprägte Einheit. Beschlussorgane in Selbstverwaltungsangelegenheiten sind die Abgeordneten-Räte (in den jeweiligen territorialen Einheiten in absoluter Mehrheitswahl für vier Jahre gewählt). Die Durchführung ihrer Beschlüsse sowie die Wahrnehmung der staatlichen Verwaltungsangelegenheiten obliegen den Exekutivkomitees, deren Vorsitzende als Verwaltungs-Chef fungieren. Die Vorsitzenden der Exekutivkomitees werden auf Gebietsebene vom Staatspräsidenten, sonst vom Vorsitzenden des Exekutivkomitees der jeweils höheren Ebene für fünf Jahre ernannt.
Die ordentliche Gerichtsbarkeit, zuständig für Zivil-, Straf- und Verwaltungssachen, ist dreistufig gegliedert in Gerichte der lokalen Basis- und der regionalen Gebietseinheiten sowie das Oberste Gericht. Der Instanzenzug der Militärstrafgerichtsbarkeit führt von den für mehrere Garnisonen zuständigen Militärgerichten über das Weißrussische Militärgericht ebenfalls zum Obersten Gericht. Eigenständig ist die Wirtschaftsgerichtsbarkeit, die dreistufig aufgebaut ist (Wirtschaftsgerichte der Kreise und Städte, der Gebiete sowie das Höchste Wirtschaftsgericht). Die zentralistisch aufgebaute Staatsanwaltschaft ist nicht nur für Strafverfolgung zuständig, sondern übt auch eine umfassende Rechtsaufsicht über alle Verwaltungs- und Wirtschaftsbereiche aus.
Die Gesamtstärke der Wehrpflichtarmee (Dienstzeit 18, für Hochschulabsolventen 12 Monate) beträgt etwa 75 000 Mann; die Grenztruppen haben eine Stärke von rd. 11 000, die Inneren Truppen von rd. 8 000 Mann. Das Heer (rd. 50 000 Soldaten) ist gegliedert in drei Korps mit je einer Panzerbrigade und zwei mechanisierten Infanteriebrigaden; die Luftwaffe verfügt über rd. 25 000 Mann. Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus etwa 1 700 Kampfpanzern (fast ausschließlich T-72) und etwa 280 Kampfflugzeugen (v. a. MiG-29, MiG-23, Su-27, Su-25). - Weißrussland, das auf militärischem Gebiet eng mit Russland zusammenarbeitet, trat 1995 der »Partnerschaft für den Frieden« der NATO bei.
Landesnatur und Bevölkerung:
Weißrussland liegt im Westen der Osteuropäischen (Russische) Ebene im Einzugsgebiet von Memel, Düna, mittlerem Dnjepr und Pripjet. Die Oberflächenformen werden wesentlich durch die pleistozänen Inlandvereisungen geprägt. Es herrscht der Typ einer glazialen Aufschüttungslandschaft vor mit einer deutlichen Zonierung von Norden nach S. Die Polozker Niederung im äußersten Norden zu beiden Seiten der oberen Düna ist eine von Sanden und Bändertonen erfüllte, vermoorte und seenreiche glaziale Stauseeausfüllung. Nach Süden folgen weitere, von Moränenzügen unterbrochene Ebenen, die von der Höhenzone des Weißrussischen Landrückens begrenzt werden, einer 500 km langen Endmoränenlandschaft (bis 346 m über dem Meeresspiegel), die sich in einzelne, durch die flachen Täler von Beresina und Dnjepr getrennte Höhen gliedert. Weiter im Süden schließen sich bis zum Rand Polesiens aus Sanden und Tonen bestehende glaziale Plattenlandschaften an. Im Einzugsgebiet von Pripjet, Dnjepr und Desna dehnt sich die flache Sumpfregion Polesien aus.
Weißrussland liegt im atlantisch-kontinentalen Übergangsbereich mit relativ milden und feuchten Wintern und kühlen, regnerischen Sommern. Besonders im Winter zeigt sich eine nach Osten fortschreitende Kontinentalität: Bei gleicher geographischer Breitenlage hat Grodno im Westen ein Januarmittel von —5,1 ºC, Minsk im Zentrum von —6,9 ºC, Mogiljow im Osten von —7,5 ºC. Im Sommer sind die Temperaturunterschiede zwischen Norden und Süden nur gering. Die Summe der Jahresniederschläge nimmt von 600-650 mm im Nordwesten auf 550 mm im Südosten ab. Das Maximum der Niederschläge fällt in der warmen Jahreszeit, der Sommer ist deshalb oft trüb und bewölkt. Die hohen Niederschläge bei relativ kühlen Sommern verursachen im Zusammenhang mit der oft gegebenen Undurchlässigkeit glazialer Tonböden die Bildung von Hoch- und Niedermooren, die sich besonders im Nordosten des Landes konzentrieren. Weißrussland ist reich an Oberflächenwasser, repräsentiert in etwa 10 000 Binnenseen, 130 Staubecken und 20 000 großen und kleinen Flüssen.
Rd. ein Drittel der Fläche ist von Wäldern (überwiegend Mischwäldern) bedeckt. Im Norden dominieren als typischer Vertreter der eurasischen Nadelwaldtaiga die Fichten, vergesellschaftet mit Birken; Kiefern sind überall vorherrschend. In einer mittleren Zone treten die Wärme liebenden Hainbuchen neben die Kiefern, noch vor Fichten und Eichen. Besonders Polesien im Süden ist stark bewaldet. Hier kommt an Nadelhölzern nur noch die Kiefer vor, vorherrschend sind Eichen und Hainbuchen. Unter den v. a. in Polesien zahlreichen Moorgebieten überwiegen die Niedermoore an Flussläufen, Seeufern und in flachen Tälern. Hochmoore sind über das ganze Gebiet verstreut. Wichtigstes Naturschutzgebiet ist die Beloweschskaja Puschtscha (Bialowiezer Heide).
Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26. 4. 1986 hatte verheerende Auswirkungen für Weißrussland. Etwa 70 % der radioaktiven Niederschläge gingen über Weißrussland nieder, besonders über dem Südosten des Landes. Allein 40 % der radioaktiven Partikel fielen auf das Gebiet von Gomel; stark betroffen waren ebenso die Regionen südlich von Mogiljow, um Minsk sowie die Flächen zwischen dem Oberlauf des Neman. Etwa die Hälfte des Territoriums der Republik Weißrussland wurde kontaminiert. Bislang wurden etwa 120 000 Menschen aus hoch belasteten Gebieten evakuiert.
Nach der Volkszählung von 1989 bilden mit 77,9 % die Weißrussen den Hauptteil der Bewohner, gefolgt von den Russen mit 13,2 % und den Polen mit 4,1 % sowie kleineren Nationalitäten (Ukrainer: 2,9 %, Juden 1,1 %, Tataren u. a.). Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bevölkerungsmehrheit in den wenigen großen Städten von der jüdischen Bevölkerung gebildet (Minsk 1926: 43,6 % Juden, 40,8 % Weißrussen, 7 % Russen). Die Bevölkerungszahl von Weißrussland stieg 1913-97 trotz großer Menschenverluste während des Zweiten Weltkriegs (etwa 2,7 Mio.) von 6,9 Mio. auf 10,4 Mio. an, jedoch hat sich seit den 1980er-Jahren der Bevölkerungszuwachs stark abgeschwächt. So betrug das mittlere jährliche Bevölkerungswachstum 1985-95 nur noch 0,4 % und 1990-98 0,0 %; 1997 war es sogar leicht negativ (—0,01 %). Von der Bevölkerung waren 1997 21 % bis 14 Jahre, 66 % 15-64 Jahre alt und 13 % 65 Jahre und älter; 73 % der Bevölkerung lebten 1998 in Städten, besonders (Einwohnerzahl von 1996) in Minsk (1,672 Mio. Einwohner), Gomel (Homel'; 500 600 Einwohner), Mogiljow (Magiljoŭ; 366 700 Einwohner), Witebsk (Wisebsk; 356 400 Einwohner), Grodno (Hrodna; 301 800 Einwohner), Brest (293 100 Einwohner) und Bobrujsk (Babrujsk; 226 600 Einwohner). Weißrussland gehört mit 50 Einwohnern je km2 zu den schwächer bevölkerten Staaten Europas. Am dichtesten besiedelt sind die nördlichen, westlichen und östlichen Landesteile, am geringsten Polesien im S. Von den Erwerbstätigen waren 1995 19 % in der Land- und Forstwirtschaft, 36 % in Industrie und Bauwesen sowie 45 % im Dienstleistungsbereich beschäftigt. Der Anteil der Arbeitslosen betrug nach staatlichen Angaben 1998 durchschnittlich 10 %.
Es besteht Religionsfreiheit. Grundlage der staatlichen Religionspolitik ist das 2002 verabschiedete Religionsgesetz, das sich in seinen grundlegenden Bestimmungen am Religionsgesetz Russlands orientiert und der orthodoxen Kirche als Repräsentantin weißrussischer nationaler Identität eine gegenüber den anderen Religionsgemeinschaften herausgehobene Stellung einräumt. Die größte Glaubensgemeinschaft in Weißrussland bildend, gehören der orthodoxen Kirche laut amtlicher Religionsstatistik rd. 72 % der Bevölkerung an. Vom Moskauer Patriarchat 1989 zum Exarchat erhoben, erlangte die orthodoxe Kirche in Weißrussland nach der Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit (1991) als »Weißrussische Orthodoxe Kirche« den Status einer in Fragen ihrer inneren Verwaltung autonomen Kirche. Über 10 % der Bevölkerung gehören der katholischen Kirche an, darunter eine sehr kleine griechisch-katholische Minderheit (1998: elf registrierte Gemeinden), rd. 1 % protestantischer Kirchen und Gemeinschaften (besonders Pfingstler, Baptisten, Adventisten). Die katholische Kirche umfasst das Erzbistum Minsk-Mogiljow (Sitz: Minsk) mit den Suffraganbistümern Grodno und Pinsk. - Die jüdische Gemeinschaft zählt heute (1998) infolge der Auswanderung seit 1989 (Volkszählung: über 110 000 Juden) maximal 30 000 Mitglieder. Die kleine muslimische Minderheit umfasst v. a. in der Sowjetzeit in Weißrussland angesiedelte Tataren.
Seit den 1990er-Jahren ist Weißrussisch Unterrichtssprache und Unterrichtsgegenstand ab der Primarstufe. Die Lehrpläne zeigen demokratische Zielsetzungen, Literatur- und Geschichtsunterricht setzen weißrussische Schwerpunkte. Die Schulpflicht umfasst zehn Jahre (ab dem 7. Lebensjahr), wovon acht Jahre von allen Kindern in der allgemeinen Mittelschule absolviert werden. Ein Teil bleibt dort weitere zwei bis vier Jahre, während andere dann mittlere Fachschulen (vier bis fünf Jahre) sowie berufliche Schulen (drei Jahre) besuchen; derzeit werden auch Gymnasien (v. a. als Privatschulen) eingerichtet. Der staatliche, öffentlich zugängliche Hochschulsektor umfasst zwölf Universitäten, fünf Akademien und 16 Institute. Darüber hinaus gibt es zwölf private Hochschulen. Die Analphabetenquote beträgt 2,1 %.
Presse: Weißrussland gehört zu den osteuropäischen Ländern, in denen oppositionelle Medien am stärksten unterdrückt werden (z. B. durch Informationsentzug, Werbeverbote für staatliche Betriebe, Behinderung von Druck und Vertrieb). Die meisten Zeitungen sind regierungsnah oder werden von Staatsorganen herausgegeben, z. B. »Sowjetskaja Belorossija« (Parlamentsorgan), »Narodnaja Hazeta« (Organ des Obersten Sowjets), »Respublika«, »Zwjazda« (in Weißrussisch). Zu den wenigen unabhängigen Medien, die, zumeist in Litauen gedruckt, oft nur mit Verzögerung und unregelmäßig erscheinen, zählen »Belorusskaja Delowaja Hazeta«, »Narodnaja Wolja«, »Swobonye Nowosti«, »Nacha Swoboda« und »Belorusskaja Moldjoschnaja«. - Die Nachrichtenagentur BelTA, Sitz Minsk, ist staatlich. - Rundfunk: Hörfunk und Fernsehen sind staatlich. Private Radiogesellschaften wie »Radio Roks«, »Radio Alfa« und »Radio BA« haben eine Sendeerlaubnis. Private Fernsehkanäle können Sendezeit beim weißrussischen Staatssender anmieten. Hohe Einschaltquoten haben Sender aus Russland, wobei »ORT« (halbstaatlich) und »RTR« (staatlich) landesweit empfangen werden können.
Wirtschaft und Verkehr:
In Weißrussland vollzieht sich der Übergang von der sozialistischen Plan- zur freien Marktwirtschaft langsam. Das im Februar 1993 verabschiedete Privatisierungsgesetz wurde bisher kaum verwirklicht, 1997 wurden nur 15 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Privatsektor erzeugt. Die verheerenden Folgen des Reaktorunfalls in Tschernobyl für die Wirtschaft, die stark verteuerten russischen Energielieferungen sowie der Verlust westlicher Absatzmärkte und fehlende Modernisierungs- und Privatisierungsbemühungen, gepaart mit undemokratischer und reformfeindlicher Haltung verantwortlicher Kräfte in Regierung und Verwaltung, ließ den nach der Unabhängigkeit einsetzenden Wirtschaftsabschwung bis 1996 anhalten (1990-96 durchschnittlicher Rückgang des BIP um etwa 9 % pro Jahr). Erst ab 1996 ist, zum Teil bedingt durch Kredite Russlands für den Kauf russischer Güter, ein wirtschaftlicher Teilaufschwung erkennbar (Steigerung des BIP gegenüber dem Vorjahr 1996 um 3 % und 1997 um 10 %).
Der im Mai 1992 als Parallelwährung zum Rubel eingeführte Belarus-Rubel (»Häschenrubel«, weißrussisch »Saitschiki«) war ursprünglich als Interimswährung gedacht, wurde aber im Juli 1992 zur Landeswährung erhoben. Seit Mai 1995 besteht mit Russland eine Zollunion, die eigentlich vorgesehene Wirtschafts- und Währungsunion wurde dagegen im Vorjahr aufgegeben. Die Inflationsrate ging 1992-97 von rd. 1 800 % auf 63 % zurück. Nach der neuerlichen Nationalisierung des Bankenwesens und der Valutabörse in Minsk wurden 1996 von der Weltbank alle Entwicklungshilfen gestrichen. Wegen der unsicheren politischen Entwicklung, geringen Reformbereitschaft und unzureichender Rechtssicherheit ist die Höhe der Auslandsinvestitionen sehr niedrig und betrug im Juni 1996 nur 5 US-$ je Einwohner (Russland etwa 42 US-$ je Einwohner). Einen großen Umfang nimmt das Bartergeschäft ein. Die Nettoverschuldung Weißrusslands im Ausland erreichte 1997 0,9 Mrd. US-$.
In der Landwirtschaft dominieren weiterhin die aus der Sowjetzeit stammenden Kolchosen und Sowchosen, die noch etwa 80 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) bewirtschaften. Seit September 1993 ist der Privatbesitz an Grund und Boden (bis 50 ha) für die Bürger Weißrusslands zwar erlaubt, der von den Kolchosen und Sowchosen für die Privatisierung abgegebene Boden ist jedoch oft minderwertig und erschwert bei gleichzeitigem Mangel an Maschinen u. a. Investitionsgütern die Existenz landwirtschaftlicher Privatbetriebe. Die LN, die etwa 12 Mio. ha beträgt, umfasst 7,8 Mio. ha Acker- und 4 Mio. ha Wiesen- und Weideland. Durch den Reaktorunfall von Tschernobyl sind etwa ein Viertel der LN kontaminiert und der landwirtschaftlichen Nutzung somit weitgehend entzogen. Nach 1990 verringerte sich die landwirtschaftliche Produktion erheblich, besonders im Bereich der Viehhaltung. Etwa 15 % der LN werden in persönlichen Hauswirtschaften von Kolchosmitgliedern bestellt. Haupterzeugnisse des Ackerbaus sind Kartoffeln, Getreide, Zuckerrüben und Gemüse; im Norden wird v. a. Flachs angebaut, im Süden auch Hanf. Die Viehzucht, besonders die Rinderhaltung (1995: 5,4 Mio.) für die Milcherzeugung und die Schweinezucht (4 Mio.), trägt mit 60 % zur landwirtschaftlichen Produktion bei.
Intensive Waldnutzung und ein rücksichtsloses Abholzen junger Wälder, aber auch ausgedehnte Waldbrände haben in den letzten Jahrzehnten die Waldfläche wesentlich verkleinert; besonders die Eichenwälder sind bedroht. Der Holzeinschlag betrug 1994 10 Mio. m3.
Nach Schätzungen der FAO wurden 1994 in den zahlreichen Binnengewässern des Landes 14,45 Mio. t Fisch, v. a. Karpfen, gefangen.
An Bodenschätzen werden Kalisalze (Abbauzentrum bei Soligorsk; 1994: 3,2 Mio. t), Steinsalz, Torf (bekannt sind über 6 500 Torfvorkommen; Gewinnung 1,6 Mio. t) und Phosphate abgebaut. Der hohe Anteil von Torf bei der Energieerzeugung führt zu starken Umweltbelastungen. Im geringen Umfang werden aus kleinen Lagerstätten in der Pripjetsenke Erdöl (1996: 1,86 Mio. t) und -gas (1994: 262 Mio. m3) mit rückläufiger Tendenz gewonnen. Vorhandene Braunkohlenvorkommen (etwa 152 Mio. t) werden bislang nicht genutzt.
Wegen der geringen Reserven an Energierohstoffen ist Weißrussland zu 85-90 % auf die Energiezufuhr von außen, besonders aus Russland, angewiesen. Die Elektroenergieerzeugung (nahezu vollständig in Wärmekraftwerken v. a. durch Torf) ging 1990-96 von 40 Mrd. kWh auf 23,7 Mrd. kWh zurück.
Ihr Aufbau begann erst in der 1950er- und 1960er-Jahren. Die stark von Rohstoffimporten abhängige Industrie bestimmt weitgehend die Wirtschaft Weißrusslands. Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist sie schwierigen Umstellungsproblemen unterworfen, die Verteuerung der Rohstoffe erhöht den Preis der Industrieerzeugnisse und erschwert dadurch ihren Absatz und ihre Wettbewerbsfähigkeit. Der Anteil des Privatsektors an der Industrieproduktion betrug 1996 etwa 35 %. Weißrussland verfügt über ein relativ gut ausgebautes verarbeitendes Gewerbe. Wichtigste Zweige sind der Maschinen- (Land-, Werkzeugmaschinen), Fahrzeug- (Pkw, Traktoren, Motor-, Fahrräder) und Gerätebau (besonders Geräte der Nachrichtentechnik), die chemische Industrie (Chemiefaser-, Düngemittelproduktion) einschließlich Erdölverarbeitung (Raffinerien in Mosyr und Nowopolozk) sowie die Nahrungsmittelindustrie und Lederverarbeitung. Traditionelle Industriezweige auf einheimischer Rohstoffbasis sind Textil- (besonders Leinen- und Seidenstoffherstellung), Holz- und Baustoffindustrie. Hauptindustriezentren sind Minsk, Gomel, Witebsk, Mogiljow, Grodno, Nowopolozk, Swetlogorsk und Soligorsk.
Das Handelsbilanzsaldo ist negativ und machte 1997 etwa 16,5 % des BIP aus. Der hohe Bedarf an Nahrungsmitteln wie Getreide, Zucker und Pflanzenöl sowie an Medikamenten für radioaktiver Strahlung ausgesetzte Menschen kann im Wesentlichen nur durch Kompensationsgeschäfte gedeckt werden. Im Westhandel sollen Bartergeschäfte jedoch eingeschränkt werden, um höhere Devisenerlöse zu erzielen. Die wichtigsten Handelspartner waren 1997 Russland (55 % des Außenhandelsumsatzes), die Ukraine (9,9 %), Deutschland (6,3 %), Polen (3,0 %), Litauen (2,3 %) und die USA (1,7 %); die GUS-Staaten sind mit 68,4 % am Außenhandelsumsatz beteiligt. Der Handel mit den GUS-Ländern wird v. a. durch die gegenseitige Verschuldung der Betriebe gehemmt (z. B. wachsende Zahlungsrückstände weißrussische Importeure gegenüber russischen Erdöl- und Rohstofflieferanten). Hauptexportgüter waren 1995 Kalidüngemittel, Chemieerzeugnisse und Konsumgüter (besonders Textilien) sowie Maschinenbauprodukte. Hauptimportgüter sind neben Energierohstoffen und Elektroenergie auch Maschinen, Industrieausrüstungen und Fahrzeuge, Lebensmittel sowie metallurgische Erzeugnisse.
Verkehr:
Weißrussland ist ein wichtiges Transitland im Eisenbahn- (Streckennetz 1995: 5 523 km, davon 889 km elektrifiziert) und Straßenverkehr (1995: 51 547 km Autostraßen, davon 50 825 befestigt) von den mitteleuropäischen Ländern nach Russland und in die baltischen Staaten. Wichtigste Eisenbahnknotenpunkte sind Minsk und Brest. Das Binnenwasserstraßennetz umfasste 1994 2 493 km. Ein wirtschaftlicher Nachteil ist der fehlende Zugang zum offenen Meer. Durch das Land führen wichtige russische Exportleitungen für Erdöl (2 909 km, darunter ein Abschnitt der Erdölleitung Freundschaft) und Erdgas (1 980 km, darunter die Erdgasleitung Jamal-Westeuropa). Dem Flugverkehr stehen (1996) 118 Flughäfen (-plätze) zur Verfügung, davon haben 36 eine befestigte Start- und Landebahn; wichtigster Airport ist der internationale Flughafen in Minsk. Der Flugverkehr wird durch die nationale Fluggesellschaft Belavia abgewickelt.
Die Herleitung des Namens Weißrussland (Belarus) ist umstritten. Wahrscheinlich geht er auf die alte Farbsymbolik zurück, nach der »weiß« häufig mit »westlich« gleichgesetzt wurde. Der westliche Teil der einstigen Kiewer Rus (Fürstentümer Polozk, Turow, Minsk, Witebsk, Smolensk), der im 13. Jahrhundert nicht unter mongolisch-tatarischer Herrschaft geriet, wurde wohl als »Weiße Rus« bezeichnet. Andere Erklärungen führen den Namen auf den Großfürsten Andrej Bogoljubskij zurück, der nach der Eroberung Kiews (1169) den Titel »Großfürst Beloruskij« annahm, oder beziehen das Attribut »belyj« (»weiß«) auf die Schönheit des Landes beziehungsweise die im Winter schneebedeckte Landschaft.
Frühzeit und Mittelalter
Die Besiedlung des Gebiets seit etwa 8 000 bis 10 000 Jahren ist archäologisch belegt. Hier bildeten sich in der 2. Hälfte des 1. Jahrtausends n. Chr. (nach anderer Auffassung schon im 1. Jahrhundert) drei ostslawische Stämme heraus: die Dregowitschen in Polesien und in Zentralweißrussland, die Radimitschen am Sosch und die Kriwitschen an der westlichen Düna und am oberen Dnjepr; außerdem lebte auch der nördliche Zweig der Drewljanen in diesem Gebiet. Die Waräger fanden hier schon Fürstenherrschaften vor. Im 9./10. Jahrhundert wurde das weißrussische Territorium Bestandteil des Kiewer Reiches, dessen Großfürsten das Christentum einführten. Im 11. Jahrhundert entstanden u. a. die Städte Brest, Minsk (erstmals 1067 erwähnt), Pinsk, Witebsk. Mit dem Zerfall des Kiewer Reiches (11./12. Jahrhundert) kam Pinsk unter die Oberhoheit von Groß-Nowgorod, Minsk und Witebsk gehörten zum Fürstentum Polozk, Brest zum Fürstentum Wladimir-Wolhynien. Ende des 12. Jahrhunderts bestanden auf dem Territorium von Weißrussland eine Reihe von Teilfürstentümern.
Weißrussland als Bestandteil des litauisch-polnischen Staates (14. Jahrhundert bis Ende 18. Jahrhundert)
Im 13./14. Jahrhundert (beginnend mit dem litauischen Großfürsten Mindaugas) geriet Weißrussland unter die Herrschaft Litauens, das 1385/86 eine Personalunion mit dem Königreich Polen einging (Union von Krewo, Vermählung des litauischen Großfürsten Jagiełło mit der polnischen Thronerbin Hedwig). Nach dem Scheitern einer weiteren litauisch-polnischen Ostexpansion (1399 Niederlage gegen die Tataren an der Worskla) musste man sich der Gebietsansprüche des aufstrebenden Moskauer Großfürstentums erwehren. 1514 konnte der Moskauer Großfürst Wassilij III. Smolensk erobern, und während des Livländischen Krieges (1558-82) brachte Zar Iwan IV. das Gebiet um Polozk ab 1563 für mehrere Jahre an sich.
Durch die Lubliner Union (1569) wurde die litauisch-polnische Verbindung verstärkt (Herstellung einer Realunion); in dieser »Rzeczpospolita«, dem größten Staatsgebiet im Europa der frühen Neuzeit, kam den Weißrussen eine große Bedeutung zu; sie stellten die Mehrheit der Bevölkerung (überwiegend christlich-orthodoxe Bauern), und Weißrussisch war bis 1697 Kanzleisprache (Abfassung auch der drei Litauischen Statute von 1529, 1566 und 1588 in weißrussischer Sprache, in der schon 1517 das erste Buch gedruckt worden war). In diesem »Goldenen Zeitalter« entwickelten sich zahlreiche weißrussische Städte zu Handels- und Handwerkszentren; das einer Reihe von ihnen zugestandene Magdeburger Stadtrecht (u. a. Polozk 1498, Minsk 1499, Witebsk 1597) gestattete ihnen die Selbstverwaltung. Die staatliche Führungsschicht und die Fürstendynastie waren allerdings litauisch, wenngleich die neuere weißrussische Geschichtsschreibung das Vorhandensein eines weißrussischen Adels betont, der (wie der litauische Adel) sich bald einer Polonisierung unterzog (Übertritt zum katholischen Glauben, 1697 Erhebung des Polnischen zur Amtssprache).
Unter der Herrschaft des Zarenreiches (1772/95-1917)
Im Verlauf der Polnischen Teilungen in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts kam Weißrussland zum Russischen Reich (1772 der östliche Teil mit Gomel, Mogiljow und Witebsk, 1793 der zentrale Teil mit Minsk, 1795 das restliche Territorium). Dieser Vorgang wurde von der russischen und sowjetischen Historiographie zumeist als »Wiedervereinigung« mit Russland interpretiert; weißrussischer Historiker sehen ihn hingegen heute oft als Auflösung der ersten Form weißrussische Staatlichkeit.
Während des von Napoleon I. geführten Russischen Feldzuges von 1812 wurde das weißrussische Territorium kurzzeitig erobert; auf dem Rückzug der napoleonischen »Großen Armee« erlitt diese in der Schlacht an der Beresina (November 1812) schwerste Verluste.
Im Zuge der Russifizierung hob 1839 Nikolaus II. die Unierte Kirche in Weißrussland auf, der nach der Brester Union (1595/96) rd. 80 % der Weißrussen angehört hatten; 1840 wurde das Litauische Statut von 1588 außer Kraft gesetzt und die russische Gesetzgebung auf Weißrussland ausgedehnt. Ein 1863 von Kastus Kalinoŭski (* 1838, ✝ [hingerichtet] 1865) geführter Aufstand gegen die Zarenherrschaft scheiterte. Ausdruck der sich danach verschärfenden sprachlich-kulturellen Russifizierung war u. a. ein 1867-1905 verhängtes Druckverbot für weißrussischen Schriften.
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten sich erste Ansätze einer weißrussischen Nationalbewegung heraus, die allerdings (aufgrund einer nur schmalen Schicht weißrussischer Intellektueller, einer zu 99 % in ländlichen Gegenden lebenden, für nationale Ideologie unempfänglicher Bevölkerung und einer Analphabetenrate von 75 %) relativ wenig Einfluss gewann. Die soziale Oberschicht in Weißrussland rekrutierte sich v. a. aus polnischen Gutsherren und russischen Beamten; daneben spielte in den Städten die jüdische Bevölkerung eine wichtige Rolle.
Die revolutionären Bewegungen Russlands und Polens wirkten sich auch auf Weißrussland aus: 1898 wurde in Minsk die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands gegründet; 1903 entstand die sich an der Polnischen Sozialistischen Partei orientierende Weißrussische Sozialdemokratische Versammlung (»Hramada«), die das nationale Bewusstsein der Weisrussen zu wecken suchte. Dabei kam der Zeitschrift »Nascha niwa«, deutsch »Unser Boden« beziehungsweise »Unser Feld«, 1906-15) eine große Bedeutung zu; in ihr publizierten u. a. regelmäßig die heute als Nationaldichter geltenden Schriftsteller J. Kupala und J. Kolas.
Im Ersten Weltkrieg besetzten deutschen Truppen 1915 zunächst westliche Teile, im Februar 1918 weitere Gebiete von Weißrussland einschließlich Minsk.
Streben nach Unabhängigkeit und Errichtung der Sowjetmacht (1917 bis Ende der 20er-Jahre)
Das nach dem Sturz des russischen Zaren 1917 unter der Führung der »Hramada« gebildete Weißrussische Nationalkomitee (»Rada«) wurde nach der Oktoberrevolution von 1917 von einem »Militärrevolutionären Komitee« der Bolschewiki zeitweilig verdrängt; unter deutscher Besetzung trat die »Rada« erneut zusammen und proklamierte am 25. 3. 1918 eine unabhängige »Volksrepublik« (von der deutschen Besatzungsmacht nicht anerkannt).
Nach dem Abzug der deutschen Truppen (November 1918) setzten sich die Bolschewiki endgültig durch und riefen am 1. 1. 1919 die »Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik« aus, die im Februar 1920 mit Litauen zur kurzlebigen »Litauisch-Weißrussische Sowjetrepublik« (Abkürzung Litbel) zusammengeschlossen wurde. Im Frieden von Riga (18. 3. 1921, der den Polnisch-Sowjetischen Krieg (1920/21) beendete, musste Weißrussland seine westlichen Gebiete an Polen abtreten (in diesen starke Polonisierung des öffentlichen Lebens). Am 30. 12. 1922 gehörte die Weißrussische SSR zu den Gründungsmitgliedern der UdSSR. 1924 und 1926 wurde ihr Territorium um einige zuvor zu Russland (RSFSR) gehörende Gebiete (hauptsächlich Witebsk und Gomel sowie ein Kreis des Smolensker Gebiets) vergrößert. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg fand eine starke Urbanisierung des bisher ländlich bestimmten Landes statt. Die Rekrutierung der Partei- und staatlichen Verwaltungskader sowie das kulturelle Leben wurden zunächst schwerpunktmäßig auf die weißrussische »Titularnation« ausgerichtet (erstmals Erhebung des Weißrussischen zur Nationalsprache, in der z. B 1928 rd. 82 % der gesamten Buchproduktion erschienen; Alphabetisierung). Unter sowjetischem Vorzeichen vollzog sich eine stärkere Identifizierung mit dem weißrussischen Territorium und der Beginn einer weißrussischen Nationsbildung.
Weißrussland unter stalinschem Terror und deutscher Besetzung im Zweiten Weltkrieg (Ende der 1920er-Jahre bis 1944)
Wie in anderen Unionsrepubliken setzten Ende der 1920er-Jahre die Repressalien der stalinschen Diktatur gegen die nationale Intelligenz und die Bauernschaft ein. Zwischen 1937 und 1941 ließ Stalin durch das NKWD viele Weißrussen erschießen (nach jüngsten Schätzungen allein etwa 250 000 in den Wäldern von Kuropaty bei Minsk; 1988 Entdeckung der dortigen Massengräber); insgesamt sollen dem stalinschen Terror (nach stark voneinander abweichenden Angaben) zwischen 600 000 und 2 Mio. Menschen zum Opfer gefallen sein.
Nach dem militärischen Zusammenbruch Polens zu Beginn des Zweiten Weltkrieges und der sowjetischen Besetzung Ostpolens (September 1939) gliederte die UdSSR auf der Grundlage des Hitler-Stalin-Paktes die 1921 an Polen abgetretenen westlichen weißrussischen Gebiete im November 1939 wieder der Weißrussischen SSR ein (dadurch nahezu territoriale Verdopplung).
1941-44 war Weißrussland von deutschen Truppen besetzt (als »Generalbezirk Weißruthenien« Teil des »Reichskommissariats Ostland«). Durch die Auswirkungen des Krieges und den nationalsozialistischen Terror verloren zwischen 1941 und 1943 rd. 2 230 000 Menschen (d. h. ein Viertel der damaligen weißrussischen Einwohner) das Leben; der größte Teil der jüdischen Bevölkerung, soweit er nicht in den unbesetzten Teil der Sowjetunion hatte fliehen können, wurde zunächst in Gettos zusammengedrängt (u. a. in Minsk, Mogiljow, Witebsk) und später von Einsatzgruppen der SS ermordet. Gegen die brutale deutsche Okkupationsspolitik richtete sich eine in Weißrussland sehr starke Partisanenbewegung (ab Mitte 1942 etwa 300 000 Mitglieder in über 200 Gruppen; 1943 in der Aktion »Schienenkrieg« Zerstörung der Nachschublinien der Wehrmacht); SS- und Wehrmachtseinheiten reagierten mit grausamen »Vergeltungsaktionen« (u. a. Vernichtung von 186 Dörfern mitsamt ihren Bewohnern; zur symbolhaften Gedenkstätte für diese ausgelöschten Ortschaften wurde das in der Nähe von Minsk gelegene Chatyn). Auf ihrem Rückzug zerstörten die deutschen Truppen das Land systematisch.
Die Weißrussische SSR 1945-1991
Nach Kriegsende legte ein polnisch-sowjetischer Vertrag (16. 8. 1945) die Curzon-Linie mit geringen Abweichungen (Rückgabe des Gebiets von Białystok an Polen) als gemeinsame Grenze fest; daraufhin wurden rd. 1,5 Mio. Polen aus dem früher polnischen Territorium in die ehemaligen deutschen Gebiete des heutigen Polen umgesiedelt, umgekehrt verließen etwa 500 000 Weißrussen und Ukrainer das polnische Staatsgebiet. 1945 wurde Weißrussland Gründungsmitglied der UNO.
In den Nachkriegsjahrzehnten durchlief Weißrussland eine Industrialisierungsphase und verlor seinen agrarischen Charakter (Höhepunkt der wirtschaftlichen Modernisierung unter dem weißrussischen Parteichef Pëtr Mascheraŭ 1965-80); 1970-84 wies Weißrussland sogar das größte Wirtschaftswachstum aller Unionsrepubliken auf. Damit einher ging eine verstärkte Russifizierung Weißrusslands (Besetzung zahlreicher hoher Partei- und Verwaltungsämter durch Russen, Verdrängung der weißrussischen Sprache aus dem öffentlichen Leben, insbesondere aus den Schulen und den Medien); Weißrussland wurde die Unionsrepublik mit der höchsten Verbreitung von Russischkenntnissen. Korrespondierend damit beschränkten sich national ambitionierte und Dissidentenaktivitäten auf einen sehr kleinen Kreis; Weißrussland galt bis zum Zerfall der Sowjetunion als eine weitgehend »ruhige« Sowjetrepublik. Allerdings mobilisierte das Reaktorunglück im ukrainischen Tschernobyl vom 26. 4. 1986, das sich in Weißrussland weitaus verheerender auswirkte als in der Nachbarrepublik, große Teile der weißrussischen Bevölkerung gegen die sowjetische Zentralregierung, v. a. wegen deren verharmlosender Informationspolitik und der schweren Versäumnisse bei der Bewältigung der Folgen der Katastrophe (erst 1989 Einleitung umfangreicher Maßnahmen zur Dekontaminierung der verstrahlten Gebiete und zur Evakuierung der betroffenen Menschen).
1988 formierte sich in Weißrussland die - zunächst als Unterstützung für die Perestroika-Politik verstandene - Bewegung »Adradschennje« (»Wiedergeburt«), die aber auch das Ziel einer Wiedererweckung des nationalen Selbstbewusstseins und einer Aufarbeitung des stalinschen Terrors in Weißrussland verfolgte. Von den staatlichen Behörden behindert, musste sie ihren offizielen Gründungskongress 1989 im litauischen Vilnius durchführen (in Weißrussland zunächst als verfassungswidrig eingestuft, bis 1991 Verweigerung einer offiziellen Registrierung); ihr stand eine starke orthodox-kommunistische Gruppe gegenüber, die die Reformen des KPdSU-Generalsekretär M. S. Gorbatschow ablehnte. Bei den Wahlen zum weißrussischen Obersten Sowjet im März 1991 erlangte die KP Weißrusslands noch 86 % der Sitze, während Vertreter der »Adradschennje« nur 32 der 320 Mandate gewinnen konnten. Die Souveränitätserklärung gegenüber der UdSSR vom 27. 7. 1990 erfolgte nur formal, gleichzeitig unterstützte die weißrussische Führung die Bestrebungen zum Abschluss eines neuen Unionsvertrages.
Weißrussland als unabhängiger Staat - zwischen Demokratie und Präsidialdiktatur (seit 1991)
Nach dem gescheiterten Putsch orthodox-kommunistischer Kräfte in Moskau (19.-21. 8. 1991) rief der von den Kommunisten beherrschte weißrussischer Oberste Sowjet am 25. 8. 1991 die Unabhängigkeit Weißrusslands aus (im September 1991 Umbenennung in »Republik Belarus«). Parlamentsvorsitzender wurde am 18. 9. 1991 der Atomphysiker Stanislaŭ Schuschkewitsch (* 1934).
Am 8. 12. 1991 beteiligte sich Weißrussland an der Gründung der »Gemeinschaft Unabhängiger Staaten« (GUS), deren Verwaltungssitz Minsk wurde.
In zunehmendem Maße geriet Schuschkewitsch in Konflikt mit der orthodox-kommunistischen Mehrheit des Obersten Sowjets, da er im Gegensatz zu den restaurativen Strömungen in diesem Gremium eine stärkere Distanz zur Russischen Föderation übte, v. a. als er sich weigerte, dem vom Obersten Sowjet im Februar 1993 beschlossenen Beitritt zum GUS-Verteidigungspakt zuzustimmen. Weißrussland, auf dessen Territorium ein größeres Atomwaffenarsenal der früheren Sowjetunion lagerte, optierte für eine künftige Atomwaffenfreiheit (schon 1992 Unterstellung der Kernwaffen unter die Verfügungsgewalt Russlands) und ratifizierte im Februar 1993 den Vertrag über die Reduzierung strategischer Kernwaffen (START). Im Januar 1994 setzte das Parlament Schuschkewitsch durch ein Misstrauensvotum ab; sein Nachfolger (und damit Staatsoberhaupt) wurde der pensionierte KGB-Chef Mjatschislaw Grib. Nach Verabschiedung einer neuen Verfassung wählte die Bevölkerung am 10. 7. 1994 Aljaksandr Lukaschenka (* 1954), einen altkommunistischen Verfechter der Orientierung auf Russland, zum Staatspräsidenten; dieser suchte in der Folgezeit eine Präsidialdiktatur zu errichten und unterdrückte zunehmend die Opposition (u. a. im August 1995 Verbot der freien Gewerkschaften, zunehmende Pressezensur). Im November 1996 setzte Lukaschenka gegen heftigen Widerstand ein Verfassungs-Referendum durch, das die Einführung eines Zweikammerparlaments sowie eine stärkere Stellung des Präsidenten autorisierte; zugleich ließ sich Lukaschenka seine Amtszeit bis 2001 verlängern. Die innenpolitische Situation spitzte sich danach weiter zu. Der Versuch des von Lukaschenka entmachteten Obersten Sowjets, am 16. 5. 1999 Präsidentschaftswahlen durchzuführen (laut Wahlkommission Teilnahme von 53 % der Stimmberechtigten), scheiterte nicht nur an den staatlichen Repressionen, sondern auch an der Uneinigkeit der Opposition, die von zahlreichen Verhaftungen betroffen war (später in die Öffentlichkeit lancierte Berichte über angebliche politische Morde durch das Regime in der Folgezeit). In den umstrittenen, von verschiedenen Oppositionsparteien boykottierten Parlamentswahlen vom 15./ 29. 10. 2000 setzten sich mehrheitlich Gefolgsleute von Lukaschenka durch. Bei den (durch die OSZE als manipuliert gewerteten) Präsidentschaftswahlen am 9. 9. 2001 ließ sich Amtsinhaber Lukaschenka für weitere fünf Jahre im Amt bestätigen (nach offiziellen Angaben mit 75,6 % der Stimmen).
In der Außenpolitik hielt Lukaschenka an der engen Kooperation mit Russland fest (am 2. 4. 1996 formale Begründung einer russisch-weißrussischen »Gemeinschaft Souveräner Republiken«, Unterzeichnung von Unionsverträgen am 2. 4. 1997 und am 8. 12. 1999). Wegen anhaltender Verstöße gegen Bürgerrechte und der Nichteinhaltung konstitutioneller Grundsätze eines Rechtsstaats beschloss der Rat der Europäischen Union am 15. 9. 1997, die Ratifizierung des Kooperations- und Partnerschaftsabkommens zu suspendieren und die Umsetzung weiterer Programme auszusetzen. Im Frühjahr 1999 exponierte sich Weißrussland als Gegner der NATO-Intervention im Kosovo.
Die Krise um die Minsker Diplomatensiedlung »Drosdy« (Aufforderung der weißrussischen Regierung an Diplomaten, diese zu verlassen) führte im Sommer 1998 seitens der EU-Staaten, ebenso seitens der USA, Japans und Polens zum zeitweiligen Abzug ihrer Botschafter und zu einer weitgehenden außenpolitischen Isolierung Weißrusslands, die auch nach Einlenken der weißrussischen Regierung im Dezember 1998 weiter bestand.
H. Jablonowski: Westrußland zw. Wilna u. Moskau (Leiden 1955, Nachdr. ebd. 1961);
L. V. Alekseev: Polockaja zemlja, očerki istorii severnoj Belorussii v IX-XIII vv. (Moskau 1966);
L. V. Alekseev: Smolenskaja zemlja v IX-XIII vv. (ebd. 1980);
Historyîa Belaruskaǐ SSR, bearb. v. I. M. Ihnatsenka, 5 Bde. (Minsk 1972-75);
A. Maldis: Die Wiedererstehung der beloruss. Nation aus ihrem histor. u. kulturellen Erbe, in: Osteuropa, Jg. 32 (1992); A. Sahm: Die weißruss. Nationalbewegung nach der Katastrophe von Tschernobyl (1994);
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D. Holtbrügge: W. (1996);
H. L. Förster: Von der Diktatur zur Demokratie - u. zurück? (1998);
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Glaube in der 2. Welt, Jg. 26, Schwerpunktpunktheft W.(1998).
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Weiß|russ|land; -s: Staat in Osteuropa.
Universal-Lexikon. 2012.