Ka|sach|s|tan; -s:
Staat in Mittelasien.
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Kasachstan,
Fläche: 2 717 300 km2
Einwohner: (1999) 14,953 Mio.
Hauptstadt: Astana
Amtssprache: Kasachisch
Nationalfeiertage: 25. 10. und 16. 12.
Währung: 1 Tenge = 100 Tiin
Zeitzone: 15oo Alma Ata = 1200 MEZ
Kasachi|en, kasachisch Qazaqstan, amtlich Qazaqstan Respublikasy, deutsch Republik Kasachstan, Staat in Mittelasien, grenzt im Nordwesten, Norden und Nordosten an Russland (im äußersten Nordosten an dessen Teilrepublik Altai), im Südosten an China, im Süden an Kirgistan, Usbekistan und Turkmenistan und im Westen an das Kaspische Meer. Mit einer Fläche von 2 717 300 km2 ist Kasachstan die zweitgrößte der GUS-Republiken (nach Russland) und fast achtmal so groß wie Deutschland; (1999) 14,953 Mio. Einwohner, Hauptstadt ist Astana (seit 10. 12. 1997, vorher Almaty) im Norden des Landes. Amtssprache ist Kasachisch, wichtige Verkehrssprache weiterhin Russisch. Währung: 1 Tenge = 100 Tiin. Uhrzeit: 1500 Astana = 1200 MEZ.
Staat und Recht:
Die am 30. 8. 1995 durch Volksabstimmung verabschiedete neue Verfassung (in Kraft seit 5. 9. 1995; 1998 revidiert) bezeichnet Kasachstan als demokratischen, weltlichen, unitarischen Rechts- und Sozialstaat; nach der Staatsform ist Kasachstan eine präsidiale Republik. Der Grundsatz des Laizismus ist nicht nur in der sowjetischen Tradition des Atheismus, sondern v. a. als Absage an islamisch-fundamentalistischen Strömungen zu sehen. Deshalb sind auch politische Parteien auf religiöser Grundlage ausdrücklich verboten. Durch das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 20. 12. 1991 wurde allen Landesbewohnern zum Stichtag 1. 3. 1992 die kasachische Staatsangehörigkeit zugesprochen, ihnen aber zugleich ein auf zwei Jahre befristetes negatives Optionsrecht eingeräumt. Die ausführlich formulierten Grundrechte (kein besonderer Minderheitenschutz vorgesehen) entsprechen im Wesentlichen dem völkerrechtlichen Menschenrechtsstandard.
Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der auf sieben Jahre (seit 1998; vorher fünf Jahre) direkt gewählte Präsident (einmalige Wiederwahl in direkter Folge möglich). Im ersten Wahlgang ist die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, anderenfalls muss eine Stichwahl stattfinden. Für die Gültigkeit beider Wahlgänge ist eine Wahlbeteiligung von mindestens 50 % erforderlich. Ungeachtet dieser Vorschriften hat sich der am 1. 12. 1991 zum Präsidenten gewählte N. A. Nasarbajew seine Amtszeit durch Plebiszit vom 29. 4. 1995 bis Ende 2000 verlängern lassen. Der Präsident bestimmt die Richtlinien der Politik und lenkt die zentralistisch aufgebaute Exekutive über die ihm verantwortliche Regierung, deren Amtszeit an seine gekoppelt ist. Er ernennt den Premierminister, den stellvertretenden Premier-Min, die Minister für Äußeres, Inneres, Verteidigung und Finanzen direkt und die übrigen Mitglieder des Kabinetts auf Vorschlag des Premierministers. Die Ernennung des Regierungschefs und das Regierungs-Programm bedürfen parlamentarischer Zustimmung. Wird diese nicht erteilt, kann der Präsident das Parlament auflösen oder die Regierung entlassen. Das Parlament kann mit Zweidrittelmehrheit ein Misstrauensvotum beschließen, über dessen Konsequenzen (Entlassung der Regierung, Parlamentsauflösung) der Präsident nach eigenem Ermessen entscheidet. Der Präsident ist Inhaber der auswärtigen und der Notstandsgewalt. Er hat das Recht, über die Regierung Gesetzesvorlagen einzubringen und selbst Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen sowie gegen Gesetzesbeschlüsse ein Veto einzulegen. Der Präsident kann das Parlament in politischen Krisenlagen auflösen, während das Parlament den Präsidenten nur wegen Hochverrats mit Dreiviertelmehrheit in beiden Kammern und in einem komplizierten Verfahren seines Amtes entheben kann.
Die Legislative liegt beim Zweikammerparlament, bestehend aus dem Unterhaus (Medschelis ), dessen 77 Abgeordnete für eine Legislaturperiode von fünf Jahren gewählt werden (67 durch Mehrheitswahl in Einzelwahlkreisen, 10 durch Verhältniswahl mittels landesweiter Listen) und dem Oberhaus (Senat), von dessen 47 Mitglieder (Amtsperiode sechs Jahre) 40 durch die Gebiete und die Hauptstadt mittelbar über Wahlkollegien gewählt und sieben durch den Präsidenten ernannt werden.
Parteien:
Zu den einflussreichsten und dem derzeitigen Präsidenten nahe stehenden Gruppierungen zählen die Partei der Volkseintracht, die Demokratische Partei, die Kooperative Partei und die Wiedergeburtspartei (alle 1995 gegründet). Als Opposition verstehen sich v. a. der Volkskongress (gegründet 1991) und die Sozialistische Partei Kasachstans (gegründet 1991 als Nachfolgeorganisation der kasachischen KP). Die islamisch-nationalen Kräfte schlossen sich 1990 in der Partei Alasch zusammen, der indes die Zulassung verweigert wird.
Das am 4. 6. 1992 eingeführte Staatswappen zeigt ein goldenes Emblem auf hellblauem Grund, darunter den Landesnamen in kyrillischen Großbuchstaben. Im Zentrum des Wappens ist die Aufsicht auf einen Shanirak, typische Behausung der Nomaden, als Symbol für traditionelle Lebensformen gezeigt. Die an der Seite stehenden geflügelten Pferde symbolisieren Tradition und Glauben.
Nationalfeiertage:
Nationalfeiertage sind der 25. 10. (Tag der Republik) und der 16. 12. (Erklärung der Unabhängigkeit Kasachstans von der UdSSR 1991).
Kasachstan gliedert sich in 15 Gebiete; die Städte Alma-Ata und Leninsk (Tynratom) haben eine Sonderstellung. Untergliedert sind die Gebiete in 160 Bezirke (»rajoni«), 84 Städte, 10 städtische Gemeinden, 195 Siedlungen und 2 150 Landkreise. Die Staatsverwaltung ist nach dem Statthaltersystem strikt zentralistisch organisiert. An der Spitze des Verwaltungs-Apparates steht in allen Gebietseinheiten der Akim. Zur Beschlussfassung in den knapp bemessenen örtlichen Selbstverwaltungsangelegenheiten besteht in allen Gebietseinheiten ein für vier Jahre gewählter Rat (Maslichat). Der Rat kann dem jeweiligen Akim mit Zweidrittelmehrheit das Misstrauen aussprechen, was einer Anregung zu dessen Entlassung gleichkommt.
Es bestehen zwei Gerichtsbarkeiten. Die für Zivil- und Strafsachen zuständige ordentliche Gerichtsbarkeit ist der allgemeinen Verwaltungs-Gliederung entsprechend dreistufig aufgebaut: Kreisgerichte - Gebietsgerichte - Oberstes Gericht. Die Arbitragegerichtsbarkeit ist für wirtschafts- und verwaltungsrechtliche Streitigkeiten der Unternehmen zuständig und zweistufig aufgebaut: Arbitragegerichte in den Gebieten - Höchstes Arbitragegericht. Eine Sonderstellung nimmt die Militärstrafgerichtsbarkeit ein, die von den Militärgerichten bei einzelnen Armeegliederungen und dem Militärgericht der Streitkräfte ausgeübt wird und mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit insofern verbunden ist, als der Rechtszug in letzter Instanz zum Militärkollegium des Obersten Gerichts führt. Auf der Basis der Verfassung von 1995 soll eine Gerichtsreform durchgeführt werden. Danach werden die bislang für 10 Jahre gewählten Richter auf unbestimmte Zeit ernannt. Die strikt zentralistisch aufgebaute Staatsanwaltschaft ist nicht nur Strafverfolgungsbehörde, sondern auch für eine umfassende Rechtsaufsicht über die ganze Verwaltung zuständig. Das seit 1992 bestehende Verfassungsgericht wurde durch die neue Verfassung in »Verfassungsrat« umbenannt und in seiner Bedeutung zurückgestuft.
Offiziell wurden die kasachischen Streitkräfte am 16. 4. 1992 durch Umwandlung eines Großteils der ehemaligen 40. Sowjetischen Armee geschaffen. Die Gesamtstärke der im Aufbau befindlichen Streitkräfte beträgt etwa 80 000 Mann. Die Ausrüstung umfasst im Wesentlichen 3 000 Kampfpanzer sowie rd. 250 Kampfflugzeuge (Su-24, MiG-23, MiG-25, MiG-27, MiG-29 und MiG-31). Die Rückgabe von 104 nuklearen Interkontinentalraketen vom Typ SS-18 an Russland wurde im April 1995 abgeschlossen; die Raketensilos wurden zerstört. Als Gegenleistung erhielt Kasachstan von Russland 70 moderne Kampfflugzeuge. - 1994 unterzeichnete Kasachstan die »Partnerschaft für Frieden« der NATO.
Landesnatur und Bevölkerung:
Kasachstan bildet einerseits eine Brücke zwischen Europa und Asien, andererseits zwischen Russland und den mittelasiatischen GUS-Republiken. Es erstreckt sich vom Tiefland an der unteren Wolga und dem Kaspischen Meer im Westen über etwa 3 000 km nach Osten zum Altai, vom Südlichen Ural und Westsibirischen Tiefland im Norden über rd. 1 700 km zum Ust-Urt-Plateau und zum Aralsee, zur Kysylkum und den nördlichen, bis zu 4 973 m über dem Meeresspiegel aufragenden Hochgebirgsketten des Tienschan im Süden; auf der Grenze zu Kirgistan liegt der Chan-Tengri (6 995 m über dem Meeresspiegel). Vorherrschend sind Ebenen (im Westen die Kaspische Senke, im Südwesten das bis 132 m unter dem Meeresspiegel reichende Tiefland von Turan) und niedrige Plateaus (im Südwesten das wüstenhafte Ust-Urt-Plateau, im Norden das Tafelland von Turgai mit der Turgaisenke). Größere Höhen erreichen im Nordwesten die Mugodscharberge, im zentralen und östlichen Teil die Kasachische Schwelle und westlich des Balchaschsees die Nördliche Hungersteppe. Der Westen und Süden des Landes umfasst Wüsten und Halbwüsten, u. a. Kysylkum, Mujunkum, Siebenstromland, mit abflusslosen Seen (Kaspisches Meer, dessen Nordostteil von Kasachstan beansprucht wird; Aralsee, dessen zum Großteil ausgetrockneter Nordteil in Kasachstan liegt; Balchaschsee; Alakol). An die Kasachische Schwelle schließen sich nach Nordosten und Osten ein 150 bis 300 km breiter Steppenstreifen des Westsibirischen Tieflandes im Norden sowie der südliche Altai, das westliche Tarbagataigebirge und der Dsungarische Alatau im Südosten an. Mehr als die Hälfte des Landes ist von Wüsten und Halbwüsten bedeckt, ein Drittel nehmen Steppen ein.
Das Land wird in den Randgebieten von einigen großen Flüssen durchquert. Zu ihnen gehören Irtysch, Ischim, Ural und Syrdarja. Sonst ist das Flussnetz sehr spärlich entwickelt, und die Wasserführung vieler Flüsse unbeständig. Zahlreiche kleinere Flüsse enden in den Wüsten und Halbwüsten. Im Süden hat Kasachstan Anteil am mittelasiatischen Oasensystem, von Gletschern des Pamir und Tienschan gespeist.
Das Klima ist extrem kontinental und trocken mit großen, von der geographischen Breite abhängigen Unterschieden. Auf kalte, schneearme Winter folgen nach kurzem Frühjahr lange, heiße und trockene Sommer. Starke Winde in den Steppen- und Wüstengebieten, zum Teil Sandstürme, führen teilweise zu beträchtlichen Bodenerosionen. Die Winter im Norden zeichnen sich durch lange Dauer und niedrige Temperaturen aus, während sie im Süden relativ kurz und wesentlich milder sind. Die Temperaturmittel des Juli betragen im Norden 19 ºC, im Süden 28-30 ºC, die Januarmittel im Norden —18 ºC (Minimum —54 ºC), im Süden —3 ºC (Minimum —32 ºC). Auch die Niederschläge unterliegen starken jährlichen und jahreszeitlichen Schwankungen. Die jährlichen Niederschlagsmengen nehmen von Norden nach Süden von 250-400 mm auf weniger als 100 mm ab, in den Hochgebirgen steigen sie bis auf über 1 000 mm an.
Nordkasachstan als südliche Fortsetzung von Sibirien liegt noch im feuchteren Waldsteppengürtel, der nach Süden zu in echte Steppe mit dürreresistenten Gräsern, Geophyten, Kräutern, Stauden und Halbsträuchern übergeht. Etwa entlang des 50. Breitengrades ändert sich die von Salzpflanzen dominierte Wermutsteppe zur Halbwüste, aus der der größte Teil von Südkasachstan besteht, eingeschlossen ausgedehnte Flächen mit Sand- und Salzwüsten. Nur 3 % der Landesfläche sind mit Wald bestanden (lediglich Gebiete im äußersten Norden und an Nordhängen des Tienschan). Zum Schutz gegen Erosion wurden in den bewässerten Steppengebieten Waldgürtel aus schnellwüchsigen Bäumen angelegt.
Kasachstan besitzt fünf Nationalparks mit einer Gesamtfläche von 2 802 km2. Die Kernwaffenversuche der Sowjetunion im Raum Semipalatinsk (bis 1991) und Chinas (bis in jüngste Zeit) auf dem chinesischen Testgelände von Lopnor führten zur nuklearen Verseuchung weiter Landstriche (besonders der Gebiete Uralsk, Aktöbe, Atyrau und Mangistau). Die Schwerindustrie des Landes verursacht große Umweltverschmutzungen, besonders in den Gebieten Karaganda, Pawlodar und Dscheskasgan (Scherkasgan). Der Landwirtschaft entstehen durch Bodenerosion (besonders im Neulandgebiet) große Schäden. Übermäßige Wasserentnahme und unrationelle Bewässerungsmaßnahmen führten zur ökologischen Katastrophe des Aralsees.
Die Bevölkerung setzt sich aus 131 Ethnien zusammen, wobei sich die Titularnation in der Minderheit befindet. 1850 lag der kasachische Bevölkerungsanteil auf dem Territorium des heutigen Kasachstans noch bei 91 %, wobei das Ethnonym Kasache erst 1926 offizielle Bezeichnung wurde. 1926 stellten sie mit 3,6 Mio. 58,5 % der Gesamtbevölkerung, 1939 waren es nur noch 2,3 Mio. (37,6 %). Durch die enormen Bevölkerungsverluste bei der Zwangsansiedlung und durch die Umsiedlungspolitik in den 1930er-Jahren sowie Kriegsverluste konnte die Einwohnerzahl erst nach 1960 wieder stabilisiert werden. Landwirtschaftliche Erschließungs- und Industrialisierungsprojekte verschoben jedoch die demographische Struktur weiter zugunsten der Nichtkasachen und der städtischen Bevölkerung. Bis 1959 sank der Anteil der Kasachen auf 29,8 % ab, obwohl allein zwischen 1939 und 1959 die Bevölkerungszahl um 3,2 Mio. angestiegen war. Die Russen dominierten mit 42,7 % der Gesamtbevölkerung neben den kleineren Gruppen der Ukrainer, Weißrussen und Deutschen. Bereits ab 1979, besonders aber ab 1989, setzten Migrationsprozesse ein. Einwanderung von Kasachen u. a. aus der Mongolei und Iran (1991-95 mehr als 130 000) und eine hohe Geburtenrate unter den Kasachen wuchs der kasachische Bevölkerungsanteil auf 48 %. Gleichzeitig ging durch Auswanderung der russische Bevölkerungsanteil bis 1995 auf rd. 33 % zurück. Der Anteil der Deutschen beträgt noch etwa 450 000, nachdem zwischen 1993 und 1995 0,5 Mio. als Spätaussiedler nach Deutschland gingen. Weitere Minderheiten (1995) sind die Usbeken (2,3 %), Tataren (1,9 %) und Angehörige anderer Nationalitäten, besonders Uiguren, Weißrussen, Koreaner und Aserbaidschaner, wobei das Bevölkerungs-Verhältnis zwischen den Ethnien regional recht unterschiedlich ist.
Größere ethnische Konflikte konnten seit 1990 trotz latent bestehender Spannungen vermieden werden. Konfliktpotenziale gibt es jedoch auch durch die Wiederbelebung des Kosakentums an der russisch-kasachischen Grenze und durch soziale Spannungen, auch wegen ethnisch-religiöser Unterschiede.
Die Abnahme des jährlichen Bevölkerungswachstums (von 1980-89 1,6 % auf 1990-94 1,1 %) ist auf höhere Sterblichkeitsziffern und Geburtenrückgang bei der nichtkasischen Bevölkerung zurückzuführen. Nach der Bevölkerungsdichte ist Kasachstan mit 6,1 Einwohnern je km2 das am dünnsten besiedelte Land der GUS, weite Teile sind von ihrer naturräumlichen Ausstattung her unbewohnbar. Am dichtesten sind die landwirtschaftlich genutzten Steppengebiete im Norden sowie die industriell geprägten Gebiete Tschimkent (Schemken), Karaganda und die Erdölregion um Atyrau (14 bis über 20 Einwohner/km2) und die Bewässerungsgebiete in der südlichen Vorgebirgszone (stellenweise über 100 Einwohner/km2), am schwächsten die Gebiete Dscheskasgan sowie die Halbinsel Mangistau (1,5 bis 1,8 Einwohner/km2) besiedelt. Der Anteil der städtischen Bewohner an der gesamten Einwohnerzahl stieg von (1970) 50 % auf (1991) 58 %, nahm jedoch durch Betriebsschließungen und Auswanderungen von Fachkräften bis 1995 auf 56 % ab. Größte Stadt ist Alma-Ata mit (1995) 1,14 Mio. Einwohnern, gefolgt von (Einwohner von 1995 in 1 000) Karaganda (567,2), Tschimkent (Schymkent; 394,5), Pawlodar (339,0), Ust-Kamenogorsk (Öskemen; 324,1), Semipalatinsk (Semey; 318,5), Dschambul (Schambyl; 307,7) und Astana (280,0). Es besteht unter den Kasachen ein großes soziales Gefälle zwischen der Stadt- und Landbevölkerung (etwa 70 % der Kasachen leben auf dem Land) und zwischen der Bevölkerung in Nord- und Südkasachstan 1995 waren Erwerbstätigen 26 % der in der Industrie, 22 % in der Landwirtschaft und 52 % im Dienstleistungsbereich tätig.
Es besteht Religionsfreiheit. Staat und Religion sind nach der Verfassung getrennt. Der sunnitische Islam ist die größte Religionsgemeinschaft, der mit den Kasachen, Usbeken und den übrigen turksprachigen Nationalitäten nominell rd. 47% der Bevölkerung angehören. Der Islam ist stark sufistisch geprägt, die Kasachen und die turksprachigen Nationalitäten haben jedoch auch vorislamische Denk- und Verhaltensweisen bewahrt (z. B. Schamanismus und Naturverehrung). 1990 wurde für die kasachischen Muslime ein eigenes Muftiat mit einer geistlichen Hochschule (Medrese) in Alma-Ata errichtet; in den Folgejahren wurden zahlreiche Moscheen und Grabstätten heiliger Sufis (der Pirs) wieder eröffnet beziehungsweise neu erbaut. Teile der islamischen Geistlichkeit sehen sich dem mystisch orientierten Volksislam verpflichtet, der ein wesentlichen Moment in der islamischen Tradition Kasachstans bildet. Für die orthodoxen Christen bestehen das russisch-orthodoxe Erzbistum Alma-Ata und die Bistümer Uralsk und Tschimkent.Für die geistliche Betreuung der rd. 300 000 katholischen Christen bestehen seit 1999 das exemte Bistum Karaganda und die Apostolischen Administraturen Astana, Almaty und Atyrau, deren Tätigkeit staatskirchenrechtlich durch den 1998 zwischen Kasachstan und dem Heiligen Stuhl geschlossenen Vertrag abgesichert ist. Die Zahl der protestantischen Christen (Lutheraner, Evangeliumschristen-Baptisten, Mennoniten, Pfingstler) wird auf 160 000-340 000 geschätzt. Die lutherischen Christen (rd. 80 Gemeinden) gehören zur Regionalkirche Kasachstan der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland und anderen Staaten.
Die Mehrheit der erwachsenen Bevölkerung verfügt über eine mittlere Bildung, die häufig im Rahmen der Erwachsenenbildung im Abend- und Fernstudium oder -unterricht erworben wurde. Das Angebot an Horten und Kindertagesstätten war in den letzten zehn Jahren rückläufig. Die allgemein bildende Mittelschule bietet acht bis neun Schuljahre, die vollständige Mittelschule umfasst noch eine Oberstufe mit zwei bis drei Schuljahren. Eine Abschlussprüfung kann nach zehn Jahren abgelegt werden, nach weiteren zwei oder drei Jahren die Hochschulreife. Sie kann auch an mittleren Fachschulen abgelegt werden. Deren Schulzeit beträgt vier bis fünf Jahre, der Übertritt erfolgt nach der 9. oder 10. Klasse der Mittelschule. Der Lehrplan wurde v. a. im Bereich des Sprachunterrichts verändert (Englisch, Französisch), Russisch als Unterrichtssprache wird zugunsten von Kasachisch (auch Usbekisch und Tadschikisch) zurückgedrängt. Die Analphabetenquote beträgt 2,5 %. Kasachstan besitzt u. a. eine Akademie der Wissenschaften, an der die Forschung organisiert ist, zwei Universitäten (in Alma-Ata und Karaganda) sowie 32 den Universitäten gleichgestellte Hochschulinstitute.
Presse: 1990 gab es neben 94 Zeitschriften 453 Zeitungen, die zum großen Teil in Kasachisch, daneben aber auch in Russisch, Uigurisch, Deutsch und Koreanisch erscheinen; zu den wichtigsten gehören »Caravan«, »Doshiwjem do Ponedelnika«, »ABW«, »Panorama«, »Express« und »Deutsche Allgemeine Zeitung«. - Nachrichtenagentur: »KazTAG«, Alma-Ata. - Rundfunk: Der kasachische Rundfunk sendet in kasachischer, russischer, deutscher, uigurischer und koreanischer Sprache, das Fernsehen ebenso, jedoch nicht in Koreanisch. Beide Medien haben ihren Sitz in Alma-Ata.
Wirtschaft und Verkehr:
Kasachstan ist ein bergbaulich-industriell geprägtes Entwicklungsland. Die Wirtschaft wird vom Erzbergbau, von der Landwirtschaft (Getreideanbau) und der Gewinnung von Energieträgern (besonders Kohle, im zunehmenden Maß auch Erdöl und -gas) bestimmt. Hinsichtlich seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu Kaufkraftparitäten von (1994) 48,5 Mrd. US-$, was einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von rd. 2 800 US-$ entspricht, gehört Kasachstan zu den wohlhabenderen GUS-Staaten. Nach der 1990 erfolgten politischen und ökonomischen Unabhängigkeit begann Anfang 1992 eine noch stark an Russland orientierte Wirtschaftsreform, die 1993 unter maßgeblicher Beteiligung des kasachischen Staates eine von Russland unabhängigere Wirtschaftsentwicklung einführte. Nach der Unabhängigkeit hat sich in Kasachstan die ökonomische Situation erheblich verschlechtert, v. a. durch den schleppenden Verlauf der Wirtschaftsreform, wegen der akuten Absatzprobleme in die ehemaligen Staaten der Sowjetunion, die zu Sowjetzeiten den wichtigsten Absatzmarkt darstellten, und durch die hohe Auslandsverschuldung. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verringerte sich seit 1990 bis 1995 im Vergleich zum Vorjahr ständig und lag 1995 im Vergleich zu 1989 (= 100 %) bei 45 %. Erst 1996 zeichnete sich eine Stabilisierung ab. Nachdem sich die Teuerung mit (1993) 1 350 % zur Hyperinflation ausgeweitet hatte und die von Russland postulierten Bedingungen für die Integration in eine neue Rubelzone für Kasachstan unannehmbar waren, wurde im November 1993 der Tenge als Landeswährung eingeführt. Aber erst im zweiten Halbjahr 1994 ging die Inflationsrate bis 1996 auf 40 % zurück (1994 noch 1 258 %). Der mit der rigorosen Geldpolitik im Zusammenhang stehende Rückgang der Investitionen, der sinkende Lebensstandard der Bevölkerung, v. a. durch die Freigabe der Preise 1992 bedingt, die steigende Arbeitslosigkeit (1995 etwa 11 %) sowie die hohe Verschuldung der kasachischen Betriebe untereinander (v. a. nach der Einstellung der Subventionierung 1993) führten zur Fortsetzung der Wirtschaftskrise. Durch die zeitlich befristete Übergabe (Verträge über treuhänderische Verwaltung) oder durch direkten Verkauf von Staatsunternehmen (besonders im Chemie- und Metallurgiebereich) an ausländischen Firmen soll Auslandskapital ins Land gezogen werden. Die Ende 1991 angelaufene Privatisierung kam bis 1994 nur langsam voran, bis dahin wurden 20 % des BIP vom privaten Sektor erwirtschaftet. Die Massenprivatisierung begann erst 1995 und 1996 auch im Erdöl- und Erdgassektor.
Die landwirtschaftliche Nutzfläche macht zwar 72 % der Gesamtfläche aus, die Ackerfläche wegen der ungünstigen natürlichen Verhältnisse jedoch nur 13 %. Die mangelhafte technische Ausrüstung erschwert neben der hohen Verschuldung die Privatisierung der Sowchosen, obwohl die Verfassung von 1995 privaten Besitz an Grund und Boden gestattet und 1996 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wurde. Eine große Rolle spielen die privaten Nebenwirtschaften, insbesondere bei der Viehhaltung. Im Norden wird auf dem in den 50er-Jahren erschlossenen Neuland (18 Mio. ha) im Regenfeldbau Sommergetreide angebaut (ehemals zweitgrößte Kornkammer der Sowjetunion), im Süden des Landes, wo ausgedehnte Bewässerungsgebiete liegen, werden v. a. Baumwolle, Reis, Sonnenblumen, Zuckerrüben, Tabak, Gemüse und Melonen angebaut, und im Vorgebirgsland ist Wein- und Obstbau verbreitet. Die weitgehend extensiv betriebene Tierhaltung macht etwa 60 % des Bruttowertes der Agrarproduktion aus. Dabei stehen die Schaf- und Rinderzucht im Mittelpunkt, aber auch die Pferde-, Yak- und Kamel-, im Neulandgebiet auch Schweinezucht sind von Bedeutung. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist die Produktion von Karakul- und Astrachanwolle. Wegen Futtermangels mussten die Viehbestände in den letzten Jahren verkleinert werden.
Die Binnenfischerei leidet unter den sich weiter verschlechternden Umweltbedingungen, v. a. unter der zunehmenden Austrocknung des Aralsees. Viele Fischereibetriebe am Kaspischen Meer haben sich auf die Störzucht für die Kaviarproduktion spezialisiert.
Kasachstan verfügt über umfangreiche Bodenschätze einschließlich großer Brennstoffvorkommen, besonders Erdöl (2,1 Mrd. t) und Erdgas (1 600 Mrd. m3). Gegenwärtig werden etwa 60 Rohstoffe abgebaut. Bei verschiedenen Bodenschätzen nimmt Kasachstan eine der führenden Positionen in der Welt ein, so bei Wolfram, Chrom-, Mangan-, Blei-, Molybdänerzen und Phosphaten (Karatau); aber auch bei Kupfer-, Zink-, Nickelerzen, Titan, Gold (in Bakirtschik im Nordosten Kasachstans eine der weltgrößten Lagerstätten), Silber, Industriediamanten, Eisenerz, Bauxit, Tonerde und Platin gibt es beachtliche Reserven. Der Bergbau erwirtschaftet etwa 40 % des BIP. Erdölförderung und Erdgasgewinnung werden im Westen auf der Halbinsel Mangistau an der Küste des Kaspischen Meeres (Schetybai, Usen), im Tengis- (am unteren Uralfluss) und Embarevier sowie im Nordwesten im Feld Karatschaganak betrieben, wo teilweise ausländische Gesellschaften an der Ausbeute beteiligt sind. Die Steigerung der Erdölproduktion (1992-2000 von 27 Mio. auf 40 Mio. t vorgesehen) ist wegen der künftigen hohen Deviseneinnahmen Kernstück der kasachischen Wirtschaftspolitik. Noch kann Erdöl nur über russische Erdölleitungen exportiert werden, was aber aus Kapazitäts- und politischen Gründen mit großen Problemen verbunden ist. Eine neue Erdölpipeline von Tengis über Astrachan nach Noworossijsk ist im Bau, an der sich neben Kasachstan und Russland auch westliche Firmen beteiligen. Die Erdgasproduktion lag 1994 bei insgesamt 4,5 Mrd. m3; der Bedarf belief sich jedoch auf 15 Mrd. m3. Deshalb musste Erdgas aus Russland, Usbekistan und Turkmenistan eingeführt werden (Erdgasimport insgesamt: 10,5 Mrd. m3). Der Kohlenbergbau (rückläufig) konzentriert sich auf die Gebiete von Karaganda im mittleren Teil und Ekibastus im Nordosten des Landes (Fördermenge 1994 101 Mio. t). Zentrum der Eisenerzgewinnung ist Kustanaj (Qostanaj) im Norden, der Chromerzförderung, die 60 % der Weltproduktion ausmacht, Aktöbe (Aktjubinsk) im Nordwesten.
Etwa vier Fünftel der Elektroenergie werden in Wärmekraftwerken erzeugt. Am Irtysch, Syrdarja und Ili entstanden Wasserkraftwerke, in Aktau wird Kernenergie für eine Meerwasserentsalzungsanlage erzeugt. Ostkasachstan ist auf die Einfuhr russischen Erdöls, ganz Kasachstan auf die Erdgaseinfuhr angewiesen.
Sie ist vorwiegend auf die Verarbeitung der Bergbauprodukte ausgerichtet. Zwei Drittel des gesamten Industrievolumens bringen Nichteisenmetallurgie, Bereiche des Brennstoff- und Energiesektors, der Maschinenbau (v. a. Werkzeugmaschinenbau) und die Metallverarbeitung sowie die chemische Industrie, besonders Petrolchemie. Probleme verursacht die Umstellung der umfangreichen Rüstungsindustrie auf die Produktion ziviler Industriegüter. Schwach entwickelt und entsprechend einfuhrabhängig sind die Konsumgüter- und Lebensmittelindustrie.
Die Handelsbilanz war 1996 leicht positiv (Überschuss 0,4 Mrd. US-$). Ausgeführt werden Metalle und Metallwaren (40,1 %), Mineralölprodukte (33,7 %), chemische Erzeugnisse (9,9 %) und Agrargüter (3,7 %), eingeführt werden Mineralölprodukte (30,0 %), chemische Güter (7,8 %), Kraftfahrzeuge und Zubehör (7,8 %), Metallwaren (7,5 %), Lebensmittel (6,6 %) und Industriegüter (3,3 %). Die wichtigsten Einfuhrländer waren 1995 Russland (57 %), China, Turkmenistan, Deutschland, die Türkei, die Ukraine und die Mongolei, die wichtigsten Ausfuhrstaaten Russland (47 %), die Niederlande, China, Großbritannien, Italien, die Schweiz und Deutschland.
Verkehr:
Das Verkehrssystem ist nur unzureichend entwickelt. Mit einer Streckenlänge von (1995) 13 700 km (davon etwa 3 600 km elektrifiziert) ist die Eisenbahn der wichtigste Verkehrsträger. Das Land wird von vier Eisenbahnlinien (besonders Turkestan-Sibirischener Eisenbahn) in N-Südrichtung durchzogen, die durch Querbahnen, darunter ein Teilabschnitt der Südsibirischen Eisenbahn, miteinander verbunden sind. Den äußersten Norden durchzieht die Transsibirische Eisenbahn. Ende 1995 wurde eine Eisenbahnlinie von Alma-Ata nach Urumqi in China eröffnet (Teil der Transasiatischen Eisenbahn), um die Abhängigkeit vom russischen Eisenbahnnetz zu verringern. Das Straßennetz umfasst (1995) 87 300 km, es ist in der Umgebung von Alma-Ata und in Nordkasachstan am dichtesten. Binnenschifffahrt wird auf dem Kaspischen Meer, Balchasch-, Saissansee sowie auf Irtysch, Syrdarja, Ural, Ischim und Ili betrieben. Nationale Fluggesellschaft ist die Kazakhstan Aue Scholi. Internationale Flughäfen bestehen in Alma-Ata und in Aktau am Kaspischen Meer. Darüber hinaus dienen die Flughäfen Semipalatinsk, Karaganda, Astana und Aktuba dem Inlandsverkehr. Wichtigster Hafen ist Atyrau am Kaspischen Meer.
Funde aus der Altsteinzeit (v. a. aus dem Mittelpaläolithikum) künden von der frühen Besiedlung des heutigen kasachischen Territoriums. Im 2. Jahrtausend v. Chr. breitete sich hier die Andronowokultur aus. Etwa seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. setzte sich der Nomadismus durch, der zu einer Durchdringung der Steppengebiete Kasachstans führte und das Patriarchat sowie Stammes- und Clanstrukturen zur Basis gesellschaftlicher Organisation machte. Als Sammelbegriff für die autochthonen Reiternomaden Zentralasiens fand die Bezeichnung Saken Eingang in Quellenüberlieferungen. Von den Hunnen unterworfen, war das Gebiet Bestandteil nachfolgender Reiche. Im 5. Jahrhundert n. Chr. befanden sich die Stämme der Großen Steppe (Tolös-Stämme) unter dem Einfluss altaischer Turkstämme (Türküt), die ein Nomadenimperium errichteten; mit seinem Zerfall 582 trennte der Altai die Einflusssphären in Osten und W. Verbände mehrerer Stämme der Nomaden (Ulus) unterstanden einem Khan, der seine Gefolgschaften in endlose Kriege um Herden, Weiden und Wasserstellen führte. Im 10./11. Jahrhundert gehörte das Gebiet zum Reich der Karachaniden; 1219-21 eroberten es die Mongolen unter Dschingis Khan. Der Zerfall der Goldenen Horde war begleitet vom Aufstieg der Timuriden (14./15. Jahrhundert), der eine teilweise Islamisierung unter der sesshaften Bevölkerung mit sich brachte. Im 15. Jahrhundert entstand erstmals ein »kasachisches« Khanat, das seinen Einfluss vom südlichen Ural und dem Kaspischen Meer bis an den Altai und Tienschan ausdehnte und unter Kasim Khan (1511-18) den Höhepunkt seiner Macht erreichte. Bald darauf zerfiel es jedoch; auf dem Gebiet Kasachstans bildeten sich drei relativ eigenständige Stammesverbände (Horden): die Kleine oder Jüngere Horde im Westen, die Mittlere Horde in Zentral- und NO-Kasachstan und die Große oder Ältere Horde im Osten.
1723-25 verwüsteten Einfälle der Westmongolen (Kalmücken, Dsungaren/Oiraten) das Siebenstromland und verdrängten die Kasachen und Karakalpaken, welche ihren westlichen Nachbarn, Russland, um ein Verteidigungsbündnis ersuchten. Über Kosakenstanizen wurde der russische Einfluss allmählich in Richtung Süden verschoben; zwischen 1731 und 1742 schworen die Khane der Kleinen und Mittleren Horde sowie einige Clanführer der Großen Horde den Treueeid, eine vollständige Integration in das Russische Reich erfolgte erst bis Mitte des 19. Jahrhunderts, nachdem Aufstände und Versuche einer Wiedererrichtung des kasachischen Khanats unter dem Nationalhelden Kenisary Kasymow (* 1802, ✝ 1847) gescheitert waren und bis 1848 auch die restlichen Teile der Großen Horde angegliedert worden waren. Die südlichen Gebiete am Syrdarja und im Siebenstromland wurden 1867 dem neu geschaffenen Generalgouvernement Turkestan zugeordnet, während der Norden in zwei Gebiete geteilt und 1868 dem Generalgouvernement von Orenburg beziehungsweise Westsibirien (ab 1892 der Steppe) unterstellt wurde. Unter der russischen Bezeichnung »Kirgisen« wollte man die Kasachen als »inorodzy« (rechtliche Kategorie für Nomaden) »zivilisieren«; die dabei genutzte Vermittlerfunktion der Tataren brachte zugleich eine weitere Islamisierungswelle und in der Folge die Verbreitung islamisch-protonationalen Gedankengutes unter den von Animismus geprägten Nomaden. Die drastische Beschneidung des kasachischen Landbesitzes (Steppenstatut 1892), die massenhafte Ansiedlung russischer Bauern und die Einführung der Wehrpflicht für Muslime 1916 führten zu Aufständen, die brutal niedergeschlagen wurden.
Infolge der Februar- und Oktoberrevolution 1917 kam es zur Gründung von Bürgerkomitees und Sowjets. Ende 1917 proklamierte die von der Stammeselite (Beis, Mullahs) und bürgerlichen Nationalisten getragene »Alasch Orda« die Autonomie von Kasachstan und kämpfte gegen die Bolschewiki; im Bürgerkrieg fanden im Westen und Nordwesten des Landes Auseinandersetzungen v. a. mit der weißgardisten Armee A. W. Koltschaks statt. Am 26. 8. 1920 wurde das Territorium Kasachstans zur »Kirgisischen ASSR« innerhalb der RSFSR proklamiert. Durch die 1924/25 in Mittelasien vorgenommenen Grenzfestlegungen kamen die Gebiete Syrdarja und Siebenstromland, die v. a. von Kasachen bewohnt waren und bis dahin zur Turkestanischen ASSR gehörten, zur Kirgisischen ASSR, die 1925 in Kasachische ASSR umbenannt wurde und am 5. 12. 1936 den Status einer Unionsrepublik erhielt. Die 1929 in Kasachstan eingeleitete Kollektivierung der Landwirtschaft, die mit der zwangsweisen Sesshaftmachung des nomadisierenden kasachischen Volkes verbunden war, stieß auf harten Widerstand und löste (nach Flucht vieler Kasachen mit ihren Herden nach China und Viehabschlachtungen) jahrelange schwere Hungersnöte aus, denen viele Menschen zum Opfer fielen.
Zwischen 1926 und 1939 sank die Zahl der Kasachen um ein Fünftel; allein zwischen 1929 und 1936 halbierte sich die Anzahl der Haushalte in Kasachstan von 1,2 Mio. auf 565 000. Während der Zeit stalinscher Repressalien befanden sich etwa 100 000 Kasachen im Gulag; viele von ihnen wurden erschossen. Starke Einschnitte in die Bevölkerungsstruktur erfolgten 1941 durch die Zwangsansiedlung deportierter Völkerschaften, darunter v. a. Russlanddeutsche und Tschetschenen, und im Zuge der Neulandkampagne unter N. S. Chruschtschow ab 1954. Zugleich war mit der Verlagerung von 2 593 Industriebetrieben und dem dazugehörigen Fachpersonal aus den Westgebieten der Sowjetunion in den Osten während des Zweiten Weltkrieges ein enormer Industrialisierungsschub verbunden. Alma-Ata wurde wie Semipalatinsk, Astana, Kustanaj, Tschimkent, Karaganda zum Industriezentrum.
Im Zuge der gesellschaftlichen Reformpolitik M. S. Gorbatschows in der Sowjetunion fanden im Dezember 1986 in Alma-Ata Demonstrationen gegen die russisch dominierte Personalpolitik in den obersten Partei- und Staatsgremien statt (veranlasst durch die Absetzung des kasachischen KP-Sekretärs D. Kunajew durch den Russen G. Kolbin); die Proteste wurden mit Gewalt unterdrückt. Seit dieser Zeit bildete sich eine Reihe von Bürgerbewegungen. Die zahlenmäßig stärkste, die Bewegung »Nevada-Semipalatinsk« unter der Leitung des Schriftstellers O. O. Sulejmenow, forderte die Schließung des Atomtestgeländes von Semipalatinsk. Am 25. 10. 1990 erklärte der Oberste Sowjet die Kasachische SSR unter ihrem Präsidenten N. A. Nasarbajew für souverän. Nach dem gescheiterten Putsch orthodox-kommunistischer Kräfte (19.-21. 8. 1991) löste Nasarbajew die KP auf, ein Teil ihrer Mitglieder organisierte sich neu und behielt eine dominierende Rolle in den administrativen Strukturen. Am 1. 12. 1991 wählte die Bevölkerung ohne Gegenkandidaten Nasarbajew zum Staatspräsidenten. Mit dem Gesetz vom 16. 12. 1991 rief der Oberste Sowjet Kasachstans die Unabhängigkeit der »Republik Kasachstan« aus, die sich am 21. 12. 1991 der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) anschloss. Im Januar 1993 nahm das Parlament eine neue Verfassung an, die am 30. 8. 1995 durch die überarbeitete Fassung per Referendum ersetzt wurde. Am 15. 11. 1993 führte Kasachstan eine eigene Währung (Tenge) ein. Die Parlamentswahlen vom 7. 3. 1994, die mit dem Sieg der Nasarbajew nahe stehenden Partei der Volkseintracht endeten, wurden im März 1995 vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt; der Präsident löste daraufhin das Parlament auf. Über ein am 29. 4. 1995 durchgeführtes Plebiszit zur Verlängerung seiner Amtszeit bis zum 1. 12. 2000, die neue Verfassung und Neuwahlen (Dezember 1995) konnte Nasarbajew gestärkt aus der politischen Krise hervorgehen, wobei die demokratischen Ansätze zunehmend durch autoritäre Strukturen verdrängt wurden. Im Dezember 1997 zogen Staatspräsident, Regierung und Parlament von Almaty nach Akmola um, das als neue Hauptstadt 1998 in Astana (kasachische »Hauptstadt«) umbenannt wurde. Durch eine am 7. 10. 1998 von beiden Parlamentskammern bestätigte Verfassungsänderung (u. a. Ausdehnung der Amtszeit des Staatspräsidenten von fünf auf sieben Jahre) baute der zunehmend autokratisch regierende Präsident Nasarbajew (durch vorgezogene Wahlen im Januar 1999 erneut bestätigt) seine Machtposition aus.
Entspannungen im russisch-kasachischen Verhältnis brachten der Freundschafts- und Sicherheitsvertrag vom 10. 10. 1992 mit der Zusicherung von Souveränität, territorialer Integrität und Minderheitenschutz sowie ein am 28. 3. 1994 verabschiedetes Vertragswerk zur Regelung der Wirtschaftsbeziehungen, des Status von Staatsbürgern des jeweiligen Nachbarn sowie zur Fixierung von wichtigen Aspekten der militärtechnisch-strategischen, wissenschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit. Die Raumstation Baikonur wurde für die nächsten 20 Jahre verpachtet, eine Kompensation für die Umweltschäden in Semipalatinsk vereinbart. Über die in Kasachstan lagernden Kernwaffen wurde ein gemeinsames Entscheidungsrecht des russischen und kasachischen Präsidenten festgelegt, nachdem Kasachstan bereits im Dezember 1991 diese dem gemeinsamen Oberkommando der GUS unterstellt, 1992 den START-Vertrag unterzeichnet und im Dezember 1993 den Kernwaffensperrvertrag ratifiziert hatte.
Bestehende Grenzprobleme mit China konnten durch einen Vertrag vom 26. 4. 1994 bereinigt werden; die Situation der v. a. in Sinkiang lebenden Kasachen blieb jedoch ungeklärt. Territoriale Spannungen mit Kirgistan wurden spätestens seit der zwischen diesem, Russland, Weißrussland und Kasachstan am 29. 3. 1996 vereinbarten »Gemeinschaft Integrierter Staaten« entschärft (am 26. 2. 1999 trat auch Tadschikistan als Mitglied bei).
Istorija Kazachstana s drevnejšich vremen do našich dnej, hg. v. M. Kozybaev (Alma-Ata 1993);
A. Dixon: Kazakhstan: Political reform and economic development (London 1994).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
GUS: Die islamischen GUS-Staaten am Scheideweg
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Ka|sachs|tan; -s: Staat in Mittelasien.
Universal-Lexikon. 2012.