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Atheismus
Gottlosigkeit; Heidentum; Glaubenslosigkeit; Ungläubigkeit; Gottesleugnung; Religionslosigkeit; Unglaube

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Athe|ịs|mus 〈m.; -; unz.〉 Ablehnung, Verneinung der Existenz Gottes, Weltanschauung ohne Gott [→ Atheist]

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Athe|ịs|mus , der; - [zu griech. átheos = gottlos, aus: a- = nicht, un- u. theós = Gott]:
Weltanschauung, die die Existenz [eines] Gottes verneint bzw. bezweifelt.

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Atheịsmus
 
[zu griechisch átheos »ohne Gott«; humanistische Wortbildung des 16. Jahrhunderts] der, -, die Leugnung Gottes, einer göttlichen Weltordnung oder auch nur des geltenden Gottesbegriffs (im Gegensatz zum Theismus, Polytheismus und Pantheismus). Atheismus ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit Unglauben und zu unterscheiden vom Agnostizismus, der die Frage der Existenz Gottes offen lässt.
 
Aus allgemeinen und erkenntnistheoretischen Erwägungen, der wissenschaftlichen Beanstandung der Gottesbeweise, einer absoluten Wissenschaftsgläubigkeit oder einer Betonung der Würde und Freiheit des Menschen, mit der eine Gottesvorstellung unvereinbar sei, zieht der theoretische Atheismus die Folgerung, dass es Gott nicht gebe. Der meist unphilosophisch praktische Atheismus nimmt an, dass Gott mit weltlichen Dingen nichts zu tun habe (Säkularisierung), oder allgemeiner, dass die menschliche Existenz von der Gottesfrage nicht berührt wird. Als kämpferischer Atheismus versteht sich die Lehre, die jede Religion als für das Glück der Menschen schädliche Verirrung begreift.
 
In der Religionswissenschaft wird die Frage diskutiert, ob zum Begriff Religion notwendig der Glaube an einen persönlich gedachten Gott oder an persönlich gedachte Götter gehöre. So begegnet Atheismus in den ältesten Upanishaden, in denen das Absolute (Atman-Brahman) unpersönlich gefasst wird. Bekanntestes Beispiel für eine Religion, die zwar die Existenz persönlich gedachter Götter annimmt, diesen aber die Eigenschaften von absoluten und transzendenten Wesen bestreitet, ist der ältere Buddhismus, dem deshalb gelegentlich die Qualität einer Religion abgesprochen wird. Ebenso ist für die Jaina, die Anhänger des Jainismus, die Anschauung von Göttern für das Heilsziel der Erlösung entbehrlich.
 
 Geschichte
 
Schon im Alten Testament begegnet die Abwehr atheistischer Anschauungen (Psalter 14, 1; 53, 2) und ihre Qualifizierung als »Torheit«. »Atheoi« nannten die alten Griechen jene Bürger, die nicht dem öffentlichen Kult zugeneigt waren. Von hier aus sind die verschiedenen Asebie-(Gottlosen-)Prozesse zu verstehen, z. B. gegen den Philosophen Sokrates. Xenophanes übte moralische Kritik an der Götterwelt Hesiods und Homers, Kritias schließlich suchte als Erster die Religion psychologisch zu erklären: Sie sei von einem klugen Mann zur Wahrung des Rechts und der Gesetze erfunden worden. Für Platon galt Atheismus als unsittlich; daher forderten seine »Gesetze« für »unbelehrbaren« Atheismus die Todesstrafe. Verschiedenen Denkern wurde Atheismus nachgesagt (Euhemeros, Epikur, Lukian u. a.), wie überhaupt Atheismus in der Geistesgeschichte oft als Vorwurf gegen jene erhoben wurde, die lediglich die überkommene Religion in freier Weise, oft in pantheistischer Sinn, umdeuteten (B. Spinoza, J. G. Fichte). Epikur allerdings wandte gegen diesen Vorwurf ein, nicht wer die Götter des Volkes beseitige, sei gottlos, sondern, wer die Vorstellungen der Menge den Göttern zuschreibe. Als »atheoi« wurden Juden wie Christen von ihren Gegnern bezeichnet; Lukian reihte die Christen geradezu mit den Epikureern unter die Atheisten ein.
 
Im christlichen Mittelalter galt Atheismus als Häresie und wurde entsprechend geahndet. In der neueren Zeit forderte P. Bayle Toleranz jedem Atheismus gegenüber. Es sei ein Irrtum, das Verhalten der Menschen auf theoretische Ideen, etwa die Gottesvorstellung, zurückzuführen. Sittlichkeit sei ohne den Glauben an die Existenz Gottes möglich. Die französische Aufklärung schritt dann bis zu den Anschauungen P. d'Holbachs und J. O. de La Mettries (»L'homme machine«) fort. Die Französische Revolution proklamierte schließlich als Göttin die Vernunft.
 
Im 19. Jahrhundert wurde jeder Gottesglaube problematisch. In den verschiedensten Formen suchte man den Atheismus zu begründen: als Bejahung des vom Gottesglauben emanzipierten Daseins (F. Nietzsche und zahlreiche Nachfolger); als Desillusionierungsanspruch: Gottesidee und Jenseitsvorstellungen werden als Projektionen menschlicher Wünsche und Ängste gedeutet (L. Feuerbach: Das Wesen des Christentums, 1841); als historischen Materialismus: Die Religion wird als Bedürfnis der ausgebeuteten Volksmassen (»Opium des Volkes«) und als ideologisches Mittel der Manipulierung und Rechtfertigung der bestehenden Zustände durch die herrschenden Klassen hingestellt (K. Marx; Vorstufe: die französische Aufklärung, besonders P. d'Holbach); als absoluter Pessimismus (A. Schopenhauer): die Welt als Überfluss eines bösen Willens, die keinen Platz für Gott habe; oder als Freidenkertum in organisierten Verbänden, das unter Berufung auf die moderne Naturwissenschaft ein religiöses Verhalten als Mangel an wirklichem Aufgeklärtsein ablehnte. Ende des Jahrhunderts verkündete E. Haeckel, ausgehend vom Darwinismus, eine atheistische Naturreligion als Ergebnis der Wissenschaft. Sein Werk »Welträtsel« erreichte 1899 in kurzer Zeit eine Auflage von 400 000 Exemplaren.
 
Von den heutigen Strömungen neigt der Existenzialismus, besonders in seiner französischen Form, stark zum Atheismus. Nach J.-P. Sartre (»L'existentialisme est un humanisme«, 1946) ist freie menschliche Existenz nur möglich, wenn es keinen Gott gibt. Ihm stellte M. Heidegger 1951 seine Schrift »Über den Humanismus« gegenüber. In Russland hatten schon vor 1912 einzelne Denker (A. N. Radischtschew, W. G. Belinskij, N. G. Tschernyschewskij, N. A. Dobroljubow u. a.) atheistische Anschauungen vertreten. Einen Argumentationsfortschritt im Sinne der Absicherung der bereits herangezogenen Argumente bietet schließlich die methodisch betriebene Sprachkritik (durch B. Russell, L. Wittgenstein und die Philosophen des Wiener Kreises), in der die Verwendung auch der theologischen Begriffe auf ihre Begründung hin analysiert wird. Im übrigen aber ist die Rede von Gott heute kaum mehr das Streitobjekt der Philosophen, sondern das Thema der praktisch atheistischen Psychoanalyse und Ideologiekritik, die die Entstehung solchen atheistischen Redens aus psychischen und/oder gesellschaftlichen Verhältnissen zu verstehen suchen. Selbst die Theologie begreift zunehmend die durch den Atheismus aufgeworfenen Fragen als ein eigenes theologisches Problem und versucht, im Dialog mit dem Atheismus, die christliche Rede von Gott auf biblische Grundlage neu zu durchdenken.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Aufklärung · Ethik · Existenz · Freidenker · Gott · Humanismus · Kirchenkampf · Kirchenverfolgung · Materialismus
 
Literatur:
 
F. Mauthner: Der A. u. seine Gesch. im Abendlande, 4 Bde. (1920-23, Nachdr. 1963);
 C. Fabricius: Der A. der Gegenwart (1922);
 K. Leese: Die Religionskrisis des Abendlandes u. die religiöse Lage der Gegenwart (1948);
 W. Kamlah: Die Wurzeln der neuzeitl. Wiss. u. Profanität (1948);
 H. de Lubac: Die Tragödie des Humanismus ohne Gott (a. d. Frz., 1950);
 H. U. von Balthasar: Die Gottesfrage des heutigen Menschen (Wien 1956);
 M. Reding: Der polit. A. (Graz 21958);
 B. Welte: Nietzsches A. u. das Christentum (1958);
 G. A. Wetter: Der dialekt. Materialismus (51960);
 P. Ehlen: Der A. im dialekt. Materialismus (1961);
 J. Lepp: Psychanalyse de l'athéisme moderne (Paris 1961);
 H. Pfeil: Der atheistische Humanismus der Gegenwart (21961);
 M. Planck: Religion u. Naturwissenschaft (Leipzig 151965);
 
A. Profile u. Positionen der Neuzeit, hg. v. A. Esser (1971);
 
A. kritisch betrachtet, hg. v. E. Coreth u. J. B. Lotz (1971);
 A. Camus: Der Mensch in der Revolte (a. d. Frz., 51974);
 J. Figl: A. als theolog. Problem (1977);
 A. B. Drachman: Atheism in pagan antiquity (Chicago, Ill., Neuaufl. 1977);
 H. G. Pöhlmann: Der A. oder der Streit um Gott (41984);
 K. Bockmühl: A. in der Christenheit (31985).

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Athe|ịs|mus, der; - [zu griech. átheos = gottlos, aus: a- = nicht, un- u. theós = Gott]: Weltanschauung, die die Existenz Gottes leugnet.

Universal-Lexikon. 2012.