Aser|bai|d|schan; -s:
1. Landschaft u. Provinz im nordwestlichen Iran.
2. Staat am Kaspischen Meer.
* * *
I Aserbaidschan,
historisches Gebiet in Vorderasien, westlich des Kaspischen Meeres; der Norden bildet das Territorium der Republik Aserbaidschan, der Süden gehört zu Iran. Der iranische Teil Aserbaidschans mit den Provinzen Ostaserbaidschan (Hauptstadt: Täbris), Westaserbaidschan (Hauptstadt: Urmia) und Ardebil (Hauptstadt: Ardebil), insgesamt 100 825 km2 mit 6,99 Mio. Einwohner, umfasst den Nordwesten Irans, ein Hochland mit weiten Beckenlandschaften (z. B. um den Urmiasee), die von Gebirgsmassiven überragt werden. Die Täler und Senken sind dicht besiedelt (Aserbaidschaner und Kurden) und intensiv genutzt, zum Teil mit Bewässerung: Reis, Baumwolle, Obst u. a. In den Gebirgen Viehhaltung (Schafe, Ziegen, Kamele); Teppichknüpferei.
II
Aserbaidschan,
Fläche: 86 600 km2
Einwohner: (2000) 7,7 Mio.
Hauptstadt: Baku
Amtssprache: Aserbaidschanisch (Aseri)
Nationalfeiertag: 28. 5.
Zeitzone: 1500 Baku = 1200 Berlin
amtlich aserbaidschanisch Azärbaycan Respublikasɪ, deutsch Aserbaidschanische Republik, Staat im Südosten von Transkaukasien (Vorderasien), 86 600 km2, (2000) 7,7 Mio. Einwohner, Hauptstadt ist Baku. Aserbaidschan ist Mitglied der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Das Land besitzt 3 600 km Außen-, davon 800 km Seegrenzen; es grenzt im Nordwesten an Georgien, im Norden an Russland (Dagestan), im Osten an das Kaspische Meer, im Süden an Iran und auf 12 km an die Türkei sowie im Westen an Armenien. Innerhalb Aserbaidschans liegt das von Armenien beanspruchte Gebiet Bergkarabach. Zu Aserbaidschan gehört außerdem als Exklave zwischen Armenien und Iran die Autonome Republik Nachitschewan. Amtssprache ist das dem Türkischen sehr ähnliche Aseri. Die Umstellung vom kyrillischen auf das lateinische Alphabet hat 1992 begonnen; per Dekret wurde am 1. 8. 2001 die lateinische Schrift eingeführt. Als Verständigungssprache zwischen den Völkern beziehungsweise Korrespondenzsprache ist Russisch gebräuchlich. Währung ist der Aserbaidschan-Manat (A. M.) = 100 Gepik (G), der am 26. 7. 1993 als Parallelwährung zum Rubel (1:10) eingeführt und am 1. 1. 1994 zum alleinigen Zahlungsmittel erklärt wurde. Uhrzeit: 1500 Baku = 1200 Berlin.
Staat und Recht:
Seit der Unabhängigkeitserklärung vom 30. 8. 1991 ist Aserbaidschan eine unabhängige Republik mit Präsidialsystem. Bis November 1995 galt die mehrfach modifizierte Verfassung der ehemaligen Sowjetrepublik von 1978 in Verbindung mit dem Verfassungsakt vom 30. 10. 1991 über die staatliche Unabhängigkeit. Gestrichen wurde das Machtmonopol einer Partei sowie Artikel, die im Widerspruch zur Souveränitätserklärung standen. Seit 1992 lag die Legislative bei einem Interimsparlament (50 Mitglieder), als Staatsoberhaupt fungierte der direkt gewählte Präsident. Am 12. 11. 1995 wurde per Referendum eine neue Verfassung verabschiedet. Diese räumt dem auf fünf Jahre direkt gewählten Präsidenten (einmalige unmittelbare Wiederwahl zulässig) weitgehende exekutive Vollmachten ein. Der Präsident ernennt und entlässt das Kabinett unter Vorsitz des Premierministers nach eigenem Ermessen. Eine parlamentarische Zustimmung ist nur zur Ernennung des Premierministers erforderlich, sie entfällt jedoch, wenn das Parlament binnen Wochenfrist keine Entscheidung über den Vorschlag des Präsidenten trifft oder diesen dreimal ablehnt. Die Legislative liegt beim Einkammerparlament (Milli Medschlis), dessen 125 Abgeordneten für fünf Jahre gewählt werden (100 in direkter Mehrheitswahl, 25 über Parteilisten nach Verhältniswahl). An der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt ist der Präsident maßgeblich beteiligt. Er verfügt über das Recht der Gesetzesinitiative und kann gegen Gesetzesbeschlüsse ein Veto einlegen, das nur mit Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten überwunden werden kann. Darüber hinaus steht ihm ein selbstständiges Verordnungsrecht zu, das praktisch nur durch den Vorrang der Gesetze beschränkt ist. Im Falle eines vorzeitigen Rücktritts des Präsidenten übernimmt der Parlamentspräsident dessen Amtspflichten. Die Errichtung eines Verfassungsgerichts (neun Richter, die auf Vorschlag des Präsidenten vom Parlament gewählt werden), das hauptsächlich für Normenkontrollen zuständig sein soll, ist bis Ende 1996 vorgesehen.
Parteien:
Das Mehrparteiensystem wird durch das Parteiengesetz vom 3. 6. 1992 geregelt, das ein Verbot für Parteien vorsieht, die die Einheit der Republik infrage stellen oder einen radikal nationalistischen Kurs einschlagen. Einflussreichste der etwa 40 Parteien und Bewegungen (stark an Einzelpersönlichkeiten gebunden) sind die Partei »Neues Aserbaidschan«, die Nationale Unabhängigkeitspartei Aserbaidschans, die Nationale Volksfront Aserbaidschans und die traditionelle Mussawad-Partei.
Es wurde 1993 eingeführt und zeigt einen orientalischen Schild, der sich auf einen Halbkreis aus Eichenlaub und Ähren stützt, in den Farben der Nationalflagge (blau-rot-grün). Auf dem Schild befindet sich ein achteckiger roter Stern, in dessen Mitte vier Flammen züngeln.
Nationalfeiertage:
28. 5. (Tag der Republik; Verkündigung der ersten Unabhängigkeit 1918).
Aserbaidschan ist in 65 Kreise und neun kreisfreie Städte gegliedert.
Die Jurisdiktion lehnt sich inhaltlich und institutionell noch an das sowjetische Rechtssystem an, wobei ehemaliges Unionsrecht der nationalen Rechtsetzung untergeordnet wurde. Zahlreiche Gesetzesänderungen und -ergänzungen ohne eine grundlegende Rechtsreform machen die Situation äußerst kompliziert. Wichtige gesetzliche Grundlagen für den wirtschaftlichen Transformationsprozess wurden seit 1991 erlassen. Die Rechtsprechung wird in oberster Instanz vom Obersten Gericht (Zivil-, Straf-, Militärstraf- und Verwaltungssachen) und vom Wirtschaftsgericht (Zivil- und Verwaltungssachen der Unternehmen) ausgeübt. Die strikt zentralistisch aufgebaute Staatsanwaltschaft ist der sowjetischen Tradition entsprechend nicht nur Strafverfolgungsbehörde, sondern auch für eine umfassende Rechtsaufsicht über die Verwaltung zuständig.
Die Gesamtstärke der Streitkräfte soll nach einer Aufbauphase etwa 30 000 Mann betragen. Gemäß KSE-Vertrag (VKSE) ist der Unterhalt von 220 Kampfpanzern, 220 gepanzerten Kampffahrzeugen, 285 Artilleriegeschützen, 100 Kampfflugzeugen und 50 Kampfhubschraubern erlaubt.
Landesnatur und Bevölkerung:
Aserbaidschan ist die größte der ehemaligen sowjetischen Kaukasusrepubliken. Der Staat umfasst als Kernland die Kura-Araks-Niederung, die größtenteils unter 200 m über dem Meeresspiegel, im östlichen Teil sogar unter dem Weltmeeresniveau liegt, sich zum Kaspischen Meer mit einer 800 km langen Küstenlinie öffnet und den Hauptteil des Landes ausmacht. Sie wird im Norden vom östlichen Teil des Haupt- (Bazardüzü, 4 466 m über dem Meeresspiegel) und Seitenkamms (Schachdagh, 4 243 m über dem Meeresspiegel) des Großen Kaukasus, im Süden von Teilen des Kleinen Kaukasus (Gjamysch, 3 724 m über dem Meeresspiegel) mit dem vulkanischen Hochland von Bergkarabach in seinem inneren Teil umschlossen. Gebirge nehmen nahezu die Hälfte der Landesfläche ein. Im Nordosten Aserbaidschans fächern sich die Gebirgsketten des Großen Kaukasus in eine Reihe niedriger Gebirgsrücken auf, die auf der Halbinsel Apscheron weit in das Kaspische Meer ragen. Das Tiefland von Lenkoran als südlicher Zipfel der Kura-Araks-Niederung wird im Westen vom Talyschgebirge (bis 2 474 m über dem Meeresspiegel) begrenzt, das bis in den Iran hineinreicht. Unterbrochen vom Territorium Armeniens, trennt im Süden das Sangesurgebirge (bis 3 904 m über dem Meeresspiegel) die Autonome Republik Nachitschewan als Exklave vom Mutterland ab.
Die Flüsse gehören zum Einzugsgebiet des Kaspischen Meeres. Die größten, Kura, Araks und Alasani, werden zur Bewässerung und Energiegewinnung genutzt und sind zum Teil gestaut, die Kura u. a. zum Stausee von Mingetschaur (605 km2). Das Wasser des früher in den Araks mündenden Arpa wird durch einen Tunnel unter dem Wardenisgebirge in den Sewansee in Armenien umgeleitet, um dessen starke Wasserverluste etwas auszugleichen.
Hauptsächlich in der subtropischen Zone gelegen, ist das Klima reliefbedingt unterschiedlich. Der größte Teil der Kura-Araks-Niederung gehört zur trockenen subtropischen Klimazone mit Halbwüsten- und Steppenklima, lediglich das Tiefland von Lenkoran liegt in den feuchten Subtropen. In den Gebirgsgebieten ist ein höhengestuftes Klima anzutreffen. In den trockenen Niederungen (besonders niederschlagsarm ist die Halbinsel Apscheron) beträgt die Durchschnittstemperatur des Juli 25 º-27 º und des Januar 0 º-3 º C, der mittlere Jahresniederschlag 200-300 mm, im Tiefland von Lenkoran liegen die entsprechenden Werte bei 27 º C, 6 º C und 1 100-1 800 mm, in den Gebirgsgebieten je nach Höhenlage zwischen —3 º und unter —10 º C, 5 º C und 1 300-1 600 mm (Großer Kaukasus). Die Niederschläge fallen im Tiefland von Lenkoran vorwiegend in der kalten Jahreszeit, in der Gebirgs- und Vorgebirgszone hauptsächlich von September bis Oktober.
In der Kura-Araks-Niederung ist Halbwüsten- und stellenweise Wüstenvegetation mit salzliebenden Pflanzen anzutreffen, die in den westlichen Bereichen und auf den unteren Berghängen einer Bergsteppenvegetation weicht. Subtropische Vegetation mit Reliktpflanzen wie Buchsbaum und Eibe finden sich in der Lenkoranniederung. Eichen-, Buchen-, Hainbuchen- und Kastanienwälder bedecken ein Siebtel der Landesfläche, sie erstrecken sich auf der Südabdachung des Großen Kaukasus und stellenweise auch auf den Gebirgsabdachungen des Kleinen Kaukasus und des Talyschgebirges. Oberhalb von 2 200-2 500 m über dem Meeresspiegel breiten sich subalpine und alpine Wiesen aus, die als Sommerweiden genutzt werden.
Die ursprüngliche Flora und Fauna wird in zehn Naturschutzgebieten mit einer Gesamtfläche von 1 800 km2 geschützt. Besonders die Umwelt im Bereich der Industriezentren weist schwerste Schäden auf. Durch die Erdölförderung sind auf der Halbinsel Apscheron 20 000 ha Boden verseucht, 1 700 ha gelten als belastet. Auch der Fluss Kura ist stark geschädigt, da hier seit Jahrzehnten ungeklärte Industrieabfälle einfließen. Probleme bereiten der Anstieg des Kaspischen Meeres, die Versalzung der Mugansteppe mit dem Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche sowie die zunehmende Abholzung, v. a. in der Nähe der Flüchtlingslager.
Nach der Volkszählung von 1989 waren von den Bewohnern 82,7 % Aserbaidschaner (Aseri), 5,6 % Russen, 5,6 % Armenier, die jedoch wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Aserbaidschan und Armenien um das armenisch besiedelte Gebiet Bergkarabach seit 1989 weitgehend abgewandert sind (nach Schätzungen seit 1990 etwa 250 000), 2,4 % Lesgier sowie 3,7 % Angehörige anderer Nationalitäten (Ukrainer, Georgier, Juden, Tataren u. a.). Im Gegenzug zu den abgewanderten Armeniern sind Flüchtlinge aus Armenien (etwa 190 000) und aus Mittelasien (etwa 50 000) in Aserbaidschan eingewandert. Jährlich verlassen etwa 80 000 Bewohner die Republik kurz- oder langfristig auf der Suche nach Arbeits- und Lebensmöglichkeiten im Ausland.
Die Bevölkerungszahl wuchs von (1886) 1,6 Mio. über (1970) 5,1 Mio. auf (1993) 7,4 Mio. an, ist aber seit 1992 durch die Kriegsereignisse und die rapide Verschlechterung der Lebenslage rückläufig. Das durchschnittliche jährlich natürliche Bevölkerungswachstum betrug 1990-94 1,4 %. Nach UNHCR-Schätzungen kamen 1993 etwa 900 000 Flüchtlinge (hauptsächlich Aserbaidschaner) nach Aserbaidschan, besonders aus Armenien (200 000) und aus den von Armeniern eroberten Gebieten von Bergkarabach (650 000) sowie aus anderen ehemaligen Sowjetrepubliken (50 000). Von den Bewohnern Aserbaidschans waren 1993 33,4 % bis 14 Jahre, 61,6 % 15-64 und 5,0 % über 64 Jahre alt. Die mittlere Lebenserwartung betrug 1994 69,4 Jahre (1990: 71,1). Im Vergleich mit anderen Republiken Transkaukasiens ist der Anteil der Stadtbevölkerung wegen der in Aserbaidschan bereits seit den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts einsetzenden Erdölförderung und der Industrialisierung der Halbinsel Apscheron relativ hoch, er stieg bis 1994 auf 53,2 % an. Größte Städte sind (1991) Gäncä (282 200), Sumgait (236 200), Mingetschaur (90 900), Scheki (63 200) und Ali Bairamli (61 500). Die mittlere Bevölkerungsdichte beträgt 89 Einwohner/km2. Am stärksten ist die Halbinsel Apscheron, besonders das Gebiet um Baku (115-300 Einwohner/km2) besiedelt. Größere Bevölkerungsdichten haben auch das Tiefland von Lenkoran (bis 120 Einwohner/km2), die industriellen Bereiche der Kura-Araks-Niederung und die Vorgebirgszone von Großem und Kleinem Kaukasus. Dagegen sind die Gebirgsbereiche äußerst schwach bevölkert.
Staat und Religion sind nach der Verfassung getrennt. Die dominierende Religion ist der Islam, dem etwa 88 % der Bevölkerung (bei Gleichsetzung von ethnischer Zugehörigkeit und Religionsbekenntnis) zugerechnet werden; rd. 62 % sind Schiiten (Imamiten und Ismailiten), 26 % Sunniten der hanefitischen Rechtsschule. Der schiitische Islam, dem die Aserbaidschaner (Aseri) in ihrer überwiegenden Mehrheit angehören, ist v. a. in Mittel- und Südaserbaidschan verbreitet; der unter den in Aserbaidschan lebenden Abchasen, Kurden, Lesgiern, Tataren und Mescheten vertretene sunnitische Islam konzentriert sich v. a. in Nordaserbaidschan. Neben dem offiziellen Islam spielt der von »Laienmullahs« geprägte Volksislam eine große Rolle (Verehrung von über 300 heiligen Stätten). Der offizielle Islam erlebt seit 1990 eine »Wiedergeburt«, die ihren Ausdruck v. a. in der Restaurierung beziehungsweise dem Neubau von Moscheen, der Einrichtung von Koranschulen, der Eröffnung eines theologischen Studienzentrums in Baku und der Planung einer Koranausgabe in aserbaidschanischer Sprache findet. Zum Christentum (armenische und russ.-orthodoxische Kirche) bekennen sich die in Aserbaidschan verbliebenen Armenier, Russen und Ukrainer; innerhalb der deutschen Minderheit gibt es seit 1993 eine apostolische Gemeinde (rd. 3 000 Mitglieder). Die geistliche Betreuung der wenigen katholischen Christen erfolgt durch die kirchliche Mission Aserbaidschan (Sitz: Baku; errichtet 2000). Die jüdische Gemeinde (1989 rd. 30 800 Mitglieder) hat seit 1990 weit über die Hälfte ihrer Mitglieder durch Auswanderung verloren. Daneben gibt es religiöse Minderheiten der Bahais (1937 verboten; 1992 neu konstituiert), Jesiden (unter den Kurden) und Anhänger der schiitischen Sondergemeinschaft Ali Ilahi.
Es besteht zehnjährige Grundschulpflicht. Die Analphabetenquote beträgt 4 %. Wichtigste Forschungsstätten sind die Aserbaidschane Akademie der Wissenschaften in Baku mit etwa 20 größeren Instituten und die Technische Universität. Zum neunten Mal in der Geschichte der Republik erfolgt derzeit eine Veränderung des Alphabets, diesmal vom Kyrillischen in die Lateinschrift.
Presse: Es erscheinen rd. 150 registrierte Zeitungen in Aserbaidschan, davon die meisten in der Volkssprache Aseri, außerdem rd. 100 Zeitschriften. Die vier wichtigsten Zeitungen sind »Azadlyg« (»Freiheit«, Organ der Nationalen Volksfront, gegründet 1989), »Azerbaijan« (1989), »Azerbaijan Ganjlyari« (»Jugend von Aserbaidschan«, 1919) sowie das frühere kommunistische Blatt »Khalg Gazeti« (1919). - Nachrichtenagentur: »Aserinform«, Baku. - Rundfunk: »Radio Baku« (gegründet 1926) sendet in Aseri, Russisch, Arabisch, Persisch und Türkisch, das 1956 gegründete Fernsehen »Baku Television« verbreitet Programme in Aseri, russischer und armenischer Sprache. Außerdem werden zwei Moskauer Programme und das staatliche türkische Fernsehen TRT 1 empfangen; ein Kanal steht für private Anbieter zur Verfügung (z. B. Superchannel, Großbritannien, Zaman, Türkei).
Wirtschaft und Verkehr:
Mit einem Bruttosozialprodukt von (1994) 500 US-$ je Einwohner gehört Aserbaidschan zu den Entwicklungsländern mit mittlerem Einkommen. Im Vergleich mit anderen transkaukasischen GUS-Republiken verfügt Aserbaidschan über die günstigsten wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen, weist jedoch Strukturmerkmale auf, die für Entwicklungsländer charakteristisch sind, besonders hinsichtlich der Orientierung auf die Lieferung von Rohstoffen (Erdöl, Baumwolle, Wein) und der fehlenden Diversifizierung der Wirtschaft und Unterbeschäftigung. So entschied Aserbaidschan bis 1990 nur über 7 % seiner Industrieproduktion eigenständig, landwirtschaftliche Rohstoffe wie Baumwolle und Weintrauben wurden nur zu 10-15 % im Land verarbeitet. Mit der Unabhängigkeit 1991 wurde ein Reformkurs angekündigt, der die Wahrnehmung nationaler Wirtschaftsinteressen und den Übergang zur Marktwirtschaft in sozial verträglichem Rahmen zum Ziel hat. Bis 1995 wurden die gestellten Aufgaben trotz vielfältiger Aktivitäten nur in unzureichendem Maße verwirklicht. Ursachen dafür sind der Krieg um Bergkarabach, die fehlende innenpolitische Stabilität (bis 1995 drei Präsidenten sowie zahlreiche Putschversuche), unzureichende marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie eine hohe Korruption.
Der bereits 1991 eingeleitete Privatisierungsprozess wirkte sich bisher lediglich im Agrar- und Dienstleistungsbereich sowie im Kredit- und Bankwesen aus. Der Anteil des privaten Sektors am Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 1994 bei 20 %. Seit 1990 ging das BIP um jährlich 14-25 % zurück und betrug 1994 nur noch 12 Mrd. US-$. Der Anteil des außerhalb der Erdölbranche stagnierenden industriellen Sektors am BIP betrug (1993) 53 %, der Land- und Forstwirtschaft 27 % und des Handels- und Dienstleistungssektors 15 %. Die stark rückläufige wirtschaftliche Produktion führte zwangsläufig zu einer rapiden Verschlechterung der Lebensverhältnisse, die sich u. a. in der hohen Inflationsrate (1994/93: 1 764 %) widerspiegelt.
1993 waren 54,2 % der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter. Von den im gleichen Jahr 1,895 Mio. Beschäftigten in der Volkswirtschaft arbeiteten 23,9 % in Industrie und Bauwirtschaft, 37 % in der Land- und Forstwirtschaft, 20,2 % im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen und 12,4 % im Verkehr, Handel und Dienstleistungsbereich. Die Zahl der Arbeitslosen betrug offiziell 29 300.
Aserbaidschan gehört zu den alten Agrarländern mit traditioneller Bewässerungskultur (70 % der Anbauflächen). Die landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) beträgt etwa 4 Mio. ha, davon entfallen auf Ackerland 1,6 Mio. und auf Weideflächen 2,1 Mio. ha, der Rest auf Obst-, Rebland, Teeplantagen und Anbauland für Spezialkulturen. Neben den fruchtbaren Gebieten in Zentral- und Nordaserbaidschan, wo Baumwolle, Wein, Tabak, Maulbeerbäume für die traditionelle Seidenraupenzucht und Getreide angebaut werden, gehört das Gebiet von Lenkoran zum Anbaugebiet von Reis, Sonderkulturen wie Zitrusfrüchte und Safran und von Tee. Die Winterweiden im Flachland und Sommerweiden im Gebirge werden für die Viehzucht (Schafe und Rinder) genutzt.
Trotz eines bereits am 8. 4. 1992 erlassenen Gesetzes über die Einrichtung von Privatbetrieben geht die Agrarreform nur schleppend voran. Die etwa 1 700 Sowchosen und Kolchosen sind nach wie vor die Hauptträger der einheimischen Agrarproduktion, die nur etwa die Hälfte des Getreide- (2,5 Mio. t pro Jahr) und nur ein Sechstel des Fleischbedarfs (circa 600 000 t) der Bevölkerung decken. Die Grundversorgung kann deshalb nur mit Importen beziehungsweise internationaler Hilfe (besonders durch die EU) gesichert werden und ist entsprechend krisenanfällig.
Der einst bedeutende Fischfang im Kaspischen Meer (besonders Kaviargewinnung) ist durch unkontrollierten Fang und besonders durch die von der Erdölförderung verursachte Meeresverschmutzung stark rückläufig und lag 1994 bei 40 000 Tonnen.
Aserbaidschan verfügt über abbauwürdige Vorkommen an Eisen-, Kupfer-, Molybdän-, Baryterzen (im Kleinen Kaukasus) sowie an Gold, Alunit, Marmor, Schwefelkies und Steinsalz. Wichtigster Rohstoff ist jedoch das qualitativ hochwertige Erdöl. Die erste Bohrung erfolgte 1847, die industrielle Erschließung begann 1871, die Förderung auf offener See wurde 1947 aufgenommen (Erdölbohrinsel Neftjanyje Kamni). Die Fördermenge ging in den letzten Jahren immer mehr zurück (1970: 20 Mio. t; 1994: 9,56 Mio t). Etwa 50 % der Vorkommen auf den alten Feldern sind erschöpft, Reserven werden auf 180 Mio. t geschätzt. Ertragreiche Fördergebiete sind östlich der Halbinsel Apscheron die in 5 000-6 000 m Tiefe gelegenen submarinen Erdölfelder. Ein am 20. 9. 1994 unterzeichneter Vertrag zwischen der aserbaidschanischen Erdölgesellschaft SOCAR (Anteil 20 %), der russischen Gesellschaft LUKoil (10 %) und einem von British Petroleum und der norwegischen Gesellschaft Statoil angeführten westlichen Konsortium (70 %) sieht die Förderung von rd. 510 Mio. t Erdöl in den Off-shore-Feldern Azeri, Cirag und Günesli vor. Davon erwartet Aserbaidschan nicht nur Einnahmen von 34 Mrd. US-$, sondern auch wichtige Impulse für die übrigen Wirtschaftszweige. Hauptproblem bildet jedoch der Absatz, da der Verlauf einer neu zu bauenden Pipeline nach Europa zwischen Russland, Aserbaidschan und dem Konsortium umstritten ist.
Neben Erdöl wird auch Erdgas, jedoch von wenig guter Qualität, gewonnen (1980: 14 Mrd. m3, 1994: 6,37 Mrd. m3), besonders in der Kura-Araks-Niederung bei Karadag südwestlich von Baku und aus submarinen Lagerstätten.
Die Produktion von Elektrizität hat einen Umfang von circa 16 Mrd. kWh. Die installierte Kapazität (4 908 MW) wird zum Großteil durch Wärmekraftwerke (Heizöl- und Gasbefeuerung: 4 216 MW) erbracht, die sich besonders auf der Halbinsel Apscheron (Sumgait), aber auch in Gäncä und in Ali Bairamli befinden. Die gewonnene Erdgasmenge ist für eine stabile Elektroenergieerzeugung nicht ausreichend und muss durch Importe v. a. aus Turkmenistan ausgeglichen werden. Die Wasserkraftreserven werden zu etwa 15 % genutzt und erbringen 692 MW. Hydrokraftwerke wurden an der Kura (bei Mingetschaur und Warwarinsk), am Terek, Terter, Araks (gemeinsam mit Iran) und an anderen Flüssen gebaut.
Etwa 80 % der industriellen Bruttoproduktion entfallen auf die Halbinsel Apscheron mit dem Industriegebiet Baku-Sumgait, wo die Erdölförderung und -verarbeitung und die darauf ausgerichteten Industrien wie Petrochemie und Erdölmaschinen- und Erdölanlagenbau, außerdem die Eisenmetallurgie (Röhrenwalzwerk in Sumgait) und Aluminiumherstellung konzentriert sind. Weitere Standortbereiche sind Gäncä-Daschkessan mit Erzbergbau, Erzanreicherung, Eisen- und Leichtmetallurgie sowie chemische, Textil- und Nahrungsmittelindustrie, Ali Bairamli-Saljany mit Elektroenergieerzeugung und Lebensmittelindustrie, Mingetschaur-Jewlach mit Elektroenergieerzeugung, Metallverarbeitung, Textil- (besonders Teppichweberei) und Lebensmittelindustrie sowie Scheki-Sakataly mit Naturseideverarbeitung und Lebensmittelindustrie. Außerhalb davon sind die Städte Nachitschewan, Lenkoran und Taus wichtige Industriestandorte.
Am insgesamt rückläufigen BIP ist die Leichtindustrie mit 16 %, der Maschinenbau und die Metallverarbeitung mit 13 %, die petrochemische und chemische Industrie mit 6 % sowie die Eisen- und Nichteisenmetallindustrie mit 3 % beteiligt. Durch die geographische Randlage und die Kriegsereignisse um Bergkarabach und Tschetschenien ist der Bezug von Industrierohstoffen und -ausrüstungen, die hauptsächlich aus anderen GUS-Republiken eingeführt werden, oftmals unterbrochen. Die Kapazitätsauslastung der Industrie sank bei der Textil- und chemische Industrie sowie im Maschinenbau auf 20 bis 50 %. Die größten Probleme sind die sehr veraltete Industriestruktur und mangelnde technische Ausstattung.
Fremdenverkehrsorte sind im Großen Kaukasus Kussary, Zakatala, Tschuchurjurd und Scheki, im Mineralquellen reichen Kleinen Kaukasus Schuscha, Istissu und Naftalan sowie am Kaspischen Meer Lenkoran, Masally und Meşasu. Wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen ging der Tourismus nach der Unabhängigkeit des Landes stark zurück.
Das Außenhandelsmonopol ist staatlich. In den Jahren seit der Unabhängigkeit konnte Aserbaidschan trotz der militärischen Auseinandersetzungen mit Armenien und der umfangreichen Einfuhr von Rüstungsgütern einen Außenhandelsüberschuss erzielen (Einfuhrwert 1993: 240 Mio. US-$, Ausfuhrwert: 350 Mio. US-$). Die wichtigsten Handelspartner sind die mit Aserbaidschan in der GUS zusammengeschlossenen Republiken (besonders Russland, Turkmenistan, Kasachstan, Usbekistan), die Türkei, Großbritannien u. a. westliche Industrieländer sowie Iran und Griechenland. Bei den Ausfuhrwaren dominieren Erdöl und Textilien sowie Maschinen und Metallwaren. Eingeführt werden Metalle, Maschinen, strategische Güter, Apatit, Bauxit, Steinkohle, Erdgas, Kraftfahrzeuge, Holz und Getreide.
Verkehr:
Das Verkehrsnetz umfasst (1993) 2 070 km Eisenbahnlinien (1 300 elektrifiziert) und 24 300 km Straßen (22 800 asphaltiert). Etwa 90 % der Straßen und 33 % der Eisenbahnlinien sind dringend erneuerungsbedürftig. Hauptverkehrsachse ist die Bahnlinie von Baku über Gäncä nach Tiflis und Batumi sowie von Baku über Machtschkala nach Zentralrussland. Aufgrund der Kriegsereignisse sind die Verbindungswege ständig gestört, sodass der Umfang des Personen- und Warentransports auf der Schiene fast auf ein Drittel gesunken ist. Eine Erdölleitung führt von Baku nach Batumi und eine Erdgasleitung von Karadag nach Sumgait beziehungsweise (unterbrochen) nach Erewan. Der Flugverkehr (1993: 14 000 t; 1,5 Mio Passagiere) wird von den nationalen Gesellschaften Azaltrans und Azärbaycan Hava Yollari abgewickelt, ein moderner internationaler Flughafen befindet sich unweit von Baku. Von größter Bedeutung für den Güterumschlag ist der Hafen von Baku, von hier führen Eisenbahnfähren nach Turkmenbaschi (Turkmenistan) und Aktau (Kasachstan).
Früheste Zeugnisse einer Besiedlung Nordaserbaidschans sind teilweise bis zu 200 000 Jahre alt (Chanlar, Baku, Kedabek), Funde des Neolithikums (Felsbilder von Kobustan) und des Chalkolithikums (bei Mingetschaur, Chodschaly) zeigen die Bindung der Menschen an die Jagd und den Fischfang, das Halten von Haustieren und ein frühes Vertrautwerden mit Kupfer als Grundlage einer reichen Bronzezeit. Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. drangen Iraner bis in den kaukasischen Raum vor. Assyrische Quellen aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. berichten 844/836 v. Chr. erstmals von den Persern (Parsua) und den Medern (Madai), die in Stammesverbänden in den Bergen residierten. Neben den Assyrern drängten seit Ende des 9. Jahrhunderts v. Chr. Kimmerier und Skythen oder Saken aus Zentralasien in das Gebiet, zugleich stießen die Urartäer ostwärts. Als um 627 v. Chr. der letzte große Assyrerkönig Assurbanipal starb, begründeten die Meder einen eigenen Staat Medien, der 550 v. Chr. von den Persern unter dem Achaimeniden Kyros II., der Große, unterworfen wurde. Bis zur Niederlage der Achaimeniden gegen Alexander dem Großen 331 gehörte Medien zu zwei von 20 Provinzen (Satrapen), deren Oberbefehlshaber Atropates dem Land (über griechisch Atropatene, Atropatios Media, armenisch Atrpatakan, mittelpersisch Aturpatakan und neupersisch Adarbayjan) den Namen gegeben haben soll. Ihm gelang es, nach dem Tod Alexanders des Großen einen eigenständigen Staat zu begründen, in welchem der Zoroastrismus die Kulthandlungen bestimmte. Im 1. Jahrhundert v. Chr. zwischenzeitlich vom Armenierkönig Tigranes I. unterworfen, zogen 66/65 und 37/36 v. Chr. sowie um 80 n. Chr. römische Legionen über Atropatene nach Albania. Im 3./4. Jahrhundert konnten sich die persischen Sassaniden Albania und Atropatene einverleiben; zahlreiche Stadtbefestigungen (u. a. Schamchor, Barda, Schemacha, Gäncä, Ardebil, Baku) folgten. Seit dem 4. Jahrhundert drang das Christentum nach Albania vor. Vom 4. bis 6. Jahrhundert wanderten zahlreiche Stämme aus dem Norden ein, neben den Hunnen und Chasaren kamen erste Heere des Türkenkhaganats aus Mittelasien (589/590) und im 7. Jahrhundert die Byzantiner. Die Albaner zogen sich in die Bergregionen um die Festung Gardiman zurück und konnten unter Dschewanschir (638—670) einen letzten christlichen Staat begründen. Nach der arabischen Eroberung wurde Nordaserbaidschan in drei Emirate gegliedert: Schirwan, Mughan und Arran. Eine vollständige Islamisierung erfolgte jedoch noch nicht; Judentum (bis heute existieren Dorfgemeinschaften von »Bergjuden«) und das Christentum in seinen armeno-gregorianischen Formen wie auch Zoroastrismus und Manichäismus blieben erhalten. Zahlreiche Aufstands- und Sektenbewegungen im 8. und 9. Jahrhundert (816—837 Volksheld Babek) verdeutlichten den Widerstand gegen die arabische Fremdherrschaft. Im 9./10. Jahrhundert zerfiel Aserbaidschan in mehrere, faktisch unabhängige Fürstentümer: Die Schirwanschahs regierten von Schemacha aus das Land zwischen Derbent und Kura, ihre Vasallen beherrschten Gebele, Scheki und Karabach, während Südaserbaidschan die Fürsten von Gilan von der Hauptstadt Ardebil aus vereinigten. Arabische Geographen bezeichneten die Region als Aserbaidschan.
Zwar konnten sich in Nordaserbaidschan die in Schirwan regierenden Kesraniden (ab 1027) mit georgischer Unterstützung noch bis 1382 halten, Einfälle der Alanen aus dem Nordkaukasus (1062—1065) und der ersten turkmenischen Ogusen aus dem Osten sowie 1175 die ersten russischen Flottenverbände am Ufer des Kaspischen Meeres abwehren, aber ihr Einflussgebiet schmolz zusehends. Nach der Eroberung von Täbris (1054) und Armenien (1064/71) durch die Seldschuken setzte ab 1071 die Turkifizierung Aserbaidschans ein. In den Hauptstädten Nachitschewan und Täbris wurden, wie in den meisten Gebieten Aserbaidschans, zunehmend die dort gesprochenen iranischen Dialekte durch das Aseri-Türkisch verdrängt, während Persisch als Hof- und Literatursprache eine Blütezeit erlebte (u. a. durch den Dichter Nisami). Im 13./14. Jahrhundert beherrschten die Mongolen das Gebiet, bevor sie ab 1385 durch die türkischen Truppen Timurs vertrieben wurden. Unter Führung des schiitischen Sufi-Führers Schah Ismail I. (* 1487, ✝ 1524) ging ein neuer Eroberungszug von Gilan aus, der 1501 Täbris und bis 1514 ein Gebiet von der Grenze des Osmanischen Reiches bis Afghanistan erreichte. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts fiel Nordaserbaidschan wieder an die Osmanen, bis die Perser Schirwan zurückeroberten (1603—1606/07). Bis zum Zusammenbruch des Safawidenreiches (1722) blieb Aserbaidschan Teil des Reiches. Unter Peter I., der Große, unternahmen die Russen 1722/23 eine Expedition an die Ufer des Kaspischen Meeres, mussten jedoch den Osmanen (1728—1734) und Persern weichen, die ihre Macht nur noch begrenzt über autonome Lokalherrscher (Khane) ausüben konnten. Im ersten Russisch-Persischen Krieg (1804—1813) fielen die Khanate Gäncä, Karabach, Schirwan, Kuba, Derbent, Scheki und Baku an Russland, im zweiten Russisch-Persischen Krieg (1826-28) folgten Lenkoran, Talysch, Nachitschewan und Erewan. Der Vertrag von Turkmantschaj 1828 zog die Grenze zwischen Russland und Iran am Fluss Arax und machte aus den Aseri ein geteiltes Volk. Mit dem Ziel der Schaffung einer »christlichen Pufferzone« erhielten zugleich die christlichen Armenier die Möglichkeit, in das Gebiet nördlich des Flusses einzuwandern. Lebten 1846 in Transkaukasien circa 200 000 Armenier, so waren es 1915 bereits 1,68 Mio., die in 12 von 13 kaukasischen Verwaltungseinheiten als Minderheiten siedelten. Russland sicherte sich seinen Einfluss in Osttranskaukasien zunächst nur über die militärische Kontrolle, administrative Umstrukturierungen und die Eingliederung der muslimischen Aristokratie (1846 Gleichstellung mit dem russischen Adel). 1864—1871 erfolgte die Abschaffung der Leibeigenschaft, ab 1872 strömte mit dem Verkauf von Staatsland auf der Halbinsel Apscheron und dem damit verbundenen Erwerb von Erdölkonzessionen russischem und ausländischem Kapital in die Region, die 1898 bereits die Hälfte der Welterdölproduktion erbrachte. Der Bau der Eisenbahn vom Kaspischen Meer über Tiflis bis zum Schwarzen Meer (1883) und die Herstellung von stabilen Telegrafenverbindungen machten Baku (1863: 14 000 Einwohner, 1898: 200 000 Einwohner) zu einem wichtigen Bindeglied zwischen Europa und Asien; die Stadt wurde zu einer multiethn. Metropole mit europäischem Kolorit (Anteil der Russen 1913: 35 %; deutscher Kolonisten siedelten seit 1818 im Gebiet Jelisawetpol). Der schnelle Wandel durch die Industrialisierung, die verschärfte soziale Konkurrenz sowie die demographischen Veränderungen durch die verstärkte armenische Einwanderung aus dem Osmanischen Reich und Iran brachten seit der Jahrhundertwende eine nationale Erweckungsbewegung hervor, die sowohl Aufklärung als auch politische Aktion einschloss und seitdem immer wieder zu armenisch-tatarischen Konflikten führte (1905/06 und 1918-20). Ersten Gruppen der russischen Sozialdemokraten folgten 1904 die aserbaidschanische marxistische Partei »Himmät« und 1911 die nationaldemokratische »Mussawad«-Partei, die unter Mehmet Emin Rasulzade die erste, am 28. 5. 1918 gegründete »Republik Aserbaidschan« regierte (bis 1920). Nach der Zerschlagung der von April bis Ende Juli 1918 bestehenden bolschewistischen Parallelregierungen in Baku (»Bakuer Kommune«) wurde im April/Mai 1920 die Sowjetmacht in Aserbaidschan erneut errichtet; am 12. 3. 1922 erfolgte die Gründung einer Transkaukasischen Föderalunion mit Armenien und Georgien, die am 13. 12. 1922 in eine Transkaukasische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik umgewandelt wurde und als solche am 30. 12. 1922 den Unionsvertrag unterzeichnete. Erst nach der Auflösung der Föderation (1936) wurde Aserbaidschan eine eigenständige Unionsrepublik (»Aserbaidschanische SSR«). Am 5. 7. 1921 wurde - bei Verständigung mit der Türkei - die Autonomie Bergkarabachs beschlossen (am 7. 7. 1923 per Dekret umgesetzt); Nachitschewan erhielt (nach Beschluss vom 31. 12. 1923) die Autonomie per Dekret vom 9. 2. 1924.
Einschneidende Veränderungen während der Sowjetisierung waren in den 20er-Jahren: die Enteignung des Grundbesitzes, der Übergang zum lateinischen Alphabet (ab 1927), Angriffe auf islamische Traditionen und Institutionen (1925/1928) und die Einleitung der Zwangskollektivierung 1929, die zugleich eine Zwangsansiedlung der nomadisierenden Völkerschaften mit sich brachte. In den 30er-Jahren fiel fast die gesamte nationale Elite den Stalinschen »Säuberungen« zum Opfer. Nationale Ambitionen der Aseri wurden während des Zweiten Weltkrieges im Verhältnis zu Iran instrumentalisiert, als sowjetische Truppen im Nordiran stationiert waren (August 1941—April 1946) und eine aserbaidschanische »Volksrepublik Gilan« ausgerufen wurde. In der Nachkriegszeit entstanden zahlreiche Wirtschaftsprojekte (Sumgait, Ali Bairamli, Mingetschaur), während die quantitative Bedeutung der Erdölförderung zurückging. Bis 1988 gehörte Aserbaidschan zu den relativ zuverlässigen Partnern der Moskauer Zentralregierung Die armenischen Revisionsansprüche (Forderung eines Transfers Bergkarabachs von Aserbaidschan nach Armenien) wirkten als Katalysator einer nationalen Bewegung, die am 23. 9. 1989 zur Verkündung der Souveränität Aserbaidschans und zur offiziellen Anerkennung der am 16. 7. 1989 gegründeten Volksfront Aserbaidschans als oppositionelle Kraft führte. Mehrere blutige Pogrome an den Armeniern (im Februar 1988 in Sumgait, im November 1988 in Kirowabad [jetzt Gäncä] und im Januar 1990 in Baku) lösten eine armenische Fluchtwelle aus Aserbaidschan aus. Angesichts der sich zuspitzenden Lage floh seit Herbst 1988 die aserbaidschanische Minderheit aus Armenien. Eine gespannte Situation entstand im Winter 1989/90 in Nachitschewan, im Grenzgebiet zu Iran.
Im Januar 1990 intervenierte die sowjetische Zentralgewalt in Aserbaidschan (etwa 170 Todesopfer). Der kommunistische Parteiführer A. Wesirow wurde von A. Mutalibow abgelöst, der sich im Mai 1990 zum Präsidenten wählen ließ. Am 6. 2. 1991 erfolgte die Umbenennung in »Aserbaidschanische Republik«. Am 30. 8. 1991 verkündete Aserbaidschan seine Unabhängigkeit (am 18. 10. 1991 vom Parlament formal in Kraft gesetzt), am 21. 12. 1991 schloss es sich der GUS an. Die Eskalation des Konfliktes um Bergkarabach ab 1988 und der Zusammenbruch der UdSSR 1991 untergruben die Position Mutalibows, der am 6. 3. 1992 sein Präsidentenamt auf Druck der Opposition niederlegte; die Regierungsgewalt übernahm ein interimistischen Staatsrat. Den Versuch Mutalibows, am 14. 5. 1992 an die Macht zurückzukehren, verhinderten Massendemonstrationen unter Führung der Volksfront, deren Vorsitzende Abulfas Eltschibej (* 1938, ✝ 2000) am 7. 6. 1992 zum Präsidenten der Republik gewählt wurde. Die Beteiligung Aserbaidschans an der GUS wurde im Oktober 1992 rückgängig gemacht, stattdessen der Kurs einer stärkeren Anlehnung an die Türkei eingeschlagen. Anfang Juni 1993 marschierten bewaffnete Kräfte unter Surat Husseinow (* 1959) aus Gäncä nach Baku. Eltschibej floh aus der Hauptstadt, und die Präsidialmacht wurde am 24. 6. 1993 an G. Alijew übergeben, der am 3. 10. 1993 in seinem Amt per Wahl bestätigt wurde und Husseinow als Ministerpräsident nominierte (gewählt am 30. 6. 1993, am 6. 10. 1994 abgesetzt). Aserbaidschan trat am 24. 9. 1993 der GUS wieder als Vollmitglied bei, beharrte jedoch auf seiner nationalen Souveränität besonders in militärischen (keine Stützpunkte) und wirtschaftlichen (Erdöl) Fragen. Durch die Vermittlung Russlands im Karabachkonflikt schloss Aserbaidschan, von dessen Territorium etwa 20 % durch armenische Truppen besetzt wurden, im Mai 1994 ein Waffenstillstandsabkommen mit Armenien; danach kamen die Kämpfe vorerst weitgehend zum Erliegen. Im Oktober 1994 und im März 1995 scheiterten Putschversuche gegen Präsident Alijew; der Beteiligung daran für schuldig befunden, wurde Husseinow im Februar 1999 zu lebenslanger Haft verurteilt.
Die ersten seit Erlangung der Unabhängigkeit durchgeführten Parlamentswahlen am 12. 11. 1995 (von UNO- und OSZE-Beobachtern wegen Benachteiligung der Opposition kritisiert) konnte die von Alijew 1992 gegründete Partei »Neues Aserbaidschan« für sich entscheiden. 1997 kehrte Eltschibej (weiterhin Führer der Volksfront) in die Hauptstadt zurück und übernahm bis zu seinem Tod im August 2000 eine führende Rolle in der Opposition gegen Alijew. Bei den von der Opposition boykottierten und von Unregelmäßigkeiten überschatteten Präsidentschaftswahlen am 11. 10. 1998 wurde der Amtsinhaber Alijew mit rd. 76 % der Stimmen bestätigt. Im April 2000 schloss Aserbaidschan mit US-amerikanischen Konzernen Verträge über die Nutzung von Erdölvorkommen im Kaspischen Meer; am 18. 11. 1999 vereinbarte es mit der Türkei und Georgien den Bau einer Erdölpipeline von Baku an die türkische Mittelmeerküste. Am 1. 7. 1999 trat ein mit der EU geschlossenes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen in Kraft. Die am 5. 11. 2000 durchgeführten Parlamentsneuwahlen, bei denen der Sohn des Präsidenten, Ilcham Alijew, als Spitzenkandidat antrat, konnte erneut die regierende Partei »Neues Aserbaidschan« für sich entscheiden. Am 25. 1. 2001 wurde Aserbaidschan Mitglied des Europarates.
M. Dasxuranci: History of the Caucasian Albanians (London 1961);
E. Sarkisyanz: Gesch. der oriental. Völker Rußlands bis 1917 (1961);
T. Swietochowski: Russian Azerbaijan, 1905-1920 (London 1985);
A. O. Yazdani: Geteiltes A. Blick auf ein bedrohtes Volk(1993).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
GUS: Die islamischen GUS-Staaten am Scheideweg
* * *
Aser|baid|schan, -s: 1. Landschaft u. Provinz im nordwestlichen Iran. 2. Staat am Kaspischen Meer.
Universal-Lexikon. 2012.