Peter I.
Die Herrschaft Peters I., des Großen, (* 1672, Zar 1682/89-1725) bildet eine tiefe Zäsur in der Geschichte Russlands; der Allrussische Kaiser (seit 1721) sicherte seinem Land dank der konsequenten Modernisierung im Innern und der außenpolitischen Erfolge die Vorrangstellung in Osteuropa und erhob es wieder zur europäischen Großmacht.
Der ohne geregelte Erziehung aufgewachsene Peter, Sohn des Zaren Alexander Michailowitsch (1645-76), beendete 1689 die Regentschaft seiner Stiefschwester Sophia, übernahm aber erst nach dem Tod seiner Mutter 1694 die Regierungsgeschäfte. Auf seiner ersten Europareise 1697/98 gelang es ihm nicht, eine Allianz gegen das Osmanische Reich zustandezubringen; dafür sammelte er technische Informationen und erhielt prägende Eindrücke, die auf sein im Verlauf des Zweiten Nordischen Krieges durchgeführtes Reformwerk zurückwirkten. Den militärischen Erfordernissen musste notgedrungen mit dem Aufbau einer zeitgemäßen Heeresorganisation (1705 Neuregelung des Soldatendienstes, 1716 Kriegsreglement) und einer Flotte (1715 Gründung der Marineakademie, 1720 Marinestatut) Priorität eingeräumt werden.
Den grundsätzlich dienstpflichtigen Adel unterwarf Peter einem rationalistischen Leistungsprinzip und zog ihn zum Militär- und Staatsdienst heran (1722 Dienstrangtabelle). Der Zwang zur Steigerung der Staatseinnahmen bedingte die Einführung lastender Steuern, die Inflation und gezielte Münzverschlechterungen; mit der steuerlichen Gleichstellung der schollengebundenen Bauern mit den rechtlosen Cholopen 1722 wurde unter fiskalischen Gesichtspunkten die Leibeigenschaft ausgeweitet.
Neben wenig erfolgreichen Ansätzen zur Reform der Stadtverwaltungen verfügte Peter 1711 die Einrichtung eines Regierenden Senats, der bald als oberstes Staatsorgan wichtige legislative und administrative Funktionen wahrnahm, und schuf als Kontrollinstanz die Fiskalämter. Als oberste Verwaltungsbezirke dienten 1708 zunächst acht, 1719 elf Gouvernements. Die seit 1712 nach ausländischen Vorbildern vorbereitete Reform der gesamten Staatsverwaltung mit neun Kollegien als Zentralbehörden wurde 1717 bis 1722 realisiert. 1712 machte der Zar seine Gründung St. Petersburg zur Hauptstadt.
Nach der Aufhebung der Patriarchatsverfassung und dem Erlass einschränkender kirchenrechtlicher Verordnungen übertrug der Zar 1721 die Kirchenaufsicht einem Heiligsten Regierenden Synod. Dem Aufbau von Manufakturen und Schulen galt Peters besonderes Interesse. Im Thronfolgegesetz von 1722 behielt er sich die freie Wahl des Nachfolgers vor. Er schrieb die Benutzung des julianischen Kalenders vor, der in Russland bis 1918 galt.
Da Zar Peter die religiös-traditionalistischen Wertvorstellungen des Moskauer Staates verletzte und im Kampf gegen das Alte auch nicht vor Demütigungen und einer totalen Reglementierung der Gesellschaft zurückschreckte, löste er beträchtliche Widerstände aus.
Universal-Lexikon. 2012.