Felsbilder,
an Felswänden, besonders in Höhlen, auf Steinplatten und Felsblöcken angebrachte Darstellungen verschiedenen Inhalts und Stils, die v. a. an schriftlose Kulturen der Vorzeit und heutige Naturvölker gebunden sind.
Felsbilder der jüngeren Altsteinzeit finden sich in zahlreichen Höhlen Westeuropas, vereinzelt in Süd- und Osteuropa (Höhlenbilder). Sie zählen zur Eiszeitkunst und gelten als in ihrem Alter gesicherte Kunstgruppe (30 000-12500 v. Chr.). - Während bislang in Frankreich überwiegend im Bereich der Pyrenäen altsteinzeitliche Felsbilder bekannt waren, wurden in den 1980er- und 1990er-Jahren auch in Südfrankreich Höhlen mit eiszeitlichen Felsbildern entdeckt. Die beiden bekanntesten sind die Cosquer-Höhle und die mit zum Teil offenbar noch weit älteren Felsbildern ausgestattete Chauvet-Höhle.
Bei den paläolitischen Felsbildern unterscheidet man Gravierungen, farbige Zeichnungen, Malereien und Reliefs, wobei die einzelnen Techniken in vielen Fällen kombiniert auftreten. Als Farbstoffe wurden bei den Höhlenbildern Minerale (Hämatit, Ocker, Braunstein), Holzkohle und Mangan verwendet. Wie Farbstücke mit Abreibspuren beweisen, wurden die Pigmente direkt mit dem Farbkörper oder - zerrieben und mit Wasser angerührt - mit einem Stäbchen oder Pinsel aufgetragen, manchmal auch aufgeblasen. Gravierungen wurden mit Sticheln eingeritzt. Durch Abschaben und Behauen des Untergrunds war ein fließender Übergang von der Gravierung zum Relief möglich. Neben den Höhlenmalereien bilden Relieffriese eine besondere Felsbildergruppe, die an freie Felswände und an kleine, vom Tageslicht erhellte Höhlen gebunden sind.
Die Datierung der paläolitischen Felsbilder erfolgt durch den stilistischen Vergleich mit Werken der Kleinkunst aus datierten Siedlungsschichten. Manchmal sind Felsbilder auch von Siedlungsschichten bedeckt, sodass sich ein Mindestalter angeben lässt. Seit kurzem können mit Holzkohle gemalte Bilder durch Entnahme sehr geringer Proben unmittelbar mit der C-14-Methode datiert werden. Bei nacheiszeitlichen Felsbildern hängt die Zeitbestimmung meist vom Auftreten von Tracht-, Gerät- und Waffentypen ab, zu denen sich in den Bodenfunden oder im ethnologischen Material der Fundregion Vergleichsformen finden. So konnten Felsbildergruppen in Skandinavien und Norditalien durch Dolch- und Schwerttypen als bronzezeitlich bestimmt werden. Durch den Nachweis von Haustieren konnten die ostspanischen Felsbilder, früher in die Altsteinzeit datiert, mit Kulturen der Mittel- und Jungsteinzeit in Verbindung gebracht werden.
Die Felsbilder der Altsteinzeit zeigen v. a. Tiere. Es handelt sich dabei aber nicht einfach um Wild- oder Jagddarstellungen, denn die Bedeutung des Tierbildes war auch in der Eiszeit so vielfältig wie die Rolle, die das Tier in der Vorstellungswelt des Menschen überhaupt spielt: Wirtschaftsfaktor, Feind, Freund, Totem (Tierahne, Schutzgeist), Geschlechtssymbol, Gottheit, kosmisches und jahreszeitliches Symbol. Geometrische Zeichen, die oft als Geräte gedeutet wurden, sollten wohl die symbolische Bedeutung verstärken.
Durch die naturgetreue Wiedergabe des Objekts bilden viele Felsbilder eine wichtige Quelle für die Kenntnis ausgestorbener Tiere wie Mammut, Wollnashorn, Wildpferd und Riesenhirsch. Auch in der nacheiszeitlichen Felsbilderkunst spielen Tiere eine wichtige Rolle. Neben Malereien sind in der nacheiszeitlichen Felsbilderkunst Darstellungen mit eingepickten und eingeschliffenen Konturen und Innenzeichnungen häufig, so z. B. am Mont Bego und im Val Camonica. Hier lassen sich anhand von Form und Technik Zeit- und Regionalgruppen unterscheiden.
Felsbilder wurden aus allen Teilen Afrikas bekannt. Unbedeutend ist ihr Vorkommen im tropischen Zentralafrika, wo allerdings die Erhaltungsbedingungen auch außerordentlich ungünstig sind. So stehen sich im Wesentlichen zwei große Felsbilderkomplexe gegenüber, die wohl unabhängig voneinander entstanden sind: Nordafrika mit der Sahara sowie das südliche Afrika.
Im südlichen Afrika wurden noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Felsbilder mit aktuellen Bezügen (z. B. Vordringen weißer Siedler) angelegt. Da die Maler stets Buschleute waren, schrieb man die gesamte Felsbilderproduktion der Region den Buschleuten und ihren Vorfahren zu (»Buschmannkunst«). Neben den insgesamt häufigeren Felsmalereien, die sich - ausgenommen Transvaal und Simbabwe - vorwiegend im Bereich der Großen Randstufe befinden, fast ausschließlich unter Felsüberhängen und in Höhlen, gibt es in den semiariden Ebenen im Landesinnern zahlreiche Felsgravierungen, meist auf Felswänden, -blöcken und -platten unter freiem Himmel angebracht. Zu den bedeutendsten Fundregionen gehören die Matopo Hills in Simbabwe, der Brandberg in Namibia und die Drakensberge in der Republik Südafrika. Da bisher nur wenige gesicherte Daten gewonnen werden konnten, beruhen die Altersangaben weitgehend auf Schätzungen. Die ältesten Malereien, Fragmente bemalter Steine, wurden in der Apollo-11-Höhle in den Hunsbergen (Südnamibia) gefunden. Sie sind mindestens 19 000, wahrscheinlich aber 26 000 Jahre alt. Die im Freien, auf Felsen und unter Felsüberhängen erhaltenen Felsbilder dürften jedoch ausschließlich in den letzten Jahrtausenden entstanden sein. Die frühen Felsbilder spiegeln die Welt einer Jäger-und-Sammler-Kultur wider. Bevorzugtes Motiv ist das Wildtier, das in naturalistischer Manier dargestellt wird. Die mehrfarbigen Felsbilder der Elenantilope (das am häufigsten verwendete Tier) mit plastisch-schattierender Farbgebung gehören zu den Meisterwerken der Felsbilderkunst. Die jüngeren Felsbilder zeigen in zunehmenden Maße gewaltsame Auseinandersetzungen, besonders Konflikte mit den einwandernden Bantu. Die Buschleute stellen sich selbst meist klein, in Gelb, Rot oder Rotbraun und mit Pfeil und Bogen bewaffnet dar, die Bantu hingegen in Schwarz, mit Schmuck an Armen und Beinen und mit Speer und Schild bewaffnet. Auch Hottentotten sind auf manchen Malereien erkennbar, gelegentlich zeigen sie auch Europäer mit Pferd und Gewehr sowie mit ihrer typischen Kleidung. Mehrere Malereien aus Simbabwe zeigen neben Menschen und Tieren auch Pflanzen und Landschaften. Diese, wie auch die zahlreichen Felsbilder mit abstrakten Zeichen und geometrischen Figuren, die im gesamten südlichen Afrika gefunden wurden, werden bisweilen den Bantu zugeschrieben.
Im nördlichen Afrika wurden Zehntausende von Felsbildern v. a. in den Gebirgen und Hochplateaus (Tassili) der Zentralsahara sowie im Atlas gefunden. Sie spiegeln Klimageschichte, ökologischen und kulturellen Wandel wie auch historische Ereignisse während der letzten 10 000 Jahre wider. Die ältesten Felsbilder gehen auf den Beginn des Neolithikums im 7. Jahrtausend v. Chr. zurück. Es handelt sich um Felsgravierungen mit tief in den Stein geschlagenen und zum großen Teil anschließend glatt polierten Linien, die die Welt des Jägers zeigen. Besonders Großwildtiere wie Elefant, Nashorn, Flusspferd, Giraffe, Wildrind und Antilope werden in naturalistischer Manier und nicht selten in Lebensgröße wiedergegeben. Wo Menschen zusammen mit Tieren gezeigt werden, sind sie in der Regel vergleichsweise winzig und sehr schematisch. Treten menschenähnliche Gestalten zusammen mit gejagten oder getöteten Tieren auf, so tragen sie Tiermasken. Ein anderes Thema der Jägerzeit war die menschliche Fortpflanzung, worauf Darstellungen von männlichen Figuren mit abnorm vergrößertem Penis und Koitusszenen hinweisen. Auch hier tragen die männlichen Figuren Tiermasken. Die Felsbilderzentren dieser Kulturepoche liegen im Fessan und im nördlichen Tassili N'Ajjer. Häufiger als hier treten im Saharaatlas Darstellungen eines bereits in vorgeschichtlicher Zeit ausgestorbenen Wildrindes auf, des Bubalus antiquus, das dieser Felsbilderperiode ihren Namen gab. Die »Bubalusperiode« ging vermutlich im 6. Jahrtausend v. Chr. zu Ende. Nach einem auffälligen stilistischen Merkmal wurde die »Rundkopfperiode« benannt, die ins 7.-6. Jahrtausend v. Chr. datiert wird und im Wesentlichen nur im Tassili N'Ajjer Spuren hinterlassen hat. Auch ihre Träger waren wahrscheinlich noch Jäger und Sammler. Sie legten die ersten Felsmalereien der Sahara an, zum Teil von monumentalen Dimensionen, die im Gegensatz zu den frühen Gravierungen jedoch meist grob und plump wirken. Vorherrschend sind Gruppendarstellungen von Menschen. Einige Malereien lassen auf einen negriden Typus der Urheber schließen. Vom Beginn des 6. Jahrtausends v. Chr. an wurden die Jägerkulturen in zunehmendem Maße von Hirtenkulturen verdrängt, die im gesamten nördlichen Afrika zahlreiche Gravierungen und v. a. Malereien hinterlassen haben. Einen künstlerischen Höhepunkt bilden die Felsmalereien des Tassili N'Ajjer, die zu Tausenden unter schützenden Felsüberhängen erhalten geblieben sind. Im 5.-4. Jahrtausend v. Chr. dürften die Hirtenkulturen ihre Blütezeit erlebt haben. Mit der zunehmenden Austrocknung der Sahara verloren sie jedoch ihre Grundlage. Als von der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. an fremde Bevölkerungsgruppen mit Pferden und Wagen in die Zentralsahara vorstießen, trafen sie nur noch auf Reste der Hirtenkulturen. Die Felsbilder der »Pferdeperiode« zeigen zwar auch noch Rinder, doch prägnantestes Motiv dieser Epoche sind Wagendarstellungen mit Pferden in fliegendem Galopp. Daneben gibt es häufig Kampfszenen, gelegentlich auch Jagdszenen, wobei fast immer der Mufflon als Jagdtier auftritt. Die meist monochrom rotbraunen Malereien weisen eine deutliche Tendenz zur Schematisierung auf. Die Felsbilder der »Kamelperiode«, die mit der Zeitenwende beginnt und bis heute andauert, dokumentieren das Vordringen des Dromedars in der nunmehr schon vollariden Sahara. Die Malereien und Gravierungen wirken meist formelhaft und starr. Neben Dromedaren und mit Schild und Speer bewaffneten Menschen werden gelegentlich auch Behausungen und Palmen gezeigt. Völlig aus dem Rahmen fallen Felsgravierungen im Hohen Atlas, die vorwiegend abstrakte und geometrische Formen sowie Waffen zeigen. Sie stehen vermutlich im Zusammenhang mit einer mittelmeerischen Bronzezeit, die sonst nirgends in Afrika Spuren hinterlassen hat.
Die meisten der nordamerikanischen Fundstätten liegen im felsenreichen Westen, v. a. von Texas über New Mexiko bis Kalifornien. Die Gravierungen und (selteneren) Malereien stellen überwiegend geometrische Symbole dar, auch Tiere (Klan- und Stammessymbole), Menschen (gehörnte Schamanengestalt) und mythische Wesen. Aufgrund des Bildinventars wird für die ältesten Felsbilder ein Alter von 2000 Jahren angenommen; die meisten dürften jedoch aus den letzten 2 Jahrhunderten stammen.
In Vorderasien waren gewaltige, weit sichtbare Felsreliefs als Siegesmale verbreitet. Entlang der Fernhandelswege finden sich Felsbilder bis nach Innerasien. Eine Sonderstellung nimmt Sibirien mit seiner seit der Jungsteinzeit auftretenden Jägerkunst ein. Diese Felsbilder zeigen stark stilisierte Tier- (Elch, Hirsch, Bär) und Menschendarstellungen (auch Gespenster und Masken), die eine anschauliche Vorstellung vom Jagdleben und Mythos bis in die Eisenzeit geben.
Australien und Ozeanien
Hier finden sich Felsbilder überall in verstreuten Vorkommen, sowohl in gravierter, gepickter oder gehämmerter Form unterschiedlicher Art als auch als Malerei mit figurativen und geometrischen Motiven in Positivdarstellungen, ferner besonders Hände als Negative. Besonders bekannt sind die Felsbilder von Südost-, Zentral- und Nordaustralien. Ihre Motive sind vielfältig: mythische Wesen, Menschen beiderlei Geschlechts sowie verschiedene Tiere, in Frontal- und Profilansicht, zum Teil zu Szenen gruppiert. Abgesehen von einfachen Ritzungen aus allen archäologisch erarbeiteten Zeitstufen nach 22 000 v. Chr. wird für die australische Felsbilderkunst eine Entwicklung angenommen, die von frühen Stilen über eine mittlere Gruppe zu komplexen, regional stark differenzierten figürlichen Stilen reicht. Innerhalb der jüngsten Gruppe kann ein Wandel von den belebt agierenden Menschen und Geistwesen (»Mimi«-Figuren) zu den ruhenden Tier- und Menschendarstellungen im Röntgenstil (Arnhemland) sowie zu den mundlosen Wondjina (Klanahnen, im Kimberleyplateau) im Laufe der letzten Jahrhunderte erschlossen werden. - Die Tradition der Felsbilderkunst in Ozeanien ist erloschen; in Nordaustralien leben Maltechnik und Motive in den Malereien auf Eukalyptusrinde weiter; in Zentralaustralien ist die Kunst der Felsbilder im Rahmen von kulturellen Handlungen (Initiationen) noch lebendig.
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Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Felsbilder: Die Kunst aus den Höhlen - Erste Bildwerke
Felsbilder in der Sahara
Felsbilder in Nordamerika
Universal-Lexikon. 2012.