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Menschenrechte
Menschenrechte,
 
Rechte, die jedem Menschen unabhängig von seiner Stellung in Staat, Gesellschaft, Familie, Beruf, Religion und Kultur bereits dadurch zustehen, dass er als Mensch geboren ist. Auch andere Merkmale wie Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, politische oder sonstige weltanschauliche Vorstellungen, nationale oder soziale Herkunft lassen die Gültigkeit der mit der bloßen Existenz als Mensch verbundenen Menschenrechte unberührt.
 
 Idee und Verständnis der Menschenrechte
 
Mit der Idee der Menschenrechte, die eine jahrhundertealte geistige Tradition hat und u. a. über die Petition of Right (1628), die Virginia Declaration of Rights (1776) oder die französische Verfassung von 1789 auch Eingang in die liberalen Verfassungen des 19. Jahrhunderts fand, verbindet sich im modernen rechtlich-politischen Denken und besonders im herkömmlichen (klassischen) Verständnis als leitendes normatives Prinzip das der Menschenwürde. Dieses Prinzip sieht den Menschen von Geburt an im Besitz eines unantastbaren, unveräußerlichen Rechts, das ihn als Individuum vor jeder willkürlichen oder solchen Behandlung schützt, die ihn zu einem bloßen Objekt fremden Tuns werden ließe. Im Verhältnis der Menschen zueinander setzt diese Idee die unbedingte Anerkennung des Einzelnen als eines Trägers gleicher Freiheit voraus. Menschenrechte werden insoweit durch staatliche Normierungen nicht geschaffen, sondern können durch diese als etwas Vorhandenes lediglich anerkannt werden. Dies kommt z. B. in Artikel 1 Absatz 2 GG zum Ausdruck, wonach sich das deutsche Volk »zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt« bekennt.
 
In den Verfassungstexten formulierte Menschenrechte werden in der Regel als Grundrechte bezeichnet. Grundrechte sind subjektive öffentliche Rechte des Einzelnen. Soweit sie jedem Menschen, der sich im Geltungsbereich der betreffenden Verfassungen aufhält, ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit zugestanden werden, sind sie Menschenrechte. Daneben gibt es Grundrechte, die den eigenen Staatsangehörigen vorbehalten sind. Da sich die Grundrechte historisch aus den Menschenrechten entwickelt haben und mit ihnen weitgehend identisch sind, kann bezüglich der Geschichte der Menschenrechte auf die Darstellung der Geschichte der Grundrechte verwiesen werden.
 
 Der internationale und völkerrechtliche Schutz der Menschenrechte
 
Auf die völkerrechtliche Ebene konnten die Menschenrechte erst im 20. Jahrhundert vordringen. Dies erklärt sich aus der Grundstruktur des Völkerrechts als eines Rechts der souveränen Staaten. Der Einzelmensch erhielt durch völkerrechtliche Rechtsnormen weder Rechte noch Pflichten. Im internationalen Bereich war der Einzelne allein auf den diplomatischen Schutz seines Heimatstaates angewiesen. Im Rahmen dieses Schutzes macht der Heimatstaat die Verletzung der Menschenrechte seines Bürgers als Verletzung eigenen Rechtes gegenüber dem fremden Staat geltend.
 
Die Epoche des klassischen Völkerrechts ist mit dem Ersten Weltkrieg zu Ende gegangen. Obwohl sich seither das Völkerrecht in einer Umbruchphase befindet, ist die Mediatisierung des Einzelnen durch seinen Staat noch immer nicht aufgehoben. Der Einzelne ist zwar nicht mehr bloßes Objekt der Völkerrechtsnormen, aber er ist noch kein prinzipieller Rechtsträger im internationalen Bereich, sondern taucht dort nur als Begünstigter von Völkerrechtsnormen auf. Aber die Stärkung der Menschenrechtsidee auf der internationalen Ebene bewirkte ein allmähliches Umdenken in Bezug auf die Grundstrukturen des Völkerrechts und beschleunigte dadurch dessen Wandel von einem Recht der souveränen Staaten zu einem Recht der Menschheit. Die ersten Ansätze hierzu betrafen jedoch nicht Einzelmenschen, sondern eine Menschengruppe, die Flüchtlinge.
 
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten die Vereinten Nationen die Stärkung der Menschenrechtsidee auf der internationalen Ebene mit Nachdruck fort. Ein Markstein in dieser Entwicklung ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die von der UN-Generalversammlung am 10. 12. 1948 verkündet wurde. Wie alle Beschlüsse der Generalversammlung hat sie jedoch lediglich empfehlenden Charakter und entfaltet keine rechtliche Bindung. Bereits 1946 hatten aber die Vereinten Nationen mit den Vorarbeiten für eine verbindliche Menschenrechtskonvention begonnen. Da es sich als unmöglich erwies, die gesamte Materie in einer einzigen Konvention unterzubringen, entstanden zwei Verträge, nämlich der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (auch Zivilpakt genannt, in Kraft seit 23. 3. 1976) und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (auch Sozialpakt genannt, in Kraft seit 3. 1. 1976). Beide Konventionen wurden am 19. 12. 1966 von der UN-Generalversammlung verabschiedet, konnten aber erst drei Monate nach Hinterlegung der 35. Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft treten.
 
Der Zivilpakt wiederholt im Wesentlichen die bereits in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte enthaltenen Rechte. Es sind die Freiheits- und Gleichheitsrechte, wie sie sich auch im Grundrechtskatalog des GG finden, allerdings ohne den Schutz des Eigentums und das Asylrecht. Insgesamt bleiben die beiden Menschenrechtspakte hinter dem zurück, was die Verfassungen freiheitlicher, demokratischer Rechtsstaaten an Grundrechten nicht nur für ihre Bürger, sondern für alle in ihrem Geltungsbereich lebenden Menschen verbürgen. Für jeden Signatarstaat, dessen Rechtsordnung dem Standard der Menschenrechtspakte nicht entspricht, begründet Artikel 2 Absatz 2 des Zivilpakts die Pflicht, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, »um den in diesem Pakt anerkannten Rechten Wirksamkeit zu verleihen«. Eine schwächere Verpflichtung ist in dem Sozialpakt enthalten.
 
Gemäß Artikel 28 des Zivilpakts ist ein Ausschuss für Menschenrechte eingesetzt worden, dessen Kompetenzen aber durch zahlreiche Sicherungen zugunsten der Souveränität der Staaten eng begrenzt sind. Neben der Informations- und Berichtsfunktion hat er v. a. die Aufgabe, im Falle einer behaupteten Menschenrechtsverletzung eine »freundschaftliche Lösung der Angelegenheit« anzustreben. Jeder Vertragsstaat kann erklären, dass er die Zuständigkeit des Ausschusses zur Entgegennahme und Prüfung von Mitteilungen anerkennt, in denen ein Vertragsstaat geltend macht, ein anderer Vertragsstaat komme seinen Verpflichtungen aus diesem Pakt nicht nach. Zu diesem Zweck ist zusammen mit dem Menschenrechtspakt ein Zusatzprotokoll aufgelegt worden.
 
Bereits seit Januar 1947 ist ferner eine Menschenrechtskommission des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen (ECOSOC) tätig, die durch einen Beschluss dieses Organs vom 16. 12. 1946 auf der Grundlage von Artikel 61 der UN-Charta ins Leben gerufen worden ist. Diese Kommission sammelt seither Informationen und Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen aus aller Welt, sie verfügt jedoch über keinerlei Befugnisse zum Eingreifen. Das Verfahren vor der Kommission ist durch die UN-Resolution 1503 vom 27. 5. 1970 neu geregelt worden. Seither tragen die von der Kommission bearbeiteten Fälle die Bezeichnung »1503-Verfahren«. Jedes Verfahren endet mit einem Bericht an den Wirtschafts- und Sozialrat. Die Menschenrechtskommission kann auch ein Ad-hoc-Komitee ernennen, das einen Bericht an die Kommission anzufertigen hat und sich »während und sogar nach der Untersuchung um freundschaftliche Lösungen« bemüht; seine Befugnisse reichen jedoch nicht über die der Kommission hinaus.
 
Die in vielen UN-Mitgliedsstaaten verbreiteten Menschenrechtsverletzungen zwangen die Vereinten Nationen, Sonderberichterstatter und Arbeitsgruppen in ihrer Menschenrechtskommission einzusetzen: u. a. 1980 die Arbeitsgruppe über das erzwungene oder unfreiwillige Verschwinden missliebiger Personen, 1982 den Sonderberichterstatter über summarische und willkürliche Hinrichtungen, 1985 den Sonderberichterstatter über Folter, 1986 den Sonderberichterstatter über religiöse Intoleranz sowie 1993 den Sonderberichterstatter zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Sie prüfen Beschwerden und Hinweise, kontaktieren den beschuldigten Staat, intervenieren in Einzelfällen und berichten alljährlich über ihre Tätigkeit.
 
Die Vereinten Nationen haben nicht nur die Arbeit des Völkerbunds auf Teilgebieten des Menschenrechtsschutzes fortgesetzt, sondern zahlreiche neue Initiativen ergriffen. Beispiele sind die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 11. 12. 1946, das Abkommen zur Unterdrückung des Menschenhandels und der Prostitution von 1949 (Frauenhandel), die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. 7. 1951, die Konvention über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 27. 9. 1954, die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 7. 3. 1966, die Konvention über die Nichtverjährung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vom 26. 11. 1968, die Konvention gegen Folter vom 10. 12. 1984 und die Konvention über die Rechte des Kindes vom 20. 11. 1989. Gemäß der Konvention gegen die Folter ist ein Ausschuss eingerichtet worden, dem die Vertragsstaaten alle vier Jahre einen Bericht über die zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen ergriffenen Maßnahmen vorlegen müssen.
 
Einen besonderen Stellenwert im völkerrechtlichen Menschenrechtsschutz nimmt der Kampf gegen die Diskriminierung ein, v. a. gegen die Rassendiskriminierung und die Diskriminierung der Frau. Nach der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (7. 3. 1966 ist ein entsprechender Ausschuss gebildet worden, dem die Vertragsstaaten alle zwei Jahre berichten müssen. Der Ausschuss prüft diese Berichte, ist aber auch für die Behandlung von Beschwerden zuständig, die sowohl von Staaten als auch von Einzelpersonen eingereicht werden können. Die Individualbeschwerde ist jedoch nur dann zulässig, wenn der Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Beschwerdeführer befindet, sie durch ausdrückliche Erklärung zugelassen hat. Die Konvention über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung der Frau ist von der UN-Generalversammlung am 18. 12. 1979 verabschiedet worden. Auf ihrer Grundlage ist die UN-Frauenrechtskommission geschaffen worden, deren Aufgabe es ist, Berichte über die von den einzelnen Staaten ergriffenen Maßnahmen zur Erfüllung der Konventionspflichten zu prüfen. Berichte sind alle vier Jahre vorzulegen. Die Kommission kann »Vorschläge und allgemeine Empfehlungen« ausarbeiten. Befugnisse zu kontrollierender oder gar regulierender Tätigkeit hat sie nicht.
 
Zum internationalen Menschenrechtsschutz sind auch die Arbeiten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der UNESCO zu rechnen. Die ILO hat nach Artikel 24 ihrer Verfassung nicht nur den Mitgliedsstaaten, sondern auch den Berufsverbänden der Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein Beschwerderecht eingeräumt. In der Beschwerde vor dem Internationalen Arbeitsamt kann geltend gemacht werden, dass ein Vertragsstaat die Durchführung eines ILO-Abkommens nicht in befriedigender Weise sicherstellt und damit die Sozialrechte Einzelner oder einer Gruppe von Personen verletzt. Die UNESCO führte mit der Entscheidung vom 26. 4. 1978 ein Verfahren zur Prüfung von Fällen und Fragen, die die Menschenrechte betreffen, ein. Gegenstand dieses Verfahrens können sowohl Individualbeschwerden als auch vom Einzelfall abgehobene Beschwerden sein, die eine schwere systematische oder flagrante Verletzung der Menschenrechte durch einen Vertragsstaat der UNESCO erkennen lassen. In beiden Sonderorganisationen prüfen Ausschüsse die Beschwerden. Berechtigte Beschwerden werden einer gütlichen Einigung mit dem betreffenden Vertragsstaat zugeführt oder im Falle der Nichteinigung politisch verhandelt.
 
 Regionale Menschenrechtsdokumente
 
Neben globalen Abkommen zum Schutz der Menschenrechte bestehen auch auf regionaler Ebene Menschenrechtsdokumente. An der Spitze steht die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) von 1950, die durch eine Reihe von Zusatzprotokollen erweitert wurde und ihren geographischen Geltungsbereich durch zahlreiche Beitritte v. a. aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion vergrößerte.
 
Ein weiteres regionales Menschenrechtsschutzsystem besteht in Mittel- und Südamerika. Die Mitglieder der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) unterzeichneten am 22. 11. 1969 die Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK), die als Gegenstück zur EMRK gelten kann. Hinsichtlich ihrer verpflichtenden Kraft ist sie jedoch eher mit den Menschenrechtspakten der Vereinten Nationen zu vergleichen. Die Konvention ist am 18. 7. 1978 in Kraft getreten.
 
Ähnlich wie die EMRK hat auch die AMRK zwei Kontrollorgane geschaffen: die Interamerikanische Menschenrechtskommission und den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Kommission bestand bereits vorher als Organ der OAS und wurde nach In-Kraft-Treten der Konvention in deren Dienste gestellt. Neben der Behandlung von Individual- und Staatenbeschwerden und der Vorbereitung und Veröffentlichung von Berichten über die allgemeine Menschenrechtssituation in einzelnen Ländern gehört zu ihren Aufgaben auch die allgemeine Förderung der Menschenrechte durch Studien, Berichte, Seminare und Publikationen. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte wurde am 3. 9. 1979 in San José (Costa Rica) eingerichtet.
 
In Afrika hat die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) auf der 18. Ordentlichen Tagung der Staats- und Regierungschefs ihrer Mitgliedsländer am 27. 6. 1981 die Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker verabschiedet (nach dem Konferenzort, der gambischen Hauptstadt Banjul, auch Banjul-Charta genannt). Sie ist am 21. 10. 1986 in Kraft getreten und sieht die Errichtung einer Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker vor. Bestimmungen über einen Gerichtshof enthält sie nicht.
 
 Gegenwärtige Entwicklung der Menschenrechte
 
Der gesamte völkerrechtliche Menschenrechtsschutz leidet noch immer darunter, dass er in erster Linie innerstaatlichen Organen übertragen ist. Die völkerrechtlichen Instrumente können nur die Staaten als solche verpflichten. Die Kontrolle über die Erfüllung der völkerrechtlichen Pflichten ist wegen des Fehlens eines internationalen Exekutivorgans und einer internationalen obligatorischen Gerichtsbarkeit sehr erschwert. Nur auf regionaler Ebene (EMRK, AMRK) sind Ansätze für eine internationale Gerichtskontrolle geschaffen worden. Der Zugang des Einzelnen zu einer solchen internationalen Gerichtsbarkeit stößt aber immer noch auf rechtsdogmatische Schwierigkeiten, weil der internationale Menschenrechtsschutz noch immer nicht die Schwelle der nationalen Souveränität überwunden hat.
 
Trotzdem können die Vereinten Nationen auf diesem Gebiet Erfolge verzeichnen. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Sensibilisierung der öffentlichen Meinung für die Frage der Menschenrechte. Die weltweite Diskussion über die Menschenrechte hat zu zahlreichen Vorschlägen für die Erweiterung der bestehenden Menschenrechtskataloge in den nationalen Verfassungen und internationalen Verträgen geführt. An der Spitze stehen das Recht auf eine saubere Umwelt, das Recht auf Frieden und, besonders in Anbetracht der Diskrepanz zwischen dem Reichtum der hoch industrialisierten Länder und dem Elend der armen Länder, das Recht auf Entwicklung. Im nichtjuristischen Schrifttum werden diese Rechte gelegentlich als »Menschenrechte der zweiten Generation« oder »Menschenrechte der dritten Generation« bezeichnet, je nachdem, ob die »sozialen Menschenrechte« (kodifiziert insbesondere im Sozialpakt) als eigene Generation gezählt werden oder nicht. Im Sozialpakt sind bereits die Rechte auf Arbeit und Gesundheit verbrieft. In den freiheitlich-demokratischen Verfassungen werden die sozialen Grundrechte im Prinzip der Sozialstaatlichkeit zusammengefasst.
 
Unabhängig von ideologischen Differenzen bezüglich des grundlegenden Menschenrechtsverständnisses will die geltende Völkerrechtsordnung einen weltweiten Menschenrechtsschutz durchsetzen. Jedes UN-Mitglied kann die Aufmerksamkeit der Generalversammlung auf eine Situation lenken, die den Weltfrieden und die internationale Sicherheit gefährden könnte. In der Praxis der Generalversammlung hat sich der Grundsatz herausgebildet, dass schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte eines Staates zu diesen Situationen gehören. Darauf hat sich die Generalversammlung insbesondere bei ihren Resolutionen gegen die Rassendiskriminierung in der Republik Südafrika bis 1993 berufen. Obwohl solche Resolutionen keinen rechtsverbindlichen Charakter haben, sind sie doch geeignet, das weltweite Engagement für die Menschenrechte zu stärken.
 
Wie wichtig die weitere Diskussion ist, zeigt neben vielen aktuellen Berichten über Menschenrechtsverletzungen in der Folge von Krisen, Kriegen, diktatorischer Herrschaftsausübung und ethnischer Diskriminierung der jährliche Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Dabei ist deutlich zu sehen, dass der Schutz der Menschenrechte nicht allein im Rahmen von bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen gewährleistet werden kann, da jedes Rechtssystem eines Staates von den jeweiligen politischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen abhängig ist. Je größer die sozialen Konflikte sind, desto schwieriger ist es, die Realisierung der Menschenrechte zu gewährleisten. Ein Blick in die Geschichte Europas in der Epoche des Faschismus und des Stalinismus zeigt auch, dass die Realisierung der Menschenrechte weniger von kulturellen Faktoren als vielmehr von einer funktionierenden demokratischen Kontrolle der politischen Machthaber und Funktionsträger abhängig ist. Hinsichtlich der Effizienz des Menschenrechtsschutzes gilt ebenso, zwischen der Anerkennung der Menschenrechte in der Verfassung eines Staates und der Verfassungswirklichkeit zu unterscheiden.
 
Auf globaler wie auf regionaler Ebene sind die Bemühungen um den Schutz der Menschenrechte verstärkt worden. Die Vereinten Nationen waren in erster Linie um den Beitritt möglichst vieler Staaten zu den geltenden Menschenrechtskonventionen bemüht, wobei die deutlich gestiegene Zahl von Ratifikationen als Erfolg der Vereinten Nationen anzusehen ist. Andererseits muss aber darauf verwiesen werden, dass zahlreiche Staaten die beiden großen Menschenrechtspakte sowie andere Menschenrechtsverträge noch nicht ratifiziert haben.
 
In der Schlussakte von Helsinki der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa anerkannten 1975 die Teilnehmerstaaten die »universelle Bedeutung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Achtung ein wesentlicher Faktor für den Frieden, die Gerechtigkeit und das Wohlergehen ist«. Dadurch wurde über ideologische Differenzen hinweg ein System politischer Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte geschaffen. Diese Grundsätze der Helsinki-Schlussakte waren zugleich Instrumente für die unabhängigen Bewegungen in den kommunistischen Staaten, Freiheit und Demokratie in ihren Ländern zu fördern. Die Charta von Paris legte 1990 nach dem Ende der Konfrontation der Nachkriegszeit und der Teilung Europas die Basis für die Schaffung eines einheitlichen Rechts- und Demokratieraumes durch die drei Säulen Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die auch als »menschliche Dimension« der OSZE bezeichnet werden. So ist seit 1990 das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte in Warschau mit der Unterstützung beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen beauftragt. Das Dokument von Kopenhagen schuf 1990 die normativen Voraussetzungen für die Lösung der dringlichsten Probleme durch die OSZE.
 
Zum zweiten Mal nach 1968 riefen die Vereinten Nationen eine Weltkonferenz über Menschenrechte ein, die vom 14. bis 25. 6. 1993 in Wien stattfand (daher Wiener Konferenz genannt) und an der Vertreter aus 171 Staaten teilnahmen. Nach dem Willen der UN-Generalversammlung sollten die Ziele der Konferenz sein, 1) die Fortschritte auf dem Gebiet der Menschenrechte seit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu überprüfen und die Hindernisse für den weiteren Fortschritt zu benennen, 2) den Zusammenhang zwischen Entwicklung und der weltweiten Verwirklichung der Menschenrechte zu erörtern, 3) Mittel und Wege für eine verbesserte Durchsetzung der bestehenden menschenrechtlichen Normen und Instrumente zu finden, 4) die Effektivität der Mechanismen und Arbeitsmethoden der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Menschenrechte zu bewerten sowie 5) Empfehlungen für eine erhöhte Wirksamkeit der UN-Aktivitäten auszuarbeiten. Nachdem auf den vorangegangenen Regionalkonferenzen in Tunis (für Afrika), Bangkok (für Asien) und San José (für Lateinamerika) der Gedanke angeklungen war, unter Verweis auf kulturelle Traditionen, geschichtliche Besonderheiten und religiöse Rahmenbedingungen jeweils unterschiedliche Menschenrechtsverständnisse gelten zu lassen, war eine Problematik vorgegeben, die die Wiener Konferenz beherrschte. Die schließlich am 25. 6. 1993 verabschiedete »Wiener Deklaration« bekräftigte indessen die Universalität und wechselseitige Verbundenheit aller Menschenrechte, die sich »aus der Würde und dem Wert herleiten, die dem Menschen innewohnen«. Bei aller nationalen, regionalen, kulturellen, historischen und religiösen Unterschiedenheit sei es doch die Pflicht der Staaten, alle Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen. Ausdrücklich wurde erstmals die Demokratie als Grundvoraussetzung für die Entwicklung und Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannt.
 
Einem Appell der Konferenz zufolge wurde am 20. 12. 1993 erstmals ein Hoher Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte in sein Amt eingeführt. Der Hochkommissar wird vom UN-Generalsekretär für vier Jahre ernannt und ist innerhalb der Vereinten Nationen für Menschenrechtsfragen verantwortlich, wird bei gravierenden Menschenrechtsverletzungen aktiv und fördert den präventiven Schutz der Menschenrechte. Das Amt ist nicht mit eigenen Exekutivbefugnissen ausgestattet, also wesentlich auf politische Entfaltung und Wirkung angewiesen.
 
In organisatorischer Hinsicht bauten die Vereinten Nationen, gestützt auf moderne elektronische Datenübermittlung und -verarbeitung, ein umfangreiches Informationssystem auf. Zu diesem Zweck errichteten sie in Genf ein Menschenrechtszentrum. Aber trotz dieser organisatorischen Maßnahmen ist es dem internationalen Menschenrechtsschutz noch nicht gelungen, die Schwelle der staatlichen Souveränität zu überwinden. Aus dem Verhalten des UN-Sicherheitsrats in einer Reihe von Krisensituationen in der 1. Hälfte der 1990er-Jahre glauben allerdings manche Beobachter schließen zu können, dass in den Vereinten Nationen die Tendenz vorhanden ist, Kollektivmaßnahmen auf der Grundlage der UN-Charta auch für die Zwecke des Menschenrechtsschutzes einzusetzen (humanitäre Intervention).
 
Da die Gentechnologie bislang noch von keinem Menschenrechtsdokument ausreichend erfasst wurde, formulierte die UNESCO am 11. 11. 1997 in einer »Allgemeinen Erklärung zum Humangenom und den Menschenrechten« die Grundprinzipien der gentechnischen Forschung und die biomedizinische Anwendung ihrer Ergebnisse, um den Fortschritt auf diesem Wissenschaftsgebiet in Einklang mit der Menschenwürde und den Menschenrechten zu bringen.
 
Was die Rechtsquellen des Menschenrechtsschutzes betrifft, wird es seit dem letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts nicht mehr als vordringlich angesehen, weitere neue Menschenrechtskonventionen - etwa für die Menschenrechte der so genannten zweiten oder dritten Generation, wie etwa Rechte auf Frieden, Entwicklung und saubere Umwelt - zu entwerfen und zur Unterschrift aufzulegen, sondern vielmehr die Basis für ein allgemeines Menschenrechtsverständnis zu schaffen, die Kenntnis von den vorhandenen Völkerrechtsnormen zum Schutz der Menschenrechte wie auch von den Menschenrechtsverletzungen in allen Teilen der Welt zu verbreiten und die Respektierung der Menschenrechte in allen Staaten der Erde durchzusetzen, wie dies in Artikel 1 Ziffer 3 und Artikel 55 der UN-Charta erwähnt ist.
 
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Universal-Lexikon. 2012.