Akademik

Behinderte
Be|hin|der|te [bə'hɪndɐtə], die/eine Behinderte; der/einer Behinderten, die Behinderten/zwei Behinderte:
weibliche Person, die infolge einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung beeinträchtigt ist:
ein Sportfest für Behinderte.
Syn.: Invalidin.
Zus.: Gehbehinderte, Körperbehinderte, Schwerbehinderte.

* * *

Be|hịn|der|te(r) 〈f. 30 (m. 29)〉 jmd., dessen geistiger od. körperlicher Zustand dauerhaft beeinträchtigt ist (Körper\Behinderte, Hör\Behinderte)

* * *

Be|hịn|der|te, die/eine Behinderte; der/einer Behinderten, die Behinderten/zwei Behinderte (Amtsspr.):
behinderte weibliche Person.
Gelegentlich wird das Wort Behinderte als zu unpersönlich und damit diskriminierend kritisiert. Ausweichformen sind behinderte Personen, behinderte Menschen oder Menschen mit Behinderung.

* * *

Behinderte,
 
Menschen, die in ihren physischen, intellektuellen und psychischen Funktionsfähigkeiten beeinträchtigt sind und einen individuell spezifischen Unterstützungsbedarf haben, um selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben der Gesellschaft teilhaben zu können.
 
 Definition von Behinderung
 
Eine einheitliche, verbindlich formulierte Definition von Behinderung existiert weder in Deutschland, noch international. Dennoch sind viele Definitionsversuche und Verständnisabklärungen bekannt, die von unterschiedlichen fachwissenschaftlichen, rechtlichen und auch alltagstheoretischen Perspektiven geprägt wurden. Sicher haben früher wie heute immer auch Zeitströmungen mit den vorherrschenden wissenschaftlichen, politischen, religiösen und ideologischen Positionen Einfluss auf das Verständnis von Behinderung und den Umgang mit behinderten Menschen genommen. Dennoch hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit ihrer Gründung mehrfach den Versuch unternommen, eine weltweit gültige und von den einzelnen Mitgliedsländern akzeptierte und zu übernehmende Definition zu entwickeln. 1980 wurde die ICIDH (International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps) veröffentlicht. Nach dieser Definition sind Menschen behindert, wenn eine Schädigung (englisch impairment) festgestellt wird, aus der sich eine Fähigkeitsstörung (disability) ergibt, die zu einer Beeinträchtigung (handicap) bei der Lebensgestaltung führt. Häufig resultieren aus Beeinträchtigungen auch gesellschaftliche Benachteiligungen, bis hin zu Ausschlüssen und zur Isolation. Als Ursache bzw. Auslöser für eine Behinderung wird immer ein gesundheitliches Problem betrachtet. Es besteht ein Schaden, ein Defekt, der angeboren ist oder durch eine Krankheit, einen Unfall oder andere Einwirkungen wie Gewalt oder Krieg hervorgerufen wurde. Wie sich aus gesundheitlichen Problemen Fähigkeitsstörungen ergeben und ob und in welchem Umfang sie zu einer Beeinträchtigung führen, ist in besonderer Weise von den jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen und Anforderungen an die Lebensbewältigung abhängig. Behinderung ist daher immer nur als eine historisch bestimmte gesellschaftliche Tatsache zu begreifen.
 
Die WHO-Definition hat nicht nur in zahllosen fachwissenschaftlichen Definitionsversuchen, sondern auch im deutschen Sozial- und Behindertenrecht ihren Niederschlag gefunden. Fixiert wurde ein sozialrechtlicher Behinderungsbegriff im § 3 des Schwerbehindertengesetzes, von dem andere Definitionen und Interpretationen immer wieder abgeleitet wurden. Gegen ein von einer Schädigung und ihren negativen Folgen dominiertes Verständnis von Behinderung sind immer wieder Einwände erhoben worden. Sie richteten sich vor allem gegen eine Defekt- oder Defizit-Orientierung, nach der Menschen mit Behinderungen in erster Linie oder sogar ausschließlich nach ihren Schädigungen bewertet werden. Behinderte Menschen berichten oftmals über ihre Erfahrungen, nicht als Mädchen oder Junge, als Frau oder Mann, sondern z. B. nur als Blinder, Tauber, Körper- oder Geistigbehinderter wahrgenommen und behandelt zu werden. Diese Generalisierung erleben sie als Reduzierung ihrer Person und als Diskriminierung. Deshalb legen Menschen mit Behinderungen auch besonderen Wert auf einen weniger diskriminierenden Sprachgebrauch. Immer mehr setzen sich zunehmend Formulierungen wie Kinder, Frauen, Menschen mit einer Behinderung (z. B. mit einer Sehbeeinträchtigung oder Körperbehinderung) durch. Dennoch sind in Deutschland ein Verständnis und eine Differenzierung von Menschen mit Behinderungen nach Schädigungsgruppen nach wie vor verbreitet. Das Sonderschulsystem, viele Institutionen der Behindertenhilfe und auch Organisationen der Behindertenselbsthilfe wurden traditionell nach den spezifischen Behindertengruppen differenziert. Erst schrittweise beginnt eine Neuorientierung und eine Umstrukturierung nach veränderten Sach- und Interessenkriterien.
 
Ausgehend von einem international geführten Prozess des Umdenkens hat die WHO eine Nachfolgerin der bisherigen Behinderungsklassifikation erarbeitet, die im Mai 2001 verabschiedet und publiziert wurde. Die International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF), wird ins Deutsche mit »Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit« übertragen. Die ICF basiert auf der Einsicht, dass zum Verständnis von Behinderung alle Kontextfaktoren zu berücksichtigen sind, sowohl der Umwelt, als auch personenbezogene Faktoren. Die ICF ist ein komplexes Modell, das die gegenseitigen Abhängigkeiten der Faktoren und ihr Zusammenspiel betont und gesellschaftliche Abhängigkeiten angemessen gewichtet. Auf diese Weise sollen gesamtgesellschaftliche und infrastrukturelle Bedingungen in den Blick genommen werden. Zugleich sollen verbesserte Voraussetzungen und Bedingungen geradezu herausgefordert werden. Der Rehabilitation und ihren Leistungsträgern fällt somit die Aufgabe zu, nicht nur individuelle Unterstützungsleistungen vorzuhalten und zur Verfügung zu stellen, sondern auch präventiv zu wirken in enger Abstimmung mit der Sozial- und Behindertenpolitik, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zur gesellschaftlichen Teilhabe zu eröffnen und zu sichern.
 
Das neu formulierte Behinderungsverständnis befreit Menschen mit Behinderung aus ihrer Objekt-Rolle und geht prinzipiell von Menschen als handelnden Subjekten aus, die die Chance und das Recht zur Teilhabe (Partizipation) an allen relevanten Bereichen ihrer Gesellschaft und ihrer Umwelt haben. Voraussetzung für eine umfassende Partizipation sind nach der Konzeption der ICF Funktionsfähigkeiten (functionings), über die Personen in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext verfügen müssen. So ist z. B. Bewegungsfähigkeit die Voraussetzung für Mobilität oder umfassende Kommunikationskompetenzen machen erst eine Teilhabe an heute üblichen Kommunikationsnetzen möglich. Eine Behinderung wird nach der ICF-Definition als Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit verstanden. Unterschieden werden dabei Beeinträchtigungen in drei Bereichen: 1. Funktionen (z. B. geistig/seelische, sensorische Funktionen) und Strukturen (z. B. des Nervensystems, der Augen und Ohren) des menschlichen Organismus; 2. Tätigkeiten (Aktivitäten) aller Art (z. B. Lernen und Wissensanwendung, Kommunikation, Mobilität); 3. Partizipation (Teilhabe) an unterschiedlichen Lebensbereichen (z. B. persönliche Versorgung, soziale Beziehungen, Bildung und Ausbildung, Erwerbsarbeit, soziales und staatsbürgerliches Leben).
 
Möglichkeiten der Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben können und werden durch Umweltfaktoren positiv und negativ beeinflusst. So hängt es z. B. von Werten und Einstellungen in einer Gesellschaft, von politischenund rechtlichen Rahmenbedingungen, von technischen und infrastrukturellen Voraussetzungen sowie Unterstützungs- und Dienstleistungssystemen ab, ob Menschen trotz einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit(en) die Teilhabe gelingt oder ob sichtbare oder unsichtbare Hemmnisse (z. B. Unzugänglichkeit eines Gebäudes bzw. Treffpunktes oder bewusster Ausschluss aus einer Gruppe oder Szene) die Teilnahmechancen mindern oder verhindern. Menschen, ob behindert oder nicht behindert, partizipieren umfassend an einem Lebensbereich, wenn sie in diesem selbstbestimmt, gleichberechtigt und weitgehend unabhängig entscheiden und handeln können. Menschen mit Behinderungen sind jedoch je nach Spezifik und Umfang der Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit punktuell oder dauerhaft auf Unterstützungen angewiesen, um eine Partizipation in diesem Sinne erreichen zu können.
 
Parallel zu den internationalen Diskussionen über das Verständnis von Behinderung lässt sich auch in Deutschland ein Perspektivwechsel feststellen. Die Öffentlichkeit, die Fachwissenschaften und die Behindertenhilfe haben sich weitgehend von der bisher dominierenden Defizit-Sichtweise von Behinderung entfernt und sich mehr und mehr dem Konzept Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen« oder »Selbstbestimmtes Leben« angeschlossen. Es ist primär das Verdienst einiger Vorreiterinnen und Vorreiter der Behindertenbewegung und ihrer Interessenzusammenschlüsse, die Leitgedanken der in den USA entwickelten und praktizierten Independent Living-Bewegung nach Deutschland transferiert und auf die hiesigen Verhältnisse abgestimmt zu haben.
 
 Rechtsgrundlagen
 
Die Politik und die Gesetzgebung in Deutschland haben den Perspektivwechsel in der Sichtweise von Behinderung in einigen Schritten nachvollzogen. Mit Wirkung vom 15. 11. 1994 wurde der Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 als Benachteiligungsverbot in das GG eingefügt:»Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden«. Diese Grundrechtsaussage wurde wegen ihrer Signalwirkung in die Öffentlichkeit und wegen der grundsätzlichen Verpflichtung zur Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderung durchaus anerkannt und gewürdigt. Von behinderten Menschen selbst und ihren Organisationen und in gleicher Weise von Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis wurde allerdings über die Aufnahme in das GG hinaus ein Gleichstellungsgesetz mit weitreichender rechtlicher Verbindlichkeit und umfassender Gültigkeit gefordert. In gleicher Weise wurde ein Leistungsgesetz gefordert, das die verschiedenen Leistungsansprüche und Leistungsregelungen für Menschen mit Behinderungen harmonisiert und an die inzwischen gewandelten aktuellen Bedarfssituationen anpasst.
 
Zunächst wurde mit Wirkung vom 1. 7. 2001 das Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) in Kraft gesetzt, das die wichtigsten Rehabilitationsregelungen zusammenfasst und an aktuelle Entwicklungen anpasst. Auch das Recht zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen, das frühere Schwerbehindertengesetz, wurde als Teil 2 in das SGB IX aufgenommen. Das Gesetzbuch mit dem Titel »Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen« orientiert sich an den Intentionen und der Begrifflichkeit der neuen WHO-Klassifikation aus dem Jahre 2001. Das zentrale Ziel des SGB IX wird einleitend formuliert. Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen, »um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden und ihnen entgegenzuwirken« (§ 1 SGB IX). Außerdem wird betont, dass den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern Rechnung getragen werden soll. Damit werden wesentliche Begriffe und Ziele der jüngsten Behindertenbewegung und eines neuen Denkens über Behinderung aufgegriffen. In Anlehnung an die ICF wird im § 2 eine neue Definition von Behinderten geprägt: »Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind mit Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.« Anschließend wird besonders auf die Menschen verwiesen, die wegen eines Behinderungsgrades von wenigstens 50 als schwerbehindert anerkannt werden und für die besondere Schutz- und Leistungsregelungen gelten (Schwerbehinderte). Anders als bei dem sehr weit gefassten ICF-Konzept wird bei der Neufassung des Behindertenbegriffes aus dem bisher geltenden Schwerbehindertengesetz eine zeitliche Limitierung einer Fähigkeitsbeeinträchtigung von mindestens sechs Monaten und ein alterstypischer Vergleich übernommen. Eigentlich passen diese beiden Einschränkungen nicht in eine grundlegende, wegweisende und den Präventivgedanken betonende Begriffsbestimmung von Behinderung, die in ihrer neuen Fassung nicht nur behinderte Menschen, sondern auch solche einschließen soll, bei denen eine Beeinträchtigung zu erwarten ist.
 
Behindert zu sein oder von Behinderung bedroht zu werden, begründet nach dem SGB IX einen Anspruch auf Rehabilitation. Leistungen zur Teilhabe werden zur medizinischen, beruflichen und zur sozialen Rehabilitation gewährt, außerdem zu unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leistungen. Dabei gilt stets der Vorrang der Prävention. Ebenso gilt ein Vorrang der Rehabilitation vor Rente und vor Pflege nach dem SGB XI (Pflegeversicherung). Leistungen aus der Eingliederungshilfe des Bundessozialhilfegesetzes bleiben weiter bestehen, sind den Bestimmungen das SGB IX aber nachgeordnet. Die besonderen Regelungen zur Teilhabe für die als schwerbehindert anerkannten ca. 6,6 Millionen Menschen in Deutschland sind im 2. Teil des SGB IX zusammengefasst. Sie beziehen sich vor allem auf die Teilhabe am Arbeitsleben und die Gewährung von Nachteilsausgleichen. Über eine breite Palette von Rehabilitationsleistungen hinaus, die das SGB IX regelt, soll das »Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen« (BGG) vom 27. 4. 2002, in Kraft ab 1. 5. 2002, zu einer umfassenden gesellschaftlichen Partizipation beitragen, indem Hindernisse beseitigt werden und barrierefreie Zugänge und Nutzungen möglich werden. Kernstück dieses Gesetzes ist die Herstellung barrierefreier Lebensräume. Barrierefreiheit wird im § 4 definiert:»Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.« Mit der Barrierefreiheit sollen räumliche Barrieren (z. B. in öffentlichen Gebäuden, Gaststätten, im Personennahverkehr) für gehbehinderte Menschen und Rollstuhlfahrer/innen beseitigt werden. Eine kontrastreiche Gestaltung der Lebensumwelt soll sehbehinderten Menschen die Orientierung erleichtern. Gebärdendolmetscher/innen und spezifische elektronische Medien sollen hör- und sprachbeeinträchtigten Menschen eine barrierefreie Kommunikation gewährleisten. Das Behindertengleichstellungsgesetz bedarf noch einer Reihe ergänzender Gesetze und praktikabler Vorschriften, auch auf der Ebene der Bundesländer. Unabhängig davon sieht das Gesetz das Instrument von Zielvereinbarungen mit genau formulierten Regularien zur Realisierung von Barrierefreiheit vor. Die Verbände behinderter Menschen sind aufgefordert und berechtigt, mit Unternehmen und Unternehmensverbänden der verschiedenen Wirtschaftsbranchen verbindliche Vereinbarungen zu treffen, die für bestimmte Bereiche oder örtliche Situationen Gültigkeit haben sollen. Die anerkannten Behindertenverbände erhalten somit als Initiatoren und Verhandlungspartner eine wichtige Position bei der Realisierung von Barrierefreiheit und der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Ihnen wird auch das Recht eingeräumt, bei Verstößen gegen die Vorschriften des Behindertengleichstellungsgesetzes behinderte Menschen gerichtlich zu vertreten oder Verbandsklagen einzureichen. Das Bundesministerium für Justiz hat des Weiteren ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz erarbeitet, das Regelungen bei Diskriminierungen im Alltag, also auch wegen Behinderung, beinhaltet. Diese rechtlichen Bestimmungen sind ein durchaus deutliches Zeichen dafür, Menschen mit Behinderungen selbst als die besten Expertinnen und Experten ihrer eigenen Angelegenheiten zu akzeptieren und ihre Interessen- und Selbsthilfeorganisationen zunehmend als Sprecher und Sachwalter der Behinderteninteressen anzuerkennen.
 
Wichtige übergreifende Zusammenschlüsse und Organisationen behinderter Menschen sind die »Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben« in Deutschland - ISL, Kassel; die Bundesarbeitsgemeinschaft »Hilfe für Behinderte«, Düsseldorf; die Bundesarbeitsgemeinschaft der Clubs Behinderter und ihrer Freunde, Mainz; der Sozialverband Deutschland, Bonn; der Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Behinderten und Sozialrentner Deutschlands (VdK), Bonn.
 
Chancengleichheit und Integration behinderter Menschen sind auch wesentliche Ziele der Behindertenpolitik in Österreich. Im Artikel 7 Bundes-Verfassungsgesetz wird festgestellt, dass niemand aufgrund seiner Behinderung in allen Bereichen des täglichen Lebens benachteiligt werden darf. 1992 wurde in Zusammenarbeit zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation ein Behindertenkonzept beschlossen, das die Leitlinien der bis heute gültigen Behindertenpolitik enthält und Ziele für Lebensbereiche wie Kindheit, Schule, Berufsausbildung, Arbeit, Gesundheit, Bauen, Wohnen, Verkehr, Freizeit und Pflege formuliert. Das Behindertenkonzept sieht die Eingliederung behinderter Menschen als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe an, um ihnen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu sichern. Behinderung wird eine »Querschnittsmaterie« genannt, für die es Zuständigkeiten der Bundesbehörden, der Behörden der Länder und der Sozialversicherungsträger gibt. Ein Bundesbehindertengesetz koordiniert die Tätigkeiten der einzelnen Rehabilitationsträger. Zur Förderung der beruflichen Integration gibt es ein eigenes Behinderteneinstellungsgesetz. Bundessozialämter sind Anlaufstellen für die Betroffenen und zugleich Koordinierungsstellen für Unterstützungsleistungen. Offensichtlich steht in Österreich eine Umorientierung im Verständnis von Behinderung und eine Neuakzentuierung der Zielstellungen der Behindertenpolitik im Sinne der WHO-Konzeption des Jahres 2001 noch aus. Ähnlich wie seit Jahren in Deutschland fordern Menschen mit Behinderungen und ihre Organisationen ihre Gleichstellung (Antidiskriminierung) mit umfassenden und einklagbaren Rechten.
 
Die Schweiz hat mit Wirkung vom 1. 1. 2000 wesentliche Grundaussagen zur gesellschaftlichen Stellung behinderter Menschen im Artikel 8 (Rechtsgleichheit) der neuen Bundesverfassung verankert: »Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich (1). Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung (2).. ..Das Gesetz sieht Maßnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor (4)«. Diese Formulierungen können als geeignete Grundlage für selbstbestimmte und gleichberechtigte Lebensmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen angesehen werden. Darüber hinaus bestehen auch in der Schweiz seit Jahren Initiativen und Forderungen nach einem umfassenden Gleichstellungsgesetz, das vor allem den barrierefreien Zugang zu Gebäuden und öffentlichen Orten möglich machen und absichern soll. Parallel dazu zielen die Forderungen behinderter Menschen auf eine an das internationale Verständnis anknüpfende Behindertendefinition; diese ist bisher in der Schweiz recht eng an das Bundesgesetz über die Invalidenversicherung gebunden.
 
Literatur:
 
. .. aber nicht aus Stein. Medizin. u. psycholog. Aspekte von körperl. Behinderung u. Sexualität, hg. v. B. Dechesne (a. d. Niederl., 1981);
 M. Hahn: Behinderung als soziale Abhängigkeit (1981);
 E. Klee: Behindert. Über die Enteignung von Körper u. Bewußtsein (31981);
 E. Klee: B.-Report, 2 Bde. (Neuaufl. 1981);
 W. Thimm: Mit B. leben (31981);
 U. Hensle: Einf. in die Arbeit mit B. (21982);
 
Lebensbedingungen B. im Sozialstaat, hg. v. R. G. Heinze u. P. Runde (1982);
 
Frühförderung mit den Eltern, hg. v. O. Speck u. A. Warnke (1983);
 A.-K. Szagun: Behinderung (1983);
 A. Bächtold u. F. Mattmüller: Alle reden über Integration. .. Probleme u. Lösungen in der Schweiz (1984);
 O. Speck: Geistige Behinderung u. Erziehung (51984);
 
Theorie der B.-Pädagogik, hg. v. U. Bleidick (1985);
 A. Rüggeberg: Autonom-Leben (1985);
 G. Cloerkes: Einstellung u. Verhalten gegenüber B. (31985);
 
Schritte aufeinander zu, hg. v. E. Schuchardt (1987);
 
Qualitätssicherung u. Vernetzung in der Rehabilitation, hg. v. W. Jäckel u. a. (1991);
 
Berufl. Eingliederung B., hg. v. der Bundesanstalt für Arbeit (21992);
 
Behinderte Jugendliche vor der Berufswahl, hg. v. der Bundesanstalt für Arbeit (1993);
 
Das Behindertenkonzept der österr. Bundes-Reg. (Wien 21993);
 
Die Lage der B. u. die Entwicklung der Rehabilitation, hg. vom Bundesministerium für Arbeit u. Sozialordnung (1994);
 
Rehabilitation B.. .., Wegweiser für Ärzte u. weitere Fachkräfte der Rehabilitation, hg. v. der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (21994);
 
Behindert sein oder behindert werden? hg. v. H. Eberwein und A. Sasse (1998);
 D. Marburger: Behinderte Menschen (2002);
 
Praxis-Komm. zum B.-Recht (SGB IX), hg. v. M. Kossens u. a. (2002).

* * *

Be|hịn|der|te, der u. die; -n, -n <Dekl. ↑Abgeordnete> (Amtsspr.): behinderte Person: ein geistig -r; für die -n sorgen; Außerdem habe er das Wort Krüppel als wertfreies Synonym für B. gebraucht (MM 3. 12. 86, 19).

Universal-Lexikon. 2012.