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Südosteuropa
Süd|ọst|europa,
 
der Südostteil Europas, umfasst die Balkanhalbinsel, deren Abgrenzung gegen Mitteleuropa nicht übereinstimmend vorgenommen wird.
 
 Vorgeschichte
 
Die frühesten Zeugnisse der Altsteinzeit bilden Geröllgeräte von Vertesszőllős bei Budapest und aus dem Dirjovtal in Rumänien. Bedeutende Fundstätten des Moustérien sind Krapina, die Betalshöhle bei Postojna, die Halbhöhle Crvena Stjena (Montenegro), die Höhle La Adam in Rumänien sowie die Freilandstationen Tata und Érd in Ungarn. Das Jungpaläolithikum ist in Südosteuropa durch Zeugnisse der Szeletakultur, des Aurignacien und des Gravettien vertreten.
 
Funde der Mittelsteinzeit (Späte Swidrykultur und Tardenoisien) liegen aus Rumänien und dem Bereich des ehemaligen Jugoslawien vor. Einzelne Komplexe besonders in Rumänien (Ceahlău) und Bosnien scheinen eine »protoneolithische« Spätstufe dieser Periode zu vertreten, die vielleicht gleichzeitig mit der beginnenden Jungsteinzeit anzusetzen ist, und das Gleiche mag für die ungewöhnlichen Funde von Lepenski Vir gelten.
 
Von der Jungsteinzeit an gewann Südosteuropa eine wichtige Vermittlerrolle: Es nahm anatolisch-vorderasiatische Anregungen auf und gab sie, zum Teil eigenständig abgewandelt, nach Mitteleuropa weiter. Große Bedeutung kommt in dieser Hinsicht der im 4. Jahrtausend v. Chr. bis ins Ungarische Tiefland verbreiteten Starčevokultur zu. Durch diese angeregt, entstand im westungarisch-slowakischen Raum die Bandkeramik. Wenig später ließen kleinasiatische Einflüsse in Südosteuropa eine Fülle verwandter Kulturen entstehen, an denen zum Teil die Bandkeramik oder andere frühneolitische Substrate beteiligt waren. Diese anatolisch-balkanischen Kulturen entwickelten sich fort; so entstanden in Rumänien v. a. die Gumelniţakultur und die Butmirkultur. Stellenweise lebten auch Traditionen der Starčevokultur (bemaltkeramische Petreşti-Gruppe Siebenbürgens) auf oder beeinflussten die bandkeramischen Gruppen Ungarns (besonders die Herpály-Gruppe). An der Moldau führte eine Sonderentwicklung zur Cucuteni-Tripolje-Kultur. Ungarn blieb bandkeramisches Gebiet, doch ließen kleinasiatische Einflüsse Sondergruppen entstehen (Szakálhát-, darauf folgend die Theiß- und Tiszapolgárkultur), zu denen die wichtige bemaltkeramische Lengyelkultur zählt. Zuerst im Nordosten und Norden wurden im Spätneolithikum Einwirkungen seitens osteuropäischer »Steppenkulturen« bemerkbar (z. B. Bodrogkeresztúr), die später im Ost-Balkan die Cernavodăkultur entstehen ließen. Im Norden formierten sich die weit verbreitete Badener Kultur und ihr merklich nach Osteuropa orientierter Nachfolger, die Vučedolkultur.
 
Die Bronzezeit gliederte sich in viele kleinräumig verbreitete Kulturen. Makedonien und Südbulgarien (Mihalič) gehörten zum Ägäischen Kreis, der auch die Bubanj-Hum-Kultur Serbiens und die Cernavodăkultur beeinflusste. Im Nord-Balkan entstanden aus Traditionen der Badener und Vučedolkultur sowie Elementen der Glockenbecherkultur die Kulturen von Nagyrév, Kisapostag, Hatvan und Zók. In Rumänien bildeten sich in der frühen Bronzezeit nebeneinander die Cotofeni-, Glina-, Schneckenberg- und Folteştikultur heraus. Die Hinterlassenschaft dieser Gruppen ist ärmer als die der Jungsteinzeit.
 
In der mittleren Bronzezeit nahm die materielle Kultur, besonders die Metallurgie, einen bedeutsamen Aufschwung; die Erzlager Siebenbürgens wurden erschlossen. Das kulturelle Bild gestaltete sich vielfältiger als zuvor durch zahlreiche Regionalgruppen. In Ungarn wurden die einheimischen Gruppen durch das Eindringen mitteleuropäischer Gruppen der Hügelgräberkultur gestört; auf eine sehr unruhige Zeit weist ein erster »Horizont« von Schatzfunden hin. Die Unruhe ergriff die südlichen Nachbarländer Ungarns, die aber von der Einwanderung der Hügelgräberkultur selbst nicht erreicht wurden. Besonders die Kulturen des rumänischen Raumes traten in immer engere Wechselbeziehungen, die schließlich zu einem schnellen Vorschieben der »Unruhezone« nach Südosteuropa führten. Es entstanden Spannungen, die ihren Abschluss in der dorischen Wanderung (Dorer) fanden. Wieweit das Eindringen der sich seit dem 16. Jahrhundert v. Chr. in Südrussland und der Ukraine formierenden »kimmerischen« Reitervölker dieses Geschehen beeinflusste, ist ungewiss.
 
Die Eisenzeit stand kulturell zunächst in einem Wechselverhältnis aus urnenfelderzeitlichen Traditionen und Einflüssen der ostalpinen Hallstattkultur, zu denen skythische Einflüsse sowie im Süden griechische Anregungen und Importe traten; diese gestatten, die Kulturen im Ost-Balkan mit dem Volk der Thraker, im West-Balkan mit den Illyrern und in Makedonien mit den Paionern in Verbindung zu bringen. Während der jüngeren Eisenzeit gerieten die Adelsschichten dieser Völker zusehends unter griechischem Einfluss, der auch zu Staatsgründungen führte (Fürstengräber von Trebenište). Im 3. Jahrhundert v. Chr. wurde diese Entwicklung durch keltische Invasionen gestört, die die Kultur der einheimischen Bevölkerungen nachhaltig beeinflussten, ohne aber die älteren Traditionen ganz abreißen zu lassen. Außerdem begann vom 5. Jahrhundert v. Chr. an das makedonische Königtum sich von Süden her auszudehnen; es schob seine Grenzen auf Kosten der Paioner und Thraker immer weiter vor.
 
Zur Geographie und Geschichte Europa.

Universal-Lexikon. 2012.