Bo|den|re|form 〈f. 20〉 Reform des Bodenrechtes, Aufhebung des Grundbesitzes
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Bo|den|re|form, die (Rechtsspr.):
Veränderung der Besitzverhältnisse an Grund u. Boden durch eine Umverteilung od. durch Überführung des Bodens in Gemeineigentum.
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Bodenreform,
im weiteren Sinn die Änderung des Besitzrechts an Boden, v. a. des Rechts an Wohnungs- und Siedlungsland. Eine Bodenreform wurde von Sozialisten verschiedenster Richtungen angestrebt: Die Agrarkommunisten (Agrarkommunismus) und Agrarsozialisten (Agrarsozialismus) sahen in der Aufhebung des privaten Grundeigentums und der Vergemeinschaftung des Bodens einen Ansatz zur Neugestaltung der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung (Agrarrevolution). Dagegen hielten die Bodenreformer, darunter J. S. Mill, Henry George, T. Hertzka und A. Damaschke, grundsätzlich am Privateigentum fest, forderten aber, dass der Boden, weil er nicht wie eine Ware beliebig vermehrt werden könne, unter ein Recht gestellt werde, das ihn vor Missbrauch schützt und den ohne Arbeit entstandenen Mehrwert dem Volksganzen zuführt (Grundrente). Sie hofften ihr Ziel durch Reformen der Steuer- und Enteignungsgesetzgebung und den Ausbau des Siedlungswesens zu erreichen. In Deutschland vereinigten sie sich im »Deutscher Bund für Bodenreformer« (gegründet 1888, seit 1898 »Bund deutscher Bodenreformer«), der sich in erster Linie für eine städtische Bodenreform einsetzte. Auf sein Wirken sind v. a. das Erbbaurecht und das Reichsheimstättengesetz von 1920 zurückzuführen. - Im engeren Sinn ist Bodenreform die Änderung der Besitzverhältnisse an landwirtschaftlich genutztem Boden aus politischen und/oder wirtschaftlichen Gründen. Die Bodenreform kann Teil umfassender Agrarreformen sein. Eine grundlegende Änderung der Besitzverhältnisse am landwirtschaftlichen Nutzland wurde nach dem Ersten Weltkrieg u. a. in Russland 1917/18 und im Baltikum 1919/22 sowie verstärkt nach 1945 (nach russischem Vorbild) in den Ländern des Ostblocks als Ausgangspunkt der Kollektivierung (Agrarrevolution) durchgeführt.
Als Bodenreform mit begrenztem Ziel ist in Deutschland die seit den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts in den preußischen Ostprovinzen durchgeführte Siedlung anzusehen. Ihr wurde nach dem Ersten Weltkrieg durch das Reichssiedlungsgesetz von 1919 eine breitere Grundlage gegeben. Der Landanteil der Gutswirtschaften sollte zugunsten bäuerlicher Neusiedlungen verringert werden.
Bei der Bodenreform nach 1945 in den westlichen Besatzungszonen standen wirtschaftliche und soziale Motive (Eingliederung von Heimatvertriebenen, Existenzsicherung möglichst vieler bäuerlichen Familien) im Vordergrund. Die 1946-48 erlassenen Gesetze sahen gestaffelte Landabgaben bei Betrieben über 100 ha (in der britischen Zone 150 ha) oder über einem bestimmten Einheitswert gegen Entschädigung vor. Aus dem anfallenden Land wurden Neubauern- und Siedlerstellen besonders für Heimatvertriebene gebildet. Die in der sowjetischen Besatzungszone zwischen dem 3. und 10. 9. 1945 auf Betreiben der sowjetischen Militäradministration und nach dem Konzept der KPD verabschiedeten Bodenreformverordnungen führten, begleitet zum Teil von Willkürmaßnahmen und schwerem Unrecht, zur entschädigungslosen Enteignung von 14 000 landwirtschaftlichen Groß- und Spezialbetrieben (der gesamte »Großgrundbesitz« über 100 ha) mit etwa 3,3 Mio. ha Land, die zunächst v. a. an die Familien von 560 000 Landarbeitern, landlosen Bauern und Vertriebenen (hier Umsiedler genannt) verteilt wurden; über 200 000 neue Vollerwerbsstellen entstanden. Durch die Zwangskollektivierung ab 1952 ging dieses Land (2,2 Mio. ha) bis 1960 zumeist in die Verfügung derlandwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) über. Der Staat übernahm 1,1 Mio. ha Land für volkseigene Güter (VEG) und sonstige volkseigene und staatliche Betriebe. Die im Einigungsvertrag vom 31. 8. 1990 getroffene Festlegung, dass Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage (1945-49) nicht mehr rückgängig zu machen sind, wurde vom BVG am 23. 4. 1991 und 9. 5. 1996 bestätigt. Gesetzliche Regelungen zur Entschädigung sind im Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. 9. 1994 und im Entschädigungsgesetz vom 27. 11. 1994 festgeschrieben; die bevorzugte Verpachtung von ehemaligem VEG-Land an Opfer der Bodenreform wurde vom BVG am 22. 5. 1996 bestätigt. Die von der Treuhandanstalt gebildete »Bodenverwertungs- und -verwaltungs-GmbH« (BVVG) hat die von ihr verwalteten (»staatlichen«) Ländereien zu privatisieren.
In Japan wurde 1946-50 unter Einfluss der amerikanischen Besatzungsmacht eine Bodenreform durchgeführt, in deren Ergebnis der Großgrundbesitz weitgehend aufgelöst (ab 1 ha, in Hokkaido ab 4 ha) und das Pacht- und Afterpachtsystem zu 80 % beseitigt wurde.
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Bo|den|re|form, die (Rechtsspr.): Veränderung der Besitzverhältnisse an Grund u. Boden durch eine Umverteilung od. durch Überführung des Bodens in Gemeineigentum.
Universal-Lexikon. 2012.