Nähe; Verbundenheit; Vertrautheit; Seelenverwandtschaft; Pfarrgemeinde; Kirchgemeinde; Gemeinde; Netzwerk; Community
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Ge|mein|schaft [gə'mai̮nʃaft], die; -, -en:1. <ohne Plural> das Zusammensein, das Zusammenleben in gegenseitiger Verbundenheit:
mit jmdm. in Gemeinschaft leben; eheliche Gemeinschaft.
Zus.: Ehegemeinschaft, Lebensgemeinschaft.
2. Gruppe von Personen, die durch gemeinsame Gedanken, Ideale o. Ä. verbunden sind:
eine Gemeinschaft bilden; einer Gemeinschaft angehören.
Zus.: Glaubensgemeinschaft, Interessengemeinschaft, Religionsgemeinschaft, Sprachgemeinschaft.
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Ge|mein|schaft 〈f. 20〉
1. durch etwas Gemeinsames (Denken, Ziele, Beruf usw.) verbundene Menschengruppe (Arbeits\Gemeinschaft, Christen\Gemeinschaft, Familien\Gemeinschaft)
2. Verbindung, Zusammensein
3. Beziehung
● \Gemeinschaft der Gläubigen alle durch den christl. Glauben miteinander Verbundenen; die \Gemeinschaft der Heiligen 〈apostol. Glaubensbekenntnis〉 Gesamtheit aller Heiligen der christl. Kirche od. (nach anderer Auslegung) \Gemeinschaft mit den Heiligen ● eine \Gemeinschaft bilden ● eheliche \Gemeinschaft Ehe; enge, feste, innige \Gemeinschaft ● in \Gemeinschaft mit jmdm. eine Arbeit ausführen; in einer \Gemeinschaft leben; mit jmdm. in (enger) \Gemeinschaft leben; \Gemeinschaft haben mit jmdm.; mit jmdm. keine \Gemeinschaft machen (wollen) nichts mit ihm zu tun haben (wollen) [<ahd. gimeinscaf; zu gimeini; → gemein]
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Ge|mein|schaft , die; -, -en [mhd. gemeinschaft, ahd. gimeinscaf]:
1. <o. Pl.> das Zusammensein, -leben in gegenseitiger Verbundenheit:
die eheliche G.;
die freie, friedliche G. der Völker;
☆ in G. mit jmdm., etw. (gemeinsam, zusammen, in Zusammenarbeit mit: die Festspiele werden von der Stadt in G. mit dem Rundfunk veranstaltet).
2. Gruppe von Personen, die durch gemeinsame Anschauungen o. Ä. untereinander verbunden sind:
eine verschworene G.;
die G. der Heiligen (die heilige Kirche, die Einheit der durch die Gnade des Heiligen Geistes Gläubigen; LÜ von kirchenlat. communio sanctorum);
jmdn. in eine G. aufnehmen;
aus der G. ausgeschlossen werden.
3. Bündnis zusammengeschlossener Staaten, die ein gemeinsames wirtschaftliches u. politisches Ziel verfolgen:
die atlantische, westliche G.
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I Gemeinschaft,
Im weiteren Sinn ist Gemeinschaft jede Verbundenheit zwischen Menschen; im engeren Sinn ist sie die Bindung innerhalb einer Gruppe oder Vereinigung von Menschen, in der es hauptsächlich auf die gefühlsmäßigen Beziehungen der Mitglieder zueinander ankommt (z. B. in der Familie, Verwandtschaft, Nachbarschaft, in religiösen Gruppen). Eine Gemeinschaft unterscheidet sich von einer Gesellschaft v. a. dadurch, dass Letztere im Wesentlichen eine zweckhafte (v. a. durch arbeitsteilige Interessenlagen hergestellte) soziale Verbindung mit mehr oder minder erzwungener Gleichrichtung darstellt.
II
Gemeinschaft,
1) allgemein: vielschichtiger Begriff, bezeichnet das gegenseitige Verhältnis von Menschen, die auf einer historisch gewachsenen, religiös-weltanschaulichen, politisch-ideologischen, ideellen oder einen eng begrenzten Sachzweck verfolgenden Grundlage verbunden sind: Volk, Nation, Staat, Kirche, (religiöse oder politische) Gemeinde, Ehe, Familie, Freundschaft, Interessenorganisation, Verein u. a.
2) Politikwissenschaft und Soziologie: Im Gegensatz zu einer aus vielen, oft gegensätzlich orientierten Gruppen bestehenden Gesellschaft ist die Gemeinschaft von einer mehr oder weniger stark entwickelten Homogenität und Zielsetzung bestimmt. Im Kampf gegen oppositionelle oder weltanschaulich abweichende Glieder (z. B. »Dissidenten«, »Häretiker«) stellen diktatorisch strukturierte staatliche Gemeinschaften mit Gewalt die innere Geschlossenheit wieder her oder grenzen die missliebigen Personengruppen aus. In totalitären Staaten wird der Begriff der Gemeinschaft in besonders exzessiver Weise eingeengt und gegen Menschen abweichenden politischen Denkens, anderer oder vermeintlich anderer rassischer Zugehörigkeit missbraucht.
Nach F. Tönnies, der 1887 den Begriff Gemeinschaft als soziologischer Grundbegriff einführte, ist Gemeinschaft ein naturhaftes, gewachsenes, unter dem inneren Antrieb zur Gemeinschaftsbildung (dem »Wesenwillen«) entstandenes Gebilde, im Gegensatz zur »Gesellschaft«, die er als rational konstituierten Zweckverband aus gemeinsamen Interessen definierte. Hauptbeispiele von Gemeinschaften sind nach Tönnies Gruppen wie Familie, Sippe, Stamm, räumliche Verbände wie das Dorf und die frühere Stadt, geistige Intimgruppen wie Meister und Jünger und Freundschaften. Die Soziologie hat die tönniessche Gegenüberstellung von »Gemeinschaft« und »Gesellschaft« immer wieder aufgegriffen und zum Gegenstand unterschiedlicher Typologien beziehungsweise »wesensmäßiger« Erfassungen des Sozialen gemacht. So haben z. B. J. Plenge, L. von Wiese und G. Gurvitch die unterschiedliche Intensität der inneren Verbundenheit von Menschen, das Wir-Bewusstsein, zum Ausgangspunkt ihrer Differenzierungen gemacht. Bei T. Parsons, der von verschiedenen Orientierungsalternativen des Handelns (englisch pattern variables) ausging, bildete die Gemeinschaft das grundlegende Strukturelement des sozialen Zusammenhangs.
Auch für die Gegenwart, in der die Soziologie eher vom Begriff der Gruppe als dem der Gemeinschaft ausgeht, stellt sich die Aufgabe, dass sich Gemeinschaft und Gesellschaft auf jeder Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung wechselseitig neu bestimmen. Zu den Gemeinschaften zählen heute z. B. Minoritäten in den Städten (z. B. Ausländergruppen) sowie alternative Lebensgemeinschaften, die sich seit den 1960er-Jahren in den Industriegesellschaften herausgebildet haben. Diese Gemeinschaften führen ein relativ geschlossenes Eigenleben und versuchen zum Teil, durch ihre Lebensform der traditionellen Gesellschaft neue Impulse zu vermitteln.
F. Tönnies: G. u. Gesellschaft (1887, Neuausg. 1979);
T. Litt: Individuum u. G. (31926);
H. Plessner: Grenzen der G. (1924, 21972);
Hundert Jahre »G. u. Gesellschaft«. Ferdinand Tönnies in der internat. Diskussion, hg. v. L. Clausen u. C. Schlüter (1991).
3) Religionsgeschichte: Die Gemeinschaft ist die eigentliche Trägerin der religiösen Tradition und des Kultus. Zu den Gemeinschaften zählen die Ehe als kleinste sakrale Gemeinschaft, im Rahmen der Universalreligionen die Gemeinde, die (Staats- beziehungsweise Landes-)Kirchen, die (Welt-)Gemeinschaft aller Gläubigen (im Islam Umma); weitere Beispiele für Gemeinschaften sind Sekten, das Meister-Schüler-Verhältnis, Ordensgemeinschaften, Kloster, Priesterstand. Die Gemeinschaften unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Gliederung in eine hierarch. Struktur sowie in der Strenge, in der die Mitglieder untereinander verbunden beziehungsweise zur Einhaltung bestimmter Lebensformen oder Riten verpflichtet sind. Auf einer frühen Stufe heißt Gemeinschaft die umfassende organische Einheit von Familie, Sippe und Stamm. Sie ist zugleich Religions-, Kult-, soziale und Staatsgemeinschaft. Häufig wird erst durch eine rituelle Aufnahme (Initiation) in die Sippe (oder später eine andere Gemeinschaft) an dem Leben der Gemeinschaft Anteil gewährt. In den Volks- und Stammesreligionen bestehen neben der natürlichen Gemeinschaft meist keine spezifisch religiösen Gemeinschaften, mit Ausnahme der Geheimbünde.
G. Mensching: Soziologie der Religionen (21968);
F. Fürstenberg u. I. Mörth: Religionssoziologie, in: Hb. der empir. Sozialforschung, hg. v. R. König, Bd. 14 (21979).
4) Zivilrecht: Beteiligung mehrerer Berechtigter an einem Recht. Um eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (Bruchteilsgemeinschaft, §§ 741 ff. BGB) handelt es sich, wenn ein Recht mehreren gemeinschaftlich zusteht. Der häufigste Fall einer Gemeinschaft ist das Miteigentum. Die Gemeinschaft des BGB ist eine bloße Interessengemeinschaft, wobei das gemeinschaftliche Interesse sich in der bloßen Mitberechtigung an dem Gegenstand erschöpft. Verfolgen die Mitglieder der Gemeinschaft darüber hinaus gleiche Zwecke, so liegt in der Regel eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts vor. Die Verwaltung des Gegenstands steht den Teilhabern gemeinschaftlich zu; jeder von ihnen kann aber die zur Erhaltung notwendigen Maßnahmen auch ohne Zustimmung der anderen treffen oder deren Einwilligung verlangen. Die Art der Verwaltung und Benutzung wird mit Stimmenmehrheit nach der Größe der Anteile der Teilhaber beschlossen. Über seinen Anteil kann jeder Teilhaber verfügen, über den gemeinschaftlichen Gegenstand als Ganzes nur alle Teilhaber gemeinsam. Jeder Teilhaber kann jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen. Die Aufhebung erfolgt durch Teilung in Natur, falls dies nicht möglich ist, durch Verkauf des Gegenstands (nach den Vorschriften über den Pfandverkauf, bei Grundstücken nach dem Zwangsversteigungsgesetz) und Teilung des Erlöses.
Besonders geregelt sind bestimmte engere Formen der Beteiligung, z. B. die Gesamthandsgemeinschaft, das Wohnungseigentum.
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Ge|mein|schaft, die; -, -en [mhd. gemeinschaft, ahd. gimeinscaf]: 1. <o. Pl.> das Zusammensein, -leben in gegenseitiger Verbundenheit: die eheliche G.; ... hat er Frau Gerda Kiffke, die in häuslicher G. mit mir lebt, in sittlicher Hinsicht belästigt (Ossowski, Flatter 164); die freie, friedliche G. der Völker; die G. der Seele mit Gott; mit jmdm. G. haben; er hielt ... mit keiner Seele G. (Th. Mann, Tod 72); *in G. mit jmdm., etw. (gemeinsam, zusammen, in Zusammenarbeit mit): die Festspiele werden von der Stadt in G. mit dem Rundfunk veranstaltet. 2. Gruppe von Personen, die durch gemeinsame Anschauungen o. Ä. untereinander verbunden sind: eine verschworene G.; Bei Krankheit, Alter, sogar beim Tod muss die G. für den Betreffenden aufkommen (Klee, Pennbrüder 70); die G. der Heiligen (die heilige Kirche, die Einheit der durch die Gnade des Heiligen Geistes Gläubigen; LÜ von kirchenlat. communio sanctorum); einer G. beitreten; jmdn. in eine G. aufnehmen; aus der G. ausgeschlossen werden. 3. durch ein Bündnis zusammengeschlossene Staaten, die ein gemeinsames wirtschaftliches und politisches Ziel verfolgen: die atlantische, westliche G.; einen großen Teil der Gespräche ... nahm das Thema ... der Erweiterung der europäischen G. ein (Bundestag 188, 1968, 10163).
Universal-Lexikon. 2012.