Faschismus; antidemokratisches System; totalitäres Regime; Führerprinzip; Rechtsextremismus; Neofaschismus; Rechtsradikalismus; Hitlerfaschismus
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Na|ti|o|nal|so|zi|a|lis|mus 〈m.; -; unz.〉 radikale nationalistische Bewegung nach dem 1. Weltkrieg, die 1933 bis 1945 in Deutschland die Macht ausübte
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Na|ti|o|nal|so|zi|a|lis|mus, der <o. Pl.>:
1. nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland aufgekommene, extrem nationalistische, imperialistische und rassistische politische Bewegung.
2. auf der Ideologie des Nationalsozialismus (1) basierende faschistische Herrschaft von A. Hitler in Deutschland von 1933 bis 1945.
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Nationalsozialismus,
völkisch-antisemitisch-national-revolutionäre Bewegung in Deutschland (1919-45), die sich 1920 als Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) organisierte und die unter Führung A. Hitlers in Deutschland 1933 eine Diktatur errichtete. Der Nationalsozialismus wird in Wissenschaft und Publizistik (nicht unumstritten) auch als besonders radikale Form des Faschismus gesehen.
Die Anfänge
Die NSDAP ging aus der Deutschen Arbeiterpartei hervor, einer der vielen Protestgruppen im völkisch-antisemitischen Milieu Münchens, gegründet am 5. 1. 1919 von dem Schlosser Anton Drexler (* 1884, ✝ 1942). Im September 1919 schloss sich Hitler der Partei an. Führende Mitglieder in der Anfangsphase waren der Publizist Dietrich Eckart (* 1868, ✝ 1923), der Ingenieur Gottfried Feder (* 1883, ✝ 1941) und der Reichswehroffizier E. Röhm. Bald kamen A. Rosenberg und J. Streicher dazu. Am 24. 2. 1920 gab die in NSDAP umbenannte Partei ihr von Drexler und Hitler zusammengestelltes 25-Punkte-Programm bekannt, das eine wirksame Kombination darstellte von kleinbürgerlichem Vulgärsozialismus und damals gängigen völkisch-nationalistischen Ideen, verbunden mit einem radikalen Antisemitismus; Ziele waren: Schaffung eines Großdeutschland in den Volkstumsgrenzen, Rückgewinnung der Kolonien, Schaffung einer starken Zentralgewalt, Durchführung einer Bodenreform, Verstaatlichung der Großunternehmen, »Brechung der Zinsknechtschaft«, Gewinnbeteiligung der Arbeiter an Großbetrieben, Einziehung der Kriegsgewinne, Verweigerung der Staatsbürgerrechte v. a. gegenüber den Juden und ihre Ausweisung aus dem Deutschen Reich, Einleitung einer Gesetzgebung und Kulturpolitik nach rassistischen Kriterien, Förderung eines »positiven« Christentums »auf der Grundlage des Sittlichkeits- und Moralgefühls der germanischen Rasse« (Rassismus).
Hitler, zunächst Werbeobmann der NSDAP, wurde nach innenparteilichen Differenzen mit Drexler im Juli 1921 Vorsitzender der Partei und erhielt in einer neuen Parteisatzung eine fast unangreifbare Führungsstellung. Von den anderen »rechten« Parteien unterschied sich die NSDAP v. a. durch die Intensität und Radikalität ihrer Propaganda und die extreme antisemitische Agitation unter Verwendung aggressiver Werbemaßnahmen; der Saalschutz mit der Hakenkreuzbinde, Keimzelle der späteren SA, verdeutlichte durch das militärische Ordnungsgepränge die Radikalität der Partei und ihre Bereitschaft zu Gewalt. Massenkundgebungen und spektakuläre Aktionen, wie der Auftritt Hitlers mit 800 SA-Männern auf dem »Deutschen Tag« in Coburg (14./15. 10. 1922), machten die NSDAP zu einer der lautstärksten antirepublikanischen Agitationsgruppen im süddeutschen Raum. Hitler gewann bald einflussreiche Gönner und Freunde aus Bürokratie, Militär (u. a. E. Ludendorff) und Großbürgertum (Winifred Wagner), die der Exaltiertheit des Agitators eine gesellschaftliche Absicherung boten. Die Mitglieder der NSDAP kamen zunächst aus den aufgelösten militärischen und paramilitärischen Verbänden v. a. in Bayern, aber auch im östlichen Deutschland (Freikorps, Einwohnerwehren). Das führte zu einem schnellen Anwachsen der SA, die mehr und mehr zu einem parteiunabhängigen, wenngleich auf Hitler verpflichteten Wehrverband wurde. Dabei entstand für Hitler und die NSDAP die Gefahr, dass das Eigengewicht der SA-Spitze wuchs und die alleinige Parteiführung durch Hitler bedrohte. Zulauf erhielt die NSDAP auch aus vorwiegend mittelständischen Schichten, die von Inflation und sozialem Statusverlust betroffen waren. Sie wurden von der radikalen Agitation gegen den Friedensvertrag von Versailles und gegen den Weimarer Staat angezogen. Die frühe NSDAP verstand sich nicht als Partei, sondern als revolutionäre Bewegung, die auf dem Weg eines Putsches nach dem Vorbild von B. Mussolinis »Marsch auf Rom« (1922) die verhasste Weimarer Republik von Bayern aus beseitigen wollte.
Im Herbst 1923 glaubte Hitler, der von Putschplänen führender nationalkonservativer und militärischer Kreise wusste, den schweren Konflikt zwischen der bayerischen Regierung unter Generalstaatskommissar G. Ritter von Kahr und der Reichsregierung nutzen zu können, um das Zeichen zu einer »nationalen Erhebung« gegen die Reichsregierung und zur Errichtung einer »nationalen Diktatur« zu geben. Der Hitlerputsch (8./9. 11. 1923) brach mit der blutigen Auflösung eines bewaffneten Demonstrationszuges am 9. 11. 1923 zusammen. Die NSDAP wurde verboten und Hitler am 1. 4. 1924 in einem Hochverratsverfahren zu fünf Jahren Festungshaft in Landsberg verurteilt. Während seiner Haftzeit, aus der Hitler am 20. 12. 1924 vorzeitig entlassen wurde, zerbrach die 1923 von 15 000 auf 55 000 Mitglieder angewachsene Bewegung, die von der Hoffnung auf ein baldiges Losschlagen zusammengehalten worden war, in mehrere völkische Gruppierungen.
Weltanschauung und Programm
Die nationalsozialistische Weltanschauung, die Hitler v. a. in »Mein Kampf« (1924/25) und in seinem »Zweiten Buch« (1928) darlegte, ist keine im Einzelnen ausgearbeitete, von Widersprüchen freie Lehre. Im Zentrum stehen ein radikaler, universaler, rassisch begründeter Antisemitismus und die Lebensraumdoktrin. Ausgangspunkt ist die Auffassung von Geschichte als einem stetigen Kampf der Völker um Selbsterhaltung und um Sicherung und Vermehrung des dazu notwendigen Lebensraumes. Siegreich bleibt jeweils das stärkere, d. h. »rassisch wertvollere«; als Endziel der Geschichte propagierte Hitler die Herrschaft eines »Herrenvolkes«. Im Rahmen dieses rassistischen, die Ebenbürtigkeit aller Menschen verneinenden Denkschemas bildet sich - gleichsam als Unterfaktor - die rassisch wertvolle Persönlichkeit aus, die einen Führungsanspruch gegenüber der sich unterordnenden Volksgemeinschaft erheben darf; im Zuge dieser Vorstellungen entwickelte Hitler das Führerprinzip. Im jüdischen Volk sah Hitler den Gegner dieser »Naturgesetze«. Aus Mangel an »Rassenwert« unfähig, einen Staat zu bilden, versuche es, durch Vermischung mit rassisch höheren und Versklavung von produktiv tätigen Völkern sich selbst zu erhalten. Als Mittel dienten ihm dabei Kapital und Propaganda. In den Bahnen seines rassistischen Denkens schrieb Hitler diesen Bestrebungen des jüdischen Volkes neben dem Kapitalismus auch die Existenz aller internationalen Bewegungen zu (z. B. Marxismus, Bolschewismus, Demokratie, Pazifismus, Liberalismus), da sie den unterschiedlichen Rassenwert missachteten und die Völker vom naturgewollten Lebenskampf abhielten. Für das »rassisch hoch stehende«, zahlenmäßig zunehmende deutsche Volk ergab sich nach Hitler daher die zentrale Aufgabe, die Juden zu bekämpfen und im wiederhergestellten Lebenskampf neuen Lebensraum zu erobern. Der Krieg galt dabei als ein legitimes Mittel.
Zur Verwirklichung seiner Ziele entwickelte Hitler 1919-26/28 vor dem Hintergrund seiner Bewertungen des Ersten Weltkrieges und der Weimarer Republik ein politischer Konzept, in dem der Außenpolitik der Primat eingeräumt wurde und die anderen Bereiche der Politik in deren Dienst gestellt wurden. Dem Staat kam dabei die Aufgabe der weltanschaulichen Ausrichtung der gesamten Bevölkerung zu. Es lassen sich zunächst drei Phasen unterscheiden: 1) innere Erneuerung des Volkes, Aufrüstung, Bündnisabschluss mit Großbritannien und Italien; 2) Krieg gegen Frankreich, um dessen Hegemonie zu beseitigen und die eigentliche Expansion nach Osten abzusichern; als Nebenergebnis: Erfüllung der Forderungen bezüglich der Revision des Versailler Vertrages; 3) Eroberungskrieg gegen die Sowjetunion zur Gewinnung neuen Lebensraumes für das deutsche Volk.
Abgesehen von einigen Historikern wie z. B. M. Broszat und H. Mommsen, die in diesem »Programm« keinen auf Verwirklichung ausgerichteten Zielkatalog, sondern nur Symbole zur Begründung immer neuer Aktivität des im Grunde ziellosen nationalsozialistischen Handelns sehen, ist sich die Forschung heute weitgehend darin einig, dass dieses Konzept die Leitlinie der hitlerschen Politik darstellt, wobei taktisches Handeln innerhalb des vorgegebenen Rahmens durchaus möglich war: Diskutiert wird v. a., ob Hitlers Endziel mit der Unterwerfung des europäischen Kontinents (E. Jäckel) oder erst mit einer darüber hinausgreifenden Weltherrschaft erreicht sei (A. Hillgruber). Demgegenüber hat das Parteiprogramm der NSDAP von 1920 wenig Bedeutung. Weite Teile wurden totgeschwiegen, völlig missachtet (z. B. die Punkte sozialistischen Inhalts) oder nur berücksichtigt, wie sie im Sinne des eigentlichen hitlerschen Programms nützlich waren.
Die Jahre 1925-33
Die Wiedergründung der NSDAP:
Nach seiner Entlassung aus der Haft wurde Hitler zum Sammelpunkt beim Wiederaufbau der NSDAP, die durch eine veränderte politische Strategie und einen anderen Parteiaufbau ein neues Profil erhielt: 1) Die Putschtaktik wurde durch eine Legalitätstaktik ersetzt, ohne dass damit der politischen Gewalt abgeschworen wurde; der Massenmobilisierung kam lediglich ein Vorrang zu. 2) Die am 27. 2. 1925 neu gegründete Partei wurde auf ganz Deutschland ausgedehnt, regional gegliedert und auf Reichsebene straff organisiert; darüber hinaus wurde sie von anderen völkisch-nationalistischen Gruppen scharf abgegrenzt; die paramilitärische Parteigliederung der SA hatte sich der politischen Führung unterzuordnen. 3) Die Partei sollte zu einem bedingungslosen Instrument des Führerwillens geformt werden.
Die Organisation der NSDAP beschränkte sich zunächst auf die Reichsleitung in München, auf Gaue und Ortsgruppen. 1926 wurde als Jugendorganisation der nationalsozialistischen Kampfverbände der Bund deutscher Arbeiterjugend, die spätere Hitler-Jugend (HJ), gegründet. Weitere Sonderorganisationen und Berufsverbände folgten mit dem Ziel der Mobilisierung und Erfassung der heterogenen Mitglieder- und Anhängerschaft. Mit der am 9. 11. 1925 zum Schutz der Parteiführerschaft gegründeten »Schutzstaffel« (SS) wurde ein konkurrierendes Instrument zur SA geschaffen. Seit 1925/26 gelang es der Münchner Reichsleitung der Partei um Hitler, sich allmählich gegen zentrifugale Tendenzen durchzusetzen und auch die ideologisch-propagandistische Alleinvertretung zu behaupten (z. B. gegenüber dem »linken« Parteiflügel um O. und G. Strasser). Innerparteiliche Gruppierungen organisierten sich nicht gegen Hitler, sondern suchten seine Unterstützung im Machtkampf mit anderen Gruppierungen der Partei zu gewinnen. Hitler duldete und förderte zeitweise solche Gruppenbildungen, die seine Rolle als oberste Schiedsinstanz erst sicherten. Nur wenn seine Autorität infrage gestellt war, griff er in die Richtungskämpfe ein.
Die Erfolge der NSDAP blieben 1924-29 beschränkt (2,6 % der Stimmen bei den Reichtagswahlen von 1928).
Aufstieg zur Massenpartei:
Seit 1929/30 begann vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise und der deutschen Staatskrise der Aufstieg der NSDAP zur Massenpartei. Sie wurde seit der Reichstagswahl vom 14. 9. 1930, bei der sie 18,3 % der Stimmen erhielt, zu einem großen Machtfaktor, dessen radikale Agitation die politische Krise der Weimarer Republik noch beschleunigte. Mit der Verschärfung der Wirtschafts- und Staatskrise stieg ihre Erfolgskurve bei den folgenden Landtags- und Reichstagswahlen stark an. Ihren Höhepunkt erreichte sie bei den Reichstagswahlen am 31. 7. 1932 mit 37,8 % der Stimmen. Innerhalb von zwei Jahren war die NSDAP von einer kleinen radikalen Partei zu einer Massenbewegung geworden. Was sie attraktiv machte, waren nicht konkrete soziale und politische Programme, sondern die Wirksamkeit des Kults um Hitler, der als Retter und Erneuerer erwartet und bejubelt wurde. Der naive Glaube an die Erneuerungskraft und die Überwindung der Partei- und Klassenspaltungen in einer neuen »Volksgemeinschaft« erhielt im Augenblick einer tiefen sozialen und mentalen Krise durch die Radikalität des Auftretens der Hitlerpartei zusätzliche Nahrung. Neben dem Hitlerkult war die Volksgemeinschaftsparole das wirksamste Element der nationalsozialistischen Propaganda. Damit wurden ebenso restaurative Sehnsüchte nach Erhalt vormoderner Sozialordnungen angesprochen wie die Hoffnungen anderer Gruppen auf soziale Mobilität und Modernisierung. Die NSDAP versprach Bewahrung und Veränderung zugleich. Sie verband Methoden der Daueragitation und Massenregie (Massenkundgebungen) mit terroristischer Gewalt in Form von Saal- und Straßenschlachten und der Sprengung gegnerischer Veranstaltungen. Für die Protest- und Glaubensbewegung der NSDAP genügte es, dass sie ihre Ziele schlagwortartig wiederholte und sich als dynamische und »entschlossene« Bewegung darstellte.
Eine kontinuierliche finanzielle Förderung der NSDAP durch die Großindustrie ist nicht belegt. Die Finanzierung der gewaltigen Propagandakampagnen der NSDAP erfolgte in erster Linie durch die Mitglieder und ihre Beiträge, dann durch Hilfe von Sympathisanten sowie v. a. durch kleinere und mittlere Betriebe. Zudem war das Verhalten der Großindustrie gegenüber der NSDAP und Hitlers Regierungsbeteiligung 1932/33 sehr uneinheitlich; nur eine kleine Fraktion unterstützte Hitler. Wichtiger war die Rolle der Großwirtschaft und anderer traditioneller Machteliten bei der Zerstörung der parlamentarischen Demokratie zugunsten einer autoritären Staatsform, die sich am Ende gegen den Ansturm der nationalsozialistischen Massenbewegung nicht behaupten konnte. Hitlers Weg zur Macht war weder geradlinig noch unaufhaltsam. Seine Doppelstrategie des Ausbaus einer eigenen, ungeteilt verfügbaren Massenbewegung und taktischer Bündnisse mit den traditionellen Machtgruppen in Politik, Bürokratie, Militär und Wirtschaft war in der NSDAP nicht unumstritten und erfuhr immer wieder Rückschläge entweder durch terroristische Ausbrüche der SA oder durch Zurückweisungen seitens der erhofften konservativen Bündnispartner. Ausdruck dieses Konzepts der Zusammenarbeit in der »nationalen Opposition« und der gleichzeitigen Distanzierung von den Verbündeten war die Harzburger Front (Oktober 1931). Weil beide Seiten angesichts der zunehmenden politischen Massenmobilisierung und der Machtauflösung aufeinander angewiesen waren, intensivierten sich die Zweckbeziehungen zwischen Hitler und den traditionellen Machteliten. Die nationalkonservativen Kräfte erhofften sich vom Bündnis mit der wählerstärksten Partei eine Massenbasis und eine plebiszitäre Legitimation ihres autoritären politischen und gesellschaftlichen Programms. Hitler brauchte umgekehrt ihre Unterstützung, um die Kluft zu schließen, die seine nicht etablierte Protestpartei trotz ihrer Wahlerfolge noch immer von der Macht trennte, was zu wachsender Ungeduld der eigenen Basis führte. Zugleich schrumpfte der politische Handlungsspielraum der verfassungstreuen Kräfte, bis sich in der Endphase die Präsidialregierung unter F. von Papen nur noch auf extrem rechte Gruppen stützen konnte und dabei der NSDAP durch eine Politik der Vorleistungen entgegenkam. Nach der Reichstagswahl vom Juli 1932 scheiterten die Verhandlungen über den Eintritt der NSDAP in die Regierung Papen. Die von Hitler gegenüber dem Reichspräsidenten P. von Hindenburg geforderte »volle Regierungsverantwortung« rückte jedoch nach den beträchtlichen Verlusten, die die NSDAP bei der Reichstagswahl vom 6. 11. 1932 erlitt (33,1 %), in die Ferne. Über die Zweckmäßigkeit von Hitlers kompromissloser, auf Eroberung der vollen Macht zielender Haltung gab es innenparteiliche Meinungsverschiedenheiten. Der Flügel um G. Strasser trat für die Beteiligung der NSDAP an der autoritären Regierung ein, die der Reichskanzler K. von Schleicher (seit Dezember 1932) zu bilden versuchte, konnte sich aber nicht gegen Hitler durchsetzen. Strasser legte daraufhin alle Parteiämter nieder. Nach dem mit großem Propagandaeinsatz erzielten Wahlerfolg in Lippe (15. 1. 1933 39,5 %) führten Verhandlungen auf informeller persönlicher Ebene zwischen Hitler und seinen Partnern aus der »Nationalen Front« zum Plan einer Reichsregierung, in der die konservativen Kräfte im Rahmen eines »Zähmungs«-Konzeptes den Kanzler Hitler »einrahmen« sollten. Nach massiver Einflussnahme auf den Reichspräsidenten wurde Hitler von diesem am 30. 1. 1933 zum Reichskanzler ernannt.
Der nationalsozialistische Staat
Vom 30. 1. 1933 bis zum 2. 8. 1934, als Hitler nach Hindenburgs Tod die Ämter des Regierungschefs und Reichspräsidenten als »Führer und Reichskanzler« auf sich vereinigte, vollzog sich die »Machtergreifung«, der Aufbau der nationalsozialistischen Diktatur. Im Zuge einer gleitenden, scheinbar legal ablaufenden Entwicklung ging die nationalsozialistische Führung unter Verwendung der Parole von der »nationalen Erhebung« und mittels der Gleichschaltung des politischen, gesellschaftlichen und öffentlichen Lebens daran, allmählich die machtpolitisch entscheidenden Positionen einzunehmen und Deutschland tief greifend umzugestalten. Charakteristisch für das nationalsozialistische Herrschaftssystem war das Nebeneinander von überkommenen und neuen Elementen (Tradition und Revolution), von Legalität und Terror. Instrumente des bisherigen Staates (z. B. gesetzliche Absicherung von Maßnahmen) wurden insoweit beibehalten, als sie der Erreichung der nationalsozialistischen Ziele direkt oder indirekt (als Mittel zur Verschleierung) dienten. Nach der propagandistischen Verklärung des 30. 1. 1933 als Tag der »nationalen Erhebung«, die die nationalsozialistischen Machtansprüche noch verbarg, wurden Vizekanzler von Papen und der Reichsminister für Wirtschaft und Ernährung, A. Hugenberg, bald politisch ausgeschaltet.
Das Zentrum der Machtergreifung lag zunächst in Preußen, wo H. Göring mit dem Innenministerium auch über den Polizeiapparat verfügte und eine Hilfspolizei von 50 000 Mann überwiegend aus SA- und SS-Männern aufstellte. Im Vorfeld der Reichstagswahlen vom März 1933 kam es zu terroristischen Ausschreitungen der SA, die von keiner staatlichen Macht mehr gezügelt wurde. Ziel des Terrors waren die politischen Gegner, v. a. die Kommunisten und Sozialdemokraten. Ihre Verfolgung konnte sich auf die Zustimmung der konservativen Regierungspartner und weiter Teile des Bürgertums stützen. Grundlage der Verfolgungspraxis war neben einer heftigen antimarxistischen Propaganda das präsidiale Notverordnungsrecht nach Art. 48 der Weimarer Verfassung, das schon in den ersten Februartagen dazu diente, die Tätigkeit der anderen Parteien zu behindern, die Pressefreiheit einzuschränken und sich den Beamtenapparat gefügig zu machen. Höhepunkt dieser Praxis war die Notverordnung vom 28. 2. 1933 »Zum Schutz von Volk und Reich«, die, sofort nach dem Reichstagsbrand erlassen, die formelle Grundlage für groß angelegte Verfolgungsmaßnahmen und für den permanenten Ausnahmezustand bildete. Sie wurde zur eigentlichen »Verfassungsurkunde« der Diktatur Hitlers und seiner Partei. Alle bürgerliche Grundrechte wurden außer Kraft gesetzt. Die Reichstagswahlen, die in einem Klima der »legalisierten« Rechtsunsicherheit stattfanden, brachten der NSDAP (43,9 %) nur zusammen mit dem deutschnationalen Bündnispartner (8 %) die absolute Mehrheit.
Der »Tag von Potsdam« (Staatsakt zur ersten Sitzung des neuen Reichstages am 21. 3. 1933) sollte mit dem Treffen zwischen Hitler und Hindenburg das Bündnis des kaiserlichen Deutschland mit dem neuen Reich zur Schau stellen. Das Ermächtigungsgesetz (23. 3. 1933, das mithilfe der bürgerlichen Mitte- und Rechtsparteien und bei bereits vollzogener Eliminierung der KPD-Abgeordneten gegen die Stimmen der SPD verabschiedet wurde, machte Hitler vom präsidialen Notverordnungsrecht und der Kontrolle des Reichstages unabhängig. Der Regierung wurde zugestanden, außerhalb oder abweichend von der Verfassungsordnung Reichsgesetze zu erlassen, soweit sie nicht die Einrichtung des Reichstages oder des Reichsrates an sich betrafen. Im Zuge der Gleichschaltung wurden in den Ländern NSDAP-Gauleiter als Reichsstatthalter eingesetzt. Mit dem »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« (7. 4. 1933 und den antijüd. Aktionen v. a. der Parteibasis leitete die Regierung Hitler die Judenverfolgung ein. Die Gewerkschaften wurden in einer Doppelstrategie von Verführung und Gewalt ausgeschaltet (2. 5. 1933. Die Parteien wurden, einschließlich des deutschnationalen Bündnispartners, im Juni und Juli 1933 aufgelöst oder zur Selbstauflösung gezwungen. Begleitet und unterstützt wurde dieser beispiellose Vorgang durch die Gleichschaltung von Verbänden und Vereinen und die ersten Verfolgungs- und Boykottmaßnahmen gegen jüdische Bürger. An die Stelle der Gewerkschaften trat die sozialpolitisch einflusslose Deutsche Arbeitsfront (DAF), die Zwangsvereinigung aller in der Wirtschaft Tätigen, unter Führung von R. Ley; die bäuerlichen Organisationen wurden im Reichsnährstand unter W. Darré zusammengefasst. Zur Lenkung der Presse und der Kultur gründete der neu ernannte Reichspropagandaminister J. Goebbels die Reichskulturkammer. Nach einem halben Jahr hatte Hitler das parlamentarische System, den Föderalismus und die Parteien ausgeschaltet und durch eine Einparteienherrschaft ersetzt. Abgeschlossen wurde die Machteroberung ein Jahr später. Hitler nutzte im Bündnis mit der Reichswehrführung und der SS den Röhm-Putsch am 30. 6. 1934 zu einer Mordaktion gegen innenparteiliche Rivalen und die SA-Führung unter Röhm sowie gegen konservative Opponenten und andere politisch missliebige Personen. Ein Gesetz vom 3. 7. erklärte diese staatliche Mordaktion nachträglich für »rechtens«. Unter ihrem neuen Chef, V. Lutze, blieb die SA fortan ohne politische Bedeutung. Die SS unter »Reichsführer« H. Himmler wurde aus der SA herausgelöst und begann mit dem Ausbau ihrer Sonderstellung, die sie bereits mit dem Zugriff auf die politische Polizei und die Konzentrationslager begründet hatte. Die Reichswehr, die zum Komplizen dieser Mordaktion geworden war, unterwarf sich, als Hindenburg starb, am 2. 8. 1934 durch einen persönlichen Treueid auf Hitler. Damit gab es keine verfassungsmäßige Institution mehr, die Hitlers Stellung hätte eingrenzen können.
Der Führerstaat:
Im Sommer 1934 waren »Machtergreifung« und Gleichschaltung im Wesentlichen abgeschlossen. Es folgte ein Prozess der Vertiefung des Einflusses, in dem auch die alten Machteliten, die Hitler bei der Konsolidierung des nationalsozialistischen Staates und bei der Vorbereitung und Durchführung seiner Rüstungspolitik benötigte, wichtige Positionen aufgeben mussten. Dies lässt sich an den Umgestaltungen in Wirtschaft, Wehrmacht und Auswärtigem Amt Ende 1937 und Anfang 1938 festmachen: Entlassung des Reichswirtschaftsministers H. Schacht und des Reichskriegsministers W. von Blomberg sowie des Oberbefehlshabers des Heeres W. von Fritsch (Blomberg-Fritsch-Krise); zugleich übernahm Hitler den Oberbefehl über die Wehrmacht; des weiteren ersetzte er den Außenminister K. von Neurath durch den Nationalsozialisten J. von Ribbentrop. Die politische Durchdringung und Beherrschung der Gesellschaft wurde mit dem Ausbau der Gliederungen der NSDAP, der angeschlossenen Verbände und nationalsozialistischen Berufs- und Standesorganisationen sowie massiver Mitgliederwerbung vorangetrieben. Im Sinne der Verbindung mit dem Staat ersetzte z. B. die HJ als Staatsorganisation die Vielfalt der Jugendverbände der Weimarer Zeit. Demselben Ziel dienten die Überwachung der Bevölkerung durch die »Geheime Staatspolizei« (Gestapo), die Einweisung Oppositioneller oder sonst missliebiger Personen in Konzentrationslager und die ständige Verschärfung von Strafandrohung und Rechtsprechung bei politischen, später auch kriegswirtschaftlichen Delikten. Doch konnte der Totalitätsanspruch des Nationalsozialismus, trotz vielfacher Eingriffe in die Privatsphäre, in letzter Konsequenz nicht durchgesetzt werden, es blieben immer noch Freiräume. Auch der Grundsatz der Einheit von Staat und Partei ließ sich nicht im eigentlichen Sinne verwirklichen.
Der nationalsozialistische Führerstaat war zu keinem Zeitpunkt ein von oben nach unten hierarchisch aufgebauter, monolithischer Herrschaftsblock, wie es die nationalsozialistische Propaganda behauptete. Hinter der Fassade des allumfassenden Führerwillens gab es Machtkämpfe zwischen der NSDAP und ihren Untergliederungen einerseits und den nationalsozialistischen wie konservativen Inhabern staatlicher Ämter andererseits (Polykratie); es gab darüber hinaus Auflösungserscheinungen in der traditionellen gleichförmigen staatlichen Bürokratie zugunsten von Partei oder führerunmittelbaren Sonderbehörden, die ihrerseits immer weiter wucherten und neue Kompetenzen oder Hoheitsfunktionen aus der staatlichen Administration an sich zogen (wie z. B. im Bereich der Polizei und Justiz). Auch eine einheitliche Behördenorganisation, die von der lokalen Ebene bis zur Spitze Länder und Gaue in einen einheitlichen Verwaltungsaufbau mit eindeutig abgegrenzten Zuständigkeiten einbezogen hätte, ist nicht geschaffen worden, da die beabsichtigte Reichsreform nie ernsthaft in Angriff genommen wurde. Stattdessen blieb es bei einem ungeklärten Zustand eines Neben- und Gegeneinander zentraler und partikularer Gewalten. Im Krieg hat sich das organisierte Chaos der nationalsozialistischen Herrschaftsordnung noch verschärft. Die kriegsbedingte Zentralisierung mündete meist in die Kompetenzkonflikte und Anarchie konkurrierender Zentralbehörden und Sonderverwaltungen, die die Ausbildung neuer partikularer Gewalten begünstigten. Die zentralen Verwaltungsinstanzen verloren zunehmend die Kontrolle über die regionalen Entscheidungs- und Machtträger. Das waren meist die nationalsozialistischen Gauleiter, die - in der Regel noch mit der Funktion des Reichsverteidigungskommissars zusätzlich betraut - während des Krieges ihre Macht durch die unterschiedlichsten Sondervollmachten ausdehnten.
Gleichwohl führte diese »Polykratie der Ressorts« als ein Element der hitlerschen Herrschaftstechnik nicht zum Zusammenbruch von Herrschaft, sondern sie produzierte eine Dynamik, die den Zielen Hitlers diente und es ihm ermöglichte, sich bis zum Ende des Regimes als unentbehrlicher Schiedsrichter und Bezugspunkt aller rivalisierenden Machtgruppen zu behaupten. Die permanenten Kompetenzkämpfe in der nationalsozialistischen Polykratie unterhalb der monokratischen Spitze wurden nach außen abgeschirmt durch den Führermythos. Dieser ließ den Führer zum Bezugspunkt aller parteiinternen Bewegungen und eines wachsenden öffentlichen Konsenses werden und garantierte den Zusammenhalt des Regimes, dem bis zu seinem Ende ein großes Maß an Loyalität entgegengebracht wurde bei gleichzeitiger Ausweitung von Kontrolle, Terror und Vernichtung. Getragen wurden Führermythos und Konsens von den Resultaten der nationalsozialistischen Wirtschaftsund Sozialpolitik (wie z. B. Abbau der Massenarbeitslosigkeit, Wirtschaftsaufschwung) und mehr noch von Hitlers außenpolitischen Erfolgen. Wenngleich vieles am nationalsozialistischen »Wirtschaftswunder« von der Propaganda übertrieben wurde und die wichtigsten Daten wie Beschäftigungsgrad, Löhne und Volkseinkommen erst 1937/38 die Werte von 1929 erreichten, konnte sich das Regime ein Vertrauens- und Zustimmungskapital erwerben, das alle Anzeichen erneuter inflationärer Tendenzen verdrängte und v. a. die Tatsache, dass der Wirtschaftsboom im Wesentlichen ein Resultat der Kriegsrüstung war, nicht beachtete.
Die Wirtschaft konnte sich für geraume Zeit eine relative Selbstständigkeit erhalten, wurde aber von Anfang an auf die Kriegsvorbereitung ausgerichtet. Die Bereiche Ein- und Ausfuhr, Rohstoffe, Aufträge, Kredite, Preise, Devisen und Arbeitskräftepotenzial wurden bei grundsätzlicher Erhaltung des Privateigentums an Wirtschaftsgütern und Unternehmen zunehmend der staatlichen Lenkung unterworfen. Die Umstellung auf die Kriegswirtschaft im Frieden wurde 1936 mit dem Vierjahresplan, der zur Errichtung neuer Sonderbehörden unter Leitung von staatlichen und privaten Bürokratien führte, auch nach außen hin deutlich.
In der Arbeits- und Sozialpolitik wurde nach Zerstörung der Gewerkschaften und der Tarifautonomie durch Verbot von Streik und Aussperrung, durch die Einführung staatlicher Tarifordnungen, durch ein autoritäres Arbeitsrecht mit großen Vollmachten der »Betriebsführer« gegenüber ihrer »Gefolgschaft« und die weitgehende Erfassung der in der Wirtschaft Tätigen in der DAF ein Lenkungsinstrumentarium geschaffen, das zu einer temporären Leistungssteigerung im Bereich der Investitionsgüter und zu einer Drosselung bei den Konsumgütern führte. Zur Ablenkung vom Verlust politischer und sozialer Autonomie und zur systemstabilisierenden Befriedigung massenzivilisatorischer Bedürfnisse wurde die NS-Gemeinschaft »Kraft durch Freude« (KDF) mit ihrem großen Freizeitangebot bei gleichzeitiger Kontrollmöglichkeit der »Volksgenossen« geschaffen. Die Wohlfahrtspflege der freien und kirchlichen Verbände wurde zugunsten der NS-Wohlfahrt und des Winterhilfswerks beschränkt und behindert.
Im Bereich der Kultur- und Medienpolitik erstreckte sich der Machtanspruch des Nationalsozialismus auf die weltanschauliche Ausrichtung und Kontrolle des Pressewesens, des Rundfunks, der literarischen und künstlerischen Tätigkeit, der Erziehung sowie der wissenschaftlichen Forschung und Lehre. Durch eine Kombination von Verdrängung und Verfolgung, von Gleichschaltung und finanzieller Förderung, von Anpassung und Opportunismus näherte sich die NS-Politik diesem Ziel. Auf dem Erziehungssektor wurde speziell der Gedanke der Elitenbildung (Adolf-Hitler-Schulen, Nationalpolitische Erziehungsanstalten, SS-Ordensburgen) unter Betonung kämpferischer und rassistischer Denkmuster propagiert, der im Bereich der »Volksgesundheit« mit »Höherzüchtung« mittels »wertvollen Erbgutes« (Lebensborn e. V.), mit »Vernichtung unwerten Lebens« (Euthanasie) sowie mit Zwangssterilisierungen korrespondierte (Eugenik). Nach der Verdrängung der progressiven und avantgardistischen Kultur unter dem diffamierenden Schlagwort »entartete Kunst« konnte sich zunächst noch eine Vielfalt künstlerischer und kultureller Entwicklungen auf der Basis einer begrenzten Autonomie der bürgerlichen Kultur behaupten, die freilich mit der Zäsur von 1937/38 immer stärker kontrolliert und eingeengt wurde. Auch im Bereich der nationalsozialistischen Kultur- und Bildungspolitik gab es bei aller Gleichschaltung ein Nebeneinander rivalisierender Ressorts und Kompetenzen, das einerseits Freiräume eröffnete, andererseits der Durchsetzung des Führerwillens zustatten kam. Die christlichen Kirchen waren ebenfalls massiven Beeinflussungs- und Unterwerfungsversuchen ausgesetzt (Kirchenkampf).
Die nationalsozialistische »Rechtsvorstellung«, nach der alle »Gemeinschaftsfremden« auszuschalten seien, wurde besonders drastisch in der Judenpolitik des NS-Regimes verwirklicht (Holocaust). Freilich lag dem keine detaillierte Planung zugrunde. Die zunehmende Radikalisierung weist verschiedene Phasen und Erscheinungsformen auf, die auch nebeneinander bestanden. Die erste Phase umfasst v. a. Boykottmaßnahmen, rechtliche Diskriminierung (Nürnberger Gesetze, 1935; Rassengesetze), wirtschaftliche Entrechtung (Arisierung) und persönliche Bedrohung. Eine zweite Phase (ab 1939) war zunächst vom Gedanken einer »territorialen Endlösung«, d. h. vom Plan einer Deportation eines Großteils der europäischen Juden nach Madagaskar oder Sibirien, geprägt. Dann setzte mit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion eine dritte Phase ein, die auf die »physische Endlösung« zielte. Sie begann mit den unmittelbar seit dem 22. 6. 1941 durchgeführten Erschießungen durch die Einsatzgruppen des »Sicherheitsdienstes« (SD) und der »Sicherheitspolizei« (Sipo) und führte mit der Errichtung von Gaskammern, die bereits bei der Durchführung des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms erprobt worden waren, zur systematisch betriebenen und technisch perfektionierten Ermordung in den Vernichtungslagern des Ostens.
Die nationalsozialistische Außenpolitik zeigte sich zunächst als Bündnispolitik, die - ausgehend von angeblich nicht existierenden Interessengegensätzen - Großbritannien und Italien zu primären Partnern bestimmte. Sie zielte auf die Umsetzung des von Hitler in seinen Schriften formulierten Programms. Auch in der Außenpolitik herrschte eine Polykratie der Konzeptionen und Entscheidungsträger. Beteiligt waren neben dem Auswärtigen Amt u. a. die nationalsozialistischen Kräfte in der Dienststelle Ribbentrop, das Außenpolitische Amt und die Auslandsorganisation der NSDAP. Auch wenn Hitler in der Außenpolitik auf verschiedenen Stellen und Persönlichkeiten zurückgriff beziehungsweise Anregungen aufnahm (z. B. Ribbentrops antibritischer Plan zur Zusammenarbeit mit Japan und der Sowjetunion), blieb er selbst in diesem für ihn zentralen Bereich der Politik ausschlaggebend.
In der ersten Phase wurden die politischen und rüstungswirtschaftlichen Aggressionsvorbereitungen mit einer Strategie der Verharmlosung abgeschirmt (z. B. »Friedensrede« Hitlers im Reichstag 17. 5. 1933; Deutsch-Polnisches Nichtangriffsabkommen 26. 1. 1934); sie unterschied sich nach außen hin kaum von den traditionellen Forderungen nach Revision des Versailler Vertrages und Wiederherstellung der nationalen »Größe«. Der erste Akt der Aggression mit dem Versuch des gewaltsamen »Anschlusses« von Österreich an Deutschland scheiterte 1934 (fehlgeschlagener nationalsozialistischer Putsch, Ermordung des österreichischen Bundeskanzlers E. Dollfuss am 25. 7.) und verstärkte die seit dem Austritt aus dem Völkerbund (14. 10. 1933 bestehende diplomatische Isolierung des Deutschen Reiches. Die Veränderung der internationalen Konstellationen (B. Mussolinis Äthiopienkrieg 1935, Spanischer Bürgerkrieg 1936-39, permanente Spannungen in Ostasien) und die dadurch verstärkte Bindung Großbritanniens im Mittelmeerraum und in Ostasien nutzte Hitler zu einer forcierten Revisionspolitik: Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht (16. 3. 1935, Abschluss des Deutsch-Britischen Flottenabkommens (18. 6. 1935, Einmarsch deutscher Truppen in die entmilitarisierte Zone des Rheinlands (7. 3. 1936 d. h. Bruch der Verträge von Versailles und von Locarno). Begünstigt wurde diese Politik durch den britisch-sowjetischen Gegensatz in Europa wie durch die britische Appeasementpolitik, die angesichts der innen-, sozial- und außenpolitischen Belastungen Großbritanniens militärische Konflikte in Mitteleuropa zu vermeiden suchte. Hinzu kam das Verlangen der westeuropäischen Öffentlichkeit nach Aufrechterhaltung des Friedens.
Nach dem gescheiterten Werben um ein Bündnis mit Großbritannien, das im Sinne von Hitlers außenpolitischen Zielvorstellungen die Basis für seine kontinentalen Eroberungs- und Herrschaftspläne hätte bilden sollen, gelang es Hitler, seinem Programm entsprechend, das faschistische Italien für sich zu gewinnen (»Achse Berlin-Rom«, seit Oktober 1936). Während des Spanischen Bürgerkrieges beteiligte sich das nationalsozialistische Deutschland neben Italien an der militärischen Unterstützung der Aufständischen unter General F. Franco. Der Abschluss eines Militärbündnisses (Stahlpakt, 22. 5. 1939) bekräftigte die Achse Berlin-Rom. Durch eine Vereinbarung mit Japan (Antikominternpakt 25. 11. 1936, Beitritt Italiens 6. 11. 1937) entstand eine Konstellation, die Großbritannien entweder neutral halten oder doch noch zum Einlenken bringen sollte. - Auf der anderen Seite zerfiel das von Frankreich gestützte Bündnissystem der südost- und osteuropäischen Staaten.
Im Spätherbst 1937 nutzte Hitler Meinungsverschiedenheiten innerhalb der militärischen und außenpolitischen Führungsgruppen in Deutschland, um seine außen- und kriegspolitischen Zielvorstellungen vor den Spitzen der Wehrmacht und des Auswärtigen Amtes zu entwickeln (Hoßbachniederschrift) und die dort vorgetragenen Einwände gegen seine Außenpolitik unter skrupelloser Ausnutzung persönlicher Angelegenheiten beziehungsweise Affären (Blomberg-Fritsch-Krise, Januar/Februar 1938) mit der Ausschaltung konservativer Entscheidungsträger in der Wehrmacht und im Auswärtigen Amt zu überwinden. Das eröffnete ihm den Zugriff auf die Wehrmacht wie den Durchbruch zur offenen Expansionspolitik bei einer günstigen Gelegenheit. Diese bot sich mit der von den österreichischen Nationalsozialisten provozierten innenpolitischen Krise Österreichs, die vor dem Hintergrund einer verbreiteten »Anschlusserwartung« in der österreichischen und deutschen Öffentlichkeit den Vorwand für den militärischen »Anschluss« Österreichs im März 1938 lieferte. Das unter politisch-militärischem Druck zustande gekommene Münchener Abkommen (29. 9. 1938, das die Abtretung der sudetendeutschen Gebiete an Deutschland bestimmte, band Hitler gegen seinen Willen in ein multilaterales Abkommen ein, machte ihn zum Gefangenen seiner eigenen Volkstumspolitik und verzögerte die eigentlich beabsichtigte Zerschlagung der Tschechoslowakei. Bei der weiteren Verfolgung seines Konzeptes, bei der zum Ausbau eines einheitlichen Aufmarschgebietes gegen Osten die »Erledigung der Resttschechei« (15. 3. 1939 ohnehin feststand und die »Lösung der Polenfrage« in den Mittelpunkt rückte, musste Hitler v. a. mit britischem Widerstand rechnen, da seine eigentliche Ziele damit deutlich zutage traten. Der Widerstand der Westmächte gegen Hitlers Expansionsbestrebungen zeigte sich in der britisch-französischen Garantieerklärung für Polen (31. 3. 1939).
Da sich seine außenpolitische Ziele gegen den Widerstand Großbritanniens nicht verwirklichen ließen, war Hitler jetzt bereit, durch ein Bündnis mit der Sowjetunion eine gemessen an seinem Konzept verkehrte (d. h. antibritische) Frontstellung einzugehen. Der Hitler-Stalin-Pakt (23. 8. 1939 ermöglichte es ihm, »den Krieg gegen Polen zu eröffnen« (1. 9. 1939, der die zweite Stufe seines Planes (Westfeldzug) absichern sollte, sich aber zwei Tage später zu einem europäischen und spätestens 1941 zu einem Weltkrieg ausweitete. Nach dem Sieg Deutschlands über Frankreich im Sommer 1940 und den mehrfach verschobenen und schließlich abgebrochenen Angriffsplanungen auf Großbritannien, das entgegen seinen Erwartungen nicht einlenkte, begann Hitler - nun auf dem Höhepunkt seiner Macht - mit dem planmäßigen Angriff auf die Sowjetunion (22. 6. 1941. Geplant war zur Vermeidung eines Zweifrontenkrieges ein blitzartiger Eroberungs- und Vernichtungskrieg mit dem Ziel der weitgehenden Vernichtung der slawischen Völkerschaften (Generalplan Ost) und der dauernden Sicherung eines Großgermanischen Reiches, in dem nationalsozialistischen expansionistisch-rassistische Vorstellungen Verwirklichung finden sollten. Mit dem Scheitern dieses »Blitzkrieges« und der Kriegserklärung an die USA im Dezember 1941 erfuhr der Krieg seine entscheidende Wende und führte trotz erheblicher Erfolge der deutschen Armeen im Osten (Sommer 1942) seit 1943 (Stalingrad, El-Alamein) zum Rückschlag und schließlich zur totalen militärischen Niederlage und Zerstörung des Deutschen Reiches; Hitler hielt bis zum Schluss an seiner ideologisch bestimmten Politik des Alles oder Nichts, von Weltmacht oder Untergang, starr fest.
Begleitet wurde der Eroberungs- und Vernichtungskrieg nicht nur von dem massenhaften Mord (Genozid) an den europäischen Juden, dem angesichts des drohenden Scheiterns des Lebensraumkonzeptes und entgegen militärischen Effektivitätsüberlegungen sogar der Vorrang eingeräumt wurde, sondern auch von der stetigen Radikalisierung des Herrschafts- und Verfolgungssystems im Innern, einer gewaltigen Steigerung der Kriegswirtschaft durch den millionenfachen Einsatz von Fremd- und Zwangsarbeitern und einer Anspannung aller Ressourcen bei gleichzeitiger Verhängung drakonischer Strafen (z. B. wegen »Wehrkraftzersetzung« oder »Kriegswirtschaftsvergehen«). Der gescheiterte, v. a. von konservativen Kreisen getragene Versuch, mit einem Attentat auf Hitler das Regime zu stürzen (Zwanzigster Juli 1944), endete mit einer weiteren Konzentrierung aller Machtpositionen in der nationalsozialistischen Führungsgruppe und der SS. Erst mit dem Selbstmord Hitlers (30. 4. 1945 angesichts der völligen militärischen Niederlage brach das Regime zusammen.
Keine Epoche der deutschen Geschichte ist so gründlich erforscht worden wie die NS-Zeit. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Instituten und Einzelforschern im In- und Ausland wird die NS-Forschung v. a. vom Institut für Zeitgeschichte (München) durch Quellenpublikationen, Monographien, Forschungsprojekte und die »Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte« betrieben. Schwerpunkte der Forschungen waren zunächst die Weltanschauung und die Kriegspolitik des Nationalsozialismus, Formen und Bedingungen der Entstehung und des Aufstiegs der NSDAP zur Macht sowie die Rolle Hitlers im Nationalsozialismus (»Hitlerzentrik« versus »Strukturgeschichte«, Phänomen der Polykratie). Es folgten Studien zum Verhältnis der NSDAP oder Hitlers zu den alten Machteliten in Deutschland und zu Fragen der Kontinuität oder des Bruches des Nationalsozialismus mit den Traditionen deutscher Außen- und Gesellschaftspolitik. Immer wieder wird das Problem aufgegriffen, inwieweit das nationalsozialistische Deutschland besser mit dem Begriff des Totalitarismus oder des Faschismus zu erfassen ist. Intensiv betrieben und methodisch ständig differenziert wurden ferner Untersuchungen zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus (Widerstandsbewegung). Hinzu kamen Arbeiten zur nationalsozialistischen Judenpolitik, speziell zur Genese der »Endlösung«, neuerdings zu den verschiedenen Tätergruppen, ihrem sozialen Profil wie ihrer Motivation. Nach der Erforschung der nationalsozialistischen Außen- und Kriegspolitik sowie der Wirtschafts- und Rüstungspolitik hat sich das Interesse verstärkt auf die Zeit des Krieges und auf Einzelstudien zu Rüstungsunternehmen gerichtet. Beiträge zur Sozial- und politischen Verhaltensgeschichte einzelner sozialer Gruppen (Justiz, Medizin und Wehrmacht) haben den stufenweisen Prozess der Verstrickung dieser Funktionseliten in das sich radikalisierende Herrschafts- und Vernichtungssystem verdeutlicht. Biographische Untersuchungen sowie Studien zur Alltags-, Kultur-, Sozial- und Wirtschafts- und Regionalgeschichte der NS-Zeit vertieften das Bild der Vielfalt der nationalsozialistischen Herrschaftswirklichkeit und stellten die modernisierenden Effekte der Gleichschaltungs- und Rüstungspolitik wie die egalitären Verheißungen der Volksgemeinschaftspropaganda heraus. Eine neuerliche Debatte um die Rolle des Nationalsozialismus im Prozess der Modernisierung machte das Neben- und Ineinander von modernisierenden und regressiven inhumanen Zielen und Methoden sichtbar. Im Sinne einer Historisierung (Forderung von M. Broszat) wird nun neben der politischen Zäsur, die das Ende der NS-Zeit bedeutete, die Frage nach sozialen, mentalen und personellen Kontinuitäten, die über das Jahr 1945 hinausreichten, wie nach den Folgen der Kriegsverbrecherprozesse und der Entnazifizierung für die gesellschaftliche und politische Entwicklung im Nachkriegsdeutschland untersucht.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
deutsche Geschichte · Historikerstreit · NS-Prozesse · Vergangenheitsbewältigung · Weltkrieg
Dokumente:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internat. Militärgerichtshof Nürnberg. .., 42 Bde. (1947-49, Nachdr. 1984, 23 Bde.);
Akten zur dt. auswärtigen Politik, Serie D, 13 Bde. (1950-70),
Serie E, 8 Bde. (1969-79),
Serie C, 12 Bde. (1971-81);
Das polit. Tagebuch Alfred Rosenbergs aus den Jahren 1934/35 u. 1939/40, hg. v. H.-G. Seraphim (1956);
Hitlers Lagebesprechungen. .. 1942-1945, hg. v. H. Heiber (1962);
Staatsmänner u. Diplomaten bei Hitler, hg. v. A. Hillgruber, 2 Bde. (1967-70);
Reichsführer! Briefe an u. von Himmler, hg. v. H. Heiber (1968);
»Führer befiehl«. Selbstzeugnisse aus der Kampfzeit der NSDAP, hg. v. A. Tyrell (1969);
Hitler, Dtl. u. die Mächte. Materialien zur Außenpolitik des Dritten Reiches, hg. v. M. Funke (Neuausg. 1978);
Natsoz. Außenpolitik, hg. v. W. Michalka (1978);
Das Dritte Reich. Dokumente zur Innen- u. Außenpolitik, hg. v. W. Michalka: , 2 Bde. (1985);
Das Dt. Reich u. der Zweite Weltkrieg, hg. v. Militärgeschichtl. Forschungsamt, 6 Bde. (1979-90);
A. Hitler: Monologe im Führerhauptquartier. 1941-1944. Die Aufzeichnungen Heinrich Heims, hg. v. W. Jochmann (1980);
Hitler. Sämtl. Aufzeichnungen: 1905-1924, hg. v. E. Jäckel u. a. (1980);
Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP, hg. v. Inst. für Zeitgesch., 7 Tle. (1983-85);
Akten der Reichskanzlei. Reg. Hitler 1933-1938, hg. v. K. Repgen, 2 Bde. (1983);
Meldungen aus dem Reich, hg. v. H. Boberach, 17 Bde. u. Reg.-Bd. (1984-85);
J. Goebbels: Die Tagebücher. Sämtl. Fragmente, hg. v. E. Fröhlich, auf mehrere Bde. ber. (1987 ff.);
Darstellungen:
K. Hildebrand: Dt. Außenpolitik 1933-1945 (41980);
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A. Hillgruber: Endlich genug über N. u. Zweiten Weltkrieg? Forschungsstand u. Lit. (1982);
A. Hillgruber: Zum Stand der wiss. Erforschung der NS-Zeit. Schwerpunkte u. Kontroversen, in: Theoriedebatte u. Geschichtsunterricht, hg. v. P. Leidinger (1982);
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M. H. Kater: The Nazi party. A social profile of members and leaders 1919-1945 (Cambridge, Mass., 1983);
K. D. Bracher: Zeitgeschichtl. Kontroversen um Faschismus, Totalitarismus, Demokratie (51984);
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K. D. Bracher: Hitlers Herrschaft. Vollzug einer Weltanschauung (31991);
Ploetz, das Dritte Reich. Ursprünge, Ereignisse, Wirkungen, hg. v. M. Broszat u. a. (1983);
Der Widerstand gegen den N., hg. v. J. Schmädeke u. a. (21986);
W. Wippermann: Kontroversen um Hitler (1986);
D. Rebentisch: Führerstaat u. Verwaltung im Zweiten Weltkrieg (1989);
J. C. Fest: Hitler. Eine Biogr. (Neuausg. 31992);
E. Kogon: Der SS-Staat (Neuausg. 41993);
M. Broszat: Die Machtergreifung. Der Aufstieg der NSDAP u. die Zerstörung der Weimarer Republik (51994);
H.-U. Thamer: Verführung u. Gewalt. Dtl. 1933-1945 (Neuausg. 1994);
I. Kershaw: Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen u. Kontroversen im Überblick (a. d. Engl., Neuausg. 10.-13. Tsd. 1995);
Hb. zur »völkischen Bewegung« 1871-1918, hg. v. U. Puschner u. a. (1996);
U. Herbert u. a.: Best. Biograph. Studien über Radikalismus, Weltanschauung u. Vernunft 1903-1989 (1996);
N. Frei: Der Führerstaat. Natsoz. Herrschaft 1933 bis 1945 (51997);
L. Herbst: Das natsoz. Dtl. 1933-1945. Die Entfesselung der Gewalt: Rassismus u. Krieg (Neuausg. 1997).
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Na|ti|o|nal|so|zi|a|lis|mus, der: 1. nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland aufgekommene, extrem nationalistische, imperialistische und rassistische politische Bewegung. 2. auf der Ideologie des ↑Nationalsozialismus (1) basierende faschistische Herrschaft von A. Hitler in Deutschland von 1933 bis 1945: ... bekam sie 1945 als Opfer des N. eine ... Dachwohnung, die sie ... in den Dienst der deutsch-amerikanischen Verständigung stellte (Mostar, Liebe 109); der Kampf der Bekennenden Kirche gegen den N. (Fraenkel, Staat 155).
Universal-Lexikon. 2012.