Ma|da|gạs|kar; -s:
Inselstaat vor der Ostküste Afrikas.
* * *
Madagạskar,
Fläche: 587 041 km2
Einwohner: (2000) 17,4 Mio.
Hauptstadt: Antananarivo
Amtssprachen: Malagasy, Französisch
Nationalfeiertag: 26. 6.
Zeitzone: 1400 Antananarivo = 1200 MEZ
amtliche Namen: Malagasy Repọblikan' i Madagasikara, französisch République de Madagascạr [repy'blik də-], Inselstaat im Westen des Indischen Ozeans, von der Ostküste Afrikas durch den 400 km breiten Kanal von Moçambique getrennt; umfasst die Insel Madagaskar und einige Nebeninseln (Nosy Be, Nosy Boraha), 587 041 km2, (2000) 17,4 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Antananarivo; Amtssprachen: Malagasy und Französisch; Währungseinheit ist der Madagaskar-Franc (FMG) = 100 Centime (c). Uhrzeit: 1400 Antananarivo = 1200 MEZ.
Staat und Recht:
Die am 19. 8. 1992 durch Referendum gebilligte Verfassung (1995 und 1998 modifiziert) bestimmt Madagaskar als Republik mit Mehrparteiensystem. Staatsoberhaupt ist der auf fünf Jahre direkt gewählte Präsident, dessen Befugnisse durch die beiden Verfassungsänderungen erheblich erweitert worden sind (besonders um das Recht, den Premierminister zu entlassen und das Parlament aufzulösen). Er bestimmt die Richtlinien der Politik und ist auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Trägerin der Legislative ist die Nationalversammlung, deren 150 Abgeordnete für eine Legislaturperiode von vier Jahren gewählt werden (Wahlrecht ab dem 18. Lebensjahr). Die in der Verfassung vorgesehene Bildung einer zweiten Parlamentskammer (Senat) wurde bisher nicht realisiert. An der Spitze der Regierung steht der Premierminister, der vom Präsidenten ernannt wird; an der Spitze der 1998 geschaffenen, über eigene Legislativräte verfügenden Provinzen, jeweils ein Gouverneur.
Parteien:
Nach der Einführung des Mehrparteiensystems im Frühjahr 1990 entstand eine stark zersplitterte Parteienlandschaft (über 120, vielfach in wechselnden Bündnissen zusammengeschlossene Parteien und Gruppierungen).
Das Wappen (von 1993) zeigt in einem inneren Kreis den Kartenumriss von Madagaskar. Nach außen folgen oben die stilisierten Blätter der für Madagaskar typische Ravenalapflanze, unten der Kopf eines Zebuochsen. Der äußere Rand trägt oben den amtlichen Staatsnamen, unten - umrahmt von Zweigen - den Wahlspruch »Tanindrazana, Fahafahana, Fahamarinana« (»Vaterland, Freiheit, Gerechtigkeit«).
Nationalfeiertage:
Nationalfeiertag ist der 26. 6., der an die Erlangung der Unabhängigkeit 1960 erinnert.
Madagaskar ist in sechs Provinzen (Faritany), 111 Bezirke (Fivondronana) und 13 476 Gemeinden (Fokontany) gegliedert.
Das Rechtssystem beruht auf traditionellem Recht der verschiedenen Volksgruppen mit Kodifizierungen schon unter der Merina-Monarchie im 19. Jahrhundert sowie auf französisches Kolonialrecht. Auch nach der Unabhängigkeit 1960 orientierten sich neue Kodifizierungen, wie Zivilprozessordnung, Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung von 1962, und Rechtsänderungen, z. B. im Familienrecht 1962/63 und im Schuldrecht 1966, weitgehend am französischen Recht. - Das Gerichtssystem umfasst die Gerichte erster Instanz, den Berufungsgerichtshof und den Obersten Gerichtshof. Im Strafrecht gibt es Spezialgerichte, so u. a. Wirtschaftsgerichte. Ein Verfassungsgericht besteht seit 1977.
Die Gesamtstärke der Wehrpflichtarmee (Dienstzeit 18 Monate) beträgt etwa 21 000, die der paramilitärischen Kräfte (Gendarmerie) 8 000 Mann. Das Heer (20 000 Soldaten) ist in zwei Infanteriebataillone sowie sieben »Bauregimenter« gegliedert. Luftwaffe und Marine haben je 500 Mann. Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus älterem sowjetischem, daneben aber auch aus französischem Material.
Landesnatur und Bevölkerung:
Madagaskar, die viertgrößte Insel der Erde, ist 1 580 km lang und bis 580 km breit. Die Küsten sind nur wenig durch Buchten gegliedert und weitgehend von Korallenriffen begleitet, daher für die Schifffahrt wenig zugänglich. Das Innere ist ein Hochland, dem vulkanischen Massive aufgesetzt sind: Tsaratanana (2 876 m über Madagaskar) im Norden, Ankaratra (2 643 m über Madagaskar) in der Mitte, Andringitra (2 658 m über Madagaskar) im S. Die östliche Abdachung des Gebirges ist kurz und steil, die westliche dagegen vergleichsweise flach und weiträumig. Dieser Asymmetrie entspricht die nahe dem steilen Ostrand gelegene Wasserscheide mit nach Westen gerichteten größeren Flüssen, deren unterschiedlich starke Wasserführung jahreszeitlich bedingt ist. Der Betsiboka und sein Nebenfluss Ikopa sind in der Regenzeit 240 km landeinwärts bis Maevatanana mit Motorbooten befahrbar. Dagegen sind viele Flüsse der Ostabdachung durch Wasserfälle im Ober- und Mittellauf und Schwemmstoffbänke im Unterlauf nicht schiffbar.
Etwa zwei Drittel der Insel, die Ostabdachung und das Hochland, werden von präkambrischen Gesteinen (Gneise, Ton- und Glimmerschiefer, Quarzite, Kalke, Marmor und Amphibolit) gebildet und sind von jüngeren Granitintrusionen durchsetzt. Im Westen taucht dieser alte Sockel (einst Teil von Gondwana) unter ein mehrere Tausend Meter mächtiges Paket von Sedimentgesteinen, das alle geologische Systeme von der Wende Perm/Trias bis zum Tertiär umfasst. Die Basis bilden glaziale Konglomerate der Karru-Serie, die Zeugnis für eine paläozoische Vereisung ablegen. Jüngere Kippung nach Westen hat der Insel die Gestalt einer Pultscholle und den Sedimentgesteinen einen westlichen Schichteneinfall verliehen. Alte und junge tektonische Linien sind dabei aufgelebt, darunter die Gräben der Antongilbai und des Alaotrasees und die Bruch- und Flexurstufe Bongo-Lava im Westen, alle in der generellen Richtung der Insel und diese selbst mitbedingend. Damit zusammenhängender Vulkanismus erzeugte in der Zeit von der Oberkreide bis ins Quartär ausgedehnte Basaltdecken und zahlreiche Vulkanberge.
Die Ostabdachung wird durch zwei küstenparallele Bruchstufen, durch eine dichte und tiefe Zertalung mit gratartigen Wasserscheiden und ein damit zusammenhängendes Küstenschwemmland charakterisiert. Den Westen erfüllt eine an die Sedimentgesteine gebundene Schichtstufenlandschaft mit vielfach verkarsteten Stufenflächen.
Das Klima ist tropisch. Die Ostabdachung erhält unter Einfluss des Südostpassates zu allen Jahreszeiten Steigungsregen (Jahresmittel 1 500-4 000 mm). Im übrigen Teil Madagaskars fallen die Regen im Sommer, wenn die äquatoriale Tiefdruckrinne bis Madagaskar ausgedehnt ist (jährlich 1 000-2 000 mm, von Norden nach Süden abnehmend). Am trockensten ist der Südwesten, der im Winter von der subtropischen Antizyklone überlagert wird und im Sommer nur spärlich Zenitalregen empfängt (300-750 mm). Die Temperaturen an der Ostseite liegen im Mittel bei 22-26 ºC; im Hochland sind sie niedriger. Im Sommer wird Madagaskar nicht selten von Mauritiusorkanen heimgesucht.
Madagaskar ist eine eigene Florenregion mit zahlreichen Endemiten, d. h. nur auf Madagaskar vorkommenden Arten. Die natürliche Vegetation ist jedoch durch den Menschen stark verändert worden. Im Osten und Nordwesten ist der immergrüne Regenwald durch Brandrodung und Wanderfeldbau auf ein Zehntel seines ursprünglichen Areals reduziert worden. Der Laub abwerfende Trockenwald des Hochlandes und der Westabdachung ist bis auf kleinere Reste hauptsächlich durch Brandweidewirtschaft in eine artenarme Savanne verwandelt worden, in der nunmehr brandfestere Gräser und Bäume vorherrschen. Weniger stark sind die für den trockenen Südwesten charakteristischen, artenreichen Dornstrauchsavannen verändert worden.
Die Tierwelt ist so eigentümlich, dass man Madagaskar zusammen mit den Inseln des westlichen Indischen Ozeans in der Tiergeographie als eigene madagaskarische Subregion auffasst. 95 % der Reptilienarten sind endemisch, darunter allein 38 Chamäleonarten (z. B. das bis 1 m lange Riesenchamäleon). Auch bei den Vögeln sind etwa 60 % der Arten endemisch, so die Lappenpittas. Die ausgestorbenen Madagaskarstrauße waren wohl noch Mitte des 17. Jahrhunderts häufig.
Die Tanreks (Madagaskarigel) haben mit einer Vielzahl von (auch stachellosen) Arten die unterschiedlichsten ökologischen Nischen besetzt, ebenso die 20 letzten Lemurenarten, zu denen neben den Indris auch die eigentümlichen Fingertiere gehören, die die Nische der auf Madagaskar fehlenden Spechte besetzt haben. Mindestens 14 weitere Lemurenarten sind in den letzten Jahrhunderten ausgerottet worden. Die Entwaldung weiter Teile der Insel ist der Hauptgrund für den Rückgang ihrer einzigartigen Fauna.
Zur Erhaltung der besonderen Flora und Fauna sind Naturschutzgebiete und spezielle Reservate auf rd. 1,05 Mio. ha (1,8 % der Landesfläche) ausgewiesen, darunter das von Andasibe und das von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärte Tsingy de Bemaraha. Hier sind auf einem verkarsteten Kalkgebiet mit Grotten und Seen noch ursprüngliche Wald- und Savannenbestände mit Lemuren und seltenen Vogelarten erhalten.
98,6 % der Einwohner sind Madagassen, die gegenüber den afrikanischen Völkern als einheitliche Gruppe erscheinen; der Unterschied zwischen den 18 Ethnien ist jedoch recht groß, was sich bis in die heutigen politischen Parteien auswirkt. Das negride Bevölkerungs-Element ist stärker im Westen (Sakalava) und an der Ostküste (Betsimisaraka, 15 %) vertreten, das indonesische stärker im Hochland (Merina, mit 26 % größte Gruppe; Betsileo rd. 12 %). Ferner leben in Madagaskar 30 000 Franzosen, 24 000 Asiaten (Inder und Chinesen), außerdem Komorer und Araber. Die Europäer sind v. a. in Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft, Inder und Chinesen im Handel, Komorer in Hilfsdiensten tätig.
Die jährliche Wachstumsrate von (1990-99) 2,9 % gehört zu den höchsten der Erde. Die Bevölkerungsdichte ist am größten (mehr als 50 Einwohner je km2) im klimatisch günstigen Hochland und an vielen Stellen der Ostküste; in den Trockengebieten des Westen sinkt sie auf unter 5 Einwohner je km2 ab. 29 % der Bevölkerung leben in Städten.
Es besteht Religionsfreiheit. Alle Religionsgemeinschaften sind rechtlich gleichgestellt. Über 50 % der Bevölkerung sind Christen und gehören je zur Hälfte der katholischen Kirche und verschiedenen protestantischen Kirchen und Gemeinden und der anglikanischen Kirche (Provinz Indischer Ozean) an. Die katholische Kirche umfasst drei Erzbistümer (Antananarivo, Antsiranana, Fianarantsoa) mit 16 Suffraganbistümern. Für die über 160 000 Anglikaner bestehen ebenfalls drei Bistümer (Antananarivo, Antsiranana, Toamasina). Die größten protestantischen Kirchen sind die »Kirche Jesu Christi in Madagaskar« (»Fiangonan' i Jesoa Kristy eto Madagasikara«) mit rd. 2 Mio. Mitgliedern und die »Madagassische Lutherische Kirche« (»Fiangonana Loterana Malagasy«) mit rd. 600 000 Mitgliedern; im starken Wachstum sind die Pfingstkirchen und die evangelikalen Gemeinschaften begriffen. - Etwa 44 % der Bevölkerung bekennen sich zu traditionellen afrikanischen Religionen. - Über 5 % sind (mit Ausnahme weniger Zwölferschiiten) sunnitische Muslime und gehören der schafiitischen und der hanefitischen Rechtsschule an. Der Islam ist besonders an der Nordwestküste verbreitet (Zentrum: Mahajanga). Eine sehr kleine Minderheit bilden die Bahais.
Allgemeine Schulpflicht besteht vom 6. bis 15. Lebensjahr, der Unterricht ist unentgeltlich, allerdings fehlt es an Lehrmitteln und Lehrern. Die Primarstufe umfasst sechs Jahre, Unterrichtssprache ist (seit 1974) Malagasy (Französisch ist Schulfach der Oberstufe). Die Sekundarstufen werden von etwa einem Fünftel der Schüler der Primarstufe besucht (ein Fünftel aller Schüler besucht Privatschulen). Berufliche Schulen haben nur halb so viel Studierende wie die Lehrerbildungsanstalten. Die Landesuniversität von Madagaskar in Antananarivo (gegründet 1961) wurde 1988 dezentralisiert, und es wurden (nach Fachbereichen) sechs Regionalzentren gebildet. Die Einschulungsquote beträgt 60 %, die Analphabetenquote 18,6 %.
Im Staatsverlag »Imprimerie Nationale« erscheint u. a. das Regierungs-Blatt »Madagascar-Matin«; daneben bestehen noch andere Parteiorgane. - Die staatliche Nachrichtenagentur »Agence Nationale d'Information Taratra« (ANTA; gegründet 1962, seit 1977 heutiger Name) gibt ein tägliches Informationsblatt »Bulletin d'ANTA« in französischer Sprache heraus. - Rundfunk: Die staatliche Rundfunkgesellschaft »Radio-Télévision Malagasy« (RTM; gegründet 1931) verbreitet ein landesweites Hörfunkprogramm in Malagasy und Französisch, ferner einen Auslandsdienst in Englisch sowie ein Fernsehprogramm in beiden Amtssprachen.
Wirtschaft und Verkehr:
Trotz natürlicher Ressourcen (zum Teil fruchtbare Böden, Bodenschätze) und günstiger wirtschaftlicher Entwicklungsbedingungen zählt Madagaskar, gemessen am Bruttosozialprodukt je Einwohner von (1994) 230 US-$, zu den ärmsten Entwicklungsländern. Der Staat kontrolliert heute noch etwa 50 % aller wirtschaftlicher Aktivitäten, darunter weite Teile des Grundstoffbereichs (bis 1986 bestand ein Reishandelsmonopol) und des Dienstleistungssektors. Nur Klein- und Mittelbetriebe sind in privater Hand.
Die Landwirtschaft bildet die ökonomische Grundlage des Landes; rd. 75 % der Erwerbstätigen erwirtschaften (1994) rd. 35 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Grundbesitz über 100 ha wurde 1976 verstaatlicht und in Kooperativen überführt. Die Kleinbauern, aber auch Städter, wurden ebenfalls zu kooperativen Gemeinschaften (»Fokonolona«) zusammengefasst. Die landwirtschaftliche Nutzfläche setzt sich zusammen aus (1991) 3,1 Mio. ha Ackerland und Dauerkulturen sowie aus 34,0 Mio. ha Weideland; künstlich bewässert werden 920 000 ha Land. Ackerbau wird zum Teil noch in der traditionellen Landwechselwirtschaft mit Brandrodung betrieben. Für die im Osten und Nordwesten der Insel kultivierte Vanille ist Madagaskar der größte Lieferant am Weltmarkt (Anteil 80 %, Produktion 1991: 8 000 t); weltwirtschaftlich von Bedeutung sind auch die auf der Insel Nosy Boraha und an der Ostküste nördlich von Toamasina wachsenden Gewürznelken sowie der v. a. von der Insel Nosy Be stammende Pfeffer. Äther. Öle liefern die Ylang-Ylang-Bäume. Weitere Agrarprodukte für den Export sind Kaffee, Sisal, Tabak, Baumwolle, Zuckerrohr und Kakao. Die Grundnahrungsmittel Reis, Maniok und Mais werden v. a. in kleinen Familienbetrieben angebaut. Mit einer Erntemenge von (1992) 2,5 Mio. t kommt dem Reisanbau eine überragende Bedeutung zu. Zur Versorgung der Bevölkerung müssen jedoch Nahrungsmittel, v. a. Getreide (1994: 140 000 t) importiert werden. Die Zahl der Haustiere ist pro Kopf der Bevölkerung eine der größten der Erde, dennoch ist die viehwirtschaftl. Leistung gering. Zebuhaltung erfolgt vielfach nur zu kultischen Zwecken.
Als Wald werden (1991) 15,4 Mio. ha ausgewiesen. Neben dem hohen Brennholzbedarf beschränkt sich die Nutzung aufgrund fehlender Infrastruktur auf die Gewinnung von Harzen, Gerb- und Farbstoffen sowie von Bast der Raphiapalme.
Trotz der Insellage und einer 5 000 km langen Küste hat die Küsten- und Seefischerei keine große wirtschaftliche Bedeutung. Die Fangmenge an Seefischen, Krustentieren und Süßwasserfischen betrug (1993) 128 000 t. Fanglizenzen werden an Japan und europäische Staaten vergeben.
Aufgrund einer mangelnden Rohstoffversorgung hat das produzierende Gewerbe keine große Bedeutung. Vorhandene Bodenschätze werden bis auf Graphit, Chromerz und Glimmer wegen schwieriger topographischer Verhältnisse und einer mangelhaften Infrastruktur bisher kaum abgebaut. Bekannt sind u. a. auch Vorkommen an Bauxit, Eisen-, Nickel-, Kupfererzen, Kohle, Ölschiefer und Erdöl. Die verarbeitende Industrie umfasst außer der Erdölraffinerie von Toamasina Betriebe der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, der Textil- und der chemischen Industrie sowie der Metallverarbeitung und Papierherstellung.
Der Tourismus spielt trotz der günstigen Insellage bisher eine geringe Rolle (1994: 65 000 Auslandsgäste); soll auch nach Ausbau der Infrastruktur in ökologisch vertretbaren Grenzen gehalten werden.
Die Handelsbilanz ist seit den 70er-Jahren negativ (Einfuhrwert 1993: 690 Mio. US-$, Ausfuhrwert: 400 Mio. US-$). Die Exporte bestehen zu über 80 % aus Agrarprodukten. Die wichtigsten Exportgüter sind (1993) Vanille (29 %), Schalentiere (21 %), Kaffee (11 %), Baumwolle (6 %), Zucker (5 %) und Gewürznelken (4 %), ferner werden Chrom und Graphit ausgeführt. Haupthandelspartner sind die ehemalige Kolonialmacht Frankreich (34 % des Außenhandelsvolumens), die USA (11 %), Deutschland (9 %) und Japan (7 %). Der Schuldendienst für die (1994) 4,1 Mrd. US-$ öffentlichen Auslandsschulden beansprucht 9,5 % der Exporterlöse.
Verkehr:
Verkehrsmäßig ist Madagaskar nur unzureichend entwickelt. Das 1 054 km lange Eisenbahnnetz besteht aus zwei isolierten Bahnlinien, die jeweils von der Ostküste ins Bergland führen. Die 530 km lange Hauptverbindung führt von der Hafenstadt Toamasina über Antananarivo nach Antsirabe. Das Straßennetz umfasst 34 750 km, davon sind nur 5 350 km asphaltiert; ein großer Teil der Straßen ist nur bei günstigem Wetter befahrbar. Die wichtigste Straße verbindet die an der Westküste gelegene Hafenstadt Mahajanga mit Antananarivo und Antsirabe. Infolge der ungünstigen Landverbindungen kommt der Küstenschifffahrt (18 Häfen) und dem Luftverkehr (rd. 200 Landeplätze) eine erhebliche Bedeutung zu. Madagaskar hat zwei internationale Flughäfen, Ivato nördlich von Antananarivo und Amborovy bei Mahajanga.
Die Besiedlung aus dem arabischen Raum, aus Afrika sowie aus Süd- und Südostasien erfolgte vom 10. Jahrhundert v. Chr. bis zum 10. Jahrhundert n. Chr. und ist historisch nicht exakt datierbar. Erste Handelsniederlassungen errichteten die Araber an der Nordwestküste wohl im 10. Jahrhundert n. Chr. Nach der Entdeckung 1500 durch Portugiesen errichteten diese, ab 1642 auch Franzosen Küstenstützpunkte. 1810-19 besetzten britische Truppen französische Stützpunkte an der Ostküste. Unter den einheimischen Staaten gewann in jener Zeit das Königreich der Merina auf dem zentralen Hochland allmählich die Oberhand. König Andrianampoinimerina (1787-1810) begann mit Eroberungen, die unter Radama I. (1810-28) und der Königin Ranavalona I. (1828-61) fast ganz Madagaskar zu einem Staat zusammenfassten, der sich unter dem Einfluss europäischer Missionare und Kaufleute an europäischen Vorbildern orientierte. Der 1864-95 amtierende Premierminister Rainilaiarivony versuchte vergeblich, Madagaskar selbstständig zu modernisieren: 1869 nahm der Hof das protestantische Christentum an, 1877 wurden die afrikanischen Sklaven befreit. 1885 errichtete Frankreich sein Protektorat, das es aber erst nach harten Kämpfen durchsetzen konnte. Nachdem Großbritannien 1890 auf Madagaskar verzichtet hatte, folgte die koloniale Eroberung durch Frankreich. 1896 wurde Madagaskar zur französischen Kolonie erklärt. Bis 1903 warf der Generalgouverneur von Madagaskar, General J. S. Gallieni, die letzten Aufstände nieder.
Die moderne Befreiungsbewegung formierte sich unter den Studenten während des Ersten Weltkrieges. Sie schwankte bis 1940 zwischen Forderungen, die auf Unabhängigkeit, und solchen, die auf Assimilierung im Verband der Französischen Republik zielten. 1940 blieb die Kolonialregierung der Vichy-Regierung treu, worauf britische Truppen Madagaskar im Mai 1942 besetzten. 1946 gründeten Nationalisten den »Mouvement Démocratique de Rénovation Malgache« (MDRM, deutsch »Demokratische Bewegung für die Madagaskarische Erneuerung«), der Autonomie im Rahmen der Französischen Union forderte. Am 30. 3. 1947 brach ein Aufstand aus, den Frankreich blutig niederschlug (offiziell 11 342, wahrscheinlich 60 000 bis 80 000 Tote); der MDRM wurde verboten und seine Führer, seit 1945 Abgeordneter in der Pariser Nationalversammlung, wurden zu hohen Haftstrafen verurteilt. Die folgenden neun Jahre herrschte auf Madagaskar Belagerungszustand. 1956 gewährte Frankreich Madagaskar begrenzte Autonomie, 1958 wurde die »Autonome Madagaskarische Republik« innerhalb der Französischen Gemeinschaft ausgerufen, schließlich am 26. 6. 1960 die volle Unabhängigkeit durch Frankreich gewährt.
Gestützt auf den »Parti Social-Démocrate« (PSD, deutsch »Sozialdemokratische Partei«), regierte Präsident P. Tsiranana (1960-73) in enger Anlehnung an Frankreich. 1963 beteiligte sich Madagaskar an der Gründung der OAU. Die unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Regionen sowie die enge kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Frankreich erregte seit etwa 1967 wachsende Kritik, die 1971 durch den Abschluss eines Kooperationsabkommens mit der Republik Südafrika noch verstärkt wurde. 1971 und 1972 kam es zu einer vielfältig motivierten Streikbewegung. Unter dem Druck des Militärs gab Tsiranana 1972 zunächst die Funktion des Regierungschefs, dann die des Staatschefs an General G. Ramanantsoa ab. Dieser vereinigte innenpolitisch die Gesetzgebungs- mit der Regierungsgewalt (1972), kündigte die Mitgliedschaft in der Franc-Zone (1973) und widerrief (1972) außenpolitisch v. a. die Zusammenarbeit mit der Republik Südafrika. Angesichts wachsender innenpolitischer Spannungen übergab Ramanantsoa im Februar 1975 die Regierungsgewalt an Oberst R. Ratsimandrava. Nach dessen Ermordung (noch im selben Monat) übernahm ein Militärkomitee die Macht. Der ab Januar 1975 amtierende Präsident D. Ratsiraka schlug einen sozialistischen Kurs ein (Proklamation einer »sozialistischen Revolutionscharta«, 28. 8. 1975) und richtete die auswärtigen Beziehungen Madagaskars stärker auf die kommunistische Staatenwelt aus, sah dabei jedoch sein Land in die Bewegung der blockfreien Staaten einbezogen. 1981 und 1982 sowie 1986/87 kam es zu schweren Unruhen. Ohne vom Leitbild einer sozialistisch strukturierten Gesellschaft abzurücken, leitete Präsident Ratsiraka (wieder gewählt 1982 und 1989) Ende der 80er-Jahre marktwirtschaftliche Korrekturen in seiner Wirtschaftspolitik ein, was die innenpolitische Spannungen jedoch nicht entschärfte.
Im Kampf gegen Präsident Ratsiraka bildete sich ab Juni 1991 eine Oppositionsbewegung, die sich im »Comité des Forces Vives« (CFV; deutsch »Komitee der lebendigen Kräfte«) eine politische Plattform schuf und im Juni 1991 unter Führung von Albert Zafy eine Gegenregierung bildete. Mit Demonstrationen und Aufrufen zum Generalstreik suchte sie das sozialistische Staats- und Gesellschaftssystem zugunsten einer pluralistischen Demokratie (mit einem marktwirtschaftlichen System) abzuschaffen. Nach zum Teil blutigen Unruhen einigten sich Regierung und CFV auf eine neue Verfassung, die am 19. 8. 1992 von der Bevölkerung angenommen wurde. Bei den Präsidentschaftswahlen unterlag bei der Stichwahl am 10. 2. 1993 Amtsinhaber Ratsiraka. Am 9. 3. 1993 wurde Zafy zum neuen Präsident ernannt, dem es jedoch mit seinem autoritären Führungsstil nicht gelang, das Land aus der Krise herauszuführen. Nachdem Zafy am 26. 7. 1996 wegen Überschreitung seiner Kompetenzen des Amtes enthoben wurde, trat er am 10. 10. 1996 zurück. Nach Neuwahlen am 3. 11. 1996 wurde Ratsiraka im Januar 1997 erneut Präsident. Anfang 2002 protestierten in Antananarivo Zehntausende, da sie bei der Wiederwahl Ratsirakas am 16. 12. 2001 Wahlfälschung vermuteten. Nachdem der Oberste Gerichtshof das Wahlergebnis jedoch bestätigt hatte, der offiziell bei der Präsidentschaftswahl unterlegene Oppositionspolitiker und Bürgermeister von Antananarivo Marc Ravalomanamana sich aber dennoch am 22. 2. 2002 zum Präsidenten hatte ausrufen lassen, verschärfte sich der Machtkampf um die Präsidentschaft. Als Reaktion auf die daraufhin verstärkt einsetzenden und zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern von Regierung und Opposition wurde über Antananarivo das Kriegsrecht verhängt. Ende April 2002 erklärte das Verfassungsgericht nach einer Überprüfung der abgegebenen Stimmen Ravalomanana zum rechtmäßigen Wahlsieger, da er die absolute Mehrheit erzielt hatte. Am 6. 5. 2002 wurde Ravalomanana als neuer Staatspräsident vereidigt. Ratsiraka, der u. a. von den Provinzgouverneuren unterstützt wird, erkannte das Ergebnis der Neuauszählung jedoch nicht an und forderte die Wiedereinsetzung seiner Regierung sowie eine Stichwahl.
Bibliographie de Madagascar (Antananarivo 1971 ff.; früher u. a. T.);
W.-D. Sick: M. Trop. Entwicklungsland zw. den Kontinenten (1979);
P. Vérin: Madagascar (Paris 1990);
* * *
Ma|da|gạs|kar; -s: Inselstaat vor der Ostküste Afrikas.
Universal-Lexikon. 2012.