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Venezuela
Ve|ne|zu|e|la; -s:
Staat in Südamerika.

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Venezuela
 
 
Kurzinformation:
 
Fläche: 912 050 km2
 
Einwohner: (2000) 23,9 Mio.
 
Hauptstadt: Caracas
 
Amtssprache: Spanisch
 
Nationalfeiertag: 5. 7.
 
Währung: 1 Bolívar (Bs, B) = 100 Céntimos (c, cts)
 
Zeitzone: 700 Caracas = 1200 MEZ
 
[v-, spanisch bene'su̯ela], amtlich spanisch Repụ́blica de Venezuẹla, Staat im Norden Südamerikas, 912 050 km2, (2000) 23,9 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Caracas, Amtssprache ist Spanisch. Währungseinheit: 1 Bolívar (Bs, B) = 100 Céntimos (c, cts). Zeitzone: Atlantikzeit (700 Caracas = 1200 MEZ).
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Die am 1. 1. 2000 in Kraft getretene Verfassung (am 15. 12. 1999 durch Referendum gebilligt) bestimmt Venezuela als präsidiale Bundesrepublik. Staatsoberhaupt ist der auf sechs Jahre direkt gewählte und mit weit reichenden Vollmachten ausgestattete Präsident (einmalige unmittelbare Wiederwahl möglich). Zugleich oberster Inhaber der Exekutivgewalt (Regierungschef), bestimmt er die Richtlinien der Politik und steht der Regierung vor, deren Mitglieder von ihm ernannt werden. Er ist auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Der Präsident kann Gesetze sowie die Verfassung außer Kraft setzen. Trägerin der Legislative ist seit 2000 die Nationalversammlung, ein Einkammerparlament, dessen 165 Abgeordnete für eine Legislaturperiode von fünf Jahren gewählt werden (Wahlpflicht ab dem 18. Lebensjahr).
 
Parteien:
 
Einflussreichste Parteien sind der Movimiento Quinta República (MVR, gegründet 1997), die Acción Democrática (AD, 1936 als Partido Democrático Nacional gegründet, seit 1941 heutige Bezeichnung; Mitglied der Sozialistischen Internationale), der Partido Social-Cristiano (»Comité de Organización Política Electoral Independiente«, COPEI, gegründet 1946), der Proyecto Venezuela (PRVZL, gegründet 1998), der Movimiento al Socialismo (MAS, gegründet 1971) und die Causa Radical (Causa R; Anfang der 70er-Jahre durch Abspaltung vom Partido Comunista de Venezuela [PCV, gegründet 1931] entstanden).
 
Wappen:
 
Im halbgespaltenen und durch eine Bogenlinie geteilten Schild stehen eine Garbe aus 20 Weizenähren (sie repräsentieren die 20 Bundesstaaten), eine Trophäe aus gekreuzten Nationalflaggen und Degen sowie ein weißer Hengst, Symbol der Unabhängigkeit und Freiheit. Das Oberwappen wird durch zwei überquellende Füllhörner gebildet. Umkränzt ist der Schild von je einem Lorbeer- und Palmenzweig. Unterhalb des Schildes befindet sich ein dreifach gewundenes, die Zweige zusammenhaltendes Band mit der Aufschrift »19 de Abril de 1810 Independencia; 20 de Febrero de 1859 Federación; República de Venezuela« (am 19. 4. 1810 begann die Revolution).
 
Nationalfeiertage:
 
5. 7., der an die Erklärung der Unabhängigkeit erinnert.
 
Verwaltung:
 
Das Staatsgebiet ist eingeteilt in 20 Bundesstaaten, den Distrito Federal um die Hauptstadt Caracas, zwei Bundesterritorien (Amazonas und Delta Amacuro) sowie andere bundesunmittelbare Gebiete (72 kleinere vorgelagerte Inseln). Jeder Bundesstaat besitzt einen gewählten Gouverneur und ein gewähltes Parlament.
 
Recht:
 
Die Rechtsprechung orientiert sich an europäische Vorbildern (u. a. ZGB von 1942, HGB von 1955). Die Bundesgerichtsbarkeit besteht aus dem Obersten Gerichtshof und 20 Mittelgerichten. Die Bundesstaaten haben eigene Instanzenzüge.
 
Streitkräfte:
 
Die Gesamtstärke der Wehrpflichtarmee (Dienstzeit im Allgemeinen 24 Monate, bei der Marine 30 Monate) beträgt etwa 52 000, die der paramilitärischen Nationalgarde rd. 24 000 Mann. Das Heer (etwa 34 000 Soldaten) ist hauptsächlich gegliedert in eine mechanisierte »Kavallerie«-Division, vier Infanteriedivisionen, eine »Ranger«-Brigade, eine Luftlandebrigade sowie ein Fallschirmjägerregiment. Die Luftwaffe hat rd. 7 000, die Marine rd. 11 000 Mann. Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus etwa 70 Kampfpanzern AMX-30, 90 leichten Panzern, 100 Kampfflugzeugen (darunter rd. 25 F-16, 15 Mirage III, 20 F-5 und 30 leichte Kampfflugzeuge), sechs Fregatten, zwei U-Booten sowie 15 Kleinen Kampfschiffen.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
Die beiden nördlichen Ausläufer der Ostkordillere Kolumbiens, die nach Norden ziehende Sierra de Perijá (bis 3 750 m über dem Meeresspiegel) und die nach Nordosten abzweigende Kordillere von Mérida (im Pico Bolívar 5 002 m über dem Meeresspiegel) umrahmen mit dem nördlich vorgelagerten, in Ketten und Becken gegliederten Bergland von Coro (bis 1 500 m über dem Meeresspiegel) im Nordwesten eine einstige Meeresbucht mit dem Maracaibosee als Rest dieser Bucht. Die Kordillere von Mérida setzt sich östlich von Barquisimeto im küstenparallelen Doppelstrang der karibischen Küstenkordillere (im Pico de Naiguatá 2 765 m über dem Meeresspiegel) fort. Größte der der karibischen Küste vorgelagerten Inseln ist die Isla Margarita. Die Llanos im Zentralteil Venezuelas nehmen rd. ein Drittel der Landesfläche ein. Sie sind an den Unterläufen der westlichen Orinoconebenflüsse zur Regenzeit weitflächig überschwemmt. Südlich des Orinoco liegt das von den Tafelbergen überragte alte Massiv des Berglandes von Guayana (im Roraima 2 810 m über dem Meeresspiegel; Nationalpark Canaima mit dem Angelfall als UNESCO-Weltnaturerbe). Im äußersten Süden hat Venezuela Anteil am Amazonastiefland. Hauptstrom ist der Orinoco (2 140 km), größter Binnensee der Lago de Valencia (350 km2).
 
Klima:
 
Das Klima ist tropisch-wechselfeucht, in den Gebirgen mit zunehmender Höhe kühler (Tierra). Der Nordwesten ist trocken (jährlichen Niederschläge auf der Halbinsel Paraguaná 250 mm). Die sommerliche Regenzeit bringt hohe Niederschläge besonders an den Gebirgshängen (Mérida 1 750 mm) und im Bergland von Guayana (über 3 000 mm). In den Llanos nimmt die Niederschlagsmenge von Osten (Ciudad Bolívar 1 000 mm) nach Westen (Barinas 1 900 mm) zu. Daher sind die westlichen Llanos bewaldet; die östlichen sind von Grasfluren der Feucht- und Trockensavanne bedeckt.
 
Bevölkerung:
 
Die meisten Bewohner Venezuelas sind Mischlinge, v. a. Mestizen (rd. 70 %). Die knapp 10 % Schwarzen leben vorwiegend im karibischen Küstengebiet. Der Anteil der Weißen (etwa 20 %) hat seit 1945 durch Einwanderungen merklich zugenommen. Nur wenige Indianer leben noch im Orinocodelta und im Süden des Berglandes von Guayana; nach der amtlichen Statistik gibt es in Venezuela 316 000 Indianer, die 38 Ethnien angehören. Hauptsiedlungsgebiete sind das karibische Gebirge, die Kordillere von Mérida und ihre Randzonen. 1990 lebten rd. 84 % der Bevölkerung in Siedlungen mit über 2 500 Einwohnern, 50 % in Städten mit über 100 000 Einwohnern; allein 15 % in der Metropolitan Region von Caracas. Der Süden einschließlich des Orinocodeltas ist weitgehend menschenleer. Auf 58 % der Landesfläche leben hier nur (1995) 8 % der Bevölkerung. Die jährliche Geburtenrate beträgt (1995) 26 ‰, die Sterberate 5 ‰. Die jährliche Zuwachsrate ist zwar von mehr als 3 % in den 50er- bis 70er-Jahren auf (1995) 2,1 % gefallen, liegt aber noch immer über dem südamerikanischen Durchschnitt (1,7 %). 38 % der Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre. Seit Mitte der 70er-Jahre wandern verstärkt Kolumbianer (zumeist illegal) ein, die vorwiegend in der Landwirtschaft tätig sind. Gemessen an Lebenserwartung (72 Jahre) und Säuglingssterblichkeit (20 ‰), weist Venezuela günstigere Verhältnisse als der südamerikanische Durchschnitt auf (1995).
 
Die sozialen Unterschiede sind groß. In den Städten gibt es für die aus ländlichen Gebieten Zuströmenden nicht genügend Arbeitsplätze; Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind daher hoch. Da der soziale Wohnungsbau mit dem Zustrom nicht Schritt halten kann, entstehen am Rande der Städte ständig weitere primitive Hüttenviertel (Ranchos), die meistens rasch verbessert und aufgestockt werden. Der Abwanderung von Arbeitskräften aus ländlichen Gebieten, sucht der Staat seit 1960 durch Landzuteilung, Neukolonisation, Bau von Straßen und Silos zu begegnen.
 
Religion:
 
Die Religionsfreiheit ist seit 1834 gesetzlich verankert. Mit der Verfassung von 1961 wurden die bis dahin bestehenden Behinderungen der Tätigkeit ausländischer (protestantischer) Missionsgesellschaften aufgehoben. Grundlage der Beziehungen des Staates mit der katholischen Kirche ist der »Modus Vivendi« von 1964. Nach kirchlichen Angaben gehören rd. 95 % der Bevölkerung christlicher Kirchen an: rd. 90 % der katholischen Kirche (darunter die rd. 48 000 katholischen Melchiten des Apostolischen Exarchats Venezuela [Sitz: Caracas]), etwa 5 % protestantischer Kirchen (Adventisten, Pfingstler, Baptisten, Darbysten, Brüdergemeine, Presbyterianer, Lutheraner u. a.) und der anglikanischen Diözese für Venezuela (Sitz: Caracas; Teil der Protestant Episcopal Church). Die jüdische Gemeinschaft zählt rd. 20 000 Mitglieder sephardischer und aschkenasischer Tradition (davon über die Hälfte in Caracas). - Weitere nichtchristliche Minderheiten sind Bahais und Muslime (v. a. Araber). Außerdem gibt es Zeugen Jehovas, Mormonen sowie zahlreiche Anhänger des europäischen Spiritismus (Kardecismus) und der in Venezuela entstandenen afroamerikanischen Religion Maria Lionza. Traditionelle Religionen haben sich unter der indianischen Bevölkerung erhalten.
 
Bildungswesen:
 
Es gibt zum Teil Grundschulbildung anbietende Vorschulen, da die sechsjährige Schulpflicht spät beginnt (8.-13. Lebensjahr). Nach sechs Jahren Primarschule (unentgeltlich) kann eine Sekundarschule (Schulzeit zwei Jahre), berufliche Schule oder Lehrerbildungsanstalt (vier Jahre) besucht werden; auf die Sekundarschule baut eine zum Abitur führende Oberstufe auf. Die Analphabetenquote beträgt 8 %. Einschließlich der Fernuniversität hat Venezuela 25 Universitäten, davon sieben in Caracas; die älteste wurde 1725 gegründet.
 
Publizistik:
 
Die Mehrzahl der rd. 50 Tageszeitungen erscheint in der Provinz, die auflagenstärksten jedoch in Caracas, u. a. »Últimas Notícias« (gegründet 1941, Auflage 352 000), »Meridiano« (gegründet 1969, 300 000), »El Mundo« (gegründet 1958, 270 000), »El Nacional« (gegründet 1943, 175 000) und »2001« (gegründet 1973, 150 000). - Alle Hörfunk- und Fernsehsender unterstehen dem Ministerium für Verkehr und Kommunikation. Der staatliche Sender »Radio Nacional de Venezuela« (gegründet 1946) verbreitet 13 Programme, daneben gibt es fünf kulturelle und rd. 200 private Hörfunkstationen. Fernsehprogramme werden von zwei staatlichen (»Televisora Nacional«, »Venezolana de Televisión - Canal 5 y 8«) und sechs privaten Sendern ausgestrahlt.
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Kennzeichen der venezolanischen Wirtschaftsstruktur ist die starke Beteiligung des Staates im Bereich der Erdöl- und Erdgasindustrie sowie in den Sektoren Aluminium, Eisen und Stahl. Die Wirtschaft des ehemaligen agrarisch ausgerichteten Staates hat unter dem Einfluss des Erdöls (seit 1920, verstärkt seit 1945) und insbesondere während des Erdölbooms der 70er-Jahre bedeutende Wandlungen erfahren. Erdölerzeugnisse erbrachten bis Mitte der 80er-Jahre 60-80 % der Staatseinnahmen und 90-95 % der Exporterlöse. Die wirtschaftliche Krise der 80er-Jahre ist nicht nur auf den Preisverfall bei Erdöl (1985/86), sondern u. a. auch auf unkontrollierte Verschuldung, eine mangelhafte Diversifizierung der Wirtschaft, eine hohe Importabhängigkeit sowie erfolglose Prestigeprojekte zurückzuführen. Für die Mehrheit der Bevölkerung war damit ein Rückgang des Lebensstandards unter das Niveau vor dem Erdölboom verbunden. 1989 wurde deshalb ein weit reichendes wirtschaftliches Stabilisierungs- und Anpassungsprogramm mit einer expliziten Komponente zur direkten Armutsbekämpfung eingeleitet (u. a. Abbau von Preiskontrollen, Privatisierung öffentlicher Unternehmen, Liberalisierung des Außenhandels und der ausländischen Investitionen), das allerdings nur langsam in Gang kam. Erst 1997-98 erfolgte die Privatisierung staatlicher Betriebe der Stahl- und Aluminiumindustrie. Die weitgehende Freigabe der Preise und der Abbau von Arbeitsplätzen haben die Inflationsrate (1985-95 durchschnittlich 37,6 % pro Jahr) auf (1996) 103,2 % und die Arbeitslosigkeit auf (1996) 17,9 % ansteigen lassen. Die Auslandsverschuldung konnte auf (1997) 31,0 Mrd. US-$ stabilisiert werden. Mit einem Bruttosozialprodukt (BSP) je Einwohner von (1996) 3 020 US-$ liegt das OPEC-Gründungsmitglied Venezuela mittlerweile unter dem südamerikanischen Durchschnitt (3 620 US-$). Die 1997-98 erneut gefallenen Erdölpreise erschweren alle Umstrukturierungsmaßnahmen.
 
Landwirtschaft:
 
Die während des Erdölbooms in den 1970er- und 80er-Jahren vernachlässigte Landwirtschaft beschäftigt zwar (1995) 13 % der Erwerbstätigen, trägt jedoch nur rd. 5 % zur Entstehung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei (geringster Wertschöpfungsanteil des Agrarsektors unter allen Ländern Lateinamerikas). Ihre Produktion konnte aber in den letzten Jahren durch Vergrößerung der Anbauflächen wesentlich verbessert und die hohe Importabhängigkeit bei Agrarprodukten verringert werden. Nach wie vor ist Venezuela jedoch auf umfangreiche Nahrungsmittelimporte angewiesen (1993: 11 % der Importe).
 
Knapp 25 % der Landesfläche werden landwirtschaftlich genutzt (1994): 3,9 Mio. ha als Ackerland (einschließlich Dauerkulturen), 17,8 Mio. ha als Weideland. Die bewässerte Fläche umfasst rd. 185 000 ha. Die Anbauflächen liegen v. a. in der dicht besiedelten Kordillerenregion im Nordwesten des Landes. Es dominiert Großgrundbesitz mit mehr als 500 ha Nutzfläche. Hauptanbauprodukt ist Mais mit einer Erntemenge von (1997) 1,2 Mio. t. Weitere wichtige Agrarprodukte sind Reis, Baumwolle, Zuckerrohr, Bohnen, Sorghumhirse, Maniok und Sesam. Bananen, Ananas, Orangen u. a. Früchte werden in großen Mengen geerntet. Der Kaffee, an den Kordillerenhängen angebaut, bildete bis 1925 das wichtigste Exportprodukt. - 40 % des landwirtschaftlichen Produktionswertes erbringt die Viehwirtschaft, v. a. die Rinderzucht (Bestand 1995: rd. 14,2 Mio. Rinder).
 
Forstwirtschaft:
 
Die Waldfläche (mit wertvollen Hölzern) umfasst (1994) rd. 30 Mio. ha; von ihr ist aber nur etwa ein Fünftel forstwirtschaftlich nutzbar. Der Laubholzeinschlag belief sich 1995 auf 0,66 Mio. m3.
 
Fischerei:
 
Die Fangmenge lag 1994 bei rd. 390 000 t; davon waren 21 % Süßwasserfische, die für die Ernährung der Bevölkerung von wesentlicher Bedeutung sind.
 
Bodenschätze:
 
Obwohl nur 1 % der Erwerbstätigen im Erdölsektor arbeitet, ist die seit 1976 staatliche Erdölgewinnung wichtigster Wirtschaftszweig. Mit einer Fördermenge von (1996) 153,9 Mio. t Erdöl liegt Venezuela weltweit an 8. Stelle; die Erdölreserven werden auf (1993) 8,9 Mrd. t geschätzt. Die wichtigsten Zonen der Erdölförderung liegen am Maracaibosee. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Lagerstätten des Orinocogebiets, in dem sich auch bedeutende Ölsandvorkommen befinden. Rasch wachsende wirtschaftliche Bedeutung erlangt die Erdgasförderung (zunehmender Erdgaseinsatz in der expandierenden petrochemischen Industrie); die Fördermenge ist auf (1996) 30,2 Mrd. m3 angestiegen.
 
Zweitwichtigstes Bergbauprodukt ist Eisenerz; 1995 wurden 19 Mio. t mit einem durchschnittlichen Eisengehalt von 64 % gefördert (bedeutendstes Vorkommen am Cerro Bolívar). Die Eisenerzreserven im Südosten Venezuelas zählen zu den umfangreichsten der Erde. Eisenerzbergbau und Eisen schaffende Industrie wurden 1975 verstaatlicht. Weiterhin werden Manganerz, Gold, Diamanten und Bauxit gewonnen. Venezuela verfügt außerdem über Vorkommen an Nickel-, Kupfer-, Blei- und Zinkerzen. Die Aluminiumproduktion, die sich auf immense Wasserkraftreserven stützen kann, erlebte seit den 70er-Jahren einen beachtlichen Aufschwung.
 
Energiewirtschaft:
 
Über 60 % der venezolanischen Stromerzeugung erfolgt durch das Wasserkraftwerk Guri (installierte Leistung: 8 800 MW) am Río Caroní, eine Erweiterung auf über 10 000 MW ist im Bau. Die Elektrizitätserzeugung betrug (1995) 55 561 Mio. kWh.
 
Industrie:
 
Vielfältige staatliche Fördermaßnahmen konnten seit 1960 den BIP-Anteil des industriellen Sektors erheblich steigern (Importsubstitutionspolitik). Die Industrie erwirtschaftet (1995) 38 % des BIP und beschäftigt 24 % der Erwerbstätigen. Wirtschaftliche Schlüsselbranchen sind neben der Erdölindustrie (Erdölraffination) die Aluminiumverarbeitung sowie die Eisen-, Stahl- und Gießereiindustrie. Weitere bedeutende Industriezweige sind die petrochemische Industrie, die Nahrungsmittelindustrie sowie das Textilgewerbe. Industriebetriebe sind v. a. in Caracas, Valencia, Maracaibo und Santo Tomé de Guayana (Ciudad Guayana). Seit 1976 wurden Maßnahmen zur Dezentralisierung der Industrie eingeleitet; so entstanden für das verarbeitende Gewerbe mehrere Freihandelszonen, u. a. auf der Isla Margarita und auf der Península de Paraguaná.
 
Tourismus:
 
Der Tourismus findet aufgrund der vielfältigen Klimabedingungen und landschaftlichen Kontraste günstige Bedingungen vor. Hauptanziehungspunkte sind neben der Karibikküste (u. a. Isla Margarita) und den Anden auch historische Sehenswürdigkeiten. 1995 kamen 597 000 ausländische Besucher nach Venezuela, v. a. aus den USA (24 %), Italien (9 %) und den Niederlanden (9 %).
 
Außenwirtschaft:
 
Die Handelsbilanz ist seit 1970 fast durchweg positiv (Einfuhrwert 1996: 9,94 Mrd. US-$; Ausfuhrwert: 23,69 Mrd. US-$). Trotz nachhaltiger Bemühungen um eine Diversifizierung der Exporte werden diese auch weiterhin vom außerordentlich hohen Anteil von Erdöl und Erdgas (1996: 79 %) bestimmt. Weitere Exportwaren sind u. a. Aluminium und Aluminiumprodukte, Stahlerzeugnisse, Eisenerz, Kaffee, Kakao, Zitrus- und Tropenfrüchte sowie Rum. In bestimmten Sparten ist Venezuela langfristig von Einfuhren abhängig; dazu zählen chemische und pharmazeutische Produkte sowie Konsum- und Investitionsgüter. Wichtigste Abnehmerländer sind (1994) Kolumbien (27 %), die USA (25 %) sowie Mexiko, Großbritannien und Japan mit je 6 %. Unter den Lieferländern führen (1995) die USA (45 %) mit weitem Abstand vor Deutschland (5 %) und Japan (4 %).
 
Verkehr:
 
Das Straßennetz ist in den 1980er-Jahren stark erweitert worden. Von den nördlichen Landesteilen ins Landesinnere sind die Verkehrsanbindungen jedoch immer noch unzulänglich. Vom (1995) rd. 96 000 km langen Straßennetz sind rd. 33 000 km geteert. Bedeutendste Strecken sind die Verbindung Caracas-Ciudad Bolívar (960 km) und Caracas-San Cristóbal an der kolumbianischen Grenze (1 290 km; Verbindung mit Bogotá). Der Eisenbahnverkehr spielt sowohl beim Personen- als auch beim Frachttransport eine untergeordnete Rolle. Das Eisenbahnnetz umfasst (1994) lediglich 336 km. Die wichtigsten der insgesamt etwa 50 Seehäfen sind La Guaira (für Caracas), Puerto Cabello (für das Industriegebiet von Valencia), Puerto Ordaz am Orinoco (für Eisenerzverschiffungen) und Maracaibo (für Erdöl). Bedeutendste Binnenschifffahrtswege sind der Kanal von Maracaibo, der zu den Erdölfeldern am Maracaibosee führt, sowie der Orinoco. Von den insgesamt sieben internationalen Flughäfen hat der Flughafen »Simón Bolívar« in Maiquetía nördlich der Hauptstadt die größte Bedeutung.
 
 
C. Kolumbus sichtete 1498 auf seiner dritten Reise die Orinocomündung, A. de Hojeda entdeckte 1499 den Golf von Maracaibo und gab dem Land mit Bezug auf die indianischen Pfahlbaudörfer den Namen Venezuela (»Klein-Venedig«). Die reichen Perlengründe bei Cumaná wurden bald ausgebeutet und führten kurz nach 1500 zur Gründung der ersten spanischen Siedlung in Südamerika. 1527 wurde Coro gegründet. In einem Vertrag mit Kaiser Karl V. (27. 3. 1528 verpflichtete sich das Augsburger Handels- und Bankhaus der Welser zur Eroberung und Kolonisation des westlichen Venezuela. Die Statthalter der Welser, u. a. N. Federmann, G. Hohermuth und P. von Hutten, unternahmen bis 1544 auf der Suche nach Gold und Sklaven weite Erkundungszüge ins Hinterland. Mit der Ermordung von Huttens und B. Welsers im April 1546 im Gebiet von El Tocuyo (bei Coro) durch den spanischen Befehlshaber fand die Herrschaft der Welser in Venezuela praktisch ihr Ende. Verwaltungsmittelpunkt des nun - als Teil der Audiencia von Santo Domingo - zum Vizekönigreich Neuspanien gehörenden Venezuela wurde das 1567 gegründete Caracas. Von Bedeutung für die Ausdehnung des Landes waren die Entdeckungszüge im Bereich des oberen und des unteren Orinoco. Dabei kam es 1595 zu Konflikten mit den Engländern, die die spanischen Siedlungen v. a. auf Trinidad zerstörten. Niederländer gründeten um 1620 ihre ersten Siedlungen auf dem Boden Venezuelas und eroberten 1634 Curaçao. 1717 wurde das Gebiet Venezuelas Teil des Vizekönigreichs Neugranada.
 
Die Loslösung von der spanischen Herrschaft begann mit der Revolution vom 19. 4. 1810 in Caracas unter Führung von S. de Bolívar und F. de Miranda. Am 5. 7. 1811 wurde die Unabhängigkeit erklärt, doch brachten erst lange und wechselvolle Kämpfe (u. a. Schlacht bei Boyacá nahe Tunja, 7. 8. 1819, und Schlacht bei Carabobo, 24. 6. 1821) die endgültige Befreiung. Unter Bolívar vereinigten sich Venezuela und die übrigen Teile Neugranadas (Kolumbien, Panama) 1819/21 zur Republik Großkolumbien; 1822 kam Quito (Ecuador) hinzu; im Frühjahr 1830 wurde Venezuela unter General J. A. Páez selbstständig.
 
Es folgten lange Bürgerkriege, die 1864 zur Umbildung des Einheitsstaats in eine Bundesrepublik führten (Estados Unidos de Venezuela), aber erst durch das autoritäre Regime General A. Guzmán Blancos (1870-87, mit Unterbrechungen) beendet wurden. Auf einige zivile Präsidentschaften folgten neue Militärdiktaturen. Unter General C. Castro (1899-1908) geriet Venezuela 1902 durch Übergriffe gegen fremde Wirtschaftsinteressen und Staatsangehörige in internationale Konflikte (deutsch-britisch-italienischen Blockade der Häfen).
 
In der Periode der Diktatur des Generals J. V. Gómez (1908-35, mit Unterbrechungen) entwickelte sich, gestützt auf ausländische Kapitalinvestitionen, die Erdölförderung zur wirtschaftlichen Basis Venezuelas. Mithilfe des Staatsanteils am Erdölverkauf baute Gómez die Staatsschulden ab und stabilisierte die Währung. Seit den 1920er-Jahren profitierte Venezuela von der Ausbeutung der großen Erdölvorkommen und entwickelte sich auf dieser Grundlage zu einem der modernsten lateinamerikanischen Staaten. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg entstanden neue politische Parteien, die sich - wie z. B. die Acción Democrática (AD) - sozialen Fragen zuwandten und politischen Rückhalt bei der Masse des Volkes suchten. Die AD, 1945-48 unter R. Betancourt erstmals Regierungspartei, wurde nach einem Militärputsch verboten; ein Jahr nach dem Sturz (1958) des Diktators M. Pérez Jiménez kehrte sie (bis 1968) an die Macht zurück (1959-64 unter Betancourt in einer Koalition mit den Christdemokraten). 1964 erlebte Venezuela den ersten verfassungsmäßigen Präsidentenwechsel. Innenpolitisch gelang die Beilegung sozialer Unruhen, die von Guerilla-Aktivitäten begleitet waren. 1974-79 stellte die AD mit C. A. Pérez Rodríguez erneut den Präsidenten. Unter seiner Regierung wurde 1975 die Eisenerz- und 1976 die Erdölindustrie verstaatlicht. Die Erhöhung des Preises für venezolanisches Erdöl um das Vierfache (1973/74) brachte Venezuela, einem Gründungsmitglied der OPEC, nicht nur Reichtum, sondern schuf auch eine neue wirtschaftliche Elite und begünstigte das Auftreten von Korruption.
 
Dem 1978 als Kandidaten des COPEI gewählten Präsidenten L. Herrera Campins (Amtsantritt 1979) misslangen jedoch wirtschaftliche Konsolidierung und sozialer Ausgleich, sodass in der folgenden Wahlperiode die Regierungsgewalt wiederum an die AD überging (Präsident J. Lusinchi, im Amt 1984-89). Die politische und wirtschaftliche Erfolglosigkeit der von Skandalen geschüttelten Regierung Lusinchi trug dazu bei, dass Pérez Rodríguez 1989 ein zweites Mal zum Präsidenten gewählt wurde. Gegen sein wirtschaftliches Sparprogramm kam es im Mai 1989 (erstmals seit 31 Jahren), organisiert durch Venezuelas größte Gewerkschaft, die Confederación de Trabajadores de Venezuela (CTV), zum Generalstreik. Korruption und Misswirtschaft waren in seiner zweiten Amtszeit so ausgeprägt, dass es zu sozialen Unruhen kam und die Koalition mit dem COPEI zerbrach; ein Putschversuch von H. Chávez Frías am 4. 2. 1992 scheiterte zwar, brachte aber dem Oberstleutnant große Popularität und veranlasste die Regierung zur Begrenzung des Sozialabbaus und zur Ankündigung eine Verfassungsreform. Korruptionsvorwürfe führten am 21. 5. 1992 zur Amtsenthebung des Präsidenten durch den Senat (endgültige Absetzung 31. 8. 1993). Am 5. 6. 1993 ernannte der Kongress den Parteilosen R. J. Velásquez zum Interimspräsidenten; aus den Neuwahlen vom Dezember 1993 ging R. Caldera Rodríguez vom Oppositionsbündnis CN als Sieger hervor (Amtsantritt 1994; erste Amtsperiode für den COPEI bereits 1969-74). Er bekämpfte die erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zunächst erfolglos durch Dirigismus; ab 1996 suchte er durch konsequente Liberalisierung, gekoppelt mit einigen sozialen Ausgleichsmaßnahmen, den Haushalt zu sanieren. Die Präsidentschaftswahlen am 6. 12. 1998 gewann Chávez Frías für das von ihm gegründeten Parteienbündnis MVR (Movimiento V República) mit einem populistischen Programm (Amtsantritt 2. 2. 1999). Seine Pläne zum Umbau von Staat und Gesellschaft leitete er ein mit der Wahl einer Verfassunggebenden Versammlung (Juli 1999), in der seine Anhänger eine breite Mehrheit erlangten. Die neue Verfassung (durch Referendum im Dezember 1999 angenommen) stärkt v. a. die Stellung des Präsidenten; Chávez Frías ließ sich in erneuten Präsidentschaftswahlen im Juli 2000 im Amt bestätigen. Populistische Aktionen (»Plan Bolívar«), zum Teil umstrittene Eingriffe in die Arbeit von Parlament, Justiz und Medien sollen der Erneuerung des Landes dienen. Im November 2000 stattete das von den Parteigängern des Präsidenten dominierte Parlament diesen mit umfassenden Vollmachten aus, die es ihm ermöglichen, durch Dekrete zu regieren. Nach teilweise blutigen Massenprotesten wurde Präsident Chávez im April 2002 abgesetzt, die Macht übernahm kurzzeitig Pedro Carmona Estanga. Nach zwei Tagen Arrest übernahm jedoch Chávez wieder die Macht.
 
Außenpolitisch verfolgte Venezuela besonders in den 70er-Jahren einen Kurs der Unabhängigkeit gegenüber den USA. Das Land unterstützt die lateinamerikanischen Integrationsbemühungen: 1973 trat es dem Andenpakt bei, 1990 gründete es mit Mexiko und Kolumbien die Gruppe der Drei, deren Ziel u. a. ein gemeinsamer Markt ist. - Zu Grenzkonflikten kam es wiederholt mit Guyana in einem 1899 Guyana zugesprochenen und sehr rohstoffreichen Gebiet
 
 
G. Morón: A history of V. (a. d. Span., New York 1964);
 J. V. Lombardi u. a.: Venezuelan history. A comprehensive bibliography (Boston, Mass.,1977);
 J. V. Lombardi: V. The search for order, the dream of progress (New York 1982);
 
V., Kolumbien, Ekuador. Wirtschaft, Gesellschaft u. Gesch., hg. v. H.-A. Steger u. a. (1980);
 J. L. Salcedo-Bastardo: Historia fundamental de V. (Caracas 91982);
 W. Hein: Weltmarktabhängigkeit u. Entwicklung in einem Ölland 1958-1978 (1983);
 R. Walter: V. u. Dtl. 1815-1870 (1983);
 D. E. Blank: V. Politics in a petroleum republic (New York 1984);
 
V. The democratic experience, hg. v. J. D. Martz (Neuausg. (New York 1986);
 S. Ellner: V.'s movimiento al socialismo. From guerilla defeat to innovative politics (Durham 1988);
 
Beitrr. zur Landeskunde V.s, hg. v. C. Borcherdt, Bd. 3 ff. (1992 ff., früher u. a. T.);
 
Strukturanpassung u. Demokratie - die Quadratur des Kreises? Das Beispiel V., hg. v. S. Kurtenbach (1993);
 D. K. u. G. A. Rudolph: Historical dictionary of V. (Lanham, Md., 21996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Lateinamerika (1820 bis 1860): Ein Kontinent ordnet sich neu
 

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Ve|ne|zu|e|la; -s: Staat in Südamerika.

Universal-Lexikon. 2012.