Akademik

Spiritismus
Okkultismus; Geisterbeschwörung; Geisterglaube

* * *

Spi|ri|tịs|mus 〈m.; -; unz.〉 Glaube an Geister u. an den möglichen Verkehr mit ihnen [→ Spirit]

* * *

Spi|ri|tịs|mus [ʃp… , sp… ], der; - [wohl unter Einfluss von engl. spiritism, frz. spiritisme zu lat. spiritus, 2Spiritus]:
Glaube an Geister, Beschwörung von Geistern [Verstorbener] bzw. der Kontakt mit ihnen durch ein 1Medium (4 a).

* * *

I
Spiritịsmus
 
[zu lateinisch spiritus »Hauch«, »Geist«] der, -, Parapsychologie und Religionswissenschaft: eine Lehre, die auf zwei Annahmen beruht: 1) dass die menschliche Psyche (oder ein Teil von ihr) den körperlichen Tod überdauert; 2) dass mithilfe bestimmter Personen (»Medien«) oder Techniken eine direkte Verbindung mit Verstorbenen möglich ist, die sich experimentell beweisen lässt. Spiritismus hat es in Verbindung mit der Frage des Menschen nach Leben und Tod in allen Kulturen und Religionen gegeben. Einer der wichtigsten Vorläufer des Spiritismus ist der Schamanismus. Der amerikanisch-europäische Spiritismus als soziale Massenbewegung begann 1848, als im Haus des Farmers John D. Fox in Hydesville (N. Y.) anscheinend unerklärliche Klopfgeräusche auftraten, die als »Botschaften aus dem Jenseits« gedeutet wurden. Zu einer raschen Verbreitung des Spiritismus führten 1) die industrielle Revolution mit ihrem schnellen sozialen und ökonomischen Wandel, 2) die Synthese von verschiedenen Elementen aus der Kosmologie des »Geistersehers« E. Swedenborg, aus dem Frühsozialismus C. Fouriers und dem »animalischen Magnetismus« F. A. Mesmers. Diese Synthese zeigt sich besonders im Werk des Swedenborg-Anhängers Andrew Jackson Davis (* 1826, ✝ 1910), eines führenden Theoretikers des Spiritismus, dessen Entwurf von einem paradiesischen Jenseits (»Sommerland«) zum Vorbild für zahlreiche Jenseitsschilderungen wurde. Durch den anderen wichtigen Theoretiker des Spiritismus im 19. Jahrhundert, A. Kardec, wurde der Spiritismus mit dem Reinkarnationsgedanken verbunden (»Le livre des esprits«, 1853; deutsch »Das Buch der Geister«) und v. a. in Brasilien zu einer synkretistischen Religion ausgebildet (romanischer Spiritismus). Im Spiritismus liegt das Paradigma einer okkulten Weltanschauung vor (Okkultismus).
 
In den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts bildete sich die Rolle des »professionellen Mediums« heraus. Die - zumeist weiblichen - Medien hielten Sitzungen (»Séancen«) ab und teilten durch Trancereden oder automatisches Schreiben »Botschaften« mit, die angeblich von Verstorbenen (den »Kommunikatoren«) stammten und durch die »Kontrolle« (den jenseitigen »Geistführer« des Mediums) vermittelt wurden. Abgesehen von dieser Form des mentalen Mediumismus, der heute noch weit verbreitet ist, war bis in die 1920er-Jahre der physikalische Mediumismus populär, der Ektoplasma (hypothetische »feinstoffliche« Substanz, die aus dem Medium austreten soll) und Materialisationen, Apporte, Levitationen und telekinetische Phänomene umfasste. Häufig vorkommender Betrug hat diese Form des Spiritismus weitgehend diskreditiert. Geistige oder »spirituelle« Heilung (Handauflegen, Fernheilung) wird von Einzelnen und in spiritistischen Zirkeln, aber auch in religiösen Gemeinschaften (z. B. philippinische Logurgen, brasilianische Trance-Chirurgen, »National Federation of Spiritual Healers« in Großbritannien) praktiziert.
 
Mit der Gründung der »Society for Psychical Research« 1882 in London begann die kritische Erforschung des Spiritismus. Sofern sich die im Rahmen des Spiritismus behaupteten Phänomene nicht pauschal auf bewussten Betrug oder glaubensbereite (Selbst-)Täuschungen zurückführen lassen, wird aus der Sicht der Parapsychologie argumentiert, dass sich ein persönliches Überleben des Todes (»Survival-Hypothese«) weder verifizieren noch falsifizieren lässt und die Annahme paranormaler Fähigkeiten Lebender zur Erklärung der Phänomene ausreichend sein dürfte (»animistische Hypothese« im Unterschied zur »spiritistischen« oder »Geisterhypothese«). Dies gilt auch für die angeblichen Tonband- und Videoeinspielungen aus dem Jenseits (»Transkommunikation«), für »Wiedergeburtserinnerungen«, »außerkörperliche« Erfahrungen oder Exkursionserlebnisse unter normalen wie pathologischen Bedingungen (»Nahtod«- oder »Sterbebetterlebnisse«). All diesen »Erfahrungsbeweisen« des Spiritismus ist gemeinsam, dass sich stets Alternativerklärungen, zumeist konventioneller tiefenpsychologischer oder physikalischer Art, finden lassen, die ohne einen postmortalen Einfluss auskommen.
 
Aus religionswissenschaftlicher und soziologischer Sicht spielen spiritistische Glaubensinhalte heute in Privatzirkeln und bei Einzelpersonen wie auch in den unterschiedlichsten weltanschaulich-religiösen Gruppen und Bewegungen eine wichtige Rolle, z. B. als »Offenbarungs-S.« (u. a. Geistige Loge Zürich) oder im »Channeling«, der behaupteten Kontaktaufnahme durch Medien (als »Kanälen« oder »Channels«) mit höheren Wesenheiten des Kosmos. Dass die Ausübung spiritistischer Praktiken nicht ohne psychische Gefahren ist (mediumistische Psychosen), zeigt sich nicht zuletzt im so genannten Jugendspiritismus. Schwerpunkte des Spiritismus sind die USA (»National Spiritualist Association«), Großbritannien und Lateinamerika. Für den religiösen Spiritismus in den deutschen-sprachigen Ländern haben das Werk von Johannes Greber (* 1876, ✝ 1944) »Der Verkehr mit der Geisterwelt,. ..« (1932) und Grebers Übersetzung des Neuen Testaments eine grundlegende Bedeutung. Darüber hinausgehend zeigt der Spiritismus sich auch als ein Bestandteil der Weltsicht des New Age und anderer synkretistischer neuer Religionen (z. B. Caodaismus, Vereinigungskirche).
 
Literatur:
 
E. Matthiesen: Das persönl. Überleben des Todes, 3 Bde. (1936-39, Nachdr. 1987);
 
Fortleben nach dem Tode, bearb. v. A. Resch (Innsbruck 31986);
 F.-W. Haack: S. (51988);
 W. G. Roll: This world or that. An examination of parapsychological findings suggestive of the survival of human personality after death (Lund 1989);
 A. Owen: The darkened room. Women, power and spiritualism in late Victorian England (Neuausg. Philadelphia, Mass., 1990);
 E. Senkowski: Instrumentelle Kommunikation (21990).
 
II
Spiritismus,
 
Glaube an Geister, Beschwörung von Geistern (Verstorbener) beziehungsweise der Kontakt mit ihnen durch ein Medium. - Animismus.
 

* * *

Spi|ri|tịs|mus [ʃp..., sp...], der; - [wohl unter Einfluss von engl. spiritism, frz. spiritisme zu lat. spiritus, 2Spiritus]: Glaube an Geister, Beschwörung von Geistern [Verstorbener] bzw. der Kontakt mit ihnen durch ein 1Medium (4 a).

Universal-Lexikon. 2012.