Mormonen,
Selbstbezeichnung Church of Jesus Christ of Latter-Day Saints ['tʃəːtʃəv 'dʒiːzəs 'kraɪst əv 'lætə deɪ seɪnts, englisch], Kirche Jesu Chrịsti der Heiligen der letzten Tage, eine 1830 in Fayette (N. Y.) von dem einer Farmersfamilie entstammenden Joseph Smith (* 1805, ✝ 1844) gegründete Religionsgemeinschaft. Sie beruft sich auf die Bibel sowie auf Offenbarungen, die Smith in mehreren Visionen (erstmals 1820) erlangt hat. Smith, der sich mit seinen Anhängern 1831 in Ohio, 1839 in Illinois niederließ und u. a. wegen seiner polygamen Lebensweise Aufsehen erregte, wurde wegen verschiedenen Delikte inhaftiert und 1844, noch bevor es zu einem Prozess gekommen war, von einer das Gefängnis stürmenden Menschenmenge erschossen. Sein Nachfolger und 1. Präsident der Mormonen, Brigham Young (* 1801, ✝ 1877), brach 1846 mit 15 000 Anhängern nach Westen auf und errichtete nach 1847 in der Nähe des Großen Salzsees den Staat Utah mit der Hauptstadt Salt Lake City. Als Zentrum wurde dort 1853/59 aus weißem Granit ein Tempel errichtet. Seitdem ist Salt Lake City Sitz der »Generalautoritäten« der Mormonen, zu denen neben dem Präsidenten (seit 1995 Gordon Hinkley; * 1910) und seinen beiden Ratgebern das »Kollegium der Zwölf Apostel« gehört.
Grundlegend für Selbstverständnis und Lehre der Mormonen ist das Buch Mormon (englisch »Book of Mormon«; erstmals 1830 gedruckt), angeblich die englische Übersetzung eines in »reformägyptischer« Sprache und Schrift auf Goldplatten verzeichneten Textes, den 1827 ein Engel namens Moroni an Smith übergeben haben soll. Weitgehend vom Alten Testament beeinflusst, aus dem rd. 400 Zitate übernommen sind, erzählt es, angefangen bei der angeblich ersten Besiedelung Amerikas 590 v. Chr., die amerikanische Geschichte zwischen 600 v. Chr. und 421 n. Chr. als Fortsetzung der biblischen Geschichte. Nach mormonischer Lehre kann sich der Geist des Menschen durch Erkenntnis der Wahrheit weiterentwickeln und zu göttlicher Wesenheit gelangen: »Wie der Mensch ist, war Gott einst. Wie Gott ist, kann der Mensch einst werden«. Damit verbunden wird die chiliastische Vorstellung, dass Jesus Christus in der Endzeit auf der Spitze des Mormonentempels in Salt Lake City erscheinen und ein 1000-jähriges Reich in Amerika errichten wird. Die 1843 mit Berufung auf Offenbarungen Smith's eingeführte Mehrehe wurde 1890 abgeschafft. Charakteristisch für die Mormonen sind eine patriarchalisch-hierarchische Ordnung, eine durch strenge moralische Grundsätze geprägte Lebensführung mit einer hohen Wertschätzung der Familie, der Verzicht auf Genussmittel und eine starke missionarische Orientierung. Sakramente sind die Taufe (ab dem 8. Lebensjahr, wird durch Untertauchen vollzogen), das sonntägliche Abendmahl und das die Taufe ergänzende Sakrament der Handauflegung zur Vermittlung der Gaben des Heiligen Geistes. Die mit der mormonischen Endzeithoffnung verbundenen heiligen Handlungen (»Siegelungen«) und Belehrungen werden nach Empfehlungen durch die Gemeindeleiter (Bischöfe) im Tempel vollzogen, der Nicht-Mormonen nicht zugänglich ist. Jeder männliche Mormone soll wenigstens zwei Jahre lang missionarisch tätig sein. Der Gemeinschaft gehören nach eigenen Angaben (2001) über 10 Mio. Mitglieder in rd. 160 Ländern an. Hauptverbreitungsgebiet sind die USA (in Utah rd. 70 % der Bevölkerung). In Deutschland (wo die erste Mormonengemeinde 1843 in Darmstadt entstand) gibt es rd. 36 000 Mormonen (Tempel in Freiberg/Sachsen und Friedrichsdorf/Taunus), in Österreich rd. 4 000, in der Schweiz rd. 7 000 (Tempel in Zollikofen).
R. Mullen: Die M. (a. d. Engl., Neuausg. 1968);
F. W. Haack: M. (61989);
R. Hauth: Die M. Geheimreligion oder christl. Kirche? Ein Ratgeber (21995);
Universal-Lexikon. 2012.