Akademik

Roman
Fabel; Sage; Saga; Märchen; Geschichte

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Ro|man [ro'ma:n], der; -s, -e:
literarisches Werk erzählender Dichtung in Prosa [in dem das Schicksal von Menschen in der Auseinandersetzung mit der Umwelt, der Gesellschaft geschildert wird]:
einen Roman schreiben, lesen.
Syn.: Buch, Erzählung.
Zus.: Abenteuerroman, Fortsetzungsroman, Kriminalroman, Unterhaltungsroman.

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Ro|man 〈m. 1
1. 〈Lit.〉 literar. Großform, umfangreicher, in Prosa abgefasster, meist fiktionaler Text
2. 〈fig.〉 abenteuerliche od. ereignisreiche Begebenheit
● erzähl doch keine (langen) \Romane! 〈fig.; umg.〉 fasse dich kürzer; das gibt es nur in \Romanen!; das ist ja ein ganzer \Roman 〈fig.〉; ein historischer, satirischer, utopischer \Roman [<frz., „Roman“ <afrz. romanz <vulgärlat. romanice „auf romanische Art, in romanischer (d. h. nicht klassisch-lat.) Sprache“; zu lat. Romanus „römisch, romanisch“]

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Ro|man , der; -s, -e [frz. roman < afrz. romanz, eigtl. = in romanischer Volkssprache (nicht in Latein) verfasste Erzählung, zu lat. Romanicus = römisch]:
a) <o. Pl.> literarische Gattung erzählender Prosa, in der [in weit ausgesponnenen Zusammenhängen] das Schicksal eines Einzelnen od. einer Gruppe von Menschen (in der Auseinandersetzung mit der Umwelt) geschildert wird:
der moderne R.;
der R. (die Romandichtung) der Klassik;
b) Werk der Gattung Roman (a):
ein autobiografischer, utopischer, historischer R.;
der R. ist spannend, liest sich leicht, spielt in Italien, spielt im 21. Jahrhundert;
der R. ist ursprünglich in Fortsetzungen in einer Zeitung erschienen;
einen R. schreiben, lesen;
an einem R. schreiben;
in einem R. schmökern;
sein Bericht hört sich an wie ein R. (ist spannend, ungewöhnlich o. Ä.);
Ü er erzählte den R. seines Lebens (seine interessante, spannende, außergewöhnliche o. Ä. Lebensgeschichte);
ihr Leben ist der reinste R. (ist überaus erlebnisreich, ganz außergewöhnlich);
ich habe weder Zeit noch Lust, mir immer seine -e (ugs.; übermäßig langen, ausführlichen Schilderungen) anzuhören;
statt mir eine kurze Antwort auf meine Frage zu geben, erzählt der mir einen langen/ganzen R. (ugs.; eine übermäßig lange, ausführliche Schilderung);
der Lehrer hat mir wieder einen [halben] R. (ugs.; übermäßig lange, ausführliche Stellungnahme) unter meinen Aufsatz geschrieben;
(ugs.:) erzähl doch keine -e!

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I
Roman
 
[französisch, von altfranzösisch romanz »in romanischer Volkssprache (nicht in Latein) verfasste Erzählung«, zu lateinisch romanicus »römisch«] der, -s/-e, Bezeichnung für eine Großform der erzählenden Dichtung (Epik), neben Erzählung und Novelle die heute geläufigste Form, die das Epos abgelöst hat.
 
Die Entwicklung des Romans verlief jenseits aller normativen Poetiken: Aristoteles erwähnt den Roman im Rahmen der drei Grundgattungen Epos, Drama und Lyrik nicht, die daran anschließenden Poetiken vermochten in ihm allenfalls eine Variante des Epos, nicht aber eine originäre Gattung zu sehen. Dies hat dazu geführt, dass sich der Roman verhältnismäßig frei von literarischen Regeln entfalten konnte, was seine spezifische Struktur und seine Vielfalt entscheidend geprägt hat. Seine bis heute offen verlaufende Entwicklung bezieht die Möglichkeiten fast aller literarischer Formen und Techniken ein; die Freiheit der Mittel gestattet ihm auch, sich Formprinzipien anderer Künste (v. a. des Films) zu Eigen zu machen.
 
Eine Systematisierung der Gattung sieht sich vielen Schwierigkeiten gegenüber: unterschiedliche, oft gegensätzliche Zielsetzungen und Äußerungsformen, Inhomogenität der angesprochenen Publikumsschichten, Überschneidungen bei den geläufigen Einteilungen nach Stoffen (z. B. Heimatroman, Familienroman, historischer Roman), typischen Charakteren (Schelmenroman, Künstlerroman), nach äußeren Handlungsabläufen (Abenteuer-, Reise-, Kriminalroman) oder innerer Entwicklung der Personen (psychologischer Roman, Bildungsroman), nach erzählerischer Grundhaltung (realistischer, satirischer Roman), nach weltanschaulicher Grundaussage (philosophischer, religiöser Roman) oder nach formalen Eigenarten (Briefroman, biographischer Roman); einige Formen sind an bestimmte historische Epochen gebunden (Ritterroman, Schäferroman, Staatsroman).
 
 
Lange vor der Herausbildung des Romans in Europa entstanden in verschiedenen alten Hochkulturen Formen längerer Prosaerzählungen, so in Ägypten, Indien, im arabischen Raum, in Japan und China. Diese Entwicklung verlief unabhängig von Europa. Das Folgende bezieht sich nur auf den Roman europäischer Tradition.
 
In der Antike finden sich bereits früh in Geschichtswerke und andere Prosatexte eingebaute Erzählungen, so etwa bei Herodot und besonders bei Xenophon (»Anabasis«, »Kyru paideia«, 4. Jahrhundert v. Chr.). Besonders beliebt war eine Sammlung erotischer Erzählungen des Aristides von Milet (»Milesische Geschichten«, um 100 v. Chr.; Einfluss auf Petronius und Apuleius). Der älteste erhaltene griechische Roman ist der Liebesroman »Chaireas und Kallirhoe«des Chariton von Aphrodisias (1. oder 2. Jahrhundert n. Chr.). Dieser und fragmentarisch erhaltene Roman tragen die für den antiken Roman typische Merkmale: exotische, meist orientalische Schauplätze, fantastische Reiseabenteuer der Helden, eine oft pathetische Liebeshandlung; die dramatisch gestalteten Höhepunkte, Reden und Dialoge lassen oft den Einfluss der Tragödie und den der neuen attischen Komödie erkennen. Umfangreich ist die Romanproduktion im 2. Jahrhundert n. Chr.; hier ragen die Liebesromane des Xenophon von Ephesos und des Iamblichos sowie das Hauptwerk der Gattung in lateinischer Sprache, die »Metamorphosen« des Apuleius (um 170 n. Chr.), heraus. Der Roman des Apuleius zeigt einen für die römische Literatur charakteristischen satirischen Einschlag, wie er bereits das zeit- und kulturkritische »Satyricon« (1. Jahrhundert n. Chr.) des Petronius und auch die Satiren auf den Roman des Griechen Lukian (2. Jahrhundert n. Chr.) kennzeichnet. Ein Sonderfall, u. a. wegen seiner Beschränkung auf den Schauplatz Lesbos, ist der griechische Liebesroman »Daphnis und Chloe« von Longos (vermutlich 2. Jahrhundert n. Chr.). Wohl aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. datiert die griechische Urfassung des anonymen Liebesromans über die Erlebnisse des Apollonius von Tyrus. Die spätantiken lateinischen Fassungen (4.-6. Jahrhundert) dieses Romans und des Troja-Romans (Diktys, Dares Phrygius) sowie Volksbücher, etwa der griechische Alexander-Roman, wirkten weit in die Literatur der Folgezeit nach. Ähnlich erfolgreich waren auch die griechischen Liebesromane »Leukippe und Kleitophon« des Achilleus Tatios (Ende 2. Jahrhundert n. Chr.) und die »Aithiopica« des Heliodor (3. Jahrhundert n. Chr.).
 
 
Die ersten nachantiken Romane entstanden im 12. Jahrhundert in Frankreich, zum Teil beeinflusst vom hellenistischen Roman, aus dem auch vieles auf dem Umweg über die christliche Legendendichtung eingeflossen war. Sie sind in Versen geschrieben, behandeln fabulöse Stoffe aus der Antike, der byzantinischen Welt und dem keltischen Sagenkreis, sind aber fast durchweg höfisch, indem sie die gesellschaftlichen Normen der ritterlichen Elite darstellen oder auch erst erschaffen, und bestehen inhaltlich meist aus der Verbindung von Abenteuern und Liebesgeschichten (»höfischer Roman«, höfisches Epos). Als Schöpfer dieser neuen Art des Romans gilt Chrétien de Troyes, im deutschen Sprachraum führten gegen 1180 Hartmann von Aue, später Gottfried von Straßburg und Wolfram von Eschenbach sie zur künstlerischen Vollendung. Der erste tragische Versroman der europäischen Literatur ist »Tristan et Iseult« (entstanden seit etwa 1180, Tristan). Im Frankreich des 13. Jahrhunderts mündete der höfische Roman in die allegorische Darstellung des Roman de la rose. Damit erlosch allmählich die mittelalterliche Form des Versromans; die Epen der Renaissance nahmen zahlreiche Elemente später wieder auf (L. Pulci, M. M. Boiardo, L. Ariosto, T. Tasso).
 
Ende des 15. Jahrhunderts bis 17. Jahrhundert:
 
In der Neuzeit wurde immer mehr die Prosaform bevorzugt. Zudem entwickelte sich mit dem Vordringen der bürgerlichen Gesinnung das Bedürfnis, den Romaninhalt am Wirklichkeitsbezug zu messen; wegen seiner bisher fabulösen Inhalte wurde der Roman verdächtig als die Gattung des Unwirklichen, weshalb die Romanschriftsteller bis zum 18. Jahrhundert die Bezeichnung »Roman« zu vermeiden suchten.
 
Die ersten Prosaromane entstanden in Frankreich aus der Umsetzung der Chansons de geste und der höfischen Versromane in Prosafassungen. In England nahm T. Malory mit »Le morte Darthur«, einer Kompilation der Artus-Romane in Prosa (erstmals gedruckt 1485), diese Entwicklung auf. Eine eigenständige europäische Romanliteratur bereiteten in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts die Übersetzungen antiker Romane (Heliodor, Achilleus Tatios, Longos) vor. Wichtigste Vermittler der französischen Prosawerke ins Deutsche waren Elisabeth von Nassau-Saarbrücken und Eleonore von Österreich. Mit dem Buchdruck wurden diese Werke im 15. und 16. Jahrhundert weit verbreitet, ebenso die neuen Versionen antiker und orientalischer Stoffe sowie die Volksbuchfassungen anderer Sagenkreise (Volksbücher). In diesen breiten Strom einer volkstümlichen frühbürgerlichen Romanliteratur fügten sich Neuschöpfungen ein, z. B. der Fortunatus (1509) und die Werke J. Wickrams, romanähnlich waren auch die im 16. Jahrhundert niedergeschriebenen Schwanksammlungen vom »Eulenspiegel« bis zum »Lalebuch« (1597). Der ursprüngliche portugiesische, dann in spanischer Sprache um- und fortgesetzte Ritterroman um den Helden Amadis von Gaula, der originellste Nachfolger des höfischen Romans, war auf der Iberischen Halbinsel vom 14. bis zum 16. Jahrhundert der beliebteste und bekannteste Roman überhaupt. Er rief eine Flut von Nachahmungen hervor, abenteuerliche, märchenhafte, fantastische Geschichten um fahrende Ritter und ihre Damen. Mit den neuen Ideen der Renaissance kündigte sich die Auflösung dieser Art des Romans an: Mit F. Rabelais' Geschichten um die Riesen Gargantua und Pantagruel (1532-64) werden die Abenteuer ins Groteske getrieben und damit parodiert. Höhepunkt der Parodie des Ritterromans, gleichzeitig erster Gesellschaftsroman der europäischen Literatur, ist M. de Cervantes' »El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha« (2 Teile, 1605-15). Die spanische Literatur erwies sich überhaupt als fruchtbar für die Gattung: Mit »La vida de Lazarillo de Tormes. ..«(anonym, 1554) entstand hier das Vorbild des Schelmenromans (pikaresker Roman), der neue Handlungsmuster, realistische Milieuschilderungen und sozialkritische Ansätze ermöglichte (M. Alemán, »... Guzmán de Alfarache. ..«, 2 Teile, 1599-1604; F. Gómez de Quevedo y Villegas, »Historia de la vida del Buscón«, 1626). In England trägt »The unfortunate traveller« (1594) von T. Nashe pikareske Züge. Eine gegensätzliche Entwicklungslinie geht auf Longos zurück und wurde durch den Italiener I. Sannazaro (»Arcadia«, vollständig 1504) neu belebt: Der Schäferroman (Schäferdichtung) zeichnet eine idyllisch verklärte Welt mit stereotypen Schauplätzen und Figuren, einer »heroisch-galanten« Handlung (in Spanien z. B. nachgeahmt durch J. de Montemayors »Los siete libros de la Diana«, 1559, in England durch P. Sidneys »The countesse of Pembrokes Arcadia«, 1590).
 
Im 17. Jahrhundert wurde der pikareske Roman in Frankreich von C. Sorel (»La vraye histoire comique de Francion«, insgesamt 12 Bücher, 1623-33) und P. Scarron (»Roman comique«, 1651) weitergeführt; der deutsche Schelmenroman, J. J. von Grimmelshausens »Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch« (1669), trägt schon Züge des Entwicklungsromans. Der Schäferroman war nach wie vor beliebt und fand unzählige Nachahmer. Am berühmtesten wurden die französischen Werke, »L'Astrée« (5 Teile, 1607-27) von H. d'Urfé und »Artamène ou le grand Cyrus«(10 Bände, 1649-53) von Mademoiselle de Scudéry. Im Gegensatz zu diesen auf Unterhaltung der Leser zielenden Werken gibt der Spanier B. Gracian y Morales in dem allegorisch-philosophischen Roman »El criticón« (3 Teile, 1651-57) eine umfassende Synthese des barocken Welt- und Menschenbildes. Auch der Engländer J. Barclay will mit seinem neulateinischen Roman »Argenis« (1621) nicht unterhalten, sondern das christliche Gesellschaftsideal propagieren. Damit wurde er zum Schöpfer des Staatsromans. Neue Wege wies in England auch J. Bunyans Prosaallegorie »The pilgrim's progress. ..« (2 Teile, 1678-84). Außerhalb der klassizistischen Ästhetik stehend, konnte der Roman völlig neue Lebensbereiche künstlerisch darstellen; so gelang Madame de La Fayette mit »La princesse de Clèves« (4 Bände, 1678) der erste psychologische Roman der europäischen Literatur. - Mit Pierre Daniel Huets »Traité de l'origine des romans« erschien 1670 die erste theoretische Abhandlung zur Gattungsgeschichte.
 
Nach der Vermittlung des heroisch-galanten Romans der romanischen Literaturen v. a. durch M. Opitz entstanden in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts deutsche Varianten: Die breit angelegten Romane D. C. von Lohensteins und Herzog Anton Ulrichs von Braunschweig-Wolfenbüttel führten in ihrer kunstvollen, verschlungenen Handlung, ihrer bilderreichen Sprache den barocken Staatsroman fort, während C. Weise die Gattung in den Dienst bürgerlicher Moral stellte. Der Unterhaltung vorwiegend bürgerliche Leserinnen dienten die zahlreichen galanten Romane dieser Zeit (u. a. von E. W. Happel und J. G. Schnabel).
 
18. Jahrhundert:
 
Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde der Roman immer mehr zum wichtigsten literarischen Ausdrucksmittel des sich emanzipierenden Bürgertums, als Ausdruck bürgerlicher Individualität v. a. in Form von (fiktionalen) Autobiographien und Lebensläufen, oft als Briefroman gestaltet. Entscheidende Impulse für neue Romanformen gingen von England aus. Hier hatte sich zuerst ein modernes Bürgertum gebildet, das fortan das eigentliche Publikum für den Roman war, wobei der weiblichen Leserschaft große Bedeutung zukam. D. Defoes »The life and strange surprizing adventures of Robinson Crusoe, of York, mariner. ..« (3 Teile, 1719-20) prägte mit der Sachlichkeit der Beschreibung und der Darstellung des vernünftig denkenden und religiös empfindenden Bürgers als Kulturschöpfer einen neuen Typus des Abenteuerromans. Unter den deutschen Robinsonaden (mehr als 100 im 18. Jahrhundert) ragen die Werke J. G. Schnabels und J. H. Campes heraus. A. R. Lesage nutzte den Schelmenroman spanischer Prägung für frühaufklärerische Gesellschaftskritik (»Histoire de Gil Blas de Santillane«, 4 Bände, 1715-35). - Eine neue Epoche des europäischen Romans leitete S. Richardson mit seiner Darstellung der bürgerlichen Umwelt und neuer Formen individuellen Empfindens in der Form des Briefromans ein, die viele Nachahmer fand (in Frankreich u. a. A. F. Prévost d'Exiles mit »Histoire du chevalier Des Grieux et de Manon Lescaut«, 1731; in Deutschland u. a. C. F. Gellert mit »Leben der schwedischen Gräfin von G.«, 2 Teile, 1747-48; Sophie von La Roche mit »Geschichte des Fräulein von Sternheim«, 2 Bände, 1771). H. Fielding schuf mit »The history of Tom Jones, a foundling« (6 Bände, 1749) das Vorbild für eine andere Art des Romans, bei dem ein allwissender Erzähler gemeinsam mit dem Leser lächelnd auf die Verirrungen in den Köpfen und Herzen der Charaktere herabschaut.
 
In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte sich die Gattung als der Dramatik ebenbürtig etabliert. Mit ihren vielfältigen Möglichkeiten unterlag sie aber auch dem sich verändernden Publikumsgeschmack. Dieser war nun bestimmt von der Empfindsamkeit, als deren Medium der Romane sehr geeignet war. L. Sternes »A sentimental journey. ..« (1768) war der erste einer Reihe von Romanen, die ausführlich das Seelenleben ihre Protagonisten (ohne moralische Intension) spiegeln. Besonders beliebt waren sie, wenn sich die Handlung an einem exotischen Schauplatz abspielte (»Paul et Virginie«, 1787, von J. H. Bernardin de Saint-Pierre).
 
Auch die erste Ironisierung erzählerischer Konvention stammt aus dieser Epoche: Sternes »The life and opinions of Tristram Shandy« (9 Bände, 1759-67) spielt mit dem chronologischen Ablauf, narrt den Leser und stellt dabei inhaltlich das Ideengut des 18. Jahrhunderts infrage. In Frankreich nahm D. Diderot mit »Jacques le fataliste« (1773) diese Art des Erzählens auf, an die viel später die offenen Romanformen anknüpften. Der Briefroman erwies sich für sehr verschiedene Inhalte geeignet, sowohl für ergreifende Liebesgeschichten wie J.-J. Rousseaus »Julie ou la Nouvelle Héloise« (3 Bände, 1761) als auch P. A. F. Choderlos de Laclos' frivoles Sittengemälde »Les liaisons dangereuses,. ..« (4 Bände, 1782). Der berühmteste deutsche Roman dieser Zeit, Goethes »Die Leiden des jungen Werthers« (1774), und seine zahlreichen Nachahmungen (so U. Foscolos »Ultime lettere di Jacopo Ortis«, 1802) bedienten sich ebenfalls der Briefform, wie später F. Hölderlin im »Hyperion« (2 Teile, 1797-99). Eine eigene deutsche Ausprägung ist der Bildungsroman (C. M. Wieland, später Goethe), bei K. P. Moritz' »Anton Reiser« (4 Teile, 1785-90) Fiktion mit Autobiographie verbindend. In England entstand in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts die Gothic Novel, mit der sich der Roman der Romantik ankündigte.
 
19. Jahrhundert:
 
Das moderne Geschichtsbewusstsein, das sich zwischen Aufklärung und Romantik herausgebildet hatte, brachte den historischen Roman hervor; als sein eigentlicher Schöpfer gilt W. Scott. Mit seinen fast 30 Romanen, die auf genauen Detailstudien beruhen, schuf er den Prototyp, der bis in die Gegenwart seine große Publikumswirksamkeit behalten hat; als unmittelbares Vorbild wirkte er in Europa und Amerika im Wesentlichen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Mit der Gestaltung großer nationaler Stoffe nahm nun der Roman den Platz des Epos ein, so bei V. Hugo (»Notre-Dame de Paris«, 2 Bände, 1831) und A. Manzoni (»I promessi sposi«, 3 Bände, 1827); auch der erste weltliterarische Beitrag der amerikanischen Literatur, die »Lederstrumpf«-Romane J. F. Coopers (1823-41) stehen unter dem Einfluss Scotts. Für die Weiterentwicklung psychologisch genauen Erzählens waren die Romane der Jane Austen und der Schwestern Brontë wichtig. Im Schauerroman, einer Fortführung der Gothic Novel, verbanden sich Unheimliches, Interesse für die Vergangenheit und ungewöhnliche Charaktere, wie sie die Romantik bevorzugte. Im deutschsprachigen Raum wurde die romantische Erzählkunst, noch unter dem Eindruck von Goethes »Wilhelm Meisters Lehrjahre« (4 Teile, 1795-96), im Entwicklungsroman fruchtbar, häufig am Beispiel einer Künstlerexistenz (bei L. Tieck, C. Brentano, Novalis, auch bei Jean Paul, später bei E. Mörike). Bedeutendster russischer Roman dieser Zeit ist W. Gogols »Mertvye duši« (1842), der noch einmal das Muster der Schelmenromane aufnimmt.
 
Seit etwa 1830 erschienen die großen Romane von Stendhal, H. de Balzac, C. Dickens und W. M. Thackeray, mit denen sich der Begriff des Realismus verbindet. Damit wurde der Roman zur dominanten literarischen Ausdrucksform der bürgerlichen Gesellschaftsordnung und ihrer Probleme (Zeitroman). Die breit angelegte Schilderung aller Schichten der zeitgenössischen Gesellschaft, die weit ausholende Handlung, der zeitkritische Grundgestus kennzeichnen den Gesellschaftsroman. Gleichzeitig gewannen durch Zeitschriftenveröffentlichungen die Fortsetzungs-, Feuilleton-, Kolportage- und Serienromane ein großes Publikum (Trivialliteratur).
 
Wichtige Anstöße für die Weiterentwicklung des Romans in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts lieferten v. a. die distanzierte Darstellungsweise G. Flauberts, die die naturwissenschaftliche Exaktheit nachahmende Methode der Naturalisten (die Brüder Goncourt und É. Zola). Wesentlich war auch der Beitrag der russischen Literatur, durch I. S. Turgenjews subtile Charakterisierungen, durch die Kunst der Erhellung sozialpsychologischer Zusammenhänge, wie sie die Romane F. M. Dostojewskijs zeigen, durch die Verbindung des umfassenden Gesellschaftsbildes mit anrührenden Einzelschicksalen bei L. N. Tolstoj. Die deutschsprachige Literatur dieser Zeit löste sich nur langsam von den aufklärerischen und romantischen Konzepten. Die Werke der großen realistischen Romanciers (G. Keller, A. Stifter, W. Raabe, T. Fontane) erschienen sämtlich erst nach 1850, in ihrem Mittelpunkt stehen meist individuelle Schicksale, zuweilen auch eine bestimmte Schicht, jedoch fehlen die monumentalen Zyklen, die die Totalität der Gesellschaft zu erfassen suchen.
 
Auch in den USA wirkte das Vorbild der Romantik, v. a. Scott, noch bis zur Jahrhundertmitte nach (N. Hawthorne). Über den spezifisch amerikanischen Stoff hinaus begründete H. Melvilles Meisterwerk »Moby-Dick. ..« (1851) mit seiner vielschichtigen Symbolik die künstlerische Eigenständigkeit des amerikanischen Romans. Andere originäre Linien der Gestaltung gehen von Mark Twains beißend ironischen Werken und von den psychologischen Romanen H. James' aus.
 
In den Literaturen der kleineren europäischen Nationen wurden im Roman - mit unterschiedlichen ästhetischen Konzepten - nationale Stoffe bevorzugt (in Polen u. a. J. I. Kraszewski, in Dänemark J. P. Jacobsen, in Norwegen J. Lie, in Schweden Selma Lagerlöf, in Portugal A. Herculano de Carvalho e Araújo). Eigene Ausprägungen des realistischen Gesellschaftsromans haben die spanische (u. a. B. Pérez Galdós), die portugiesische (J. M. Eça de Queirós) und die polnische Literatur (B. Prus) hervorgebracht; in der italienischen Literatur entstand durch den Verismus G. Vergas eine Variante des naturalistischen Erzählens.
 
Die Romanliteratur, die sich seit etwa 1850 auch in Lateinamerika herausbildete, schöpfte zwar zunächst ihre Anregungen aus europäischen Vorbildern, erhielt aber durch regionale Stoffe und v. a. durch die Einbeziehung der indianischen (»Indigenismus«) beziehungsweise kreolische (»Criollismo«) Kultur ihre Besonderheit (Romane romantischer Tradition von dem Brasilianer J. M. de Alencar und dem Kolumbianer J. Isaacs, realistische Sitten- und Gesellschaftsschilderungen von I. M. Altamirano und R. Delgado aus Mexiko, psychologisierend und ironisch die Romane von J. M. Machado de Assis, nach naturalistischem Konzept die von A. de Azevedo, beide aus Brasilien).
 
Das traditionelle Wirklichkeitsverständnis und seine künstlerische Spiegelung durch Realismus und Naturalismus wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend als fragwürdig empfunden, obwohl gerade um 1900 bedeutende Romane erschienen, die das realistische Konzept fortsetzten (so die Romane des Spaniers V. Blasco Ibáñez, des Dänen H. Pontoppidan, des Amerikaners J. London und T. Manns »Buddenbrooks«, 1901), das zeitversetzt in den verschiedenen Nationalliteraturen bis in die Gegenwart wirksam ist.
 
Die Ästhetik der literarischen Moderne manifestierte sich zwar v. a. in der Lyrik, veränderte aber auch Strukturen und Motive der erzählenden Prosa. Die Romanciers bevorzugten nun häufig den subjektiven, »impressionistischen« Blickwinkel, äußere Handlung, Gesellschaftsanalyse und -kritik treten zugunsten innerer Vorgänge zurück (so bei H. Bang, A. Fogazzaro, T. Hardy); der Kult des Schönen und der Kunst, in üppige sprachliche Bilder umgesetzt, wird ein zentrales Motiv (bei J.-K. Huysmans, O. Wilde und G. D'Annunzio).
 
20. Jahrhundert:
 
Bald nach 1900, mit dem Aufkommen der revolutionären Bewegungen von Expressionismus, Dadaismus und Surrealismus, begann auch das Experiment mit dem Roman; der Bruch mit einer dem Kausalitätsprinzip verpflichteten Auffassung von Wirklichkeit und Sprache führte zu vollkommen neuen Erzähltechniken, zu kunstvollen Beziehungsgefügen zwischen äußerer und innerer Welt. Diese neuen Techniken, für die die (sich teilweise überschneidenden) Begriffe Stream of Consciousness, innerer Monolog, Simultantechnik, Montage stehen, wurden musterhaft umgesetzt bei Virginia Woolf, bei R. M. Rilke, T. Mann, F. Kafka, A. Döblin, R. Musil, H. Broch, v. a. aber bei J. Joyce und M. Proust. Weitere neue Anstöße gingen vom angloamerikanischen Roman des 20. Jahrhunderts aus (T. Wolfe, E. Hemingway, J. Dos Passos und W. Faulkner); diese wurden in Europa und v. a. in Deutschland jedoch zum Teil erst nach dem Zweiten Weltkrieg umfassend rezipiert. Auch die äußerst produktive Entwicklung des lateinamerikanischen Romans erneuerte die Gattung seit 1945 (u. a. M. A. Asturias, A. Carpentier, C. Fuentes, G. García Márquez).
 
Im deutschsprachigen Roman nach 1945, der seine wichtigsten Impulse bis heute immer wieder von der österreichischen und schweizerischen Literatur erfährt, wurden zunächst inhaltliche Aspekte (v. a. die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte) erzähltechnischen Experimenten untergeordnet (H. Böll, W. Koeppen, G. Grass, M. Walser, M. Frisch, U. Johnson, Christa Wolf). Im Gegensatz dazu trat der französische Nouveau Roman gegen jedes konventionelle Erzählen an und stellte die gesamte Tradition infrage.
 
Der Roman der Gegenwart ist die Gattung der unbegrenzten Möglichkeiten. Unter den Bedingungen des literarischen Marktes sind praktisch sämtliche seit dem 19. Jahrhundert erprobten Formen präsent und werden jedem Thema und jedem Stoff angepasst. Der Gegensatz zwischen dem literarisch ambitionierten Roman, der sich meist stark subjektiver und chiffrenhafter Sichtweisen bedient und nur einem kleinen Publikum zugänglich ist, und dem Roman der Trivialliteratur ist in den letzten Jahrzehnten zwar immer größer geworden, doch sind die Grenzen kaum zu fixieren, da das Spiel mit dem Trivialen inzwischen zu den Stilmitteln der Gegenwartsliteratur gehört.
 
 
Der R.-Führer, begr. v. W. Olbrich u. a., bisher 33 Bde. (1-21952 ff.);
 J. Peper: Bewußtseinslagen des Erzählens u. erzählte Wirklichkeiten (Leiden 1964);
 M. Butor: Repertoire, Bd. 2: Probleme des R. (a. d. Frz., 1965);
 F. J. J. Buytendijk: Psychologie des R. (a. d. Niederländ., Salzburg 1966);
 K. Migner: Theorie des modernen R. (1970);
 
R.-Theorien. Dokumentation ihrer Gesch.. .., hg. v. E. Lämmert u. a., 2 Bde. (1-21971-82);
 S. Spencer: Space, time and structure in the modern novel (New York 1971);
 
Dt. R.-Theorien, hg. v. R. Grimm, 2 Bde. (Neuausg. 1974);
 H. Steinecke: R.-Theorie u. R.-Kritik in Dtl., 2 Bde. (1975-76);
 H. Steinecke: R.-Poetik von Goethe bis Thomas Mann. Entwicklungen u. Probleme der »demokrat. Kunstform« in Dtl. (1987);
 V. S. Prickett: The myth makers. Essays on European, Russian and South American novelists (London 1979);
 
Theorie u. Technik des R., hg. v. H. Steinecke (21979);
 W. Theile: Immanente Poetik des R. (1980);
 R. Weber: Der moderne R. (1981);
 
Die Entwicklung des R., hg. v. Z. Konstantinovic (Innsbruck 1982);
 E. Lämmert: Bauformen des Erzählens (81983);
 L. Goldmann: Soziologie des R. (a. d. Frz., Neuausg. 1984);
 P. Waugh: Metafiction (London 1984);
 B. Morrissette: Novel and film (Chicago, Ill., 1985);
 M. M. Bachtin: Unterss. zur Poetik u. Theorie des R. (a. d. Russ., Berlin-Ost 1986);
 P. V. Zima: R. u. Ideologie. Zur Sozialgesch. des modernen R. (1986);
 I. De Lauretis: Technologies of gender. Essays on theory, film, and fiction (Bloomington, Ind., 1987);
 D. LaCapra: History, politics, and the novel (Ithaca, N. Y., 1987);
 B. McHale: Postmodernist fiction (New York 1987);
 F. Moretti: The way of the world. The Bildungsroman in European culture (London 1987);
 D. Wellershoff: Der R. u. die Erfahrbarkeit der Welt (1988);
 J. Vogt: Aspekte erzählender Prosa (71990);
 V. Žmegač: Der europ. R. (a. d. Serbokroat., 21991);
 F. K. Stanzel: Typ. Formen des R. (121993);
 F. K. Stanzel: Theorie des Erzählens (61995);
 G. Lukács: Die Theorie des R. (Neuausg. 1994);
 B. Hillebrand: Theorie des R. Erzählstrategien der Neuzeit (Neuausg. 1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
englische Literatur: Der Roman des 18. Jahrhunderts - Der Mensch zwischen Vernunft, Moral und Begehren
 
englische Literatur: Der viktorianische Roman - Das Individuum zwischen Autonomie und Einsamkeit
 
Roman und kleine Gedichte: Literarische Formen des Hellenismus
 
Roman: Möglichkeiten des Erzählens im modernen Roman
 
Roman sentimental: Subjektivität und Gefühl
 
Stendhal, Balzac, Flaubert: Der Roman als Spiegel der Gesellschaft
 
II
Rọman,
 
Stadt im Kreis Neamţ, im Nordosten Rumäniens, 195 m über dem Meeresspiegel, an der Mündung der Moldawa in den Sereth, 82 600 Einwohner; Röhrenwalzwerk, Werkzeugmaschinenbau, Baustoff- und Nahrungsmittelindustrie; Verkehrsknoten.
 
 
Bischofskirche (1542-50) mit ausgemalter Vorhalle des 16. Jahrhunderts; Muttergotteskirche (1568/69).
 
 
Roman wurde 1392 gegründet.
 
III
Roman
 
['ruːman], Johan Helmich, schwedischer Komponist, * Stockholm 26. 10. 1694, ✝ Gut Haraldsmåla (bei Kalmar) 20. 11. 1758; war Schüler von A. M. Ariosti und J. C. Pepusch in London, wurde 1721 Vizekapellmeister, 1727 Kapellmeister am schwedischen Hof. Nach dem Vorbild G. F. Händels und der englischen Musik komponierte Roman u. a. Sinfonien, Suiten, Konzerte, Sonaten und Kirchenmusikwerke.
 
IV
Roman
 
[engl., dt. Antiqua], eine Bezeichnung für Schriftarten mit Serifen, sie stehen im Gegensatz zu Groteskschriften.

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Ro|man, der; -s, -e [frz. roman < afrz. romanz, eigtl. = in romanischer Volkssprache (nicht in Latein) verfasste Erzählung, zu lat. Romanicus = römisch]: a) <o. Pl.> literarische Gattung erzählender Prosa, in der [in weit ausgesponnenen Zusammenhängen] das Schicksal eines Einzelnen od. einer Gruppe von Menschen (in der Auseinandersetzung mit der Umwelt) geschildert wird: der moderne R.; der R. (die Romandichtung) der Klassik; b) Werk der Gattung ↑Roman (a): ein autobiografischer, utopischer, historischer R.; der R. ist spannend, liest sich leicht, spielt in Italien, spielt im 21. Jahrhundert; der R. ist ursprünglich in Fortsetzungen in einer Zeitung erschienen; einen R. schreiben, lesen; an einem R. schreiben; in einem R. schmökern; sein Erlebnisbericht hört sich an wie ein R. (ist spannend, ungewöhnlich o. Ä.); Ü er erzählte den R. seines Lebens (seine interessante, spannende, außergewöhnliche o. ä. Lebensgeschichte); ihr Leben ist der reinste R. (ist überaus erlebnisreich, ganz außergewöhnlich); ich habe weder Zeit noch Lust, mir immer seine -e (ugs.; übermäßig langen, ausführlichen Schilderungen) anzuhören; statt mir eine kurze Antwort auf meine Frage zu geben, erzählt der mir einen langen/ganzen R. (ugs.; eine übermäßig lange, ausführliche Schilderung); der Lehrer hat mir wieder einen [halben] R. (ugs.; übermäßig lange, ausführliche Stellungnahme) unter meinen Aufsatz geschrieben; erzähl doch keine -e! (ugs.; 1. fasse dich kürzer! 2. bleib bei der Wahrheit! ).

Universal-Lexikon. 2012.