Lazarillo de Tormes
[laθa'riʎo ȓe 'tɔrmes], Titelheld des 1554 anonym erschienenen ersten spanischen Schelmenromans »La vida de L. de T. y de sus fortunas y adversidades«. Der arme Lázaro berichtet in Form einer knappen, fiktiven Autobiographie seinen Lebensweg als Diener vieler Herren vom jugendlichen Blindenführer bis zum »Gipfel seines Glücks«, dem königlichen Amt als Ausrufer und Ehemann der Konkubine eines Erzpriesters. Der Roman nimmt satirisch die Handlungsmuster des zeitgenössischen Ritter- und Schäferromans auf und demaskiert aus der Perspektive des sozialen Außenseiters die Habgier und Heuchelei des Klerus sowie - zum ersten Mal - die Ehrsucht des verarmten Adels. Bereits 1559 auf den Index gesetzt, zirkulierte der »L. de T.« seit 1573 in einer bereinigten Fassung. Das Werk begründete die Gattung des pikaresken Romans und wurde mehrfach fortgesetzt (anonym 1555; von J. de Luna, Paris 1620). Der unbekannt gebliebene Verfasser stammt wohl aus spanisch reformistischen Kreisen. Das 1617 erstmals in deutscher Sprache erschienene Werk beeinflusste den Roman des Barock, u. a. bei J. J. C. von Grimmelshausen.
Ausgaben: La vida de L. de T., herausgegeben von A. Blecua (1972); L. de T., herausgegeben von F. Rico (31981).
Die Geschichte vom Leben des L. von T.. .., herausgegeben und übersetzt von W. Widmer (1963).
H. G. Rötzer: Pícaro, Landstörtzer, Simplicius (1972);
Universal-Lexikon. 2012.