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Dichtung
Erdichtung; Abdichtung; Lyrik; liedhafte Dichtung; Poesie; Literatur; Schrifttum; Text; Schriftgut; Schriften; Schriftwerk

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1Dich|tung ['dɪçtʊŋ], die; -, -en:
1. dichterisches Schaffen, Gesamtheit der sprachlichen Kunstwerke:
die Dichtung des Mittelalters.
Syn.: Literatur, Schrifttum.
Zus.: Arbeiterdichtung, Heldendichtung, Volksdichtung.
2. sprachliches Kunstwerk:
eine epische, antike Dichtung.
  2Dich|tung ['dɪçtʊŋ], die; -, -en:
Schicht aus einem geeigneten Material, die zwischen zwei Teile eines Geräts o. Ä. zur Abdichtung gelegt wird:
die Dichtung am Wasserhahn muss erneuert werden.
Zus.: Filzdichtung, Gummidichtung, Kolbendichtung, Rohrdichtung, Zylinderkopfdichtung.

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Dịch|tung1 〈f. 20
1. Werk eines Dichters, Sprachkunstwerk
2. 〈fig.; umg.〉 Schwindel, Fantasiegebilde
● die \Dichtung der Romantik, der Klassik, des 20. Jahrhunderts; geistliche, weltliche \Dichtung; das ist doch alles reine \Dichtung! 〈fig., umg.〉 das ist doch sicher alles erfunden, das stimmt doch alles nicht! [→ dichten1]
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Dịch|tung2 〈f. 20
I 〈unz.〉 das Undurchlässigmachen (gegen Feuchtigkeit), Verstopfen
II 〈zählb.〉 flaches Zwischenstück an Verbindungsstellen technischer Geräte u. Maschinen zum Abdichten
[→ dicht]

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1Dịch|tung , die; -, -en:
1. <o. Pl.> das Undurchlässigmachen, das Abdichten.
2. Schicht aus einem geeigneten Material, die zwischen zwei Teile eines Geräts o. Ä. zur Abdichtung gelegt wird.
2Dịch|tung , die; -, -en [spätmhd. tihtunge = Diktat, Gedicht]:
1. sprachliches Kunstwerk:
eine lyrische, epische, dramatische D.;
die -en Goethes;
Ü was er da erzählt hat, ist reine D. (ugs.; ist frei erfunden);
sinfonische D. (Musik; [einsätziges] größeres sinfonisches Programmstück mit poetischem Sujet).
2. <o. Pl.> Dichtkunst (1 a, 2).

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I
Dichtung
 
[zu althochdeutsch tihtôn »schriftlich abfassen«, unter dem Einfluss von lateinisch dictare »zur Nachschrift vorsprechen«, »im Vorsagen verfassen«], Begriff, der allgemein die Dichtkunst, konkret das einzelne Sprachkunstwerk bezeichnet. Von den anderen Künsten unterschieden ist die Dichtung durch das Material der Sprache bzw. Schrift, mit der in einem zeitlichen Nacheinander von Einzeleindrücken (anders als in den bildenden Künsten) Klang und Bedeutung zugleich (dies in Abgrenzung zur Musik) übermittelt werden.
 
Der Bedeutungsgehalt des Wortes Dichtung wandelte sich mit dem Gegenstand, den es bezeichnet; wird es heute gebraucht, signalisiert es eine bestimmte Wertung: Es soll eine gesteigerte, höchste Form sprachlichen Gestaltens, das »Sprachkunstwerk«, hervorgehoben werden - gegenüber anderen Formen von Literatur, deren Teil die Dichtung ist. Bis ins 18. Jahrhundert hinein erschien Dichtung als eine nach Regeln und Mustern erlernbare Kunst der Verfertigung poetischer Werke mittels bestimmter Techniken (»ars poetica«). Danach wurde unter dem Einfluss des Umbruchs in der Ästhetik seit der Spätaufklärung das Intuitive, Imaginativ-Schöpferische des dichterischen Vorgangs hervorgehoben: Dichtung schafft eine in sich geschlossene, eigene Welt, die nur vom geistigen Gestaltungswillen des Dichters geprägt ist; als ihre grundlegende Bestimmung und Leistung galt die Veränderung und überhöhende Deutung der Wirklichkeit. Hierin liegt ihre wesentliche Abgrenzung zum umfassenden Begriff der Literatur, zumal der Begriff Dichtung auch Sprachschöpfungen in nicht schriftlicher Form, nämlich die mündlichen Traditionen (v. a. schriftloser Kulturen) umfasst.
 
Ein Sprachkunstwerk wird möglich durch die besondere Form und Funktion, die die Sprache in der Dichtung (gegenüber ihrem alltäglichen Gebrauch) erlangt. In der »gebundenen Sprache« der Poesie erscheint das sprachliche Zeichen nicht nur in den Funktionen der Darstellung (der Wirklichkeit), der Expression (des Sprechers) und des Appells (an den Hörer oder Leser), sondern verweist im Zusammenwirken mit anderen Elementen des Textes zusätzlich auf sich selbst, auf den Charakter eines nach künstlerischen Maßstäben gefügten Ganzen. Mit dieser ästhetischen Funktion des literarischen Werkes entsteht ein Wert, der über den praktischen Verwendungszusammenhang hinausreicht. Zu den verschiedenen Zeiten bestimmten jedoch unterschiedliche Werte die Sprache der Dichtung: Die angestrebten Stilideale reichen von der größtmöglichen Entfernung von der Realität und dem Willen zur Ausprägung einer eigenen Dichtersprache (z. B. im höfischen Mittelalter, in der deutschen Klassik, beim George-Kreis) bis zu möglichst enger Anlehnung an umgangssprachliche Ausdrucksformen und Dialekte (z. B. im Naturalismus und teilweise auch in der zeitgenössischen Literatur).
 
Seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts gelten Lyrik, Epik und Dramatik als die drei Gattungen, die man als »Naturformen« (Goethe) oder »Grundbegriffe« der Dichtung (E. Staiger) ansah, als die Möglichkeiten dichterischen Ausdrucks, des Verhaltens des Dichters zur Welt überhaupt. Jedoch treten keine reinen Verkörperungen, sondern immer nur Mischformen dieser Grundhaltungen auf: lyrische und epische Dramen, dramatische und lyrische Romane und dramatische Lyrik.
 
Erörterungen über ein überzeitliches Wesen der Dichtung sind an ihre jeweilige Zeit gebunden; in ihren Wandlungen markieren sie darum weniger etwas Übergeschichtliches als gerade die Geschichtlichkeit der Dichtung selbst und aller Vorstellungen über sie.
 
Wird Dichtung als Nachahmung verstanden (so in der Poetik des Aristoteles [Mimesis], woran Renaissance, Barock und Aufklärung [J. C. Gottsched] anknüpften), so kann dies erstens die Schilderung der Wirklichkeit, wie sie als tatsächlich wahrgenommen wurde, meinen, etwa nach Art der Malerei (»ut pictura poesis«; Beschreibungsliteratur der Aufklärung, z. B. von B. H. Brockes) oder der Fotografie (so im »konsequenten Realismus« des Naturalismus, z. B. bei A. Holz). Zweitens kann es die Wiedergabe einer »wesenhaften« Wirklichkeit bedeuten, die hinter den äußeren Realitäten als der bloßen Erscheinungsebene liegt, wie sie in der Darstellung ideeller Ordnungen und Werte des Daseins in den symbolischen Schöpfungen der Dichtung von der Antike bis zu Goethe, den Romantikern und dem poetischen Realismus zu finden ist. Drittens kann Nachahmung sich im Sinne der »imitatio« auf mustergültige Werke (der Antike) beziehen, die es zu übertreffen gilt (»aemulatio«).
 
Die Auffassung von Dichtung als Ausdruck des inneren Lebens, also als Selbstdarstellung und Bekenntnis des dichtenden Individuums (Goethes Bezeichnung seiner Dichtung als »große Konfession«) geht auf die Entwicklung der dichterischen Subjektivität im 18. Jahrhundert zurück und setzte sich besonders in Deutschland bei J. G. Herder und im Sturm und Drang durch. Im 19. Jahrhundert wurde dieses Bild von Dichtung (verbunden mit einer objektiveren Sicht) unter dem Einfluss der Naturwissenschaften und der Psychologie durch W. Dilthey (»Das Erlebnis und die Dichtung«, 1906) erneuert. Dichtung wird hier als geistiger Ausdruck eines Individuums oder als Ausdruck der Ideen oder des Stils einer Epoche (oder auch einer Nation - bis hin zu den Vorstellungen einer »völkischen Dichtung«) verstanden. Aus dieser Auffassung von Dichtung entwickelte sich die geistesgeschichtliche Richtung der Literaturwissenschaft.
 
In Fortführung einer von G. W. F. Hegel und Dilthey entwickelten Auffassung, welche die Dichtung ganz in die Nähe der Philosophie rückt, kann Dichtung, v. a. im Hinblick auf ihre gedanklichen Inhalte, auch als Form einer reflektierenden Welt- und Lebensdeutung, als Antwort auf bestimmte Grundprobleme des Daseins begriffen werden. Aber auch die entgegengesetzte Position ist möglich; ihre Vertreter betrachten Dichtung als ein mehr oder weniger zweckfreies Kunstgebilde (eben ein Sprachkunstwerk), für das nicht seelische oder geistige Inhalte, sondern die künstlerische Gestaltung, also Elemente von Form und Stil und der damit verbundene Spielcharakter, das Entscheidende ist. In Weiterwirkung romantischer Ideen und auch in erklärter Frontstellung gegen jegliche Forderung nach Abbildung (»Widerspiegelung«) der Wirklichkeit hat sich diese Auffassung wieder stark verbreitet, sieht sie sich doch in den Bestrebungen des L'art pour l'art und den Sprach- und Formexperimenten des Dadaismus und anderer Formen der abstrakten Dichtung bestätigt.
 
Demgegenüber betonen (und fordern) andere Richtungen seit jeher die Einbindung der Dichtung in die jeweilige soziale Situation, d. h. in politische oder andere praktische Interessen im Dienste einer Idee oder einer Bewegung (»Tendenzdichtung«). Sie weisen darauf hin, dass der gesellschaftliche Charakter der Dichtung immer schon gegeben gewesen sei, z. B. in der religiösen Dichtung des Mittelalters und in der didaktisch-lehrhaften Dichtung der Aufklärung. Auch in später als klassisch empfundenen Zeiten habe sie nie allein ästhetischen Anforderungen genügen wollen, vielmehr seien diese schon immer auch moralische Anliegen mit politischer Intension gewesen: Die antike Tragödie sollte - nach Aristoteles - durch Erregung von Schauder und Jammer, Furcht und Mitleid die Seele reinigen (Katharsis, Tragödie), und Schiller sah in der Schaubühne eine »moralische Anstalt«. Ganze literarische Epochen begriffen sich als Teil eines politischen Auftrages, namentlich im 19. Jahrhundert (Junges Deutschland, Vormärz). Im 20. Jahrhundert schlossen sich dann B. Brechts Lehrstücke sowie die Werke des sozialistischen Realismus und der Dokumentarliteratur an.
 
Aus der Romantik stammt die v. a. von J. Grimm angewandte Unterscheidung zwischen Volksdichtung und Kunstdichtung. In Volksepos (Nibelungenlied), Volkslied und Volksbuch, so meinte er, offenbare sich die Erfahrung einer Gemeinschaft (in welche die zumeist anonymen Dichter zu Recht zurückträten zugunsten einer fortwährenden Umgestaltung der Dichtung durch die lebendige Überlieferung), wohingegen der individuelle Dichter seine Dichtung als bewusste Kunstleistung allein aus sich selbst, als Ausdruck einzig seiner Individualität schaffe.
 
Die Wirkung von Dichtung - Horaz prägte für die vom Dichter anzustrebende Funktion die Formel »aut delectare aut prodesse« (»Vergnügen und Nutzen«) - ist immer abhängig von den Zeitumständen sowie den (wechselnden) Erwartungen und Interessen (und auch Fähigkeiten) des Publikums; so sind die gesellschaftskritischen Inhalte der Dramen der deutschen Klassiker lange Zeit - in einer bestimmten Richtung der Aufführungspraxis - beiseite geschoben worden. Ob Dichtung in einem Kern wesenhaft Bestand hat, der unabhängig bleibt von ihrer (sich wandelnden) Wirkung, ist fraglich.
 
Der Personenkreis, an den sich Dichtung (in geschriebener Form) wenden kann, hat sich nach Erfindung des Buchdrucks und Einführung der allgemeinen Schulpflicht sehr vergrößert. Ob dies aber auch zu einer größeren Breitenwirkung von Dichtung geführt hat, ist unsicher, da anspruchsvolle Literatur - eben Dichtung - schon immer nur mit einem sehr kleinen Kreis von Lesern hat rechnen können. In der Gegenwart dürfte sich diese Situation nach der Ausbreitung der audiovisuellen Medien wohl kaum bessern, da nun das Lesen und mit ihm die schriftliche Form des (Über-)Lebens von Dichtung überaus bedroht zu sein scheint. Dagegen bieten Literaturkassetten - quasi als Rückgriff auf die orale Tradition - eine Alternative, die außerdem den Vorzug hat, durch adäquate Rezitation (richtige Aussprache, Satzmelodie usw.) eine schnellere und meist auch bessere Rezeption von Dichtung zu ermöglichen.
 
Literatur:
 
O. Walzel: Das Wortkunstwerk (1926, Nachdr. 1973);
 O. Walzel: Gehalt u. Gestalt im Kunstwerk des Dichters (1929, Nachdr. 1957);
 B. Allemann: Über das Dichterische (1957);
 H. Seidler: Die D. (21965);
 R. Ingarden: Das literar. Kunstwerk (41972);
 
Lit. und Dichtung. Versuch einer Begriffsbestimmung, hg. v. H. Rüdiger (1973);
 M. Kommerell: Der Dichter als Führer in der dt. Klassik (31982);
 
Funktionen des Fiktiven, hg. v. D. Henrich u. W. Iser (1983);
 E. Staiger: Grundbegriffe der Poetik (Neuausg. 51983);
 W. Dilthey: Das Erlebnis u. die D. (Neuausg. 21991);
 W. Kayser: Das sprachl. Kunstwerk (201992);
 M. Fuhrmann: Die Dichtungstheorie der Antike (Neuausg. 21992);
 K. Hamburger: Die Logik der D. (41994);
 
Das Fischer Lexikon Literatur, hg. v. U. Ricklefs 2 Bde. (1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Antike als Vorbild: Welche Wirkung hat die Dichtung?
 
II
Dichtung,
 
in der Technik Vorrichtung zur Verhinderung des Übertritts von Stoffen gasförmiger, flüssiger oder fester Art durch Fugen. Lagerdichtungen und Wellendichtungen sollen den Schmiermittelaustritt und den Zutritt von Fremdstoffen verhindern. Zum Dichten ruhender Teile werden Berührungsdichtungen als ebene Flachdichtungen aus verschiedenen Dichtungswerkstoffen (Weichdichtungen aus Gummi, Kunststoff, Leder u. a.; Hartdichtungen aus Blei, Kupfer, Aluminium, Weicheisen u. a.) verwendet; die Benennung erfolgt oft nach den abzudichtenden Teilen (z. B. Zylinderkopfdichtung, Gehäusedichtung, Kammerdichtung). Dichtringe zum Abdichten von Kreis- oder Zylinderflächen gegeneinander werden nach Form und Werkstoff unterschieden in Wellringe, Weichstoffringe (oft metallgefasst), O-Ringe sowie Rundgummidichtungen (aus Gummi mit Kreisquerschnitt), Spiralringe, Linsendichtungen u. a. Für das Dichten bewegter Stangen und Wellen benutzt man Berührungsdichtungen wie Stopfbuchsen. Selbstdichtend sind Lippendichtungen oder Zungendichtungen (für axial bewegte Stangen), die das strömende Medium entgegen der Lippenrichtung abdichten (bei spiegelbildlicher Anordnung auch beiderseits dichtend). Radialdichtringe (für drehbewegte Teile) haben Manschetten aus Gummi oder Kunststoff, deren Dichtlippen durch Schlauchfedern radial an die abzudichtende Welle gepresst werden.
 
Gegen Gase und Dämpfe können bei vorhandenem Druckunterschied gegenüber der Atmosphäre Labyrinthdichtungen als berührungsfreie Dichtungen abdichten. Der Druck des Gases setzt sich hier an jedem Spalt beim Durchtritt in Geschwindigkeit um.
 
Zum Zurückhalten von Schmieröl verwendet man bei hochtourigen Wellen auch Spritzringe, die das Öl durch Fliehkraftwirkung abschleudern, oder gegensinnig zu ihrer Drehrichtung auf die Welle aufgeschnittene Rückfördergewinde. Faltenbälge oder Faltenrohre aus Metall können als stopfbuchslose Abdichtungen bei hin- und hergehenden Spindeln kleiner Hubzahl und Hublänge dienen.

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1Dịch|tung, die; -, -en: 1. <o. Pl.> das Undurchlässigmachen, das Abdichten. 2. Schicht aus einem geeigneten Material, die zwischen zwei Teile eines Geräts o. Ä. zur Abdichtung gelegt wird.
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2Dịch|tung, die; -, -en [spätmhd. tihtunge = Diktat, Gedicht]: 1. sprachliches Kunstwerk: eine lyrische, epische, dramatische D.; die -en Goethes; Ü was er da erzählt hat, ist reine D. (ugs.; ist frei erfunden); *sinfonische D. (Musik; [einsätziges] größeres sinfonisches Programmstück mit poetischem Sujet). 2. <o. Pl.> Dichtkunst (1 a, 2).

Universal-Lexikon. 2012.