Goncourt
[gɔ̃'kuːr], Edmond Huot de, französischer Schriftsteller, * Nancy 26. 5. 1822, ✝ Champrosay (heute zu Draveil, Département Essonne) 16. 7. 1896, und sein Bruder Jules Huot de Goncourt, französischer Schriftsteller, * Paris 17. 12. 1830, ✝ ebenda 20. 6. 1870; schrieben ihre Werke meist gemeinsam. Sie widmeten sich früh dem Sammeln von Kunstobjekten und verfassten - auf historisches Quellenmaterial gestützte - biographische, kunst- und kulturhistorische Studien (v. a. über das 18. Jahrhundert, dessen Geist sie sich besonders verbunden fühlten, aber auch z. B. über japanische Kunst, die sie in Europa einem größeren Kreis bekannt machten). Die diese Analysen prägende Grundtendenz übertrugen sie auch auf den Roman; indem dieser Funktionen von Wissenschaft übernahm, wurden die Goncourts zu Wegbereitern des französischen Naturalismus. Durch Schilderungen authentischer Begebenheiten und exaktes Studium bestimmter Personen und Milieus bemühten sie sich um eine minutiöse Dokumentation (englisch document humain) der Wirklichkeit. Dabei ist neben in Bürger- und Künstlerkreisen spielenden Romanen die Literarisierung des Abstoßenden sowie proletarischen Milieus und das Interesse für pathologische Zustände charakteristisch. Mit ihrem nuancenreichen, auf die Wiedergabe augenblickhafter Eindrücke und flüchtiger Details gerichteten Stil gehörten sie dem literarischen Impressionismus an. - Ihr 1851 begonnenes, nach J. de Goncourts Tod 1870 von E. de Goncourt allein weitergeführtes »Journal« ist - über seinen biographischen Wert hinaus - ein für das geistige und im engeren Sinn literarische Leben Frankreichs ein Dokument von hohem zeit- und kulturhistorischem Interesse. Die von E. de Goncourt testamentarisch begründete Académie Goncourt, die 1903 erstmals zusammentrat, vergibt jährlich den Prix Goncourt. Sie besteht aus zehn Schriftstellern, die nicht der Académie française angehören dürfen, und wurde zur Herausgabe der umfangreichen Tagebücher der Brüder und zur Förderung junger begabter Autoren eingesetzt.
Werke: Studien: Portraits intimes du XVIIIe siècle, 3 Bände (1856-58; deutsch Künstlerköpfe); L'art du XVIIIe siècle, 12 Teile (1859-75; deutsch Die Kunst des 18. Jahrhunderts); Les hommes de lettre (1860); Les maîtresses de Louis XV, 2 Bände (1860); La femme au XVIIIe siècle (1862; deutsch Die Frau im 18. Jahrhundert); L'amour au XVIIIe siècle (1875); L'art japonais du XVIIIe siècle, 2 Bände (1891-96).
Romane (von E. und J. de Goncourt gemeinsam): Sœur Philomène (1861); Germinie Lacerteux (1864; deutsch); Renée Mauperin (1864; deutsch); Manette Salomon, 2 Bände (1867); Madame Gervaisais (1869).
Romane (von E. de Goncourt allein): La fille Élisa (1876; deutsch Elisa. Roman einer Verlorenen; auch unter dem Titel Die Dirne Elisa); Les frères Zemganno (1879; deutsch Die Brüder Zemganno); La Faustin (1881; deutsch Juliette Faustin).
Tagebuch: Journal. Mémoires de la vie littéraire, 9 Bände (1872-96; unvollständig).
Ausgaben: Œuvres complètes, 45 Bände (1854-1934, Nachdruck 1985-86); Journal. Mémoires de la vie littéraire, herausgegeben von R. Ricatte u. a., 22 Bände (1956-58).
A. Billy: Les frères G. La vie littéraire à Paris pendant la seconde moitié du 19e siècle (Paris 1954);
E. Caramaschi: Le réalisme romanesque des G. (Pisa 1964);
W. Bannour: E. et J. de G. ou le génie androgyne (Paris 1985);
M. Caffier: Les frères G. (Nancy 1994).
Universal-Lexikon. 2012.