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Manzoni
Manzoni,
 
1) Alessandro, italienischer Dichter, * Mailand 7. 3. 1785, ✝ ebenda 22. 5. 1873; aus aristokratischer Familie, streng religiös erzogen (u. a. Klosterschule in Mailand), lebte 1805-10 bei seiner Mutter in Paris, wo er intensive Anregungen aus dem Erbe der Aufklärung erhielt und durch den Historiker und Kritiker C.-C. Fauriel mit dem Werk Shakespeares bekannt gemacht wurde. 1808 heiratete Manzoni die Genfer Kalvinistin Henriette Blondel (* 1792, ✝ 1833), die 1810 konvertierte und auch seine Rückwendung zum katholischen Glauben mitbeeinflusste. Die damit einsetzende religiöse Bindung bestimmte von nun an sein Leben und Werk. Seit 1810 lebte er wieder in Italien (meist in Mailand); 1860 wurde er zum Senator ernannt.
 
Manzoni begann als Verehrer V. Montis mit klassizistischen Gedichten; 1812 wandte er sich ganz der romantischen Richtung zu, deren Hauptvertreter er in Italien wurde. Seine tiefe Religiosität zeigt sich in den »Inni sacri« (1815-22; deutsch »Heilige Hymnen«), fünf Hymnen auf die wichtigsten Feste des christlichen Jahres, die Teilnahme am Zeitgeschehen in der großen Ode auf den Tod Napoleons (»Il cinque maggio«, 1822; deutsch »Der fünfte Mai«, von Goethe übersetzt). Mit den lyrischen Trauerspielen »Il conte di Carmagnola« (1820; deutsch »Der Graf von Carmagnola« und »Adelchi« (1822; deutsch »Adelgis«) durchbrach er das klassizistische Konzept französischer Prägung und gab der romantischen Dramentheorie poetische Gestalt.
 
Durch W. Scott wurde Manzoni zu seinem Meisterwerk angeregt, dem Roman »I promessi sposi« (begonnen 1821, vollendet 1823 unter dem Titel »Fermo e Lucia«, Neufassung abgeschlossen 1825, veröffentlicht 1827 in 3 Bänden; deutsch »Die Verlobten«), einem der Höhepunkte der italienischen Literatur überhaupt. Er schildert die äußeren und inneren Hindernisse, die das junge lombardische Bauernpaar Lucia und Renzo vor seiner Heirat überwinden muss. Den Hintergrund bildet die spanische Fremdherrschaft im 17. Jahrhundert. Der Roman, der Goethe begeisterte und die europäische Prosafiktion der Folgezeit wesentlich beeinflusste, gewinnt seinen Reiz und seine Spannung aus der engen Verflechtung der Einzelschicksale mit dem historischen Geschehen: Willkür der Mächtigen, Hungerrevolten und schließlich die Pest in Mailand. Die aus christlichem Weltverständnis entwickelte Handlung ist reich an realistischen Detailszenen, die Schauplätze sind topographisch genau beschrieben. Der versöhnliche Schluss weist nicht in eine Idylle, sondern in den Alltag menschlichen Zusammenlebens. 1840-42 erschien die von Lombardismen und Gallizismen befreite rein toskanische Fassung des Textes in 54 Faszikeln. Die Entscheidung für das gesprochene Florentinisch als gemeinitalienische Schriftsprache (Questione della Lingua) ist über das Ästhetische hinaus Ausdruck von Manzonis politischem Eintreten für die italienische Einigungsbewegung.
 
Ausgaben: Opere. Edizione nazionale, 5 Teile (1942-61); Tutte le opere, herausgegeben von A. Chiari und anderen, auf mehrere Bände berechnet (1-51957 folgende); Tutte le lettere, herausgegeben von C. Arieti, 3 Bände (1986).
 
Werke, herausgegeben von H. Bahr und anderen, 4 Bände (1923).
 
Literatur:
 
Bibliografia manzoniana. 1949-1973, hg. v. S. Brusamolino Isella u. S. Usuelli Castellani (Mailand 1974);
 A. Cottignoli: M. fra i critici dell'Ottocento (Bologna 1978);
 G. Barberi Squarotti: Il romanzo contro la storia. Studi sui »Promessi sposi« (Mailand 1980);
 L. Bottoni: Drammaturgia romantica, Bd. 2: Il sistema letterario manzoniano (Pisa 1984);
 B. S. Chandler u. a.: A. M. Rassegna bibliografica essenziale 1980-1985, in: Rivista di Studi Italiani, Jg. 3, H. 2 (Toronto 1985);
 M. Sansone: L'opera poetica di A. M. (Neuausg. Mailand 1986);
 
M. vivo, hg. v. S. Blasucci (Bari 1987);
 A. Marchese: Guida alla lettura di M. (Mailand 1987);
 N. Ginzburg: Die Familie M. (a. d. Ital., 1988);
 H. Blank: Goethe u. M. Weimar u. Mailand (1988);
 H. Blank: M.s Napoleon-Ode in dt. Übersetzungen (1995);
 A. Stefenelli: Der Wortschatz von A. M. in den »Promessi sposi« (1996).
 
 2) Giacomo, italienischer Komponist, * Mailand 26. 9. 1932; war 1958-66 Musikkritiker der Tageszeitung »L'Unità«, 1962-64 und erneut ab 1975 Dozent am Konservatorium in Mailand, 1965-74 in Bologna und übernahm 1988 eine Meisterklasse für Komposition an der Scuola di Musica in Fiesole. Von freier Atonalität ausgehend, bezog er seit 1954 Zwölftontechnik ein. Sein kompositorisches Schaffen ist geprägt von der Auseinandersetzung mit den musikästhetischen Schriften T. W. Adornos; komponierte die Opern »La sentenza« (1960), »Atomtod« (1965), »Per Massimiliano Robespierre« (1975), »Dr. Faustus« (1989, nach T. Mann) sowie Orchester- und Kammermusik, Vokalwerke und elektronische Musik.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
italienische Literatur: Dichtung und Risorgimento - Foscolo, Manzoni, Leopardi
 
 3) Piero, italienischer Maler und bildender Künstler, * Soncino (Provinz Cremona) 13. 7. 1933, ✝ Mailand 6. 2. 1963; wurde nach informellen Anfängen seit 1957 durch seine »Achromes« (farblose Bilder; mit Kaolin geschlämmte, auch rohe Leinwand, später weißes Material wie Watte, Glaswolle), »Linien« (ab 1960) auf bis über 7 000 m langen Papierrollen, Luftkörper (ab 1961) u. a. bekannt, in denen er die Unendlichkeit des Raumes ansprach. 1962 initiierte er das »Podest der Welt« im Park von Herning. Er sah in seinen Kunstwerken die Freiheit der Kunst gespiegelt; was Kunst sei, werde vom Künstler gesetzt.
 
Literatur:
 
P. M. Catalogo generale, bearb. v. G. Celant (Mailand 1975);
 
P. M. Arbeiten von 1957-1961, Ausst.-Kat. (1981).

Universal-Lexikon. 2012.