Aristoteles,
griechisch Aristotẹles, genannt der Stagirịt, griechischer Philosoph, * Stagira (östliche Chalkidike) 384 v. Chr., ✝ bei Chalkis (auf Euböa) 322 v. Chr.; sein Vater Nikomachos war Leibarzt des makedonischen Königs Amyntas III. (II?). Von 367 bis zu Platons Tod (348/347) gehörte Aristoteles zu Platons Akademie. Unter dem Druck antimakedonischer Politik musste er Athen verlassen, begab sich auf Einladung seines Studienfreundes Hermias nach Assos (Kleinasien), 345/344 nach Mytilene und wurde 343/342 von Philipp II. als Erzieher seines Sohnes Alexander an den makedonischen Hof berufen. Die veränderten politischen Verhältnisse ab 338 erlaubten die Rückkehr nach Athen (335/334). Dort gründete Aristoteles die »Peripatetische Schule«, so genannt nach den Wandelgängen (griechisch peripatos), die den Schauplatz seines Wirkens im Lykeion (benannt nach dem Hain des Apollon Lykeios) darstellten. Nach dem Tod Alexanders des Großen (323) musste Aristoteles 322 nach Chalkis fliehen und starb bald darauf. Überliefert ist sein Testament, das eine liebevolle Sorge für die Hinterbliebenen zeigt: für Pythias, seine Tochter aus der Ehe mit Pythias, der Nichte (?) des Hermias, für seinen Adoptivsohn Nikanor, seinen Sohn Nikomachos aus der späteren Verbindung mit Herpyllis sowie für diese.
Das hinterlassene Schriftwerk umfasst die Gebiete der Logik und Erkenntnistheorie, der Naturphilosophie, der Metaphysik, der Ethik, Politik, Rhetorik und Kunsttheorie. Bahnbrechend war die Ausbildung der formalen Logik sowie einzelwissenschaftlicher Methoden, die zur Aufteilung der Philosophie in Disziplinen führte, sowie der empirischen Forschung mit Materialsammlung und -auswertung. Bedeutsam ist auch die Schöpfung einer rein wissenschaftlichen Prosa, die sachlich, nüchtern und knapp ist und, wo nötig, neue Worte prägt. Die (verloren gegangenen) exoterischen Schriften: »Protreptikus« (Ermahnende Rede), »Über die Ideen«, »Über die Philosophie«, »Über das Gute«, wie eine Reihe anderer in Dialogform, fallen wohl in Aristoteles' frühe Periode, die Zeit der Zugehörigkeit zu Platons Akademie. Dagegen gehören die esoterischen Schriften (Lehrschriften, Pragmatien; in der folgenden Aufzählung mit den gängigen Abkürzungen) als Vorlesungsskripten meist der späteren Periode, der Tätigkeit im Lykeion, an. Ihre Sammlung, Einteilung und Herausgabe erfolgte durch den Peripatetiker Andronikos von Rhodos (1. Jahrhundert v. Chr.). 1) Logische Schriften, in der Antike unter dem Titel »Organon«, (methodisches) Instrument (für die Wissenschaften), zusammengefasst: »Categoriae« (Kategorien; Cat.), »De interpretatione« (Über die Aussage; De interpretatione), »Analytica priora« (Erste Analytik; Anal. pr.), »Analytica posteriora« (Zweite Analytik; Anal. post.), »Topica« (Topik; Top.) mit den »Sophistici elenchi« (sophistische Widerlegungen; Soph. el.). - 2) Naturphilosophische Schriften: u. a. »Physica« (Physik; Phys.), »De anima« (Über die Seele; De an.), »Parva naturalia« (Kleine naturphilosophische Schriften; Parv. nat.), »De generatione et corruptione« (Über Entstehen und Vergehen; De gen. et corr.), »De caelo« (Über den Himmel), »Meteorologica« (Meteorologie; Meteor.), »De generatione animalium« (Über die Entstehung der Lebewesen; De gen. anim.), »De partibus animalium« (Über die Teile der Lebewesen; De part. anim.). - 3) Erste Philosophie, vom antiken Herausgeber »ta meta ta physika« (Metaphysik, Abhandlungen nach der Physik; Met.) benannt; ursprünglich eine bibliothekarische Bezeichnung, die aber dann auch sachliche Bedeutung hat: was methodisch »nach den physischen Schriften« behandelt wird, ist ihnen der Sache nach als »Metaphysik« vorgeordnet, »nach« also im Sinn von »hinter« oder »über« den Naturdingen (Metaphysik). - 4) Ethische und politische Schriften: »Ethica Eudemea« (Eudemische Ethik; EE), »Magna Moralia« (Große Ethik; MM), »Ethica Nicomachea« (Nikomachische Ethik; EN), »Politica« (Politik; Pol.), »Rhetorica« (Rhetorik; Rhet.). - 5) Kunsttheorie: »De arte poetica« (Über die Dichtkunst; Poet.). - Die heutigen Werkausgaben folgen in der Regel der Paginierung in der Werkausgabe durch die Berliner Akademie 1831-70.
Den Ausgangspunkt für alle Erkenntnis wie auch für seine eigene Philosophie sieht Aristoteles im empirisch gegebenen Seienden, das in kategorialer Vielheit vorliegt. Aristoteles teilt es - entsprechend den verschiedenen »Aussage«-Weisen des »Ist« in zehn Kategorien ein: Substanz, Quantitatives, Qualitatives, Relatives, das Wo, Wann, Liegen, Sichverhalten, Tun, Leiden (Cat. 4, 1 b 25-27). Nach der ersten Kategorie ist jedes Ding, an dem sich die Eigenschaften nach den übrigen Kategorien (symbebekota »Akzidenzien«) finden, Substanz (usia). Unter individuellem und allgemeinem Aspekt spricht Aristoteles von »erster« (z. B. ein bestimmter Mensch) und »zweiter« (Art und Gattung der »ersten« Substanz, z. B. Mensch, Lebewesen) Substanz. In der Erkenntnis stellt sich dem erkennenden Subjekt der reale Sachverhalt dar. Sprachliche Aussage und Schrift sind »Zeichen«, »Symbole« für die Bedeutung des Erkenntnisinhaltes im Subjekt (De interpretatione 1). Wahrheit und Falschheit liegen im Urteil. Die Urteile beziehungsweise Aussagen teilt Aristoteles in bejahende und verneinende sowie in allgemeine (wenn etwas jedem oder keinem zukommt), partikuläre (wenn etwas irgendeinem oder nicht, aber nicht jedem zukommt) und unbestimmte und legt für jede Aussagenart die kontradiktorischen und konträren Gegensätze fest. Der Erkenntniserwerb vollzieht sich stufenweise vom sinnlich Wahrgenommenen (dem »für uns Bekannteren«) über Erinnerung, Vorstellung und Erfahrung (empeiria) zum begrifflich Intelligiblen (das heißt durch Vernunft Einsehbaren; dem »von Natur« beziehungsweise »an sich Bekannteren«) zur Wissenschaft (episteme). Auf jeder höheren Stufe erreicht die Erkenntnis eine höhere Einheit. Hierbei ist »das Einheitstiftende die Vernunft« (nus; De an. III 6, 430 b 5). Den Weg vom Einzelnen zum Allgemeinen beziehungsweise vom Sinnlichen zum Intelligiblen bezeichnet Aristoteles als Induktion (epagoge). Zugrunde liegt die Leistung der Vernunft, das Intelligible aus dem Sinnlichen zu »abstrahieren«.
Hauptziel der »Ersten Analytik« und »Zweiten Analytik« ist der Nachweis von sprachlichen Gesetzmäßigkeiten, die den Ansprüchen wissenschaftlicher Erkenntnis genügen. Aristoteles entwickelt die Lehre vom beweisenden Schluss (Syllogismus) mit ihren Grundbegriffen: Figur, Modus, Obersatz, Mittelsatz, Untersatz. Der formale Syllogismus ist definiert als »eine Rede, in der durch Annahme gewisser Prämissen etwas vom Angenommenen Verschiedenes mit Notwendigkeit folgt aufgrund davon, dass jenes ist« (Anal. Analytica priora I 1, 24 b 19). Die Syllogistik entfaltet Aristoteles nach ihren immanenten logischen Gesetzen. Das syllogistische Verfahren besteht darin, von zwei Prämissen (z. B. »für alle A gilt B « und »für alle B gilt C «) auf eine Konklusion der gleichen Form (»für alle A gilt C «) zu schließen. Beispiel: aus »alle Menschen (A ) sind Lebewesen (B )« und »alle Lebewesen sind sterblich (C )« folgt »alle Menschen sind sterblich«. Diese syllogistische Figur ist wegen der »natürlichen« Stellung des Mittelsatzes zwischen den extremen (dem »größeren« Obersatz A und dem »kleineren« Untersatz C ) vollkommen und allein dem wissenschaftlichen Beweis angemessen. Ein Syllogismus wird »apodiktisch« genannt, wenn seine obersten Prämissen wahr sind und er daher zur logischen Ableitung wahrer Aussagen einer Wissenschaft aus obersten, ihrerseits nicht mehr ableitbaren Prinzipien taugt, »dialektisch«, wenn sich über die Geltung der Prämissen nichts Sicheres ausmachen lässt.
Wissenschaftliche Erkenntnis definiert Aristoteles als das Verstehen eines Sachverhaltes aus seiner Ursache, »dass er sich nicht anders verhalten kann« (Anal. Analytica posteriora I 2), das heißt notwendig ist. Der wissenschaftliche (apodiktische) Beweis schließt in der Konklusion auf einen Sachverhalt (z. B. warum am Mond das Phänomen der Finsternis vorkommt) aus seiner Ursache (»Zwischenstellung der Erde« zwischen Mond und Sonne, ebenda II 1, 2), die der Mittelsatz in den Prämissen enthält. Als Kriterium für die Notwendigkeit der Prämissen, die definitorische Aussagen sind (z. B., dass der Mond Trabant der Erde ist und dass Finsternis ein Lichtausfall durch Verdeckung der Lichtquelle ist), führt Aristoteles die Allgemeinheit der Prädikate an, das heißt, dass sie jeder Instanz des Subjekts »an sich« und »als solcher« zukommen (I 4-6). Das Subjekt jeder Wissenschaft fällt in eine bestimmte Gattung des Wirklichen. Daher geht jede Wissenschaft von den ihrer Gattung jeweils »eigenen Prämissen« aus (I 2, 9-10). Der Übergang von einer Wissenschaftsgattung in eine andere ist in der Beweisführung nicht statthaft. Alle Wissenschaften verwenden aber als »gemeinsame Prämissen« die Axiome der Kontradiktion (Principium Contradictionis) und des ausgeschlossenen Dritten (I 2, 10; Principium exclusi Tertii).
Aristoteles' »Physica« handeln von den Naturdingen, sofern sie (per definitionem) »das Prinzip der Bewegung in sich haben«, und erschließen vier (je zwei komplementär zusammengehörende) Ursachen: die Stoff- und die Formursache, die sich zueinander wie das bestimmbare und das bestimmende Prinzip beziehungsweise wie das Potenz- und das Aktprinzip (Akt) verhalten, ferner die Bewegungs- und die Zweckursache, die sich auf Anfang und Ziel jeder Bewegung beziehen. Der Stoff (hyle; Materie) ist von unbestimmter (bestimmbarer), potenzieller Natur und an sich unerkennbar.
Die Bewegung (kinesis) wird definiert als »Aktualität des Potenziellen als solchem«, das heißt sofern dieses noch nicht in seiner vollen Aktualität (energeia) beziehungsweise Vollendung (entelecheia), sondern auf dem Weg dazu ist (Physik III 1-3). - Die Zeit ist das Maß der Bewegung bei dem Bewegten, zu dem Aristoteles nicht nur alles Körperliche, sondern auch das Seelische rechnet. Die Arten der Bewegung sind die substanzielle Entstehung, die quantitative Vermehrung und Verminderung, die qualitative Veränderung und die räumliche Bewegung. Bewegung vollzieht sich jeweils zwischen zwei Gegensätzen (von denen der eine die Privation ist) und setzt als Drittes ein »zugrunde Liegendes« (hypokeimenon) voraus, woran sie sich vollzieht. Dieses ist für die eigenschaftlichen Veränderungen und Bewegungen das Subjekt oder Ding, für die Entstehung des Dinges selbst hingegen (die von der Privation zum »Habitus« der Form führt) das stoffliche Substrat.
Aristoteles unterscheidet zwischen dem spezifischen (komplexen) Stoff eines Dinges (z. B. Holz, Fleisch) und den einfachen Naturelementen (Element), aus denen er aufgebaut ist und in die er zerlegbar ist: Erde, Wasser, Luft und Feuer. In dieser Anordnung bilden sie auch den Kosmos unterhalb des Mondes mit der Erde im Zentrum und dem Feuer an der Peripherie (unterhalb der »Himmelssphären«) sowie mit den Meeren und der Luftatmosphäre dazwischen. Hinzu kommt als fünftes Element der Äther, der Stoff der Himmelssphären (mit den Himmelskörpern), den Aristoteles als reinen Bewegungsstoff erschließt. Die vier erstgenannten Elemente verwandeln sich ineinander in der angegebenen Reihenfolge. Da das Feuer (und noch mehr der Äther) leichter, beweglicher und formloser ist als die übrigen Elemente, endet die Analyse der Stoffe bei ihm als »erstem Stoff« (»erster Materie«, Met. IX 7, 1049 a 25-27).
Im Rückgang zu den ersten Bewegungsursachen führt eine Reihe von Beweisargumenten zunächst zu den immanenten in den Lebewesen. Diese müssen aus einem bewegten (dem Leib) und einem unbewegten, bewegenden Prinzip (der Seele) bestehen. Da dieses noch akzidentell (im bewegten Leib) bewegt ist, wird schließlich ein erstes Prinzip erschlossen, ein (physisch) absolut unbewegtes Bewegendes; dieses ist als die Seele des ersten Fixsternhimmels zu interpretieren, nicht als die in Buch XII der »Metaphysik« beschriebene erste göttliche Substanz.
Die Naturphilosophie schließt ab mit der Schrift »De anima«, die Aristoteles' Psychologie enthält. Sie definiert die Seele als die »Form(ursache)« beziehungsweise als »erste Entelechie«, das heißt Prinzip des Wirklichseins des »organischen Leibes, der nur potenziell Leben hat«. Als solche ist sie Lebensprinzip in den Lebewesen (De an. II 1, 2). Aus den verschiedenen Tätigkeiten der Seele werden ihre Vermögen erschlossen: das vegetative (für Stoffwechsel und Fortpflanzung), das sensitive und das intellektive, die sich alle drei im Menschen finden, während die Pflanzen nur das erste, die Tiere das erste und zweite Vermögen haben. Damit die Vernunft von potenzieller zu aktueller Erkenntnis ihrer (intelligiblen) Objekte übergehen kann, muss in ihr ein aktiv wirkendes und ein passives Prinzip sein. Das Letztere ist vergänglich, das Erstere unvergänglich, »immer in Akt« und an kein Körperorgan gebunden (III 4/5).
Als »Weisheit« oder »Erste Philosophie« hat die Metaphysik zum Gegenstand »das Seiende als Seiendes« (»to on he on«), das heißt alle Erfahrungsdinge, insofern sie sind. Sie betrachtet somit das, was jede Einzelwissenschaft (ja alle Erkenntnis) voraussetzt, nämlich das Sein (Dasein, Wassein) der Dinge. Von ihm aus geht die Metaphysik auf »die ersten Ursachen alles Seienden« zurück (Met. I 1, 2). Als solche erweisen sich die den Einzeldingen (Substanzen) immanenten Stoff- und Formursachen, mit diesen auch die Bewegungs- und Zweckursachen. Die Wesenheit (usia; Wesen), die sich in der Formursache vollendet, wird in der Definition (durch Gattung und spezifische Differenzen) »umgrenzt« (VII 4-12). Schließlich führt die Untersuchung zu einer ersten, alles Seiende umfassenden Ursache: zu einer »immateriellen«, »unbewegten Substanz(art)«, und hier zu einer ersten (einzigen) Substanz, einem ersten »(Seins-)Prinzip, dessen Wesenheit (reine) Aktualität ist« (1071 b 20) und von dem der Himmel und die Natur abhängen (b 14). Diese erste Substanz muss reine Vernunftaktualität und mit »dem Gott« identisch sein, dem vollkommenes, ewiges Leben eigen ist (b 15-30). Seine Erkenntnis ist zugleich Selbsterkenntnis (noeseos noesis »der Erkenntnis Erkenntnis«; XII 9, 1074 b 34). - Unmittelbar bewegt werden von ihm als ihrem transzendenten Zweck (»jenes bewegt wie ein Geliebtes«, XII 7, 1072 b 3) immaterielle Substanzen, die so genannten »unbewegten Beweger« (XII 8), Vernunftwesen, die ihrerseits als seelische Zweckprinzipien der Himmelssphären die Himmelsbewegungen verursachen.
Kritik übt Aristoteles an Platons Ideenlehre mit ihrer Abtrennung (chorismos) der Wesenheiten von den Erfahrungsdingen. Aristoteles setzt dagegen die Wesenheit in den Einzeldingen selbst an (als ihr »So-Sein«, »to ti en einai«, VII 4-6).
Ethik und Politik
Aristoteles führt die »Ethica Nicomachea« (EN; ebenso die »Politica«) als »praktische Wissenschaften« ein, deren Ziel nicht Theorie (Wissen um des Wissens willen), sondern Praxis ist. Die EN untersucht den letzten Zweck (telos), an dem sich das menschliche Handeln ausrichten muss, das »menschliche«, »praktische Gute«, die »Glückseligkeit« (eudaimonia; I 1, 2). Diese besteht in der »Aktualität« (energeia: »Im-Werk-Sein, Tätigkeit«) der Seele gemäß ihrer besten und vollendetsten Tugend (arete). Die »ethischen Tugenden«, das heißt die Tugenden, die durch »Gewöhnung« erworben werden, definiert Aristoteles als »vorsätzliche Haltung, welche die Mitte hält in Bezug auf uns« (II 6) zwischen extremen Affektzuständen. Der Vorsatz (prohairesis, in der doppelten Bedeutung als Wahl und Entscheidung) ist das »Prinzip der Handlung«. In ihm wirken Vernunftüberlegung und Streben - sowohl das sinnliche als auch das geistige, der Wille - zusammen. Ihre Übereinstimmung wird als »praktische Wahrheit« bezeichnet (VI 2). Die »dianoetischen« oder Vernunfttugenden sind als praktische und theoretische Haltungen Klugheit (phronesis) und Weisheit (sophia), die sich zur philosophischen Ethik und zur Metaphysik ausbilden können (VI 5, 7). Die Überlegung der Klugheit erwägt die richtigen Mittel zu den Zwecken; die Zwecke werden mithilfe der Vernunft, auch verstanden als intuitives Vermögen, die Prinzipien zu erfassen, erkannt. Wissen über Zwecke und Mittel ist notwendig, da Freiheit von Unwissenheit und von Zwang Bedingungen des Vorsatzes sind. Die allgemeine Bestimmung der Glückseligkeit wird in Buch X (6-8) präzisiert: Sie liegt in der Aktualität der Vernunft-»Tugenden«, und zwar vollendet in der kontemplativen Tätigkeit (theoria), der Weisheit, weniger vollendet in der praktisch ausgerichteten Klugheit.
Die »Politica« gehen von der Definition des Staates als höchster Form menschlicher Gemeinschaft aus, deren Zweck das Gemeinwohl ist. Dieses liegt im sittlich guten, glückseligen Leben aller Menschen im Staat (verbunden mit seiner Autarkie nach außen hin; I 1, 2). Der Staat entsteht nicht rein durch Vertrag, sondern auch »von Natur«, das heißt, er gründet in der Natur des Menschen, der ein »staatenbildendes Lebewesen« (zoon politikon) und ein vernunftbegabtes Lebewesen ist (zoon logon echon), fähig zur Sprache (logos, im Griechischen auch Vernunft). In der besten Verfassung decken sich der gute Bürger und der sittlich gute Mensch; es regieren die hinsichtlich politischer und sittlicher Einsicht Besten. Aristoteles strebt jedoch nicht wie Platon danach, einen Idealstaat aufzustellen, sondern untersucht in praktischer Absicht, wie man vorhandene, minder gute Verfassungen verbessern und auch bei ungünstigen Verhältnissen noch relativ gute Verfassungen einrichten kann. Er unterschied nach Art der Regierung bei einer gerechten Verfassung: Monarchie, Aristokratie, Politie (Bürgerstaat), bei einer ungerechten Verfassung: Tyrannis, Oligarchie (Plutokratie), Demokratie. Verfassungsgeschichtlich von Bedeutung wurden seine Unterscheidung zwischen gemischten und ungemischten Verfassungen (III) sowie seine Einteilung dreier Staatsorgane: das »beratende«, das »ausführende«, das »rechtsprechende« (IV 14, 15).
Zu Aristoteles' Kunsttheorie Poetik.
Ausgaben: Aristoteles' Opera, herausgegeben von I. Bekker, 5 Bände (1831-70, Nachdruck 1-21961-70); Aristotle, herausgegeben von W. D. Ross u. a., 14 Bände (1894-1965); Aristoteles' Werke in deutscher Übersetzung, begründet von E. Grumach, herausgegeben von H. Flashar, auf 20 Bände berechnet (1966 folgende); Aristoteles Graecus. Die griechischen Manuskripte des Aristoteles, herausgegeben von P. Moraux u. a., auf 4 Bände berechnet (1976 folgende).
Bibliographien:
H. Bonitz: Index Aristotelicus (Graz 21955);
G. Rohde: Bibliogr. der dt. A.-Übers. Vom Beginn des Buchdrucks bis 1964 (1967);
F. E. Cranz: A bibliography of Aristotle editions 1501-1600 (1971).
E. Zeller: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtl. Entwicklung, Tl. 2, Abteilung 2 (Nachdr. 1963);
U. von Wilamowitz-Moellendorff: A. u. Athen, 2 Bde. (21966);
I. Düring: A. Darst. u. Interpretation seines Denkens (1966; mit Bibliogr.);
W. W. Jaeger: A., Grundlegung einer Gesch. seiner Entwicklung (31967);
W. D. Ross: Aristotle (Neuausg. London 1968);
H. Bonitz: Aristotel. Studien (Nachdr. 1969);
E. R. Sandvoss: A. (1981; mit Bibliogr.);
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Aristoteles: Das Streben nach Wissen
Universal-Lexikon. 2012.