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Libanon
Zedernrepublik

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1Li|ba|non; -s, (auch:) der; -[s]:
Staat im Vorderen Orient.
2Li|ba|non, der; -[s]:
Gebirge im Vorderen Orient.

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Libanon,
 
 
Kurzinformation:
 
Fläche: 10 452 km2
 
Einwohner: (2000) 3,3 Mio.
 
Hauptstadt: Beirut
 
Amtssprache: Arabisch
 
Nationalfeiertag: 22. 11.
 
Währung: 1 Libanesischer Pfund (L£) = 100 Piastres (P. Libanon)
 
Zeitzone: Beirut 1300 = 1200 MEZ
 
amtlich arabisch Al-Djumhurijja al-Lubnanijja, [-dʒʊm-], deutsch Libanesische Republik, Staat an der Ostküste des Mittelmeeres in Vorderasien, mit 10 452 km2 kleiner als Schleswig-Holstein, (2000) 3,3 Mio. Einwohner. Hauptstadt ist Beirut, Amtssprache Arabisch; Währungseinheit: 1 Libanesischer Pfund (L£) = 100 Piastres (P. L.). Zeitzone: Osteuropische Zeit (Beirut 1300 = 1200 MEZ).
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Die Verfassung vom 23. 5. 1926 (mehrfach geändert, zuletzt 1999) bestimmt Libanon als parlamentarische Republik, deren Regierungssystem auf einer Verteilung der Funktionen im Staat unter den religösen Gruppierungen basiert. Staatspräsident soll stets ein maronitischer Christ, Ministerpräsident ein sunnitischer Muslim und Parlamentspräsident ein Schiit sein. Staatsoberhaupt ist der vom Parlament auf sechs Jahre gewählte Präs (unmittelbare Wiederwahl nicht möglich). Die Exekutive liegt bei der Regierung unter Vorsitz des vom Präsidenten ernannten Ministerpräsidenten. Alle Entscheidungen des Präsidenten bedürfen der Zustimmung des Kabinetts, das dem Parlament verantwortlich ist und in seiner personellen Zusammensetzung die religiös-konfessionellen Verhältnisse widerspiegeln soll. Trägerin der Legislative ist die Nationalversammlung, deren 128 Abgeordnete für eine Legislaturperiode vier Jahren gewählt werden. Nachdem das seit 1943 bestehende Proporzsystem 1990 aufgehoben wurde, werden die Mandate paritätisch zwischen Christen und Muslimen aufgeteilt; seit 1999 (Wahlgesetz vom 9. 12.) nach einem neuen Schlüssel für die verschiedenen religiösen und konfessionellen Gruppen (maronitische, griechisch-orthodoxe, melchitische, armenisch-orthodoxe, armenisch-katholische und protestantische Christen, sunnitische und schiitische Muslime, Drusen, Alauiten).
 
Parteien:
 
Die Parteien, eigentlich mehr politische Gruppierungen, sind weitgehend religiös-konfessionell gebunden und gruppieren sich meist als Klientel um eine führende Persönlichkeit. Zu den einflussreichsten Parteien und Bewegungen zählen: die christliche Phalange (Kataib; gegründet 1936), die Forces Libanaises (FL; gegründet 1978 als Parteimiliz der Phalange; 1992 als Partei lizenziert, 1994 von der Regierung als aufgelöst erklärt), die überwiegend drusische Progressive Sozialistische Partei (gegründet 1949), die mehrheitlich schiitische Bewegung Amal (deutsch Hoffnung; gegründet 1975), die radikal schiitische, politisch-militärische Organisation Hizbollah (deutsch Partei Gottes; gegründet 1982), der politisch rechts orientierte Nationale Block (Bloc national libanais; gegründet 1943) und die laizistischen Positionen vertretende National-liberale Partei (gegründet 1958).
 
Gewerkschaften:
 
Dem Dachverband Confédération Générale des Travailleurs du Liban (CGTL; gegründet 1958; rd. 200 000 Mitglieder) gehören vier der insgesamt neun Gewerkschaftsföderationen an.
 
Wappen:
 
Libanon besitzt kein offizielles Staatswappen. An dessen Stelle wird die Zeder, das Nationalsymbol des Staates, verwendet. Dargestellt wird sie meist auf einem schräg geteilten Schild in den Flaggenfarben.
 
Nationalfeiertage:
 
22. 11., erinnert an die Wiedereinsetzung libanesischer Amtsträger durch Frankreich 1944.
 
Verwaltung:
 
Es gibt fünf Provinzen (»Mohafazat«).
 
Recht:
 
Das Recht und die Justizverwaltung beruhen weitgehend auf einer Anzahl von Gesetzeskodifikationen, die zwischen 1930 und 1946 nach französischem Vorbild verabschiedet wurden.
 
Das Gerichtssystem umfasst auf der untersten Stufe 56 Einzelrichtergerichte für Zivil- und Strafsachen. Weiter gibt es elf Appellations- und vier Kassationsgerichtshöfe. Auf oberster Ebene sind Verwaltungssachen dem Staatsrat und Fragen der Staatssicherheit dem Justizgerichtshof übertragen. Seit 1994 besteht ein Verfassungsgericht. Personenbezogene Rechtssachen mit religiösem Charakter fallen in die Zuständigkeit besonderer christlicher, islamischer und jüdischer Gerichte.
 
Streitkräfte:
 
Nach der Auflösung der meisten Verbände der konfessionellen Milizen ab März 1991 und der Rückkehr eines Teils ihres Personals in die reguläre Armee haben die libanesischen Regierungs-Streitkräfte an Effektivität gewonnen. Die Gesamtstärke der Wehrpflichtarmee (Dienstzeit 12 Monate nach Auswahlverfahren) beträgt etwa 47 000 Soldaten, die der paramilitärischen Sicherheitskräfte (dem Innenminister unterstehend) rd. 10 000 Mann. Das Heer (rd. 45 000 Soldaten) ist in 11 bataillonsstarke Brigaden und zwei Gruppen »Spezialkräfte« gegliedert. Die Marine hat rd. 500, die Luftwaffe rd. 1 000 Mann. Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus etwa 200 Kampfpanzern sowie einigen Kampfflugzeugen und Kleinen Kampfschiffen.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
In einer klaren Abfolge von Westen nach Osten gliedert sich Libanon in vier küstenparallele Landschaften. Der Küstensaum ist nur wenige Kilometer breit. Durch seine dichte Besiedlung, seine Verkehrsbedeutung und die bewässerten Intensivkulturen (Zitrusfrüchte, Bananen) kommt diesem Kernraum des antiken Phönikien bis heute besonderes Gewicht zu. Infolge der drückenden Sommerschwüle im Küstenbereich ziehen sich die Vororte der wohlhabenden Oberschicht oft weit die Hänge des Gebirges hinauf. Das Libanongebirge ist an seiner durch Winterregen reichlich benetzten Abdachung insgesamt dicht besiedelt und durch intensiven Anbau genutzt. Die höheren Lagen sind dagegen meist nur kümmerliches Weideland. Nach Osten fällt das Gebirge dann steil zum tektonischen Graben der Beka ab; er durchzieht von Süden nach Norden das ganze Land. Hier reichen die Niederschläge nur im Südteil für Regenfeldbau mit jährlicher Ernte aus. Im Norden bringen die Schwemmlandböden nur noch im Bereich der Bewässerungsoasen, die sich beiderseits am Gebirgsfuß entlangziehen, reiche Ernten. Im Gegensatz zum Altsiedelland des Küstensaums und des Libanongebirges war die Beka noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts überwiegend nomadisches Weideland. Die moderne Erschließung für intensive Bewässerungskulturen begann vor etwa 50 Jahren. Östlich der Beka folgen schließlich die sehr trockenen, weitgehend kahlen Bergmassive des Antilibanon und Hermon, auf deren Hauptkamm die Grenze nach Syrien verläuft. Siedlung und landwirtschaftliche Nutzung beschränken sich hier weitgehend auf Bergfußoasen.
 
Klima:
 
Das mediterrane Klima weist warme, trockene Sommer auf. Die vorwiegend im Winter fallenden Niederschläge erreichen an der Küste eine Jahressumme von 850-920 mm, an der Westseite des Libanongebirges über 1 100 mm (höhere Lagen bis 2 000 mm; in Nord-Lagen über 2 800 m über dem Meeresspiegel ganzjährig Schnee) und in der mittleren und südlichen Beka 500-900 mm (nach Süden zunehmend). Die nördliche Beka dagegen hat Wüstenrandklima (Niederschlag um 300 mm). Im Winter kann die temporäre Schneegrenze auf 500 m über dem Meeresspiegel sinken. Ein schirokkoähnlicher Heißlufteinbruch im Spätfrühjahr bringt Temperaturen von über 40 ºC.
 
Vegetation:
 
In der mediterranen Vegetation herrschen Macchie und Garigue vor; die Westabdachung des Libanongebirges bis 1 200 m über dem Meeresspiegel trägt Kiefern und Eichen, darüber gibt es Tannen und (nur noch wenige) Libanonzedern. Die Waldgrenze liegt bei 2 000 m über dem Meeresspiegel. Die ursprünglich dichten Hochwälder des Gebirges sind durch fast schon drei Jahrtausende währenden Raubbau degradiert oder völlig verschwunden.
 
Bevölkerung:
 
Trotz der gemeinsamen arabischen Sprache bestehen innerhalb der Bevölkerung starke Gegensätzlichkeiten. Die wichtigste Differenzierung der Bevölkerung Libanons ist noch heute die nach Religionsgemeinschaften. In der Zeit der Verfassungs-Gebung bildeten die Christen die Mehrheit; seither hat der Anteil der Muslime durch Einwanderung aus arabischen Nachbarländern und höhere Geburtenziffern bei den Muslimen stark zugenommen, sodass die Angehörigen nichtchristlichen Religionsgemeinschaften mittlerweile die Mehrheit bilden.
 
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wandern ständig Menschen aus, v. a. nach Übersee. Nach Schätzungen leben über 1 Mio. Libanesen im Ausland (viele als Händler). Geldüberweisungen der Auslandslibanesen in die Heimat sowie Unternehmungsgeist und Erfahrung heimkehrender Emigranten haben entscheidend zur Entwicklung der Wirtschaft beigetragen. Die Zahl der in Libanon registrierten Palästinaflüchtlinge wird mit (1993) 325 900 angegeben. In Städten leben etwa 87 % der Bevölkerung; größte Städte sind Beirut (mit Vororten 1995: 1,7 Mio. Einwohner), Tripoli, Zahle, Saida. Am dichtesten besiedelt sind der Küstenstreifen und die Westabdachung des Libanongebirges.
 
Religion:
 
Es besteht Religionsfreiheit. Der gleichberechtigten Stellung der Religionsgemeinschaften liegt die Erklärung ihrer führenden Repräsentanten von 1943 (»Nationalpakt«) zugrunde. Grundlage der staatlichen Ordnung ist die parität. Repräsentation der Religionsgemeinschaften. Sie wird durch die Verfassung garantiert, regelt die Besetzung der obersten Staatsämter und wird beim Zugang zum öffentlichen Dienst berücksichtigt. Nach Schätzungen sind rd. 53 % der Bevölkerung Muslime, wobei die Schiiten (nahezu ausschließlich Imamiten) mit rd. 30 % die Mehrheit bilden. Die Sunniten gehören der schafiitischen Rechtsschule an. Der aus dem schiitischen Islam hervorgegangenen Religionsgemeinschaft der Drusen gehören rd. 7 % der Bevölkerung an. Die schiitische Sondergemeinschaft der Alauiten hat etwa 50 000 Mitglieder. Der Anteil der Christen an der Bevölkerung beträgt rd. 40 % (1973: 49 %). Rd. 25 % sind Maroniten, rd. 5 % gehören anderen unierten Ostkirchen an (melchitisch-katholische Kirche, armenisch-katholische Kirche, syrisch-katholische Kirche, Chaldäische Kirche), rd. 7 % der griechisch-orthodoxen Kirche (Patriarchat von Antiochien) und rd. 3 % orientalischen Nationalkirchen (armenische Kirche, Syrisch-Orthodoxe Kirche [westsyrische Kirche; »Jakobiten«], Assyrochaldäische Kirche [ostsyrische Kirche; »Nestorianer«]). Für die rd. 20 000 katholischen Christen des lateinischen Ritus besteht das Apostolische Vikariat Beirut. Die rd. 16 000 protestantischen Christen gehören verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften an (Baptisten, »Union der Armenischen Evangelischen Kirchen«, Adventisten, Church of God, Church of the Nazarene u. a.). - Die einst große jüdische Gemeinschaft (1958 fast 10 000) ist seit Ende der 1960er-Jahre durch Abwanderung zu einer verschwindenden Minderheit geworden. Die meisten der wenigen Juden leben in Beirut.
 
Bildungswesen:
 
Es besteht keine Schulpflicht. Der Abschluss der fünfjährigen Grundschule berechtigt zum Besuch der vierjährigen höheren Primarschule oder der siebenjährigen Oberschule. Unterrichtssprache ist Arabisch. Die Lehrer an den staatlichen Grundschulen (geringe Bezahlung) sind mangelhaft ausgebildet. Privatschulen sind zugelassen. Schwach entwickelt - wie das Schulwesen überhaupt - ist die technische und berufliche Ausbildung. Die Analphabetenquote beträgt 15,6 %. Universitäten gibt es u. a. in Beirut (American University of Beirut, gegründet 1866; Université Saint Joseph, gegründet 1881; Université Libanaise, gegründet 1951; Arab University of Beirut, gegründet 1960), Jounieh (Université Saint-Esprit de Kaslik, gegründet 1950) und Koura (Université de Balamand, gegründet 1988).
 
Publizistik:
 
Es erscheinen rd. 40 Tageszeitungen und etwa 30 Wochenblätter in arabischer, französischer, englischer, spanischer und armenischer Sprache. Zu den auflagenstärksten Tageszeitungen in Arabisch gehören u. a. die in Beirut erscheinenden »An Nahar«, »Al Liwa«, »Al Anwar« und »At-Tayyar«. Es gibt mehrere Nachrichtenagenturen. Außer dem staatlichen Rundfunk senden etwa 100 Radiostationen, die von Parteien, Milizen und Privatunternehmen betrieben werden. Neben dem halbstaatlichen Fernsehsender »Telé Liban« gibt es etwa 50 weitere Privatstationen.
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Libanon war bis zum Beginn des Bürgerkrieges 1975 das wichtigste Handels- und Finanzzentrum des Nahen Ostens mit jährlichen Wachstumsraten von rd. 6 %. Im Bürgerkrieg wurde die Infrastruktur weitgehend zerstört, viele Libanesen wanderten ab. Erst seit 1993 wächst die Wirtschaft wieder nennenswert (um 8 % jährlich), v. a. aufgrund ausländischer Finanzhilfe. Die Inflationsrate konnte deutlich gesenkt werden (1994: 20 %). Der Wiederaufbau kommt nun rasch voran; das zwischenzeitlich auf (1985) 800 US-$ abgesunkene BSP pro Einwohner erreichte 1995 rd. 2 660 US-$. Allmählich wird auch wieder von Auslandslibanesen Kapital investiert, v. a. im Bausektor.
 
Landwirtschaft:
 
In der Landwirtschaft arbeiten (1993) rd. 7 % der Erwerbspersonen (1975: 20 %); sie erwirtschaften rd. 8 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). 316 000 ha werden landwirtschaftlich genutzt; die Waldfläche beträgt 80 000 ha. Von den 306 000 ha Ackerland und Dauerkulturen werden 89 000 ha künstlich bewässert; 10 000 ha sind Weideland. In der Küstenebene werden v. a. Bananen und Zitrusfrüchte, an den Berghängen Oliven und Feigen und in der Nähe der Städte Gemüse angebaut. Die halbnomadische Weidewirtschaft (Schafe, Ziegen) verliert an Bedeutung. Nur rd. ein Drittel des Nahrungsmittelbedarfs wird durch einheimische Produktion gedeckt, sodass v. a. Getreide importiert wird. Allerdings werden auch Agrarprodukte exportiert (z. B. Zitrusfrüchte, Äpfel).
 
Industrie:
 
31 % der Erwerbstätigen arbeiten (1993) im produzierenden Gewerbe (1975: 26 %), mehr als die Hälfte davon im Baugewerbe als führender Wachstumsbranche. Sie erwirtschaften rd. 20 % des BIP. Der von wenigen Großbetrieben im Raum Beirut und vielen eher handwerklichen Betrieben geprägte Industriesektor galt vor 1975 als einer der modernsten im Nahen und Mittleren Osten. Im Bürgerkrieg wurden viele Betriebe zerstört. Da Libanon nur über geringe Bodenschätze verfügt, sind die Textil-, Nahrungsmittel- und Holzindustrie die wichtigsten Industriezweige. Die Raffinerien in Tripoli und Saida verarbeiteten früher über Pipelines aus Irak beziehungsweise Saudi-Arabien importiertes Erdöl, sind aber seit Jahren stillgelegt.
 
Dienstleistungssektor:
 
Schon traditionell ein Umschlagplatz im Orienthandel, wurde Libanon zur Schaltstelle zwischen westlichen Industrienationen und den arabischen Staaten. Zur wachsenden Bedeutung des Dienstleistungssektors (Anteil am BIP 1994: über 70 %; Anteil an den Erwerbstätigen: 63 %) trug neben dem Finanz- und Handelszentrum Beirut auch der Tourismus bei. Vor 1975 besuchten jährlich etwa 2 Mio. ausländische Gäste das Land. Der Fremdenverkehr konzentrierte sich auf die historischen Stätten Baalbek und Byblos sowie auf die Hauptstadt Beirut. Der Dienstleistungsbereich wurde durch den Bürgerkrieg besonders stark betroffen. V. a. das Vertrauen in den Bankenplatz Beirut kehrt nur langsam zurück. Mit dem Wiederaufbau des Hafens und des Stadtzentrums von Beirut und der Reparatur der Telekommunikationssysteme erlangt Libanon allmählich wieder seine frühere Position. Großhandel und Firmenrepräsentanzen kehren aus Athen, Amman und Zypern zurück; auch der Fremdenverkehr lebt wieder deutlich auf (1993: 350 000 Besucher).
 
Außenwirtschaft:
 
Seit Jahren werden die Importe nur zu 30 % durch Exporte gedeckt (Einfuhrwert 1993: 4,9 Mrd. US-$, Ausfuhrwert 1,1 Mrd. US-$). Wichtigste Exportwaren sind Juwelen, Textilien und Metallprodukte. Haupthandelspartner sind neben Saudi-Arabien noch Italien, Frankreich und die USA. Das Handelsbilanzdefizit konnte früher durch Überweisungen von Arbeitsmigranten in den Golfstaaten sowie durch Deviseneinnahmen aus dem Tourismus ausgeglichen werden. Seit dem Ende des Bürgerkrieges wächst das Vertrauen internationaler Kreditgeber wieder, und auch Auslandslibanesen legen ihr Kapital wieder in libanesischen Banken an, sodass die Währungsreserven des Landes auf (1993) 5,9 Mrd. US-$ angestiegen sind. Die Auslandsschulden sind dagegen mit (1992) rd. 1,8 Mrd. US-$ relativ gering.
 
Verkehr:
 
Libanon verfügt über ein gut ausgebautes Straßennetz von (1994) rd. 7 000 km Länge. Die wichtigsten Verbindungen sind die Küstenstraße sowie die Verbindung von Beirut nach Damaskus. Das Eisenbahnnetz ist seit dem Bürgerkrieg stillgelegt. 1992 nahm der Hafen von Beirut seinen Betrieb wieder auf. Ehrgeizige Aufbaupläne sollen bewirken, dass er wieder seine führende Stellung an der Levanteküste erreicht. Auch der internationale Flughafen von Beirut weist wieder hohe Zuwachsraten auf.
 
 
Der Raum des heutigen Libanon - Teil des Großraums Syrien - war im Altertum Schwerpunkt der phönikischen Handelsmacht (Phönikien), gehörte in hellenistischer Zeit meist zum Seleukidenreich, seit 64 v. Chr. zur römischen Provinz Syria, dann zum Byzantinischen, im 6. Jahrhundert zum Persischen Reich. Im 7. Jahrhundert von muslimischen Arabern erobert, unterstand das Gebiet dem Kalifat, vom 9. bis 11. Jahrhundert ägyptisch muslimischen Dynastien. Die Ende des 11. Jahrhunderts errichteten Kreuzfahrerstaaten (der Norden des heutigen Libanon gehörte zur Grafschaft Tripolis, der Süden zum Königreich Jerusalem) wurden Ende des 13. Jahrhunderts endgültig von den ägyptischen Mamelucken erobert; seit 1516 stand das Gebiet unter osmanischer Herrschaft. Die feudalen Gemeinschaften der Drusen und der Maroniten behielten weitgehende Selbstständigkeit, bis es um die Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen ihnen zu Spannungen und schließlich zum Bürgerkrieg kam; dieser führte nach Massakern der Drusen an den christlichen Maroniten (1860) zum Eingreifen der Großmächte, besonders Frankreichs. Deshalb richtete die osmanische Regierung 1861 den »autonomen Sandschak Libanon« ein, der einem christlichen Gouverneur unterstand. Seit 25. 4. 1920 zusammen mit Syrien französisches Völkerbundmandat, wurde Libanon um Gebiete im Osten und Süden erweitert (seit 1. 9. 1920 »Staat Großlibanon«) und 1926 zu einem gesonderten Mandatsgebiet mit parlamentarisch-republikanischen Verfassung erhoben.
 
Im Zweiten Weltkrieg besetzten britische Truppen und militärische Verbände des »Freien Frankreichs« im Kampf gegen Truppen des »État Français« (Vichy-Regime) 1941 Syrien und Libanon. Im Auftrag von General C. de Gaulle proklamierte General G. Catroux 1941 die Unabhängigkeit Syriens und Libanons. Nach kriegsbedingten Verzögerungen hob Catroux 1941 auf der Grundlage einer Übereinkunft mit Repräsentanten Libanons (Dezember 1943; so genannter Nationalpakt) die französische Mandatsherrschaft zum 1. 1. 1944 auf. Die Verfassung von 1926, die von einem festgeschriebenen Proporz bei der Besetzung der obersten Staatsämter ausgeht, blieb laut »Nationalpakt« bestehen, ebenso ein Proporz der Mandatsverteilung im Parlament. Als unabhängiger Staat trat Libanon 1945 der UNO bei und beteiligte sich am 22. 3. an der Gründung der Arabischen Liga. Aufgrund blutiger Unruhen (Mai und Juni 1945) aus Protest gegen die verstärkte Stationierung französischer Truppen zogen Frankreich und Großbritannien ab Dezember 1945 ihre militärischen Einheiten aus Libanon zurück.
 
Die Lage Libanons im Schnittpunkt christlicher und islamischer Traditionen bestimmt die politische Entwicklung dieses Landes. Gestützt auf den christlichen (besonders maronitischen) Bevölkerungsteil verfolgten die Staatspräsidenten C. N. Chamoun (1952-58), F. Chehab (1958-64) und C. Hélou (1964-70) eine prowestliche Linie und bezogen im Nahostkonflikt zwischen Israel und den arabischen Staaten eine eher neutrale Haltung. Der muslimische Bevölkerungsteil, in der Regierung des Landes v. a. in der Person des Ministerpräsidenten repräsentiert (u. a. R. as-Sulh, Saib Salam, A. Al-Djafi oder R. Karame), suchte stärker Rückhalt bei den arabischen Staaten und entwickelte panarabische Vorstellungen; er teilte mehr oder weniger die Gegnerschaft der arabischen Staatenwelt gegenüber Israel. Innenpolitisch wurden die Spannungen verschärft durch die in Lagern als Flüchtlinge lebenden palästinensischen Araber, die nach der Gründung des Staates Israel u. a. auch nach Libanon geflohen waren. Das religiös-politische Konfliktpotenzial entlud sich 1958 im Vorfeld anstehender Präsidentenwahlen erstmals in einem Bürgerkrieg, in dem sich panarabisch-muslimische Kräfte um R. Karame und christlich-nationalen Gruppierungen um Präsident Chamoun und P. Gemayel (Vorsitzender der Phalange) gegenüberstanden. Auf Ersuchen Präsidenten Chamouns landeten amerikanische Truppen in Beirut zur Sicherung der Regierung. Mit der Wahl des christlich-maronitischen Politikers F. Chehab zum Staatspräsidenten und der Berufung des bisherigen Oppositionspolitikers Karame zum Ministerpräsidenten konnte der innere Frieden in Libanon wiederhergestellt werden. Bis in die 80er-Jahre wurde Karame, der 1960 als Ministerpräsident zurücktrat, immer wieder - besonders in kritischen Situationen - an die Spitze der Regierung berufen.
 
Guerillaaktionen der Palästinenser (Fedajin) von Libanon aus gegen Israel lösten israelische Gegenschläge in Libanon aus. Nach der Zerstörung libanesischer Zivilflugzeuge auf dem Flughafen von Beirut (Anfang Januar 1969) durch die israelische Luftwaffe wurde Karame 1969 erneut Ministerpräsident. Er beendete die außenpolitische Zurückhaltung seines Landes im Nahostkonflikt und reihte es stärker in die arabische Front gegen Israel ein. Im libanesisch-palästinensisches Abkommen von Kairo (November 1969) wurden die Rechte der palästinensischen Guerillakämpfer in Libanon definiert (exterritorialer Status).
 
Unter Präsident S. Frangié (1970-76) vertiefte sich die Kluft zwischen Gegnern und Befürwortern palästinensischer Guerillaaktionen von Libanon aus gegen Israel. Die Kritik am herrschenden konfessionellen Proporzsystem, die unter Hinweis auf die veränderte Bevölkerungsstruktur v. a. von muslimischer und laizistisch-sozialistischer Seite geübt wurde, verschärfte die inneren Gegensätze; gefordert wurde v. a. eine Verschiebung der innenpolitischen Machtstrukturen zugunsten des muslimischen Bevölkerungsteils.
 
Mit dem Ausbruch schwerer Kämpfe zwischen christlichen Milizen (v. a. der Forces Libanaises [»Libanesische Streitkräfte«; Abkürzung FL] unter Gemayel) und militärische Formationen verschiedener konfessioneller Kräfte, die sich um den Drusenführer K. Djumblat gruppierten und von den Guerillakämpfern der PLO unterstützt wurden, begann im April 1975 ein 2. Bürgerkrieg, der sich immer enger mit dem arabisch-israelischen Nahostkonflikt verflocht. Während die Kräfte um Djumblat eine Reform des »libanesischen Systems« forderten, schlossen sich zur Verteidigung dieses Systems die Phalange und die Nationalliberale Partei unter Führung von Chamoun zur Libanesische Front zusammen. E. Sarkis, 1976 zum Präsidenten gewählt, bemühte sich vergeblich, die faktisch zerbrochene Einheit Libanons wiederherzustellen.
 
Im April 1976 griff Syrien im Norden (Beirut), ab Oktober 1976 im Rahmen einer arabischen Abschreckungsstreitmacht, zugunsten der christlichen libanesischen »Rechten« in den Bürgerkrieg ein. Angesichts einer verstärkten Annäherung der Libanesischen Front an Israel vollzog Syrien einen Bruch mit ihr und unterstützte fortan die mit der PLO verbundenen Gruppierungen; es kam zu heftigen Gefechten zwischen syrischen Truppen und christlichen Milizen. Unter dem Eindruck in Libanon vorrückender syrischer Truppen (bis Beirut) intervenierte Israel am 14./15. 3. 1978 im südlichen Libanon, um seine Sicherheitsinteressen deutlich zu machen, zog sich jedoch nach Stationierung einer UNO-Friedenstruppe (UNIFIL, Abkürzung für United Nations Interim Forces in Lebanon; ab März 1978) im südlichen Libanon im Juni 1978 wieder zurück, förderte jedoch die Errichtung des »Freien Libanon« auf einem kleinen Gebietsstreifen unmittelbar an seiner Grenze (April 1979) durch christliche Milizen. Im Februar 1980 kam es zum Abzug der syrischen Truppen aus Beirut.
 
Nach dem Attentat palästinensischer Araber auf den israelischen Botschafter in London (4. 6. 1982 drangen am 6. 6. israelische Streitkräfte (über 100 000 Mann) wieder in Südlibanon ein. Mit ihrem Vormarsch auf Beirut (Sitz des Hauptquartiers der PLO) und der Einschließung West-Beiruts weitete sich der Libanonkrieg zum 5. israelisch- arabischen Krieg aus. Er forderte auf allen Seiten, auch unter der Zivilbevölkerung, viele Opfer. Militärisch suchte Israel v. a. die im südlichen Libanon operierenden Kampfverbände der PLO zu zerschlagen und dadurch die Angriffe palästinensischer Guerillagruppen auf jüdischen Siedlungen in Nordisrael zu unterbinden. Politisch strebte es die Einsetzung eines israelfreundlichen Regimes an. Auf diplomatischem Wege (v. a. mithilfe der USA) erzwang es den Abzug der PLO aus Libanon (Sommer 1982).
 
Die Ermordung des zum Nachfolger von Präsidenten Sarkis gewählten B. Gemayel (14. 9. 1982 löste ein Massaker christlicher Milizionäre an Bewohnern der Palästinenserlager »Sabra« und »Shatila« aus. Präsident A. Gemayel (1982-88) beugte sich dem wachsenden Einfluss Syriens in Libanon; Israel zog sich bis Juni 1985 (bis auf eine schmale Sicherheitszone im Süden) aus Libanon zurück; in das entstandene Machtvakuum drängte v. a. die schiitische Amal-Miliz. In der Sicherheitszone erfolgte 1984 die Bildung der mehrheitlich christlichen, proisraelen Südlibanesischen Armee (Abkürzung SLA; Mai 2000 aufgelöst). Trotz verschiedenen Versöhnungskonferenzen der Bürgerkriegsparteien (1983 und 1984) konnten die Kämpfe nicht beigelegt werden. Die 1984 auf syrisches Betreiben gebildete »Regierung der nationalen Einheit« unter Karame (ermordet 1. 6. 1987) blieb ohne Erfolg. Seit Mitte der 80er-Jahre bemühte sich Syrien, die schweren Kämpfe zwischen den schiitischen Milizen Amal und Hizbollah zu beenden. Nach dem Ende seiner Amtszeit (September 1988) ernannte Gemayel General Michel Aoun (* 1935) zum vorläufigen Staatspräsidenten, weil sich das Parlament auf keinen Nachfolger einigen konnte.
 
Von Teilen des Parlaments wurden René Muawad (am 5. 11. 1989), nach dessen Ermordung (22. 11.) am 24. 11. Elias Hrawi (* 1926) zu neuen Präsidenten gewählt. Da Aoun die gewählten Präsidenten sowie den von Mitgliedern der Arabischen Liga ausgearbeiteten Friedensplan von Taif (vom 22. 10. 1989) nicht anerkannte, kam es ab Januar 1990 zu den schwersten Kämpfen seit 1975 zwischen christlichen Milizen und den christlichen Armeeverbänden unter Aoun. Unter dem Druck Syriens kapitulierte Aoun im Oktober 1990 und emigrierte. Mit der Verfassungsreform vom August 1990 (nach dem Plan von Taif), dem Friedensschluss der rivalisierenden schiitischen Milizen Hizbollah und Amal sowie dem Abzug aller Milizen aus Beirut und Südlibanon im November/Dezember 1990 wurde bis Mai 1991 offiziell der Bürgerkrieg beendet. Durch Neuernennung von 40 Abgeordneten im Mai 1991 sicherte sich die Regierung im Parlament eine prosyrische Mehrheit, die einen syrisch-libanesischen Kooperationsvertrag verabschiedete, der Libanon praktisch zu einem Protektorat Syriens erhob. Bis Juli 1991 übernahmen die Truppen der Regierung alle ehemals drusische und christliche Stellungen sowie den bisher von der PLO kontrollierten Süden (Entwaffnung der palästinensischen Milizen/PLO). Die Parlamentswahlen vom 27. 8., 30. 8. und 6. 9. 1992 wurden wegen der Präsenz syrischer Streitkräfte von Christen (Maroniten), v. a. Forces Libanaises und Phalange (Kataib), sowie Drusen boykottiert; die Schiiten errangen die Mehrheit. Im Oktober 1992 übernahm Rafik al-Hariri (* 1944; Sunnit) die Führung einer neuen Regierung, in der die prosyrischen politischen Kräfte überwogen und die sich besonders für den kreditfinanzierten Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes, v. a. Beiruts, einsetzte (bis Dezember 1998 im Amt).
 
Im September 1993 schlossen Syrien und Libanon mehrere Abkommen über Zusammenarbeit auf handels-, landwirtschafts-, gesundheits- sowie wirtschafts- und sozialpolitischem Gebiet. Differenzen zwischen dem christlich-maronitischen Staatspräsidenten Hrawi, dem sunnitischen Ministerpräsidenten al-Hariri und dem schiitischen Parlamentspräsidenten Nahib Berri (Amal) führten häufiger zu innenpolitischen Spannungen. Im Oktober 1995 verlängerte das Parlament die Amtszeit Hrawis um drei Jahre. Bei den Parlamentswahlen vom 18. 8. bis 15. 9. 1996 erlangten die prosyrischen Kandidaten der Regierung unter al-Hariri nach dem zuvor festgelegten System eine deutliche Mehrheit (Wahlbeteiligung: 50 %). Im Oktober 1998 wurde E. Lahoud zum neuen Staatspräsidenten gewählt, der unter dem Hinweis auf Korruption eine neue Regierung von Reformern unter Selim al-Hoss einsetzte (Dezember 1998). Diese brachte das Land aber in noch größere wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Parlamentswahlen vom 27. 8./ 3. 9. 2000 gewann deshalb das Bündnis um den als prosyrisch geltenden al-Hariri (43 Mandate; v. a. in Beirut); Amal-Bewegung und Hizbullah waren in einer Listenverbindung »Widerstand und Entwicklung« erfolgreich (v. a. im S). Am 23. 10. ernannte Lahoud nach Absprache mit dem Parlament al-Hariri erneut zum Ministerpräsidenten.
 
Libanesisch-israelischer Konflikt ab 1990:
 
Als Antwort auf antiisraelische militärische Aktionen besonders der Hizbollah, der Hamas und palästinensischer Freischärler unternahm Israel seit 1991 wiederholt militärische Vorstöße in das südliche Libanon (»Sicherheitszone«). Auf die Ende Juli 1993 von Israel eröffnete militärische Großoffensive zur Entwaffnung der Hizbollah, in deren Folge über 300 000 Menschen in Richtung Beirut flüchteten und die zur erstmals gemeinsamen Stationierung von libanesischen Truppen und UN-Blauhelmeinheiten (UNIFIL) nördlich der »Sicherheitszone« führte, folgten im Mai 1994 und 1995 sowie im August 1997 weitere militärische Auseinandersetzungen v. a. zwischen Hizbollah/Amal und Israel. Wiederholte Raketenangriffe der Hizbollah auf Grenzgebiete im Norden Israels führten im April 1996 zur Militäraktion Israels gegen die Hizbollah in Südlibanon (»Früchte des Zorns«) sowie zu einer Seeblockade der Häfen im Süden Libanons; zum ersten Male seit 1982 griff die israelische Luftwaffe 1996 wieder Ziele in Beirut an. Die schweren Kampfhandlungen lösten eine erneute Flüchtlingswelle aus (rd. 500 000). Am 18. 4. 1996 wurden über 100 Flüchtlinge in Kana von israelischen Granaten getötet. Am 27. 4. trat ein Waffenstillstand in Kraft, der aber immer wieder verletzt wurde. Bis 1999/2000 kam es deshalb wiederholt zu heftigen Kämpfen. Am 24. 5. 2000 beendete Israel durch den vollständigen und nahezu fluchtartigen Rückzug der seiner Truppen aus der Sicherheitszone gemäß UN-Resolution 425 von 1978, sechs Wochen früher als geplant, die Besetzung des Südlibanon. Gleichzeitig wurde die mit Israel kollaborierende, 6000 Mann starke SLA aufgelöst. Am 25. 5. 2000 rückten zunächst Einheiten der Hizbollah in diesen besetzten15 km breiten Grenzstreifen ein, für den die Außenminister Syriens, Ägyptens und Saudi-Arabiens schon am 4. 5. 2000 in Palmyra die Ausdehnung der im Land stationiereten 4 500 Mann starken UN-Interimsstreitkräfte für Libanon (UNIFIL) gefordert hatten. Ende Juli/Anfang August 2000 wurden dort Einheiten der auf 5600 Mann aufgestockten UNIFIL stationiert; einher ging die Übergabe an die Regierung Libanons. Zu einer vertraglichen Einigung mit Israel über den Grenzverlauf kam es indessen wegen des umstrittenen Gebiets der Sheeba-Farmen nicht, die Libanon für sich beansprucht, Israel aber in einem Friedensvertrag an Syrien geben will. Einer von der UNO vorgenommenen Bestimmung des Grenzverlaufs stimmte die libanesische Regierung am 4. 9. 2000 zu. Am 9. 9. zogen libanesische Soldaten in das Grenzgebiet ein. Es kam dennoch in der Folgezeit zu gelegentlichen Grenzübergriffen der Hizbollah, die nicht von der libanesischen Regierung kontrolliert wird, auf die Syrien aber relativ großen Einfluss ausübt. Nachdem Israel im Gegenzug nicht nur Hizbollah-Stellungen und Palästinenserlager angriff, sondern auch drohte, Ziele in Syrien anzugreifen, machte Syrien offenbar seinen mäßigenden Einfluss auf die Hizbollah geltend.
 
Während der Camp-David-Verhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde im Juli 2000 und danach fürchtete Libanon, Konzessionen Arafats hinsichtlich des Rückkehrrechts der Flüchtlinge könnten zu Unruhen in den libanischen Palästinenserlagern führen, mehr aber noch, durch internationalen Druck könne das Land veranlasst werden, die in zwölf Lagern lebenden 210 712 palästinensischen Flüchtlinge permanent im Libanon anzusiedeln (Gesamtzahl der im Libanon lebenden Palästinenser: 376 472), was den interkonfessionellen-demographischen Proporz im Lande verschieben würde: Die meisten Palästinenser sind Sunniten, folglich würde ihre Einbürgerung zum einen das christlich-islamische, zum anderen aber auch das sunnitisch-schiitische Kräfteverhältnis merklich verändern. So legte Präsident Lahoud Ende Dezember 2000 scharfen Protest gegen israelische und amerikanische Pläne zur Einbürgerung der Palästinenser ein.
 
Erstmals konnten die Einwohner der früheren Sicherheitszone im September 2000 an einer Wahl in Libanon teilnehmen. Dabei setzte sich in den beiden Südprovinzen die regierungskritische Hisbollah gegenüber der ebenfalls schiitischen, aber staatstreuen Amal-Partei durch. Am 20. 9. 2000 forderte die maronitisch-christliche Bischofskonferenz in einer öffentlichen Erklärung den Rückzug der in Libanon stationierten 30 000 syrischen Soldaten. Während der christliche Präsident Lahoud daraufhin die syrische Militärpräsenz als legal und vorübergehend notwendig verteidigte, machte sich der sunnitische Ministerpräsident al-Hariri die Kritik der Bischöfe vor dem Parlament zu eigen. In der freien Presse wurde die antisyrische Position offen diskutiert. Am 15. 3. 2001 ging die Armee jedoch gegen eine von General M. Aoun organisierte antisyrische Demonstration vor. Am 9. 4. untersagte die libanesische Armeeführung alle nicht genehmigten antisyrischen öffentlichen Versammlungen und Demonstrationen, um den Frieden im Lande nicht erneut zu gefährden. Am 14. 6. begann Syrien damit, circa 6 000 seiner Soldaten, die bis dahin in Beirut stationiert waren, abzuziehen. Es behielt aber seine Truppenpräsenz auf den strategischen Höhen des Libanongebirges am westlichen Zugang zur Bekaa-Ebene bei.
 
 
P. K. Hitti: A short history of Lebanon (London 1965);
 P. K. Hitti: Lebanon in history. From the earliest times to the present (London 31967);
 A. I. Baaklini: Legislative and political development - Lebanon, 1842-1972 (Durham, N. C., 1976);
 M. Kuderna: Christl. Gruppen im L. Kampf um Ideologie u. Herrschaft in einer unfertigen Nation (1983);
 A. H. Hourani: Syria and Lebanon (Neudr. London 1984);
 F. Ajami: The vanished Imam. Musa al Sadr and the Shia of Lebanon (London 1986);
 A. Schlicht: L. zw. Bürgerkrieg u. internat. Konflikt (1986);
 T. Hanf: Koexistenz im Krieg. Staatszerfall u. Entstehen einer Nation im L. (1990);
 O. Schnittger: Der L. im Kreuzfeuer. Eine Zeittafel (1993);
 V. Perthes: Der L. nach dem Bürgerkrieg. Von Ta'if zum gesellschaftl. Konsens? (Neuausg. 1994);
 E. A. Salem: Violence and diplomacy in Lebanon. The troubled years. 1982-1988 (London 1995);
 C. Winslow: Lebanon. War and politics in a fragmented society (London u. a. 1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Osmanisches Reich: Aufteilung als Höhepunkt des Kolonialismus
 
Naher Osten: Arabische Staaten im Sog des Ost-West-Konflikts
 

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1Li|ba|non; -s, (auch:) der; -[s]: Staat im Vorderen Orient: das/der südliche L.; Syrien wolle ein unabhängiges L. ..., heißt es von syrischer Seite weiter (NZZ 17. 3.84, 2).
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2Li|ba|non, der; -[s]: Gebirge im Vorderen Orient.

Universal-Lexikon. 2012.