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Sprachpolitik
Sprachpolitik,
 
politisches Handlungsfeld, das in den letzten Jahrzehnten verstärkt ins Blickfeld einer interdisziplinären Sprachwissenschaft gerückt ist, in deren Rahmen komplexe Wechselbeziehungen zwischen politisch, historisch, völkerrechtlich, administrativ-juristisch, soziologisch und pädagogisch relevanten Aspekten einerseits sowie anthropologischen, ethnischen, nationalen, kulturellen und sprachlichen Gegebenheiten andererseits untersucht und konkrete Maßnahmen zur Beeinflussung von sprachlicher Entwicklung beschrieben werden. V. a. im Hinblick auf die zunehmende Internationalisierung des gesamten Lebens mit entsprechenden Kontakten in den unterschiedlichsten Bereichen (z. B. im Sport, in Handel, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur sowie im Rahmen internationaler Organisationen), auf den damit in Zusammenhang stehenden wachsenden Bedarf an Fremdsprachenunterricht sowie eine zunehmende gesellschaftliche Mobilität und nicht zuletzt auf das v. a. über private Anbieter internationalisierte Medienangebot haben Fragen der Planung sprachlicher Koexistenz und ihres Funktionierens sowie die Auseinandersetzung mit Formen sprachlicher Hegemonie und Unterdrückung zentrale Bedeutung erlangt. Sowohl in der sprachpolitischen als auch in der öffentlichen Diskussion wird zunehmend die Notwendigkeit einer Lösung sprachlich, ethnisch oder gesellschaftlich bedingter Konflikte erkannt.
 
Das Problemfeld wird in der Regel mit dem zweigliedrigen (»dichotomischen«) Begriffspaar »Sprachpolitik« und »Sprachenpolitik« beschrieben, bisweilen auch mit den Begriffsverbindungen »Sprache und Politik«, »Politik und Sprache« oder »Sprache (in) der Politik«. Dabei werden (zum Teil beliebig) unterschiedlichste Untersuchungsgegenstände wie Spracherhaltung, Sprachkonflikt, Sprachkontakt, Sprachkritik, Sprachlenkung, Sprachmanipulation, Sprachplanung, Sprachprestige, Sprachpropaganda, Sprachregelung und Sprachverbreitung unter diese Termini subsumiert. Da die begrifflich-definitorische Abgrenzung uneinheitlich ist, werden die jeweiligen Aspekte hier unter dem Stichwort Sprachpolitik zusammengefasst.
 
Sprachpolitik umfasst im weiteren Sinn folgende Themenbereiche: 1) politisch motivierte Maßnahmen zur sprachlichen Integration oder Assimilation einerseits und zur Unterdrückung andererseits, d. h. zur Reduzierung oder sogar Eliminierung sprachlicher Varietäten, z. B. von regionalen Sprachformen im Hinblick auf die Standardsprache einerseits oder ihre besondere Förderung andererseits; 2) den Versuch vieler Staaten, eine gemeinsame nationale Identität mittels einer vereinenden Sprache zu begründen; 3) Bemühungen, mithilfe politischer Mittel einer Sprache den für sie erforderlichen Ausbau, d. h. einen kodifizierten, standardisierten und schließlich normierten Regelapparat, zu verschaffen, der sie in die Lage versetzt, sich als Amts-, National-, Verhandlungs- oder Verkehrssprache gegebenenfalls in Konkurrenz, Kontakt oder Kooperation zu oder gegenüber anderen Sprachen als Ausdrucksform mündlicher und schriftlicher Kommunikation zu behaupten; 4) Bestrebungen, der jeweiligen Sprache die administrativen, finanziellen und apparativ-personellen Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, die den kulturell oder ökonomisch bedingten Spracherwerb von Nichtmuttersprachlern zum Zweck ihrer internationalen Verankerung und Erlernung als Fremdsprache gewährleisten; 5) Maßnahmen, das sprachliche Miteinander in polyethn. und/oder -lingualen Staatsverbänden wie in inter- und supranationalen Organisationen zu regeln; 6) Einfluss, den interessierte politische Kreise, wissenschaftliche Akademien, Vereine oder sonstige Institutionen und Organisationen auszuüben versuchen, um auf die Sprache dergestalt einzuwirken, dass fremdsprachliche Einflüsse zugunsten puristischer muttersprachlicher Regelungen eliminiert werden (z. B. in Frankreich durch die Académie française); darüber hinaus wird Sprachpolitik im engeren Sinn als sprachwissenschaftliche Beschäftigung mit 7) der Darstellung der direkten Verflechtung politischer und sprachlicher Ausdrucksformen im öffentlichen Diskurs im Hinblick auf gesellschaftspolitisch relevante und/oder brisante Themen und mit 8) dem kritischen Aufweis von Zusammenhängen, in denen Sprache als Diffamierungs-, Disziplinierungs- oder Repressionsinstrument gegen Mehr- oder Minderheiten, gegen politisch anders Denkende, gegen ethnisch, rassisch oder religiös Missliebige dient, verstanden.
 
 Sprachpolitik als Nationalitäten- und Minderheitenpolitik
 
Derzeit existieren auf der Erde rd. 185 Staaten, in denen nach unterschiedlichen Angaben zwischen 2 500 und 5 500 Einzelsprachen gesprochen werden. Da somit fast alle Staaten sprachliche Minderheiten aufweisen, müssen politische Maßnahmen das sprachliche Miteinander regeln. Neben der Lösung, die Sprache der mehrheits- oder staatstragenden Gruppe zur Amtssprache zu erheben (z. B. Englisch in den USA), existieren das Modell mehrerer gleichberechtigter Sprachen (Schweiz, Kanada) und die gesetzliche Regelung v. a. in ehemaligen Kolonialstaaten, in denen autochthone (»einheimische«) Sprachen als Nationalsprachen gelten, die Sprache der ehemaligen Kolonialmacht jedoch als exochthone (»auswärtige«) Verkehrs- und Amtssprache als gemeinsames Kommunikationsmittel zwischen verschiedenen Sprachgruppen hinzugezogen werden muss (Nigeria, Indien). Darüber hinaus verfügen Regionalsprachen in einer Vielzahl von Staaten über einen Amtssprachenstatus für die Regionen, in denen sie von einem beträchtlichen Anteil der Bevölkerung gesprochen werden (z. B. in Spanien Katalanisch, Baskisch, Galicisch).
 
Das weitgehende Desinteresse der Kolonialmächte an gezielter Sprachpolitik und Sprachplanung im Hinblick auf die Sprachen der unterworfenen Völker und die zum Teil ausschließl. Propagierung der jeweils eigenen (oft als überlegen empfundenen) Sprache bei der Verfolgung politischer und wirtschaftlicher Ziele hat v. a. in den heute mehrheitlich zur Dritten Welt gehörenden Ländern ein Konfliktpotenzial geschaffen. Die Tatsache, dass nach der Entlassung der Kolonialgebiete in die Unabhängigkeit zahlreiche Grenzen mitten durch Stammesgebiete verlaufen (z. B. bei den Somal), verleiht den Konflikten auch eine sprachpolitische Dimension.
 
Bis auf Portugal, Island, Liechtenstein und San Marino kennt Europa keine sprachlich einheitlichen Staaten, überall gibt es (territorial autochthone und nichtautochthone) Minderheiten. Nur selten sind es rein religiöse Faktoren oder rein kulturelle Aspekte, die die Minoritäten als identitätsstiftendes Merkmal ansehen, meist ist es die Sprache: Durch sie definiert man sich einer Gruppe zugehörig.
 
In Deutschland gibt es drei autochthone Minderheiten: Dänen, Sorben und Friesen, sie genießen einen relativ großzügigen Minoritätenschutz, der sich u. a. in der Förderung kultureller Aktivitäten und der Verankerung der Minoritätenidiome im Schulwesen (u. a. Dän. Gymnasium in Flensburg) äußert. Neben den autochthonen Minderheiten lebt in Deutschland eine große Zahl von Nichtdeutschsprachigen: Arbeitsimmigranten, v. a. aus der Türkei (Türken und Kurden), Italien, Griechenland, dem ehemaligen Jugoslawien, Spanien, Portugal und den Maghrebstaaten (Ähnliches gilt für alle Industriestaaten des westlichen Europa), in jüngster Zeit vermehrt Einwanderer v. a. aus Polen, den Staaten der ehemaligen UdSSR und Rumänien. Da alle diese Sprachgruppen territorial nicht autochthon sind, zielt die Sprachpolitik der Bundesregierung darauf, diese Minderheiten sprachlich zu integrieren. Bis heute fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept für die Ausbildung der nachwachsenden Generationen der in den 60er-Jahren und Anfang der 70er-Jahre eingewanderten ausländischen Arbeitnehmer. Auch weil in Deutschland von staatlicher Seite davon ausgegangen wird, dass diese sich nicht auf Dauer niederlassen, schwanken die Bundesländer bisher zwischen Zweitsprachenunterricht in der Muttersprache, muttersprachlichem Ergänzungsunterricht und der Schaffung von Nationalitätenklassen.
 
Auch für Österreich gilt, dass neben den autochthonen Sprachminderheiten, den Ungarn, Kroaten und Slowenen im Burgenland und in Kärnten, denen gewisse Minderheitenrechte (Schulunterricht in der Muttersprache, zum Teil zweisprachige Ortstafeln) zugestanden werden, eine Vielzahl von Arbeitsimmigranten der zweiten Generation (v. a. im Großraum Wien) in die österreichische Gesellschaft zu integrieren ist.
 
Bedeutsam für die Sprachpolitik einiger Staaten ist, dass die jeweiligen Sprachgruppen vorwiegend in bestimmten Gebieten leben. So verfahren die Schweiz und Belgien nach dem Territorialprinzip. Zwar gibt es in der Schweiz zweisprachige Kantone, die Kommunen haben jedoch jeweils nur eine Amtssprache (Ausnahmen: Biel/BE und Freiburg im Üechtland), also entweder Deutsch, Französisch, Italienisch oder Bündnerromanisch; Belgien hat einen flämischen und einen wallonischen Teil, Brüssel ist offiziell zweisprachig, der Osten des Landes, das Gebiet um Eupen und Sankt-Vith, ist deutschsprachig. Der Vorteil einer solchen sprachpolitischen Regelung ist, dass die Gebiete klar abgegrenzt sind, der Nachteil, dass für die jeweiligen Minderheitengruppen nur wenig Schutzrechte bestehen. So hat das Territorialprinzip (z. B. in Belgien und nach Gründung des schweizerischen Kantons Jura) auch nicht zu einer vollständigen Befriedung der rivalisierenden Sprachgruppen führen können. Eine sehr restriktive Sprachpolitik ist charakteristisch für das zentralistische Frankreich, wo erst in den 80er-Jahren langsam begonnen wurde, die Existenz sprachlicher Minoritäten zur Kenntnis zu nehmen. Forderungen nach Regionalisierung, die sich auch in entsprechenden Forderungen nach Stützung der jeweiligen Regionalsprachen artikulierten, haben u. a. im Elsass die rasch voranschreitende Französierung der Bevölkerung aufgehalten und Fortschritte hin zu einer Zweisprachigkeit ergeben.
 
Ein besonders weites Feld tat sich für die Sprachpolitik in der UdSSR nach der Oktoberrevolution 1917 auf. Damals wurde begonnen, mittels einer konsequenten Sprachpolitik den meist schriftlosen, insgesamt (je nach Schätzung oder Definition) zwischen 130 und 190 Völkern des Riesenterritoriums jeweils einen eigenen Sprachapparat zukommen zu lassen: Kodifizierung und Standardisierung, Herausgabe von normgebenden Grammatiken und Wörterbüchern, Aufbau von Schulen, in denen ein entsprechender Unterricht eingeführt wurde. Die schon im Zarenreich gebietsweise begonnene, zwischenzeitlich mit geringerer Intensität betriebene, unter Stalin dann in aller Schärfe umgesetzte Russifizierungspolitik der nichtrussischsprachigen Nationalitäten der UdSSR war eine der Ursachen für die Konflikte, an denen das Sowjetreich zerbrach. Auch in den Nachfolgestaaten der UdSSR stellen sich im Hinblick auf die jeweiligen nationalen Minderheiten sprachpolitische Probleme.
 
Als in den 60er-Jahren die meisten der heutigen so genannten »Entwicklungsländer« von den Kolonialmächten ihre Unabhängigkeit erhalten hatten, kannten sie als Schul- und Ausbildungssprache in der Regel nur die Sprache der jeweiligen Kolonialmacht, die auch als Verkehrssprache oder Lingua franca (z. B. Englisch in Indien) verwendet wurde. Da fast alle diese Länder mehrsprachig und polyethnisch waren und heute noch sind, mussten sprachpolitische Maßnahmen das Verhältnis der Sprachen zueinander klären. In einigen Staaten setzte sich die Kolonialsprache weitgehend durch (in Lateinamerika, das allerdings viel früher unabhängig geworden war, Spanisch beziehungsweise Portugiesisch, wobei Letzteres auch in den ehemaligen portugiesischen Kolonien Afrikas, Angola und Moçambique, offizielle Sprache wurde, oder in den Karibikstaaten v. a. Englisch, Spanisch und Französisch). Aus der Vermischung europäischer Sprachen mit einheimischen und/oder zum Teil aus afrikanischen Sprachen übernommenen Elementen entstanden Pidgin- und daraus wiederum oftmals Kreolsprachen, die zu offiziellen Landessprachen erklärt wurden (z. B. Haiti, Seychellen). Wieder andere Staaten verschmolzen Elemente aus mehreren indigenen (einheimischen) Sprachen (wie etwa im Falle der Bahasa Indonesia in Indonesien) zu einer verbindlichen Landessprache.
 
 Sprachpolitik als Mittel der Standardisierung
 
Nach dem Zerfall des Römerbriefen Weltreichs behielt das Lateinische in Europa bis ins Mittelalter seine Rolle als Bildungssprache und weithin eine Monopolstellung im Hinblick auf die schriftliche Kommunikation als Urkunden- und Kanzleisprache (mittellateinische Sprache). Erst im frühen Mittelalter entstanden die ersten Schriftstücke in den jeweiligen Volkssprachen, die aber im Gegensatz zum standardisierten Lateinischen in dialektal und orthographisch sehr unterschiedlichen Ausprägungen realisiert wurden. Während sich etwa die englische, französische und tschechische Standardsprache aus den dialektalen Varietäten ihrer jeweiligen Zentren London, Paris und Prag entwickelten, womit sie auch sprachlich deren Vorherrschaft untermauerten, entstand die neuhochdeutsche Standardsprache v. a. unter dem Einfluss der lutherschen Bibelübersetzung auf der Grundlage der »wettinischen Kanzleischreibe«, einer schreibdialektalen Ausgleichssprache (deutsche Sprache). Der Prozess der Herausbildung und Verbreitung der Standardvarietät wurde dann bis ins 19. Jahrhundert v. a. im Bereich von Hochlautung und Rechtschreibung vorangetrieben, wobei besonders die Reichsgründung 1871 verstärkend gewirkt hat.
 
Während sich die »großen« Sprachen aufgrund ihrer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Potenz automatisch durchsetzten, werden im Rahmen sprachpolitischer Maßnahmen auch Grundlagen dafür geschaffen und Mittel bereitgestellt, bis heute nicht verschriftete Sprachen entsprechend auszubauen. Hier sind als positive Beispiele in der jüngeren Vergangenheit u. a. die Ausbaubemühungen für Ketschua (in Südamerika) und Hausa (in Afrika), in Europa für Kleinsprachen wie Ladinisch oder Aranesisch (eine Varietät der provenzalischen Sprache) zu nennen. Wenn man von rd. 5 500 derzeit gesprochenen Sprachen ausgeht, kann man ermessen, wie viele Probleme auf die Sprachpolitik in den nächsten Jahren zukommen; verschriftet ist bis heute nur ein Bruchteil.
 
Bei der Verschriftung von Sprachen stellt sich den Sprachplanern auch die Frage nach dem Schriftsystem. Nicht jedes Schriftsystem ist für jede Sprache geeignet, diakritische oder Sonderzeichen oder gar Graphemkombinationen müssen die Defizite der jeweiligen Systeme aufheben. Oft liegen tradierte Systeme vor (so etwa bei islamisierten Völkern die arabische, bei vielen slawischen Völkern die kyrillische Schrift). Gerade hier stellen sich für die Nachfolgestaaten der UdSSR viele Probleme, da z. B. die Turkvölker zum Teil eine Ablösung vom kyrillischen Schriftsystem anstreben. Auch hinsichtlich des Schriftsystems greifen oft ideologisch begründete Motive in die Sprachpolitik ein: im Großen, wenn z. B. in der UdSSR das Moldauische je nach außenpolitischer Lage insgesamt fünfmal das Schriftsystem zwischen Lateinisch und Kyrillisch wechseln musste, wie im Kleinen, wenn auf akademischer Basis darüber diskutiert wird, ob phonetische, phonologische oder eher historisch-etymologisierende Schreibweisen zugrunde zu legen seien. Ein Beispiel für eine ideologisch bedingte Schriftreform war auch die Umstellung der arabischen auf die lateinische Schrift in der Türkei (1928) durch M. Kemal Atatürk vor dem Hintergrund eines angestrebten Modernismus nach europäischem Muster. Probleme können sich aber nicht nur im Hinblick auf unterschiedliche Schriftsysteme, sondern auch im Hinblick auf die Orthographie ergeben, z. B. im Zusammenhang mit der seit Jahrzehnten kontrovers diskutierten Rechtschreibreform des Deutschen, deren politische Realisierung auf Widerstände stößt.
 
 Sprachverbreitungspolitik
 
Ein bedeutender Faktor der Sprachpolitik ist in der Förderung der jeweiligen Landessprache außerhalb des eigenen Territoriums zu sehen. Frankreich fördert gezielt die Frankophonie (sprachgesetzliche Maßnahmen zur offiziellen Sprachplanung und -pflege des Französischen), veranstaltet Kongresse frankophoner Staaten (neben dem Mutterland und Kanada in erster Linie ehemalige Kolonien in Afrika und in der Karibik) und investiert hohe Summen in die Übersetzung wissenschaftlicher Texte ins Französische. Weltweit trägt die 1883 gegründete Alliance Française zur Verbreitung des Französischen als Fremdsprache bei. Englisch als heute bedeutendste internationale Sprache ist Lingua franca in vielen politischen Organisationen, in Handel, Verkehr, Tourismus, Wissenschaft und Medien. Trotzdem werden hohe Beträge zur Untermauerung dieses Sprachprestiges ausgegeben, das British Council (1934 gegründet) propagiert weltweit das Erlernen des Englischen. Die traditionell fremdsprachenfeindliche Haltung von Franko- und Anglophonen (und das internationale Eingespieltsein auf das Englische) macht es für andere regional bedeutende Sprachen wie Deutsch und Italienisch, Chinesisch und Japanisch, Hindi, Urdu oder Arabisch, aber auch für die Weltsprache Spanisch schwer, durch sprachpolitische Maßnahmen ein ähnlich großes Interesse zu finden. Von der UdSSR wurde nicht nur gegenüber ihren eigenen territorialen Minderheiten, sondern im gesamten Bereich ihrer Einflusssphäre das Erlernen der russischen Sprache zur Pflicht gemacht. Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen in Mittel und Osteuropa ist gegenwärtig in dieser Region eine verstärkte Hinwendung zu den Sprachen Englisch, Deutsch und Französisch (und zwar meist in dieser Reihenfolge) zu beobachten.
 
Deutschland setzt im Sinne einer Sprachpolitik weltweit Mittel ein, um den Erwerb und Erhalt deutscher Sprachkenntnisse zu fördern. Kultur- und Sprachvermittlungsträger sind in erster Linie die Goethe-Institute, die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) an die Universitäten entsandten Lektoren und die von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) an deutschen Schulen vermittelten Lehrer und Lehrerberater. Hinzu kommt eine Reihe von Stiftungen und Vereinen (Inter Nationes, Institut für Auslandsbeziehungen, Verein für das Deutschtum im Ausland, Alexander-von-Humboldt-Stiftung u. a.) sowie das internationale Programm der Deutschen Welle, deren Aufgaben in unmittelbarem Zusammenhang mit der externen Verbreitung deutscher Sprachkenntnisse stehen.
 
Im Unterschied zu Englisch, Spanisch und Französisch hat sich Deutsch nirgendwo als Kolonialsprache durchgesetzt, doch gibt es in allen Kontinenten Minderheiten, die aus den deutschsprachigen Gebieten ausgewandert sind und sich zum Teil bis heute sprachlich und kulturell als Deutsche empfinden (und zum Teil auch als »deutsche«, »deutschsprachige« oder »deutschstämmige« Minderheiten anerkannt werden), sodass neben Sprachverbreitungspolitik auch Spracherhaltungspolitik Aufgabe deutscher Sprachpolitik ist (z. B. bei Minoritäten in Lateinamerika, v. a. in Brasilien, in den Nachfolgestaaten der UdSSR, in Ungarn, Rumänien, Namibia u. a.). Das bedeutet, dass Lehrkräfte in diese Gebiete entsandt, aktualisierte Lehrmaterialien dort zur Verfügung gestellt und kulturelle Aktivitäten wie Presse, Rundfunk, Theater u. a. unterstützt werden.
 
Bis zur Auflösung der DDR unterhielt das in Leipzig ansässige Herder-Institut Lektorate v. a. in verbündeten Staaten, die zu einem Teil von den Goethe-Instituten und vom DAAD weitergeführt werden. Auch Österreich betreibt in kleinerem Rahmen Sprachpolitik, was sich in der Einrichtung von Kulturinstituten, Auslandsschulen und der Entsendung von Lehrern und Lektoren manifestiert, während die Schweiz explizit auf eine aktive Sprachpolitik zur Verbreitung der deutschen Sprache verzichtet.
 
Angesichts der Tatsache, dass die westeuropäischen Staaten nach Errichtung des europäischen Binnenmarktes auch die politische Union anstreben, ist eine neue Sprach- und Bildungspolitik vonnöten, die stärker auf eine mehrsprachige Erziehung ausgerichtet ist und auch in der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie in der Erwachsenenbildung die Förderung internationaler Kommunikation ermöglicht. Da mehrsprachige Kommunikationssituationen zunehmen werden, sollten rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden, die die aktive wie passive fremdsprachliche Kompetenz verbessern. Ferner gewinnt vor dem Hintergrund des europäischen Zusammenwachsens und der jüngsten politischen Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa die berufliche Fortbildung von Fremdsprachenlehrern und die Ausbildung von Studierenden und Lehrenden aller Disziplinen z. B. durch Austauschprogramme (die zum Teil von der EU gefördert werden) und Angebote zur entsprechenden Umschulung an Dringlichkeit. Dabei soll gewährleistet werden, dass nicht nur Sprachkenntnisse oder theoretische Fortbildung Ausbildungsziele sind, sondern dass durch fächer- und institutionenübergreifende Zusammenarbeit und durch direkte Begegnung auch der Zugang zu Wert- und Normvorstellungen anderer europäischer Nationen geebnet und so eine interkulturelle sprachliche und soziale Kompetenz ermöglicht wird. Ansätze dazu existieren in den Europaschulen, in denen Unterricht in gemischtsprachigen Klassen erteilt und in verschiedenen Sprachen unterrichtet wird. In einigen deutschen Bundesländern (z. B. im Saarland) werden Versuche unternommen, mit Fremdsprachenunterricht bereits in den ersten Grundschulklassen zu beginnen. Auch die privaten Waldorfschulen lehren Fremdsprachen (v. a. Englisch) von der Einschulung an auf spielerischer Basis.
 
Durch die Verflechtung der internationalen Wirtschaft über die EU hinaus wird Sprache immer mehr auch als ökonomischen Faktor erkannt in dem Sinne, dass durch entsprechende sprachliche Kompetenz auch Wirtschaftsräume definiert und erschlossen werden; z. B. verlaufen in der Regel Verhandlungen mit Japan und den aufstrebenden ostasiatischen Wirtschaftsmächten Süd-Korea, Taiwan und Singapur auf Englisch. Dagegen erwartet man von der Öffnung der mittel- und osteuropäischen Märkte stärkeres Interesse an der deutschen Sprache, da diese Staaten traditionell eine starke Bindung zum deutschsprachigen Raum haben und die deutsche Sprache dadurch auch eine Brückenfunktion im Hinblick auf Wirtschaftskontakte aufgrund entsprechender sprachlicher Kompetenz übernehmen könnte.
 
 Sprache in internationalen Organisationen
 
Besonders relevant ist Sprachpolitik in inter- und supranationalen Organisationen: Die (1997) 185 Mitgliedsstaaten der UNO begnügen sich mit einer relativ geringen Anzahl von Arbeitssprachen (Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch); die NATO beschränkt sich auf Englisch und Französisch. Dagegen erklärt die Europäische Union ihre europäische Identität durch Multikulturalismus und Mehrsprachigkeit. Derzeit 15 Mitgliedsstaaten verfügen über elf nationale Amtssprachen (Dänisch, Deutsch, Englisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Niederländisch, Portugiesisch, Schwedisch, Spanisch). Nach den Römerbriefen Verträgen sind sie offiziell Amtssprachen in Kommission, Parlament und Rat. Durch eine Reihe von Stützmaßnahmen seitens der EU, aber auch des Europarats soll auch regionalen Sprachen wie Katalanisch, Friesisch u. a., aber auch dem Irischen (das auf offiziellen EU-Status verzichtet hat), deren Belange durch das Bureau for Lesser Used Languages vertreten werden, die Möglichkeit geboten werden, sich in einem Europa der Regionen gegenüber den standardisierten und ausgebauten Amtssprachen zu behaupten.
 
Die Tatsache der offiziellen Gleichstellung von elf Amtssprachen bedeutet nicht, dass die einzelnen Staaten darauf verzichten würden, Einfluss zugunsten der eigenen Sprache zu nehmen. Zwar sind de jure alle Amtssprachen gleichwertig, und alle rechtsverbindlichen Verordnungen und Richtlinien müssen in elf Sprachen vorliegen, de facto aber dominieren in der Arbeitspraxis Französisch und Englisch, was u. a. von deutscher und spanischer Seite in jüngster Zeit verstärkt kritisiert wird (v. a. wegen der unterstellten ökonomischen Benachteiligung anderssprachiger Wettbewerber, z. B. bei Ausschreibungen von Projekten und bei der Änderung von Rechtsnormen). Hier steht eine national begründete Sprachpolitik auffallend konträr zu einer organisationsinternen, an Effizienz und gegenseitiger Verständlichkeit orientierten sprachlichen Praxis: Kommt die multikulturell und mehrsprachig propagierte und damit sprachlich heterogene Zukunft Europas eher den Bedürfnissen der jeweiligen Sprachgemeinschaften, deren Interessenvielfalt und allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entgegen, so erleichert die sprachliche Homogenität die Kommunikation, beschleunigt gemeinsame Entscheidungsprozesse und stützt die gemeinsame Handlungsfähigkeit.
 
Die zu erwartende Erweiterung der EU durch ehemalige RGW-Länder und andere Staaten wird nicht nur einen geopolitischen Zuwachs bedeuten, vielmehr wird sich die sprachliche Vielfalt noch stärker bemerkbar machen. Schon heute (1998) gibt es bei in alle Sprachen gedolmetschten Sitzungen von EU-Institutionen 110 Kombinationsmöglichkeiten, und in Zukunft könnte sich die Zahl auf über 800 erhöhen. Hier werden schon aus apparativen und Kostengründen sprachpolitische Eingriffe unverzichtbar sein; es bietet sich entweder eine Beschränkung auf wenige Arbeitssprachen oder aber die Möglichkeit an, dass jeder seine Sprache sprechen kann, die Verdolmetschung aber nur in eine geringe Zahl von Sprachen realisiert wird. Unrealistisch erscheint die Idee, eine Nicht-EU-Sprache (Latein oder Esperanto) zur alleinigen Amtssprache zu erheben.
 
 Sprache als Mittel der Politik
 
Sprachpolitik wurde seit jeher besonders von den jeweiligen Eroberern nach einer kriegerischen Inbesitznahme fremden Sprachgebiets betrieben. So wie die Römer zunächst die Oberschicht der eroberten Völker latinisierten, erschien es den christlichen Rückeroberern Spaniens bei der Reconquista selbstverständlich, neben ihrer Religion und Kultur auch ihre Sprache bei den mittlerweile arabisierten Bewohnern durchzusetzen. Während etwa die Sprachpolitik des Habsburgerreiches generell als liberal zu kennzeichnen ist, hat der französische Staat schon seit jeher versucht, seinen zentralistischen Anspruch darauf zu gründen, dass die Sprache des Pariser Beckens (Île-de-France) zur alleinigen Landessprache wurde, deren Durchsetzung mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht nach der Französischen Revolution erfolgte. Die Sprachen von Angehörigen anderer lingualer Gruppen wurden demgegenüber als geringerwertig eingestuft, was z. B. zu einem nahezu völligen Zurückdrängen des Provenzalischen (Okzitanischen) geführt hat. Gleichzeitig wendet sich die Académie française konsequent gegen jedes Eindringen fremdsprachlicher, v. a. englischer Wörter (»Franglais«). Das autoritäre Francoregime Spaniens verbannte die autochthonen Regionalsprachen Baskisch, Galicisch und Katalanisch aus dem öffentlichen Leben und verbot auch deren Gebrauch im Alltag. Weitere Beispiele für eine äußerst restriktive Sprachpolitik sind die Italianisierung deutscher Namen während der faschistischen Ära in Südtirol, die Tabuisierung beziehungsweise das Verbot der deutschen Sprache in (Ober-)Schlesien nach dem Zweiten Weltkrieg, v. a. nach 1957, oder die bis vor kurzem praktizierte Bulgarisierung türkischer Familiennamen in Bulgarien. Daneben gibt es auch Beispiele dafür, dass Gebietsansprüche dadurch verdeutlicht werden sollen, dass man Idiomen zur Sprachlichkeit verhalf: Nach dem Ersten Weltkrieg und insbesondere nach der Annexion Bessarabiens und der nördlichen Bukowina 1940 wurde in der UdSSR das Moldauische (ein Dialekt des Rumänischen) zu einer eigenen Sprache erklärt und dementsprechend ausgebaut (um rumän. Gebietsansprüchen zu begegnen), nach dem Zweiten Weltkrieg die Standardisierung des Makedonischen in Jugoslawien vorangetrieben (womit hegemonialen Ansprüchen seitens Bulgariens und Griechenlands entgegengewirkt werden sollte).
 
Im Deutschen Reich wurde 1885 der Allgemeine Deutsche Sprachverein gegründet, der sich der Eindeutschung zumeist französische Wörter verschrieb; von diesen Eindeutschungen sind einige heute Allgemeingut: Einschreiben für (lettre) recommandée, Fahrkarte für billet(t), Bahnsteig für perron. Auch wenn diese Organisation im Sinne einer Beseitigung vermeintlicher Bildungsbarrieren zum Teil demokratische Absichten verfolgte, sind diese Bestrebungen doch vor dem Hintergrund nationalistisch-völkischer Intentionen zu sehen, die der Manipulation der Sprache durch die Nationalsozialisten den Boden bereiteten. Im nationalsozialistischen Deutschland wurde seitens des Propagandaministeriums Sprache gezielt als Instrument zur weltanschaulichen Ausrichtung der gesamten Bevölkerung im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie und ihres Herrschaftsanspruchs eingesetzt. Mit massenwirksamen, durch Stereotypie, hohen Affektgehalt und die Unterwanderung rationaler Diskurse geprägten Parolen wurden einerseits Solidarität und Kollektivbewusstsein des »deutschen«, »arischen« »Herrenvolks« durch Mythisierung beschworen, andererseits politische Gegner, im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie v. a. Juden, durch Negativassoziationen und Diffamierung auch sprachlich ausgegrenzt; dabei konnten politische Zielsetzungen durch vage Formulierungen auch bewusst verschleiert werden (z. B. »Sonderbehandlung«, »Endlösung der Judenfrage«).
 
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Bundesrepublik Deutschland im Bewusstsein der faschistischen Sprachmanipulation zunächst vermieden, zu enge Zusammenhänge zwischen Sprache und Politik herzustellen. Die Aufspaltung Europas in einen westlich-demokratischen und einen östlich-kommunistischen Block ließ auch politische Gegensätze wieder sprachlich manifest werden. So war auch der Ost-West-Konflikt von entsprechenden ideologischen Kampfbezeichnungen geprägt. Im Sprachgebrauch westlicher Politiker wurden die kommunistischen Herrschaftssysteme als Formen von »Totalitarismus« und damit als Bedrohung für die westlichen, freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnungen eingestuft. Umgekehrt wurden seitens der Ostblockländer den westlichen Gesellschaftssystemen u. a. »Imperialismus«, »Militarismus« und »Revanchismus« vorgeworfen. Im Sprachgebrauch der DDR wurde das positiv wertende Schlagwort »Antifaschismus« zur Markierung des historischen Bruchs mit dem nationalsozialistischen Staat und zur Legitimation der eigenen Gesellschaftsform mit dem Ziel einer Abgrenzung von »imperialistischen« und »kapitalistischen« Systemen ideologisch verfestigt. Durch das »Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrats der DDR« wurde eine alle offiziellen Texte und damit v. a. die Bereiche von Ideologie und Politik betreffende zentrale Sprachregelung betrieben.
 
In demokratisch verfassten und pluralistisch gegliederten Gesellschaften wird - auf der Grundlage des Rechts auf freie Meinungsäußerung - Sprache als Mittel eingesetzt, um Prinzipien politischen Handelns zu formulieren, Interessengegensätze auszutragen sowie Interpretationen und Bewertungen im Hinblick auf die politisch-soziale Welt vorzunehmen und auf diese Weise politisch Einfluss zu nehmen. Dabei ist von einer grundsätzlichen Doppelbödigkeit politischen Sprachhandelns auszugehen: Legitimierende und werbende Muster werden mehr oder weniger verdeckt als »Information« oder »Diskussion« inszeniert, politische Kampagnen werden mit gezielter Spracharbeit unterlegt. Im Zuge einer »Besetzung« bestimmter Themen und Diskurse werden dabei auch Begriffe und semantische Felder »besetzt«. Auch bei Bezeichnungsidentität politisch-gesellschaftlicher Zielvorstellungen (z. B. der Grundwerte Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit) können diese in der Auseinandersetzung um das authentische Begriffsverständnis unterschiedlich akzentuiert werden. Daneben werden in der politischen Programmatik, abhängig von politischen Entwicklungen und daraus resultierenden (wechselnden) Einstellungen, jeweils unterschiedliche Referenzbereiche versprachlicht (z. B. von der Regierung unter K. Adenauer Themen wie »Wirtschaftswachstum«, »europäische Integration«, »Wiedervereinigung«, in der Innen-, Deutschland- und Ostpolitik der frühen sozialliberalen Koalition »mehr Demokratie [wagen]«, »Chancengleichheit«, »Mitbestimmung«, »Wandel durch Annäherung«). Ferner lassen sich politische Positionen durch Bezeichnungskonkurrenz bei jeweils gleichen Bezugsobjekten verdeutlichen (z. B. in der 2. Hälfte der 60er-Jahre »[Ost-]Zone«, »sowjetisch besetzte Zone«, »Deutsche Demokratische Republik«, »so genannte DDR«, »DDR« mit und ohne Anführungszeichen; nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten »Beitritt« oder »Anschluss« der DDR in/an die Bundesrepublik Deutschland; in jüngster Zeit »Wirtschaftsflüchtlinge«, »Asylanten«, »Asylbewerber«). Im Extremfall werden zur Diskriminierung politischer Gegner auch Schlagwörter eingesetzt (z. B. bei einer undifferenzierten und aus einem referierenden historischen Kontext gelösten Verwendung von »Faschist« oder »faschistisch« beziehungsweise »Kommunist« oder »kommunistisch«).
 
Charakteristisch für eine demokratisch-pluralistische Gesellschaft ist ferner die Tatsache, dass sich auch über den Rahmen parlamentarisch-parteipolitischer Institutionen hinaus zahlreiche gesellschaftliche Gruppen mittels bestimmter sprachlicher Ausdrücke politisch artikulieren. Dazu gehörte u. a. Ende der 60er-Jahre die (linke) außerparlamentarische Opposition, deren Kritik am etablierten politischen System sich auch in entsprechenden Bezeichnungskategorien widerspiegelte (»Establishment«, »Repression«, »Konsumterror« versus »Systemüberwindung«, »Basisdemokratie«, »antiautoritäre Erziehung«). Mit ihrem Engagement für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen rückte die Ökologiebewegung die Umweltproblematik auch sprachlich ins öffentliche Bewusstsein. Zentraler Punkt der ökologischen Sprachkritik ist der Verharmlosungsvorwurf mit Blick auf die vermeintliche Wertneutralität fachsprachlicher Termini (z. B. »Sondermüll«, »Entsorgung«), die als Sprachmanipulation in beschwichtigender Absicht und (entsprechenden Stimulationseffekten moderner Werbung vergleichbar) mit dem Ziel der Vermittlung eines positiven Image verbunden interpretiert werden. In jüngster Zeit wird auch die sprachliche Komponente weiblicher Emanzipation dem Bereich sprachpolitischer Diskussion zugeordnet; dabei fordert die feministische Sprachkritik gegen patriarchalische Modelle mit zunehmendem Erfolg eine Sprache, die der rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau durch entsprechende geschlechtsspezifische Unterschiedlichkeit in der Sprachverwendung (»man/frau«, »ArbeiterInnen«, »Mitbürgerinnen und Mitbürger«) Rechnung trägt.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
ausländische Arbeitnehmer · Kultur · Regionalismus
 
Literatur:
 
W. Dieckmann: Sprache in der Politik (21975);
 
Holzfeuer im hölzernen Ofen. Aufsätze zur polit. Sprachkritik, hg. v. H. J. Heringer (1982);
 F. Coulmas: Sprache u. Staat. Studien zur Sprachplanung u. S. (1985);
 D. Sternberger u. a.: Aus dem Wb. des Unmenschen (Neuausg. 1986);
 E. Strassner: Ideologie - Sprache - Politik (1987);
 J. Born u. S. Dickgiesser: Dt.-sprachige Minderheiten (1989);
 
Histor. Sprachkonflikte, hg. v. P. H. Nelde (1989);
 
Language conflict and minorities, hg. v. P. H. Nelde: (Bonn 1990);
 
Polit. Semantik. Bedeutungsanalyt. u. sprachkrit. Beitrr. zur polit. Sprachverwendung, hg. v. J. Klein (1989);
 
Sprache im Faschismus, hg. v. K. Ehlich (1989);
 G. Strauss u. a.: Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist (1989);
 G. Bauer: Sprache u. Sprachlosigkeit im Dritten Reich (21990);
 W. Holly: Politikersprache (1990);
 
Interkulturelle Kommunikation, hg. v. B. Spillner (1990);
 
Sprache u. Politik, hg. v. B. Spillner: (1990);
 E. Stölting: Eine Weltmacht zerbricht. Nationalitäten u. Religionen der UdSSR (1990);
 U. Ammon: Die internat. Stellung der dt. Sprache (1991);
 
Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik, hg. v. F. Liedtke u. a. (1991);
 H. Christ: Fremdsprachenunterricht für das Jahr 2000. Sprachenpolit. Betrachtungen zum Lehren u. Lernen fremder Sprachen (1991);
 
Ein Europa - viele Sprachen, hg. v. K. J. Mattheier (1991);
 
A language policy for the European Community, hg. v. F. Coulmas (Berlin 1991);
 P. von Polenz: Dt. Sprachgesch. vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, 2 Bde. (1991-94);
 
Sprache statt Politik? Politikwiss. Semantik- u. Rhetorikforschung, hg. v. M. Opp de Hipt u. E. Latniak (1991);
 A. Trabold: S., Sprachkritik u. Öffentlichkeit. Anforderungen an die Sprachfähigkeit des Bürgers (1993);
 J. Born u. W. Schütte: Eurotexte. Textarbeit in einer Institution der EG (1995);
 
Kontroverse Begriffe. Gesch. des öffentl. Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Dtl., Beitrr. v. G. Stötzel u. a. (1995);
 
Sprache im Konflikt. Zur Rolle der Sprache in sozialen, polit. u. militär. Auseinandersetzungen, hg. v. R. Reiher (1995);
 
Sprache des Parlaments u. Semiotik der Demokratie. Studien zur polit. Kommunikation in der Moderne, hg. v. A. Dörner u. L. Vogt (1995);
 
Sprachstrategien u. Dialogblockaden. Linguist. u. politikwiss. Studien zur polit. Kommunikation, hg. v. J. Klein u. H. Diekmannshenke (1996);
 
Wörter in der Politik. Analysen zur Lexemverwendung in der polit. Kommunikation, hg. v. dens. (1996).

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Sprach|po|li|tik, die: die in einem Land gesprochene[n] Sprache[n], die in einem Land sich stellende Sprachenfrage o. Ä. betreffende Politik: die S. der derzeitigen Regierung zielt auf eine Reform des Sprachenrechts; eine liberale, restriktive S. verfolgen.

Universal-Lexikon. 2012.