Bundesrepublik Nigeria
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Ni|ge|ria; -s:
Staat in Westafrika.
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Nigeria,
Fläche: 923 768 km2
Einwohner: (2000) 123,3 Mio.
Hauptstadt: Abuja
Amtssprache: Englisch
Nationalfeiertag: 1. 10.
Zeitzone: MEZ
amtlich englisch Federal Republic of Nigeria ['fedərəl rɪ'pʌblɪk əv naɪ'dʒɪərɪə], deutsch Bundesrepublik Nigeria, Staat in Westafrika, am Atlantischen Ozean, grenzt im Westen an Benin, im Norden an Niger, im Nordosten an Tschad, im Osten und Südosten an Kamerun, mit 923 768 km2 mehr als doppelt so groß wie Schweden, (2000) 123,3 Mio. Einwohner Hauptstadt ist Abuja im Landesinnern; Amtssprache Englisch; Währung: 1 Naira (₦) = 100 Kobo (k). Zeitzone: MEZ.
Staat und Recht:
Die am 17. 5. 1999 in Kraft getretene Verfassung bestimmt Nigeria als präsidiale Bundesrepublik im Commonwealth, garantiert die Gewaltenteilung und das Mehrparteiensystem. Bis zum In-Kraft-Treten der neuen Verfassung galt die Verfassung von 1979 (1993-98 außer Kraft gesetzt). Staatsoberhaupt ist der auf vier Jahre direkt gewählte und mit weit reichenden Vollmachten ausgestattete Präsident Er bestimmt als oberster Inhaber der Exekutivgewalt (Regierungschef) die Richtlinien der Politik und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Ihm zur Seite in der Regierungstätigkeit steht (nach dem Vorbild des Präsidialsystems der USA) ein Vizepräsident. Trägerin der Legislative ist die Nationalversammlung (National Assembly), ein Zweikammerparlament, bestehend aus Repräsentantenhaus (Unterhaus) und Senat (Oberhaus), deren 360 beziehungsweise 109 Abgeordneten für eine Legislaturperiode von vier Jahren gewählt werden (Wahlrecht ab dem 21. Lebensjahr). An der Spitze der Bundesstaaten stehen gewählte Gouverneure.
Parteien:
Nach Aufhebung des seit November 1993 bestehenden Parteienverbots am 27. 6. 1995 wurden verschiedene politische Parteien zugelassen, u. a. die United Nigeria Congress Party (UNCP) und das Committee for National Consensus (CNC). Politische Aktivitäten zugunsten einer demokratischen Umgestaltung gehen v. a. von Bürgerrechtsgruppierungen aus; dazu zählen die Campaign for Democracy (CD), die National Democratic Coalition (NADECO) und der Movement for the Survival of the Ogoni People (MOSOP).
Dachverband der Gewerkschaften ist der Nigerian Labour Congress (NLC; gegründet 1978); zu den aktivsten Einzelgewerkschaften zählen die National Union of Petroleum and Natural Gas Workers (NUPENG) und die Petroleum and Natural Gas Senior Staff Association of Nigeria (PENGASSAN).
Das Wappen (seit 1960) zeigt in dem von zwei weißen Pferden gehaltenen schwarzen Schild eine silberne Wellendeichsel, Symbol für die Ströme Niger und Benue. Schild und Schildhalter stehen auf einer Wiese, am Fuß des Wappens befindet sich ein Schriftband mit dem Wahlspruch »Unity and Faith« (»Einheit und Treue«). Das Oberwappen wird gebildet von einem roten Adler, der in seinen Fängen einen Wulst in den Nationalfarben hält.
Nationalfeiertage:
Nationalfeiertag ist der 1. 10., der an die Erlangung der Unabhängigkeit 1960 erinnert.
Nigeria gliederte sich bis zum 30. 9. 1996 in 30 Bundesstaaten und ein Bundesterritorium (Abuja), jeweils von einem ernannten Militärgouverneur verwaltet, der einem von ihm ernannten Staatsexekutivrat vorsteht. Am 1. 10. 1996 wurden sechs weitere Bundesstaaten gegründet (Bayelsa, Eboniyi, Ekiti, Gombe, Nassarawa, Zamfara).
Privat- und Strafrecht orientieren sich am englischen Recht; für Familien- und Erbrecht gilt Stammesrecht beziehungsweise islamisches Recht. Auf Bundesebene gibt es den Obersten Gerichtshof (Supreme Court), das Appellationsgericht (Federal Court of Appeal) und das Hohe Bundesgericht (Federal High Court). Jeder Bundesstaat verfügt über ein eigenes Gerichtssystem mit jeweils einem Hohen Gerichtshof (High Court of Justice) und anderen Gerichten (u. a. für islamisches Zivilrecht). Daneben sind Militärgerichte mit speziellen Appellationsgerichten (auch zur Bekämpfung von Korruption) eingerichtet. Bei schweren Verbrechen ist die Todesstrafe vorgesehen. In Nord- und Zentralnigeria haben seit 1999 insgesamt 13 Bundesstaaten die Scharia eingeführt.
Die Gesamtstärke der Freiwilligenarmee beträgt etwa 84 500 Mann. Das Heer (rd. 70 000 Soldaten) ist in eine Panzerdivision, zwei mechanisierte Divisionen sowie eine »gemischte Division« mit je einer Fallschirmjäger-, luftbeweglichen und amphibischen Brigade gegliedert. Die Luftwaffe hat etwa 9 500, die Marine rd. 5 000 Soldaten. Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus schätzungsweise 110 Kampfpanzern, rd. 100 Kampfflugzeugen, fünf Fregatten sowie 14 Kleinen Kampfschiffen.
Landesnatur und Bevölkerung:
Die Küstenebene am Golf von Guinea (Bucht von Benin westlich, Golf von Biafra östlich der Nigermündung) erweitert sich im Nigerdelta zu einem 100 km breiten Sumpfgebiet. Landeinwärts folgen ein Plateau (im Westen; 300-500 m über dem Meeresspiegel) sowie Hügelländer (bis 600 m über dem Meeresspiegel), dann der 80-160 km breite Trog, dem die Flüsse Niger (von Nordwesten) und Benue (von Südosten) folgen. Zentrum der nordnigerianischen Plateaulandschaft ist das Hochland von Bauchi (bis 1 780 m über dem Meeresspiegel). Im äußersten Nordwesten schließt sich die Ebene um Sokoto (180-240 m über dem Meeresspiegel) an, im Nordosten das Tschadbecken (Nigeria hat Anteil am Tschadsee). In dem Gebirgsland an der zentralen Ostgrenze liegt mit 2 042 m über dem Meeresspiegel die höchste Erhebung Nigerias (Vogel Peak in den Shebshi Mountains).
Nigeria hat tropisches Klima mit einer Regenzeit, die im Süden von April bis November (mit Niederschlagsmaxima im Juni und im September), im Mittelteil von April bis Oktober und im Norden von Mai bis Oktober dauert. Die Niederschlagsmengen nehmen von Süden nach Norden (630-690 mm jährlich) stark ab, wobei die östliche Küste besonders hohe Niederschläge erhält (um 3 000 mm jährlich; im Westen um 1 800 mm). Die Temperaturen zeigen nur geringe Schwankungen im Jahresablauf; sie liegen an der Küste zwischen 26 ºC (August, kältester Monat) und 29 ºC (März, wärmster Monat), im Norden zwischen 24 ºC (Januar) und 33 ºC (April); die niedrigsten Temperaturen treten im Hochland von Bauchi auf (zwischen 21 und 26 ºC). Unangenehm ist die hohe relative Luftfeuchtigkeit (im Küstenbereich 90-99 % morgens, 60-80 % mittags).
An die Mangrovenbestände an der Küste schließt sich tropischer Regenwald an, der nach Norden in Feuchtsavanne mit Galeriewäldern (v. a. an Niger und Benue) übergeht. Der Norden wird von Trockensavanne eingenommen, am äußersten Nordrand tritt stellenweise Dornstrauchsavanne mit Akazien auf. Die Savannen bedecken etwa drei Fünftel der Landesfläche.
Nigeria ist der volkreichste Staat Afrikas mit über 400 ethnisch, sprachlich und religiös unterschiedlichen Völkern und Stämmen. Die wichtigsten sind im Nordwesten und im mittleren Norden die Hausa und Hausa sprechende Ethnien (21 % der Bevölkerung), im östlichen und westlichen Nigeria die Fulbe (11 %), im Nordosten die Kanuri, im Südwesten die Yoruba (21 %), im Südosten die Ibo (18 %); dazwischen die Edo, im mittleren Südosten die Tiv. Im Süden (mit Ausnahme des Nigerdeltas) dichte Besiedlung mit vielen (zum Teil alten) Städten, v. a. der Yoruba. Die Mittelzone ist weithin dünn bevölkert; nur das Hochland von Bauchi, besonders um Jos, hat eine hohe Bevölkerungsdichte. Die nördliche Zone ist zum Teil wieder recht dicht besiedelt. Das durchschnittliche jährliche Bevölkerungswachstum beträgt (1985-95) 2,9 %; die städtische Bevölkerung 39 %. Die sehr dichte Besiedlung im Ballungsraum Lagos (mit über 5 Mio. Einwohnern) stellt Nigeria vor schwierige Probleme.
Es besteht Religionsfreiheit. Alle Religionsgemeinschaften sind rechtlich gleichgestellt. Führende islamische Persönlichkeiten üben jedoch einen nicht unbeträchtlichen politischen Einfluss aus. Nach neueren Schätzungen sind rd. 50 % der Bevölkerung sunnitische Muslime der malikitischen Rechtsschule (v. a. Fulbe, Hausa, Kanuri und Yoruba), rd. 45 % Christen (v. a. Ibo) und 5 % Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen (besonders unter den Yoruba). Der Islam ist stark durch sufitische Bruderschaften geprägt, die eine umfassende Islamisierung des Nordens, seines Hauptverbreitungsgebiets, anstreben. Fuß gefasst hat auch die Mission der Ahmadija-Bewegung. Hauptverbreitungsgebiet des Christentums ist der Süden Nigerias. Rd. 9 % der Bevölkerung gehören der anglikanischen Kirche der Provinz Nigeria an, rd. 8 % der katholischen Kirche, rd. 18 % protestantischer Kirchen (besonders Methodisten, Baptisten, Lutheraner, Presbyterianer, Pfingstler), rd. 10 % mehreren Hundert unabhängigen Kirchen. Die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas zählt nach eigenen Angaben rd. 350 000 Mitglieder
Das Schulwesen ist zum Teil noch von britischer (Kolonial-)Tradition geprägt. Allgemeine Schulpflicht besteht vom 6. bis 12. Lebensjahr, der Besuch der sechsjährigen Primarschulen ist unentgeltlich. Es fehlt aber an Schulen und qualifizierten Lehrkräften, deren Anzahl nicht entsprechend der steigenden Einschulungsrate aufgestockt wurde; die englische Sprache wird beim Schulabschluss daher oft nur unzureichend beherrscht. Drei- und sechsjährige allgemeine und berufliche Sekundarschulen schließen an (dreijährige praktisch orientierte »Modern Schools«, worauf dreijährige berufliche Schulen aufbauen, sechsjährige »Grammarschools«, die Hochschulreife vermitteln). Die Analphabetenquote liegt bei 40,5 %. Nigeria verfügt über 29 Universitäten, darunter die University of Nigeria in Nsukka (gegründet 1960) und die University of Lagos (gegründet 1962).
Tageszeitungen mit den höchsten Auflagen sind die mehrheitlich staatseigene »Daily Times« (gegründet 1925, Auflage 400 000; mit der Sonntagsausgabe »Sunday Times«, Auflage 100 000) sowie »National Concord« (gegründet 1980, Auflage 200 000) und »Punch« (gegründet 1976, Auflage 150 000; beide 1994-95 verboten). Zahlreiche weitere Tageszeitungen, Sonntagsblätter und Zeitschriften erscheinen in Lagos und in mehreren Bundesstaaten. Amtliche Nachrichtenagentur ist die »News Agency of Nigeria« (NAN; gegründet 1978), Sitz: Lagos. Für die beiden Rundfunkanstalten sind zwei staatliche Dachorganisationen errichtet worden: die »Federal Radio Corporation of Nigeria« (FRCN; gegründet 1978) und die »Nigerian Television Authority« (NTA; gegründet 1976). Die FRCN verbreitet landesweite und regionale Hörfunkprogramme in Englisch und mehreren Landessprachen sowie den Auslandsdienst »Voice of Nigeria« (gegründet 1962) in sechs Sprachen. Die NTA ist die Aufsichtsbehörde für die zentrale Produktionsgesellschaft »National TV Production Centre« in Lagos mit sechs Gebietsverwaltungen (Zonal Boards) für das Gemeinschaftsprogramm mit Beiträgen der regionalen Fernsehgesellschaften. Seit 1994 beziehungsweise 1996 gibt es zwei kommerzielle Fernsehsender.
Wirtschaft und Verkehr:
Seit den frühen 70er-Jahren ist die Wirtschaft Nigerias sehr stark vom Erdölsektor abhängig. Nach der starken Erhöhung der Preise für Erdöl 1973 nahm Nigeria viele Großprojekte (wie Errichtung der neuen Hauptstadt Abuja, Bau von Fabriken, Straßen und Häfen) in Angriff und zog Arbeitskräfte aus den Nachbarstaaten an. Fallende Weltmarktpreise für Erdöl und eine sinkende Nachfrage haben seither zu einer Verarmung des OPEC-Mitgliedes Nigeria geführt. Zählte Nigeria 1980 mit einem BSP je Einwohner von 1 010 US-$ zu den Ländern mit mittlerem Einkommen, so gehört es heute mit einem BSP je Einwohner von (1994)) 280 US-$ zu den 20 ärmsten Staaten Afrikas. Die Inflationsrate lag 1985-94 bei jährlich 30 % (1994: 57 %). Bei einer Auslandsverschuldung von (1994) 33,5 Mrd. US-$ müssen 18,5 % der Exporterlöse für den Schuldendienst aufgewendet werden. - Die mit der Erdölförderung einhergehende Verschmutzung von Luft, Boden und Wasser führt zu einer starken Beeinträchtigung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung Besonders betroffen sind die etwa 500 000 Ogoni, die bei der Erdölmetropole Port Harcourt im Nigerdelta ansässig sind.
Im Agrarbereich erwirtschaften (1994) 64 % der Erwerbstätigen 43 % des BIP. Die landwirtschaftliche Nutzfläche (rd. 78 % der Gesamtfläche) setzt sich zusammen aus 32 Mio. ha Ackerland und Dauerkulturen sowie 40 Mio. ha Weideland. Der Anbau erfolgt, außer auf wenigen Plantagen, im traditionellen Wanderfeldbau mit Brandrodung. Vorherrschend sind Kleinbetriebe mit 0,4-2 ha Nutzfläche. Hauptnahrungsmittel sind im Süden Jamswurzel, Maniok und Bananen, im Norden Hirse und Sorghum; es werden auch Reis, Mais und Gemüse angebaut. Die stürmische wirtschaftliche Entwicklung hat zur Vernachlässigung der Landwirtschaft und zu Landflucht der Bevölkerung geführt. Nigeria, früher ein bedeutender Exporteur von landwirtschaftlichen Produkten, muss heute Nahrungsmittel importieren (1994: 11 % der Importe, v. a. Getreide). Die wichtigsten Exportprodukte sind (1994): Kakaobohnen (Erntemenge: 135 000 t, entspricht 5 % der Weltproduktion), Erdnüsse (1,2 Mio. t, 5 %), Palmöl (950 000 t, 7 %) und Palmkerne (380 000 t, 9 %). Die Exportfrüchte werden v. a. in den südlichen Landesteilen angebaut. Die Rinderhaltung ist auf die von der Tsetsefliege freien nördlichen Landesteile konzentriert (Viehbestand 1993: 16,3 Mio. Rinder, 14 Mio. Schafe, 24,5 Mio. Ziegen).
Als Wald werden (1992) 11 Mio. ha ausgewiesen. Nur 7 % der eingeschlagenen Holzmenge von (1991) 111 Mio. m3 werden als Nutzholz (Mahagoni, Iroko, Sapelli) weiterverarbeitet; die Hauptmenge dient als Brennholz. Weiterhin werden (1994) 105 000 t Naturkautschuk gewonnen.
Neben der Hochseefischerei haben die Küstenfischerei und die Produktion in Fischfarmen an Bedeutung gewonnen. 1991 betrug die Fangmenge 267 000 t, davon entfielen zwei Drittel auf Meeresfische (v. a. Sardinen).
Wichtigstes Wirtschaftsgut ist das Erdöl, das v. a. im Nigerdelta und im anschließenden Schelf gefördert wird. Die Suche nach Erdöl wurde 1937 aufgenommen, die Förderung begann 1958. Das nigerianische Erdöl zählt zum qualitativ besten und daher teuersten der Erde. Der Staat ist an allen Fördergesellschaften mit Mehrheit beteiligt. Seit 1974 ist Nigeria das wichtigste Erdöl fördernde Land Afrikas. Mit einer Fördermenge (1995) von 102 Mio. t (3 % der Weltförderung) steht Nigeria an 13. Stelle unter den Erdöl fördernden Ländern. Zudem besitzt Nigeria umfangreiche Erdgas- und Kohlelagerstätten (1995: 3,1 Mrd. m3 beziehungsweise 245 Mio. t). Steinkohle wird seit 1915 bei Enugu abgebaut (Fördermenge 1992: 87 000 t). Zinn und Columbit kommen aus dem Bauchiplateau. Nachgewiesen sind Vorkommen an Eisen-, Blei-, Zink- und Uranerz.
1995 lag der Anteil des industriellen Sektors am BIP bei 53 %. Als Folge des Erdölbooms setzte in den 70er-Jahren im verarbeitenden Gewerbe eine Gründungswelle ein. Wichtigste Industriestandorte sind Lagos, Kano und Kaduna. Neben der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, Brauereien, Textilindustrie hat Nigeria v. a. Stahlindustrie, Metallwarenfabriken, eine Zinnhütte (in Jos), drei Erdölraffinerien (bei Port Harcourt, in Warri und Kaduna), eine Erdgasverflüssigungsanlage, chemische (v. a. Düngemittelherstellung) und pharmazeutische Industrie, Sägewerke, Kfz-Montagewerke, elektrotechnische Industrie, Zementindustrie, Zigarettenfabriken. Ferner gibt es Klein- und Familienbetriebe des traditionellen Handwerks.
Der Außenhandel wird in hohem Maße von der Entwicklung auf dem Erdölmarkt bestimmt (1994: Einfuhrwert 5,45 Mrd. US-$, Ausfuhrwert 11,31 Mrd. US-$). Neben Erdöl (1994: 98,4 % der Gesamtausfuhr) werden v. a. landwirtschaftliche Güter (Kakaobohnen, Kautschuk, Palmöl, Erdnüsse) exportiert. Wichtigste Handelspartner sind die USA, Frankreich, Deutschland und Großbritannien.
Verkehr:
Im Vergleich zu anderen westafrikanischen Staaten besitzt Nigeria ein gut ausgebautes Verkehrssystem. Das Eisenbahnnetz (3 500 km) besteht v. a. aus den Süd-N-Verbindungen Lagos-Nguru und Port Harcourt-Maiduguri. Die einzige Autobahnverbindung des (1991) 112 100 km umfassenden Straßennetzes besteht zwischen Lagos und Ibadan. Wichtigste Häfen sind die beiden von Lagos, die auch für den Außenhandel von Niger und Tschad dienen, sowie Warri, Port Harcourt und Calabar. Der 1961 eröffnete Erdölexporthafen Bonny (auf einer Insel im Südosten des Nigerdeltas) ist Endpunkt des Pipelinesystems im Nigerdelta. Über Sapele wird v. a. Holz verschifft. Für die Binnenschifffahrt stehen 6 400 km Wasserstraßen zur Verfügung, v. a. der Niger mit Nigerdelta und die Lagunen entlang der Küste. Internationale Flughäfen sind in Lagos (Matala Muhammed Airport), Kano, Port Harcourt, Calabar und Abuja.
In vorkolonialer Zeit bildeten sich auf dem Gebiet des heutigen Nigeria im Norden die Stadtstaaten der Hausa, die zwischen 1804 und 1807 im Reich Osman dan Fodios zusammengeschlossen wurden. Im Nordosten setzte seit dem Ende des 14. Jahrhunderts das Reich Bornu die Tradition Kanems fort (Kanem-Bornu). Im Südwesten schlossen sich die Yoruba zu einem Staatenbund zusammen; religiöser und kultureller Mittelpunkt war Ife. Von den Hausa und Yoruba beeinflusst war der Staat der Nupe am mittleren Niger. Die Ibo im Südosten und andere Völker gründeten keine größeren Staaten.
1472 landeten erstmals Portugiesen an der Küste des heutigen Nigeria und führten später Sklaventransporte nach Amerika durch. Im 17./18. Jahrhundert hatten die Engländer den Hauptanteil am Sklavengeschäft. Das Yorubareich, um 1700 unter dem Herrscher (»Alafin«) von Oyo ein mächtiger Staatenbund, geriet in Krisen und Bürgerkriege, die bis 1850 andauerten. Während die Nachfolger Osman dan Fodios 1817-60 im Norden eine expansive islamische Staatsmacht aufbauten, blühten an der Südostküste kleine Stadtkönigtümer (Opobo, Bonny, Brass, Calabar u. a.) durch Palmölhandel auf, der nach 1807 den Sklavenhandel ablöste.
1861 besetzten die Briten Lagos, um den Sklavenhandel zu unterdrücken. Im Auftrag der »Royal Niger Company«, die 1886 eine königliche Charter und damit Hoheitsrechte erhielt, wurden 1897-1903 die Staaten des Nordens unterworfen. Benin wurde 1897 erobert. 1899 zog die britische Regierung die Charter zurück und übernahm selbst die Verwaltung des Landes, das 1900 den Namen Nigeria erhielt. Die Protektorate Lagos und Südnigeria wurden 1906 verschmolzen. Gouverneur F. J. D. Lugard schuf 1914 eine gemeinsame Verwaltung für Südnigeria und das Protektorat Nordnigeria. Dort beschränkte sich die britische Kolonialmacht jedoch unter Einsatz der islamischen Fürsten nur auf eine »indirekte Herrschaft« (Indirect Rule). Im Iboland setzte sich die britische Herrschaft erst im Laufe des Ersten Weltkriegs durch. 1922 wurde ein Teil der ehemaligen deutschen Kolonie Kamerun als britisches Mandat mit Nigeria verbunden.
Nach dem Ersten Weltkrieg entstand unter der Intelligenz eine schwarzafrikanische Nationalbewegung (Gründung eines »Nationalkongresses für Britisch Westafrika«). 1929 leisteten viele Ibo, v. a. Frauen, gewaltsamen Widerstand gegen die Steuerregistrierung. Daraufhin wurde das System der »indirekten Herrschaft«, für das es im Süden keine echten afrikanischen Autoritäten gab, reformiert und eine von der Verwaltung unabhängige Justiz geschaffen. Unter dem Druck von Gewerkschaften (Streiks) und des 1944 von N. Azikiwe und anderen Politikern gegründeten »National Council of Nigeria and the Cameroons« (englische Abkürzung NCNC) leitete die britische Kolonialregierung Verfassungsreformen ein: Die Verfassung von 1951 verstärkte die Autonomie der Regionen, die von 1954 führte ein zentrales, direkt vom Volk zu wählendes Parlament und einen Ministerrat für ganz Nigeria ein. Neben dem NCNC entstand als konservative Partei des Nordens der »Northern People's Congress« (NPC), als Sprachrohr der Yoruba die »Action Group« (AG) unter O. Awolowo. Am 1. 10. 1960 wurde Nigeria unabhängig, am 1. 10. 1963 Republik innerhalb des Commonwealth; Staatspräsident wurde Azikiwe.
Soziale, kulturelle und ethnische Spannungen v. a. zwischen den muslimischen Hausa und den christlichen Ibo blockierten die demokratische Entwicklung Nigerias. Am 15. 1. 1966 putschte eine Gruppe von Offizieren unter dem Ibo General Johnson Aguiyi-Ironsi (* 1924); Staatspräsident Azikiwe trat im Februar zurück. Am 29. 7. stürzten - in Gestalt eines Gegenputsches - den Hausa nahe stehende militärische Kräfte General Aguiyi-Ironsi, der am 16. 1. als Vorsitzender eines zentralistisch orientierten Militärrates die Regierung Nigerias übernommen hatte. Aguiyi-Ironsi wurde ermordet. Pogrome gegen die Ibo in Nordnigeria und die beginnende Erschließung der Erdölvorkommen im Südosten Nigerias veranlassten Oberst C. O. Ojukwu, den Militärgouverneur der v. a. von Ibo bewohnten Ostregion Nigerias, diese am 30. 5. 1967 zur unabhängigen Republik Biafra auszurufen. In einem blutigen Bürgerkrieg gelang es der nigerianischen Zentralregierung unter General Y. Gowon, seit dem zweiten Putsch von 1966 Staatschef, die Sezession Biafras rückgängig zu machen. International von nur sehr wenigen Staaten unterstützt, kapitulierte Biafra, dessen Bevölkerung durch die ständige Hungersnot schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war (Hilfsmaßnahmen u. a. des Internationalen Roten Kreuzes und der christlichen Kirchen), am 15. 1. 1970. In kurzer Zeit gelang jedoch eine nationale Aussöhnung zwischen den Bürgerkriegsparteien. In der Folgezeit errichtete die Zentralregierung zahlreiche Gliedstaaten, um die ethnisch-kulturellen Rivalitäten zu mindern.
Im Juli 1975 wurde Gowon im Verlauf eines unblutigen Staatsstreichs gestürzt; sein Nachfolger als Staatschef, General Murtala Ramat Mohammed (* 1937), wurde im Februar 1976 bei einem gescheiterten Putschversuch ermordet. General O. Obasanjo übernahm die Militärregierung und leitete 1977 den Prozess der Rückkehr Nigerias zu gewählten Staatsorganen ein. 1978 verkündete die Regierung eine neue Verfassung und ließ neue Parteien zu. Bei den Wahlen auf Bundes- und Gliedstaatsebene errang die von Shehu Shagari (* 1924) geführte »National Party of Nigeria« (NPN) 1979 die relative Mehrheit; Shagari wurde mit knapper Mehrheit zum Staatspräsidenten gewählt (1983 im Amt bestätigt).
Korruptionsvorwürfe gegenüber der politisch führenden Schicht Nigerias lösten Ende Dezember 1983 einen Militärputsch aus; die Verfassung wurde suspendiert, die Parteien wurden verboten. Der neue Staatschef General Mohammed Buhari (* 1942) wurde 1985 durch General I. Babangida ersetzt. Vor dem Hintergrund der weiterhin bestehenden kultisch-ethnischen Spannungen kam es im April 1990 zu einem (gescheiterten) Putschversuch.
Mit der Annullierung der Präsidentschaftswahl vom Juni 1993, bei der Moshood Abiola von der Social Democratic Party (SDP) die meisten Stimmen erhalten hatte, wurde der 1991 in Gang gesetzte Demokratisierungsprozess gestoppt. Unruhen in der Bevölkerung führten im November 1993 zur erneuten Machtübernahme durch das Militär. Präsident wurde General S. Abacha, der an der Spitze einer Militärregierung diktatorisch regiert. So wurden alle demokratischen Institutionen abgeschafft, angekündigte Neuwahlen abgesagt und Militärverwalter für die Bundesstaaten benannt. Bemühungen der Demokratiebewegung (v. a. vonseiten der Gewerkschaften), mittels Streiks die Militärherrschaft zu beenden, alle politische Gefangenen freizulassen und Abiola als Staatsoberhaupt anzuerkennen, beantwortete die Regierung mit scharfen Repressionen. Im Oktober 1995 verkündete sie jedoch ein Dreijahresprogramm, das Voraussetzungen für die Rückkehr zu einer zivilen Herrschaft schaffen soll (u. a. freie Wahlen, Annahme einer neuen Verfassung). Am 10. 11. 1995 wurden der Dichter und Umweltschützer Ken Saro-Wiwa sowie acht weitere Mitglieder des Movement for the Survival of the Ogoni People (MOSOP), die für eine Wiedergutmachung der aus der Erdölförderung im Ogoni-Gebiet entstandenen Umweltschäden sowie gegen Menschenrechtsverletzungen kämpften, trotz internationaler Proteste hingerichtet. In der Folge geriet Nigeria in internationale Isolation, da die Rechtmäßigkeit des Urteils (schuldig des Mordes an vier Ogoniführern) angezweifelt wurde. Das Commonwealth of Nations schloss das Land vorübergehend aus seiner Gemeinschaft aus, die EU suspendierte u. a. die Wirtschaftshilfe und verhängte ein Waffenembargo. Im Mai 1996 kam es zu Spannungen zwischen Nigeria und Kamerun im gemeinsamen Grenzgebiet, wo große Erdölvorkommen vermutet werden. Zahlreiche Staaten und internationale Organisationen (u. a. auch die UN) forderten die Militärmachthaber in Nigeria wiederholt auf, die Menschenrechte einzuhalten, wirksame Schritte zur Demokratisierung einzuleiten sowie alle politische Gefangenen freizulassen. Nach dem Tod von Abacha im Juni 1998 wurde General A. Abubakar Staatspräsident, der die Übergabe der Macht an gewählte Institutionen einleitete. Bei den Parlamentswahlen im Februar 1999 siegte die PDP, neuer Staatspräsident wurde bei den wenig später durchgeführten Präsidentschaftswahlen der ehemalige Militärmachthaber O. Obasanjo. Zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen kam es seit 1999 v. a. in den nördlichen, muslimisch geprägten Bundesstaaten sowie im Südosten des Landes; Anlass der Unruhen war die Einführung der Scharia in zahlreichen Bundesstaaten. Angesichts dieser angespannten Lage kam das Reformprogramm von Präsident Obasanjo nur schleppend voran.
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Ni|ge|ria; -s: Staat in Westafrika.
Universal-Lexikon. 2012.