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Modernismus
Mo|der|nịs|mus 〈m.; -; unz.〉
1. (von Papst Pius X. 1907 verurteilte) liberale, wissenschaftl.-krit. Richtung innerhalb der kath. Kirche
2. 〈allg.〉 Streben nach Modernität, Bejahung alles Modernen
[neulat.]

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Mo|der|nịs|mus, der; -, …men:
1. <o. Pl.> Bejahung des Modernen, Streben nach Modernität [in Kunst u. Literatur].
2. (Sprachwiss., Stilkunde, Kunstwiss.) modernes Stilelement.

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Modernịsmus
 
der, -,  
 1) von dem Freiburger Dogmatiker Carl Braig (* 1853, ✝ 1923) geprägte Bezeichnung für die Ende des 19. Jahrhunderts innerhalb der katholischen Kirche (zuerst in Frankreich) einsetzenden, von Aufklärung und Liberalismus beeinflussten Bestrebungen katholischer Theologen um einen Ausgleich zwischen kirchlicher Lehre und modernem Denken. Im Gegensatz zur (päpstlich geförderten) Neuscholastik vertraten die »Modernisten« einen historisch-kritischen Denkansatz (Bibelkritik; Erweis der Dogmen als geschichtlich gewordener und somit wandelbarer Beschreibungen christlicher Glaubensinhalte) und sahen sich kirchlicherseits den Vorwürfen des Historismus und Evolutionismus ausgesetzt. Hauptvertreter des Modernismus waren u. a. in Frankreich der Religionsphilosoph Lucien Laberthonnière (* 1860, ✝ 1932) sowie M.-J. Lagrange und A. Loisy, in England G. Tyrrell und Friedrich von Hügel (* 1852, ✝ 1925), in Italien E. Buonaiuti und der v. a. politisch-sozial orientierte Priester Romolo Murri (* 1870, ✝ 1944). In Deutschland wurden - von Ausnahmen wie dem Münchner Theologieprofessor Joseph Schnitzer (* 1859, ✝ 1940) abgesehen - eher gemäßigt modernistische Positionen im Sinne eines Reformkatholizismus vertreten. 1899 wurden dem Modernismus verwandte Strömungen in den USA (Amerikanismus) von Leo XIII. als häretisch abgelehnt. 1907 erfolgte unter Pius X. die Verurteilung von Thesen aus den Werken Loisys und Tyrrells. In der kurz darauf erschienenen Enzyklika »Pascendi dominici gregis« wurde der Modernismus als »Sammelbecken aller Häresien« feierlich verurteilt. 1910 wurde für alle in Seelsorge und Lehre tätigen Geistlichen der Antimodernisteneid vorgeschrieben, der über das Glaubensbekenntnis des Trienter Konzils hinaus die Verpflichtung auf wesentliche Punkte der Enzyklika »Pascendi« enthielt. In der Folgezeit blieb der das Pontifikat von Pius X. prägende Integralismus bestimmend und verhinderte eine konstruktive Auseinandersetzung mit den modernen Wissenschaften. Erst das 2. Vatikanische Konzil griff die Anliegen, die zum Modernismus geführt hatten, wieder auf und suchte ihnen im Kontext einer erneuerten Theologie gerecht zu werden.
 
Literatur:
 
N. Trippen: Theologie u. Lehramt im Konflikt. Die kirchl. Maßnahmen gegen den M. im Jahre 1907 u. ihre Auswirkungen in Dtl. (1977);
 B. Greco: Ketzer oder Prophet? Evangelium u. Kirche bei dem Modernisten E. Buonaiuti (Zürich 1979);
 T. M. Loome: Liberal catholicism, reform catholicism, modernism. A contribution to a new orientation in modernist research (Mainz 1979);
 M. Weitlauf: M. als Forschungsproblem. Ein Bericht, in: Ztschr. für Kirchengesch., Jg. 93 (1982);
 O. Weiß: Der M. in Dtl. Ein Beitrag zur Theologiegesch. (1995).
 
 2) spanisch Modernịsmo, lateinamerikanische und spanische Variante der alle Lebensbereiche erfassenden europäischen Erneuerungsbewegung gegen Ende des 19. Jahrhunderts, die radikal mit dem bürgerlichen Materialismus und seinem prosaischen Kunstverständis brach. In Spanien und Katalonien zeigte sich der Modernismus v. a. in der Architektur und Literatur; er umfasst den Zeitraum von etwa 1888 (R. Darío, »Azul«, Gedichte und Prosa) bis 1910. In vielen Charakteristika ist der Modernismus eine Wiederaufnahme der Romantik: in der Sakralisierung und Verabsolutierung der Kunst und des Künstlers (Boheme), der Ästhetisierung der Moral, der Feier der idealen Schönheit, der Verachtung des Alltags und der Hinwendung zu Esoterik, Exotismus und zum Mittelalter Viele Themen stammen von den französischen Parnassiens und Symbolisten (v. a. P. Verlaine) und wurden über Darío nach Spanien vermittelt. Die Hauptrepräsentanten des Modernismus sind in Amerika neben Darío u. a. C. Vallejo, Ricardo Jaimes Freyre (* 1868, ✝ 1933), L. Lugones Argüello, Enrique Gómez Carillo (* 1873, ✝ 1927), in Spanien in der Lyrik u. a. A. und M. Machado y Ruiz, der frühe J. R. Jiménez und F. Villaespesa, in der Prosa R. del Valle-Inclán und im Theater E. Marquina. Der Modernismus hat die spanische Dichtungssprache und Metrik stark beeinflusst. Er stand in enger Wechselbeziehung, zum Teil in Widerspruch zu ähnlichen Bestrebungen der Generation von 98.
 
Ausgabe: Antología de la poesía modernista, herausgegeben von P. Gimferrer (1969).
 
Literatur:
 
J. L. Marfany: Aspectes del modernisme (Barcelona 1975);
 
El modernismo, hg. v. L. Litvak (Madrid 21981);
 R. Ferreres: Los límites del modernismo y del 98 (ebd. 21981).

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Mo|der|nịs|mus, der; -, ...men: 1. <o. Pl.> Bejahung des Modernen, Streben nach Modernität [in Kunst u. Literatur]. 2. (Sprachw., Stilk., Kunstwiss.) modernes Stilelement. 3. <o. Pl.> (zu Beginn des 20. Jh.s entstandene) Richtung in der katholischen Theologie, die sich bes. gegen die Beeinflussung des geistigen Lebens durch einen starren Kurialismus wendet.

Universal-Lexikon. 2012.