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Strauss
Strauss
 
1) Leo Philosoph, * Kirchhain 20. 9. 1899, ✝ Annapolis (Maryland) 18. 10. 1973; Schüler von E. Cassirer, E. Husserl und M. Heidegger; 1925-32 Mitarbeiter der Akademie für die Wissenschaft des Judentums in Berlin. Lebte seit 1938 in den USA, wo er bis 1949 an der »New School for Social Research« in New York lehrte; 1949-67 Professor für politische Philosophie in Chicago (Illinois), dann lehrte er am Saint John's College in Annapolis. Im Zentrum seines Werkes steht die Neubegründung der politischen Philosophie im Rückgang auf ihren sokratischen Ursprung. Philosophie versteht er dabei wesentlich als Versuch, unausgewiesene Meinung durch evidente Erkenntnis zu ersetzen. In eingehenden Auseinandersetzungen mit den Gründervätern der modernen Philosophie (u. a. T. Hobbes, N. Machiavelli) und deren Konfrontation antiker und moderner Denker wendet er sich damit zugleich kritisch gegen den Historismus. Strauss befasste sich auch mit theologischen Fragen.
 
Literatur:
 
Hauptwerke:
 
On tyranny (1948);
 
Persecution and the art of writing(1952);
 
Natural right and history (1953; dt. Naturrecht u. Gesch.);
 
Thoughts on Machiavelli (1958);
 
What is political philosophy? (1959);
 
The city and man (1964);
 
Liberalism ancient and modern (1968);
 
Xenophon's Socratic discourse (1970);
 
Ausgabe: Gesammelte Schriften, herausgegeben von Heinrich Meier, auf mehrere Bände berechnet (1996).
 
The argument and the action of Plato's laws (1975).
 
Heinrich Meier: Die Denkbewegung von L. S. Die Gesch. der Philosophie u. die Intention des Philosophen (1996);
 
Heinrich Meier: Carl Schmitt, L. S. u. »Der Begriff des Politischen« (Neuausg. 1998);
 
C. Kauffmann: L. S. zur Einf. (1997);
 
H. Bluhm: Die Ordnung der Ordnung. Das polit. Philosophieren von L. S. (2002).
 
 2) Richard, Komponist, * München 11. 6. 1864, ✝ Garmisch-Partenkirchen 8. 9. 1949; studierte 1882-83 Philosophie und Ästhetik an der Universität München und ging 1883 für ein Jahr nach Berlin. 1884 debütierte er als Dirigent ohne Probe mit seiner Bläser-Suite Opus 4. Daraufhin wurde er 1885 von H. von Bülow als 2. Kapellmeister nach Meiningen engagiert. Noch im gleichen Jahr übernahm er die Leitung der Kapelle und wurde herzoglicher Hofmusikdirektor. Hier lernte er J. Brahms und Alexander Ritter (* 1833, ✝ 1896) kennen, der ihm die Werke der neudeutschen Schule nahe brachte. 1886 wurde er 3. Kapellmeister der Münchner Oper, 1889 2. Kapellmeister in Weimar, 1894 2., 1896 1. Kapellmeister wieder in München, 1898 1. Kapellmeister der Berliner Oper (1908 Generalmusikdirektor), 1917-20 Professor für Komposition an der Berliner Akademie der Künste, 1919-24 neben F. Schalk Leiter der Wiener Staatsoper. Gastdirigate mit bedeutenden Orchestern und Liederabende mit seiner Frau, der Sängerin Pauline de Ahna (* 1862, ✝ 1950) führten ihn durch viele Länder Europas und nach Amerika. 1922 dirigierte er bei den Salzburger Festspielen, zu deren Gründungsmitgliedern er gehörte. Ab 1925 lebte Strauss als freischaffender Komponist und Dirigent wechselnd in Wien und Garmisch-Partenkirchen. 1933-35 war er Präsident der Reichsmusikkammer, geriet aber vorübergehend in Konflikt mit dem NS-Regime, als er sich für seinen Librettisten, den jüdischen Schriftsteller S. Zweig, einsetzte. Nach Kriegsende übersiedelte Strauss in die Schweiz (wohin ihm 1943 die Ausreise verwehrt worden war), kehrte aber 1949 nach Garmisch-Partenkirchen zurück.
 
Strauss ist einer der führenden Repräsentanten deutscher Musik um und nach 1900. Nach frühen Liedern, Kammermusik und Orchesterwerken kleinerer Besetzung, die stilistisch in der Brahms-Nachfolge stehen, fand Strauss ab 1886 in seinen Tondichtungen zu einer neuen, ausdrucksstarken, plastischen Musiksprache, die das Vorbild der sinfonischen Dichtungen F. Liszts produktiv weiterbildet. Das Orchester wurde für Strauss zum sprechenden, hoch differenzierten Medium, mit dem er die Bilder und Ideengehalte seiner literarischen oder philosophischen Vorlagen in allen Farben und Nuancen musikalisch umsetzte. Mitreißender klanglicher Elan (»Don Juan«), balladesker Humor (»Till Eulenspiegel«), Witz, Parodie, realistische Nachahmung (»Don Quixote«), tiefer philosophischer Ernst (»Tod und Verklärung«, »Also sprach Zarathustra«), liebevolle Naturschilderung (»Eine Alpensinfonie«) und biographische Selbstdarstellung (»Ein Heldenleben«, »Sinfonia domestica«) sind einige der wesentlichen, oft verblüffend treffenden inhaltlichen Züge dieser Werke. Ihnen stehen stets klare und bewusste Formkräfte gegenüber, z. B. frei erweiterte Sonaten- (»Don Juan«, »Tod und Verklärung«), Rondo- (»Till Eulenspiegel«) oder Variationsstrukturen (»Don Quixote«). Motivik, Klanglichkeit, Linearität (»Nervenkontrapunktik«) und Harmonik werden in ihrer Vielfalt bis an stilistische Grenzen geführt, jenseits derer die Neue Musik (A. Schönberg, I. Strawinsky) unmittelbar ansetzen konnte.
 
Ein zweites Schaffensgebiet für Strauss war die Bühnenkomposition, beginnend mit der Oper »Guntram«, die noch deutlich an R. Wagner orientiert ist. Mit »Salome« und »Elektra« fand Strauss zu einem ausgereift eigenen, wirkungsvollen Opernstil und gelangte auch hier an eine Grenze äußerster Expressivität, Dissonanzschärfung (bis zur Bitonalität), Leitmotivdichte, sprachgestische Prägnanz und musikdramatische Charakteristik. Auffällig ist der dann einsetzende Umschlag zu einer heiter-klangsinnlichen, deutlich tonaleren - zum Teil an Mozart orientierten - Gesangs- und Parlandooper (»Der Rosenkavalier«), zur klassizistischen Reduzierung der Mittel (»Ariadne auf Naxos«) oder zu einer träumerisch romantischen Mystik (»Die Frau ohne Schatten«). Wichtig für die bühnendramatische Gestaltung war für Strauss die lange und intensive Zusammenarbeit mit H. von Hofmannsthal.
 
Ein drittes Schaffensgebiet ist die Liedproduktion, mit der Strauss neben H. Wolf und H. Pfitzner zum Vollender des spätromantischen Kunstliedes wurde und das bei ihm (ähnlich wie bei G. Mahler) eine bedeutsame Erweiterung zum Orchesterlied erfuhr. Werke anderer Gattungen (Ballette, Kammermusik, Solokonzerte) spielen bei Strauss eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Er hat aber auch auf diesen Gebieten originelle und gültige Werke geschaffen.
 
Werke: Opern: Guntram (1894, Neufassung 1940); Feuersnot (1901); Salome (1905); Elektra (1909); Der Rosenkavalier (1911); Ariadne auf Naxos (1912; 2. Fassung 1916; 3. Fassung unter dem Titel »Der Bürger als Edelmann« 1918); Die Frau ohne Schatten (1919); Intermezzo (1924); Die ägyptische Helena (1928; revidiert 1933); Arabella (1933); Die schweigsame Frau (1935); Friedenstag (1938); Daphne (1938); Die Liebe der Danae (1940; Uraufführung 1952); Capriccio (1942).
 
Ballette: Josephslegende (1914); Schlagobers (1924).
 
Sinfonische Dichtungen: Aus Italien (1886); Don Juan (1889); Macbeth (1888; 1890); Tod und Verklärung (1889); Till Eulenspiegels lustige Streiche (1895); Also sprach Zarathustra (1896); Don Quixote (1897); Ein Heldenleben (1898); Sinfonia domestica (1904); Eine Alpensinfonie (1915).
 
Sonstige Orchesterwerke: Sinfonie f-Moll (1884); Burleske für Klavier und Orchester (1886); Festliches Präludium (1913); Panathenäenzug (1927); Japanische Festmusik (1940); Militärmärsche, Suiten, Divertimento (nach F. Couperin), Violinkonzert, Oboenkonzert, zwei Hornkonzerte, Duett-Concertino für Klarinette und Fagott mit Streichorchester.
 
Kammermusik: Streichquartett (1880); Sonaten für Violoncello (1883), für Violine (1887). - Klavierwerke, Chormusik, über 200 Klavier- und Orchesterlieder, Neubearbeitung der »Instrumentationslehre von Hector Berlioz«, 2 Bände (1905).
 
Literatur:
 
R. Specht: R. S. u. sein Werk, 2 Bde. (1921);
 W. Schuh: Über Opern von R. S. (Zürich 1947);
 W. Schuh: R. S. Jugend u. frühe Meisterjahre (ebd. 1976);
 R. Tenschert: R. S. u. Wien (Wien 1949);
 
R. S. Dokumente seines Lebens u. Schaffens, hg. v. F. Trenner (1954);
 E. Müller von Asow: R. S. Themat. Verz., fortgef. u. hg. v. A. Ott u. a., 3 Bde. (1959-74);
 W. Mann: Die Opern von R. S. (a. d. Engl., Neuausg. 1969);
 R. Hartmann: R. S. Die Bühnenwerke von der UA bis heute (1980);
 F. Trenner: R. S., Werkverz. (Wien 1985);
 G. Splitt: R. S. 1933-1935. Ästhetik u. Musikpolitik zu Beginn der natsoz. Herrschaft (1987);
 E. Krause: R. S. Gestalt u. Werk (Neuausg. 1988);
 J. Schaarwächter: R. S. u. die Sinfonie (1994);
 W. Werbeck: Die Tondichtungen von R. S. (1996).

Universal-Lexikon. 2012.